Erstes Buch
Türken, Tataren und Mongolen
Das älteste der Völker, welche die Geschichte in Hochasien
als Herrscher kennt, sind unstreitig die Türken, deren (der
chinesischen Quellen zu geschweigen) die byzantinischen schon
in der Hälfte des sechsten Jahrhunderts der christlichen
Zeitrechnung erwähnen, wo die griechischen Kaiser mit dem
Chane der Türken am Altai, d. i. dem Goldberge, durch
Gesandtschaften verkehrten, d. i. schon sechs Jahrhunderte
früher, als in der Hälfte des zwölften die Tataren und
Mongolen durch Tschengischan in Europa geschichtlichen Namen
erhielten. Die Geschlechtsregister der letzten sind
augenscheinlich türkischen eingepfropft, um dunkeln Ursprung
der Väter durch berühmte Altvordern zu adeln und ihr
Geschlecht hinaufzuführen bis Türk, den Sohn Japhet's, den
gemeinsamen Ahnherrn von Tatarchan und Mogolchan, die
angeblichen Stammväter der Tataren und Mongolen. Der Namen der
letzten taucht erst unter Tschengischan mit Gewissheit auf, da
es nicht ausgemacht, ob die ältern Moho der Chinesen eben so
gewiss Mongolen, als ihre Tata Tataren; wie aber Türken und
Tataren ganz verschiedenen Stammes, indem jenen der Namen von
diesen nur durch Missbrauch beigelegt worden, und noch
beigelegt wird, so sind Tataren und Mongolen ursprünglich ein
und dasselbe Volk, jenes der ältere unterjochte, dieses der
jüngere unterjochende Zweig. Die Türken sind vom östlichen
Altai, die Tataren vom Baikalsee ausgezogen, die Mongolen am
westlichen Kentei, von den Quellen des Onon und Kerulon, wo im
bewaldeten Gebirge Burhan Kaldun die Geburts- und Grabstätte
Tschengischan's. Nachdem Tschengischan die ihm feindlichen
Stämme der Tataren und ihre Verbündeten vernichtet oder
unterjocht, nachdem seine Herrschaft durch Sieg und Eroberung
von den Ufern des vaterländischen Sees Dalai Nor bis an die
des persischen Sees von Meragha über siebzig Längengrade
ausgedehnt war, buhlten die unterjochten Völker um die Ehre,
dem siegenden und erobernden, dem gesetzgebenden und
herrschenden anzugehören; Türken und Tataren zählten sich nun
den Mongolen bei, wie diese in ihren Stammregistern sich
früher den Türken angeschlossen, wiewohl beide durch die nicht
zu überspringende Kluft von verschiedener Sprache und
Gesichtsbildung von einander scharf getrennt. Tataren wollten
Mongolen, Türken Tataren heissen; hingegen protestirten die
Mongolen wider den Namen von Tataren, wie noch heute die
Osmanen wider den von Türken. Die Eitelkeit, altem Geschlechte
anzugehören, und Adelstolz (derselbe bei Völkern, wie bei
Individuen), bringt durch Ahnen- und Namen-Vermengung in die
Stammtafeln von beiden nur Irrthum und Verwirrung. Eben so
richtig als lichtvoll ordnet der grosse Geschichtschreiber der
Mongolen, Reschideddin, Anfangs seines Werkes eine Centurie
von Stämmen, welche zu seiner Zeit alle auf den Ehrennamen von
Mongolen Anspruch machten, ausser den Türken (denen er die
Uighuren der Sprache nach beigezählt) in drei Klassen, nämlich
in Tataren (desselben Stammes und derselben Sprache, wie die
Mongolen), welche ursprünglich den Namen von Mongolen nicht
führten; zweitens in Völker verschiedenen Ursprungs, welche,
weder Tataren noch Mongolen, den Namen der letzten der
Aehnlichkeit wegen annahmen, wie die Turkmanen den der Türken,
und die daher am bessten Mogolmanen genannt würden, weil sie
an die Mongolen mahnen, wie jene an die Türken; drittens in
die eigentlichen Mongolen, welche wieder in zwei Abtheilungen
zerfallen, nämlich in die Mongolen Durlegin, der neun
Geschlechter vor Alankowa, der neunten Ahnfrau Tschengischan's,
und die Mongolen Nirun, deren Stammväter alle aber Nachkommen
Alankowa's. Es ist nöthig, den Leser wenigstens mit einem
Viertel der Centurie von Stämmen, die zur Zeit Reschideddin's,
d. i. Anfangs des vierzehnten Jahrhunderts, bestanden, bekannt
zu machen, mit denen nämlich, welche ihre Berühmtheit vor
anderen entweder ihren Helden und Frauen, ihrer Freundschaft
für oder ihrer Feindschaft gegen Tschengischan, ihrer
Opposition oder Verschwägerung mit dessen Hause danken. |