Ilchane

Geschichte der Ilchane
das ist
der Mongolen in Persien

von

Hammer-Purgstall

mit neuen Beilagen und neuen Stammtafeln

Darmstadt. Druck und Verlag von Carl Wilhelm Leske. 1842.

Inhaltsverzeichnis

Erstes Buch

Perioden der Geschichte Tschengischan's.

Temudschin ward am 20. Silkide des fünfhundert neun und vierzigsten Jahrs der Hidschret, d. i. am 26. Jänner d. J. tausend hundert fünf und fünfzig der christlichen Zeitrechnung, im letzten Jahre des alttürkischen Thiercyclus, nämlich im Jahre des Schweines, geboren, und starb, zwei und siebzig Jahre alt, am vierten Ramasan d. J. d. H. 624, d. i. am 18. August 1227, nach dem sechsmal durchlaufenen zwölfjährigen Thiercyclus, abermal im Jahre des Schweines, ein ominoses Geburtsjahr für den Herrscher der mongolischen schweinischen Menge; nicht minder ominos, als dass Temudschin ein Stück geronnenes Blut fest in der Hand verschliessend zur Welt kam, die er mit Blut überschwemmen sollte. Von den ersten zwölf Jahren seines Lebens, in dessen dreizehntem er den Vater Jisukai verlor, weiss die Geschichte Nichts, als dass dieser ihm den Namen Temudschin von dem am Tage seiner Geburt besiegten und gefangen eingebrachten Fürsten gab; die übrigen sechzig Jahre seines Lebens zerfallen in die frühere kleinere Hälfte, welche sieben und zwanzig Jahre umfassend, von seinem dreizehnten bis an sein vierzigstes, und in die zweite grössere, welche von seinem vierzigsten bis zu seinem Tode zwei und dreissig Jahre füllt; von der ersten Hälfte, in welcher er den wiederholten Unbilden seiner Feinde ausgesetzt sich nur mühsam die Freiheit und Unabhängigkeit erkämpfte, kennt die Geschichte verhältnissmässig für die Zahl der Jahre nur wenige Begebenheiten, aber desto gellender und ohrenzerreissender durchschmettert sein Namen in den folgenden zwei und dreissig Jahren die Welt. Der grosse Geschichtschreiber Reschideddin hat die Geschichte des Lebens und der Herrschaft Tschengischan's von seinem dreizehnten Jahre bis in dessen drei und siebzigstes eben so pragmatisch als lichtvoll in fünf Perioden, die erste von dreimal neun, die zweite von neun, die dritte und vierte von sieben, die fünfte abermal von neun Jahren eingetheilt. In der ersten Periode tritt er als Sieger der Taidschut, deren Gefangene in siebzig Kesseln gesotten worden, auf; schon wider seinen persönlichen Feind, Dschamuka, den Fürsten der Dschadscherat, kämpfend, von denen sich jedoch ein Theil ihm unterwirft, sowie die Stämme Suldus, Jisut und Barin, deren Emire sich seinem Dienste anreihen. Die Gelegenheit eines Festes führt einen Streit mit dem Vetter Sedschebegi, dem Fürsten des nahverwandten Stammes der Kijat Burkin, herbei, der nun Temudschin gegenüber als Bewerber um die oberste Herrschaft auftritt; aber diesen Abfall vergütet der Sieg über die Tungkait, einen Zweig eines wider seinen Fürsten Owangchan, welchem Temudschin Hilfe leistet, empörten keraitischen Stammes. In der zweiten Periode erscheint Temudschin als Verbündeter Owangchan's, des Fürsten der Kerait, wider die ihnen beiden feindlichen Stämme der Naiman Merkit und Tataren; nach Besiegung derselben unterwirft sich der mächtige Stamm der Konghurat der Herrschaft Temudschin's, und er besteigt den Thron als Herr der Mongolen in seinem siebenmal siebenten Jahre. Verschmähte Brautwerbung und Dschamuka's Ränke führen den Krieg mit Owangchan herbei, von welchem Temudschin zwar am Quell Baldschuna geschlagen, in der Folge denselben, sowie die Naiman und Merkit oder Tangut, besiegt, worauf ihm die Uighuren, Kirgisen, huldigen, und er als Herrscher aller Mongolen die neungipflige Fahne mit neun weissen Rossschweifen aufgepflanzt, und den Namen Temudschin in Tchengis, d. i. starker, grosser, gewaltiger Herrscher, verwandelt. Die folgende Periode füllt der siebenjährige chinesische Krieg und die letzten neun Jahre seines Lebens die Feldzüge wider Chuaresmschah's über ganz Vorderasien verbreitete Macht in Transoxana, Chuaresm, Chorasan, Iran und Kipdschak, theils in eigner Person, theils durch seine Söhne und Feldherren, zuletzt die vierte wider Tangkut, wo er seinen Lauf als Eroberer beschliesst. Gibbon hat diese Eroberungen nach den vier Weltgegenden, im Norden, Süden, Osten und Westen, überblickt. Da die Geschichte Tschengischan's zu schreiben und blos die Eroberungen aufzuzählen, hier nicht unser Zweck, so beleuchten wir die grosse historische Figur Tschengischan's von vier Seiten, zuerst in seiner Familie als Menschen, dann gegenüber seinen Feinden als Sieger und Eroberer, hierauf als Staatsmann und Gesetzgeber, und endlich in dem Ueberblicke seiner Heeresmacht und letzten Anordnungen als den Gewaltigen im eigentlichsten Sinne des Worts.

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