Ordnung des Daseins
Es gibt zwei Ordnungen in den Lebewesen und Dingen der
Welt. Wir könnten sie Längsordnung und Diagonalordnung
(Transversale) nennen. Die Längsordnung ist der Platz der
Dinge in der Kette von Ursache und Wirkung innerhalb der
Schöpfung. In der Sprache des Glaubens: die Engel, das Buch
Allahs (Qur'an), die das Maß Verkürzenden, die Feder und so
fort, alle zeigen eine gewisse Ordnung, eine Reihenfolge oder
Anordnung im Dasein. Diese Ordnung ist nicht formal, aber
notwendig. Denn in dieser Ordnung kann sich die Flamme eines
Streichholzes nicht mit der Sonne messen, und die Umwandlung
von etwas, was möglich ist in etwas Notwendiges ist nicht
denkbar. Eine Ursache kann ihren Platz nicht mit ihrer eignen
Wirkung tauschen - nicht zur selben Zeit und am selben Ort.
Alle Fehler, die wir machen (mit der Frage), warum dies nicht
anstelle von dem hätte sein können, oder warum etwas
Unvollkommenes nicht etwas Vollkommenem Platz machen kann,
kommen daher, dass wir die notwendige und essentielle
Beziehung der Dinge zueinander nicht verstanden haben. Wir
vergleichen die existenzielle Ordnung mit konventionellen
Ordnungen und sozialen Strukturen. Wir denken, wenn wir einen
Unternehmer mit seinem Arbeiter austauschen können oder einen
Gutsherrn mit einem Bauern, warum könnte dann nicht ein Schaf
ein Mensch gewesen sein. Wenn die ausgebeuteten Arbeiter und
das Proletariat im Klassenkampf und festem Glauben die reichen
Ausbeuter besiegen und an deren Stelle treten können, warum
hätte dann Gott nicht aus einem Lahmen einen kraftstrotzenden
Athleten machen können. Das ist unmöglich, denn dass die
Ursache eine Ursache und die Wirkung eben Wirkung ist, ist
weder konventionell noch formal. Wenn 'A' die Ursache von 'B'
ist, dann deshalb, weil es in der Natur von 'A' etwas gibt,
das es zur Ursache gemacht hat. Ebenso hat die besondere
Eigenart (Spezifikation) von 'B' es mit 'A' in Verbindung
gebracht, und diese Spezifikation ist nichts anderes als eben
die Eigenschaften, durch die 'B' existiert. Diese besonderen
Eigenschaften sind real und nicht konventionell oder
umwandelbar. Nehmen Sie die Zahl 5. Sie kommt nach der 4 und
vor der 6. Man kann 5 nicht irgendwo sonst hinsetzen, ohne
dass es seine Identität verliert. Wenn Sie es, sagen wir, vor
die 4 setzen, wird es zu einer 3, auch wenn Sie es 5 nennen.
Sie können die Realität oder Identität von 3 nicht ändern,
indem Sie den Namen ändern.
Zwischen allen Geschöpfen des Universums besteht eine so
tiefe und existentielle Ordnung. Wenn Sie irgendetwas von
seinem existentiellen also ursprünglichen Platz fortnehmen,
wird es seine Substanz verlieren und nicht mehr dasselbe sein.
Wenn Sie einem Dreieck vier Seiten geben statt drei, ist es
kein Dreieck mehr: Tatsächlich ist es dann ein Viereck. Bei
Ibn Sina (Avicenna) findet sich dazu ein schöner Ausspruch. Er
sagte: "Gott hat nicht aus Aprikosen Aprikosen gemacht,
sondern Er hat Aprikosen erschaffen." Das soll heißen, dass es
keine Entwicklungsstufe gab, in der alle Früchte gleich waren,
und dann machte Gott Unterschiede zwischen ihnen. Jede Frucht
ist einmalig und einzig. Diese Einzigartigkeit ist ebenso auf
unterschiedliche Wesen und Personen anwendbar. Im Qur'an heißt
es:
"... Unser Herr ist Der, welcher jedem Ding seine Natur
gegeben hat und es leitet." (Heiliger Qur’an 20:50)
An anderer Stelle heißt es:
"Unser Wort zu einem Ding, so wir es wollen, ist nur,
daß Wir zu ihm sprechen: "Sei!" und so ist es." 9 (Heiliger
Qur’an 16:40)
Lassen Sie uns nun zur Diagonalordnung übergehen: Die
diagonale oder transversale Ordnung bestimmt die zeitlichen
und materiellen Voraussetzungen eines Phänomens. Und eben
diese Ordnung gibt der Geschichte eine definitive und
bestimmte Form. Der Qur'an spricht von dieser Ordnung des
Daseins so:
"... und nimmer findest du in Allahs Brauch einen
Wandel." (33:62)
Einige dieser deterministischen Gesetze werden im Qur'an
erwähnt, wie dieses Gesetz:
"Siehe, Allah verändert nicht die Lage eines Volkes,
bevor es nicht selbst seine eigene Lage ändert." (Heiliger
Qur’an 13:11)
Ein wunderbarer Satz aus einem wunderbaren Buch.
Fassen wir nun diesen Abschnitt zusammen:
Das Universum hat Ordnungen und notwendige Gesetze, und
jedes Phänomen befindet sich innerhalb dieses Systems. Auch
unsere Freiheit ist in Harmonie mit diesem System.
Damit das Universum eine Ordnung haben kann, muss es
Unterschiede geben und Entwicklungsphasen; und darin liegt die
Ursache der Unvollkommenheiten.
Unterschiede werden nicht erschaffen. Sie sind ein
notwendiges Merkmal der Geschöpfe, und Gott hat zwischen den
Geschöpfen keinen Unterschied gemacht (Er kennt keine
Bevorzugung oder Benachteiligung).
Was gegen die Gerechtigkeit geht, ist Diskriminierung, und
nicht Unterscheidung. Im Universum gibt es Unterschiede, nicht
aber Diskriminierung.
Nachdem wir nun diesen Abschnitt verstanden haben, wollen
wir uns dem Segen (oder Nutzen) des Leids für den Menschen
wieder zuwenden.