Erstes Buch
Die Stämme Kungtan, Erlat, Huschin, Kelkenut, Bajaut,
Suldus
Der Namen des Stammes Kungtan heisst die Grossnasichten,
was sowohl physisch als moralisch für stolz und anmassend
verstanden werden kann. Aus diesen und den folgenden Stämmen
der Erlat, Huschin und Suldus waren die bessten persönlichen
Freunde Tschengischan's, die werkthätigsten Helfer seiner
Jugend und seines männlichen Alters. Menglik Itschke, der
Kungtane, hatte nach Jisukai's Tode den dreizehnjährigen
Temudschin gepflegt, sein Sohn aus einer früheren Ehe, But
tanri, d. i. Gottes Ebenbild, trat als begeisterter Schamane
auf und verwandelte im Namen des Himmels den Namen
Temudschin's bei dessen Thronbesteigung in Tschengis, als
gleichbedeutend mit Gewaltiger, grosser Chan; der diesem
gewogenste Stamm waren die Erlat oder Arulad, d. i. die Guten,
als deren Chakan Tschengischan den Thron bestieg; aus diesem
Stamme war Bughurdschin Nujan, welcher mit Burghul Nujan, aus
dem Stamme der Huschin, der Lebensretter Temudschin's, als er
blutspeiend mitten im Schnee zu sterben Gefahr lief, wofür
beide im höchsten Ansehen stehend in der Folge als die
Waffengenossen, die ihm am Quell Baldschuna treu geblieben
waren, zu Tarchanen, d. i. Freiherren, geadelt, dieselbe Würde
ohne Diplom erhielten und über Diplome erhaben erklärt wurden;
auch den ganzen freundlichen Stamm der Kelkenut adelte
Tschengis als Freiherren, wie Kaiser Friedrich I. alle
Einwohner einer italienischen Stadt zu Conti erhob; aus dem
nicht minder freundlich gesinnten Stamme der Bajaut, welcher
in zwei Abtheilungen an der Selinga sass, war Böke Gurgan,
einer der Eidame Tschengischan's, dann Ongkus Keisat, d. i.
der Truchsess, ob der Plünderung der Schätze des chinesischen
Kaisers Altan Chan in der Folge verungnadet, und Surkan, der
betraute Rath Tschengischan's, der, als die Fürsten der
Tataren und Dschadscherat um die oberste Herrschaft der
Mongolen stritten, dasselbe dem Temudschin vorausgesagt.
Endlich der Stamm Suldus, verherrlicht durch die Familie
Surghan Schire's, des Retters Temudschin's, als dieser von
seinen Feinden, den Taidschuten, gefangen, mit dem Blocke am
Halse sich in einen Teich versteckte, so dass nur die Nase
über dem Wasser sichtbar. Die alte Frau Baidschu Ikadschi
hatte sich seiner in dieser Sklaverei erbarmt; aber wichtiger
war der Dienst, den ihm Surghan Schire erwies, indem er, des
Verborgenen gewahr, die ihn aufsuchenden Taidschuten vom
Teiche ableitete, Abends denselben hervorzog und in seinem
Hause in einem Sacke von Wolle verbarg; die Verfolger
durchsuchten das Haus und stiessen mit Spiessen in den
Wollsack; als sie ferne, gab ihm Surghan Schire Kleider,
Waffen, Mundvorrath und eine weisse Stute, auf welcher er
seiner Familie zueilte, die längst alle Hoffnung, ihn wieder
zu sehen, aufgegeben; sein vierter Sohn, Tuli, sagte schon
mehrere Tage hindurch: Mutter! der Vater kommt auf weisser
Stute; und desselben Ankunft bestätigte des Knaben zweites
Gesicht. Viele der Nachkommen Surghan Schire's kamen mit
Hulagu nach Persien, und von denselben stammt der berühmte
Emir Tschoban, der Feldherr unter Ghasan, Oldschaitu und Ebu
Said, der in des letzten Regierung so wichtige Rolle spielt,
und dessen Sohn Hasan der Gründer der Dynastie Tschoban,
welche, wie die der Ilkaane, sich aus den Trümmern des
ilchanischen Reichs in Iran erhob. Tschengischan zählte unter
den Stämmen der Durlegin mehrere Freunde als unter den
achtzehn der ihm nächstverwandten, von den lichtempfangenen
Söhnen von der neunten Ahnfrau abstammenden Nirunen, d. i. die
Reinen. Sein eigenes Haus hiess erst von seinem Ahnherrn
Kabulchan nur das der Kutat oder Kitad und von seinem Vater
Jisukai das der Kutat Burdschugin, d. i. die rothbräunlichten
Augen. Von diesen achtzehn Stämmen der Nirunen wollen wir hier
nur die vier mächtigsten, zwei freundliche, die Taidschut und
Dschadscherat, und zwei feindliche, die Barin und Jisut, zur
näheren Kenntniss einführen. |