Das Problem des Todes
Eine weitere wesentliche Frage, die sich aufdrängt, wenn
wir über unser Dasein und die Gerechtigkeit Gottes nachdenken,
ist der Tod. Wenn Gott gerecht ist, wie kann dann der Tod
unser entwickeltes und geläutertes 'Ich' nach der langen und
mühsamen Schule unseres Lebens zerstören?
Die Antwort lautet: Er tut es ja nicht. Gründe dafür gibt
es einige, vor allem: Durch alle Seine Propheten hat Gott uns
gesagt, dass der Tod nicht das Ende der Geschichte unseres
Lebens ist. Da ich voraussetze, dass Sie an Gott glauben, ist
dieser Beweis ganz wesentlich. (Sie wissen, dass sich das
Problem des Bösen oder des Leids erst stellt, wenn man
voraussetzt oder weiß, dass Gott existiert). Es gibt viele
Möglichkeiten, unser Leben nach dem Tode zu beweisen.
Abgesehen von experimentellen Beweisen wie Telepathie, zweites
Gesicht, Träume und Verbindung mit den Toten gibt es viele
ganz rationelle, wie der Beweis, der auf der Grundlage von
Wunsch und Erfüllung argumentiert.
Für jeden Wunsch in uns gibt es etwas in der Welt, das ihn
befriedigen, erfüllen will. Unser Durst kann vom Wasser
gestillt werden, unser Hunger mit Nahrung, unsere Liebe mit
dem Geliebten. Sexuelle Wünsche erfüllen sich durch das andere
Geschlecht. Unser Wunsch nach Wissen wird durch Wissen
befriedigt. So ist jeder Wunsch und jede Fähigkeit ein Beweis
dafür, dass es eine Vollkommenheit gibt, auf die unsere Wünsche
ausgerichtet sind. Diese Vollkommenheit ist das Ziel all
unserer Wünsche. Wir haben also dieses mächtige Verlangen in
uns, vor allem das Verlangen, ewig zu sein. Wenn wir ein wenig
in uns hineinhorchen, können wir feststellen, daß jeder von
uns den Wunsch hat, für immer von dem zu wissen, was im
Weltall vor sich geht. Welche Phase aber oder was kann diesen
Wunsch befriedigen? Nichts von allem, was wir in unserem
Umfeld sehen, weder materiell noch psychologisch. Ist das
nicht der Beweis, dass es ein Leben nach dem Tode gibt, wo
unser Wunsch nach Ewigkeit Erfüllung finden wird? Rumi macht
das an einem wunderschönen Gleichnis klar: "Nur ein Elefant
träumt von Indien, wenn er schläft. Kein Esel träumt von
Indien, weil dem Esel Indien nie gefehlt hat."22 Tatsächlich
sind wir wie jener Elefant, und die Ewigkeit ist unser Indien.
Der Elefant gehört nach Indien, und darum träumt er davon.
Entsprechend, weil wir davon träumen, gehören wir in die
Ewigkeit.
Diese Hoffnungen und spirituellen Wünsche sind das, was die
Gnostiker die 'Non-Homogenität', also die Fremdheit und
'Unbehaustheit'. das 'Heimweh' des Menschen in diesem
irdischen Leben, genannt haben.
Aristoteles wurde gefragt, was besser sei, Leben oder Tod.
Er antwortete: "In meinen Augen sind sie gleich." Der Mann
fragte noch einmal: "Möchtest du jetzt sterben?" Aristoteles
gab zur Antwort: "Ich habe gesagt, sie sind gleich, ich habe
nicht gesagt, der Tod wäre besser. Denn er ist ein Licht, das
du von einem Haus in das andere bringst."
Unser Zustand nach dem Tode ist nichts anderes als die
Umsetzung unserer Handlungen in objektiver und konkreter Form.
Um es noch deutlicher zu sagen: Wir "sehen" dann unsere
Handlungen. Rumi kann uns wieder helfen: "Der Tod, lieber
Freund, ist für jeden wie er selbst. Für einen Freund ist er
ein Freund und für einen Feind ein Feind. O du, der vor dem
Tode Angst hat, während du davonläufst, mache dir klar, dass du
selber die Ursache dieser Angst bist. Es ist dein eigenes
hässliches Antlitz, nicht das des Todes. Deine Seele ist wie
ein Baum, und seine Blätter, das ist der Tod. Wenn du der
Dornen überdrüssig bist, musst du sie veredeln; und wenn du in
feinster Seide gehst, so hast du selbst sie gesponnen."23
"Sprich: Siehe, der Tod vor dem ihr flieht, siehe, er wird
euch einholen. Alsdann müsst Ihr zurück zu Dem, der das
Verborgene und Sichtbare kennt, und verkünden wird Er euch,
was ihr getan." (Heiliger Qur'an 62:8)
"O Allah,
gib uns einen Tod,
dass wir sterben
auf Deinem Pfad."