Javad Shayvard

Göttliche Gerechtigkeit

oder
Das Problem des Bösen

Javad Shayvard

 

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Segen und Sinn des Leids

Nur durch Leid und mancherlei Not kann der Mensch wahres Glück und Wohlergehen erlangen. Der Heilige Qur'an sagt:

"... Drum siehe: Mit dem Schweren kommt das Leichte. Und wenn du Zeit hast, dann mühe dich weiter, und trachte nach deinem Herrn." (94:5-8)

Hegel sagt: "Kämpfe und Widrigkeiten ('Leid', um genau zu sein) sind keine bloße Einbildung: Sie sind sehr real, und mit offenen Augen angenommen, sind sie Stufen der Entwicklung hin zum Guten. Kampf ist das Gesetz des Fortschritts. Die menschlichen Eigenschaften entwickeln sich nach und nach und bilden sich erst auf dem Schlachtfeld und im Getümmel dieser Welt, und nur durch Not, Verantwortung und Kummer kann man zu hoher Vollkommenheit gelangen. Das Leben dient nicht der Befriedigung, sondern der Entwicklung (Evolution)."

Ali Ibn Abi Talib (a.s.) schrieb in einem seiner Briefe an Osman ibn Hanif, seinen Statthalter in Basra, daß ein Leben in Bequemlichkeit und Luxus, in dem alle Schwierigkeiten aus dem Wege geräumt sind, in Schwäche und Kraftlosigkeit endet, während ein Leben unter harten Bedingungen einen Mann kraftvoll und wendig macht und sein Wesen zu immer größerer Vollkommenheit wandelt. Er macht ihm - Osman - in dem Brief auch Vorwürfe, weil er mit den Reichen gegessen habe, die keinem Armen erlaubten, an jenem Abend dabei zu sein. Dann nennt er das Beispiel der Bäume in Wäldern und Gärten. Obwohl die Bäume im Garten regelmäßig und mit großer Sorgfalt gepflegt werden, hat doch der Baum im Wald, auf den man kaum achtet, die bessere Qualität.

Und darum gilt: Wenn Gott voll Güte ist zu einem Menschen, dann schickt Er ihm Not und Leid. (Genau das Gegenteil von dem, was die meisten Menschen annehmen). Imam Muhammad Baqir (a.s.) hat gesagt: "Allah hilft, dem, der an Ihn glaubt, und schickt ihm Not und Leid wie Geschenke, die ein Mann seiner Familie schick." Imam Ja'far as-Sadiq hat gesagt: "Wenn Allah Seinen Knecht liebt, ertränkt Er ihn im Meer des Leids. "

Wie ein Schwimmlehrer, der seinen neuen Schüler ins Wasser wirft, damit er kämpft und schwimmen lernt, ebenso macht es Allah mit denen, die Er liebt. Wenn jemand ein Leben lang alles über das Schwimmen liest, wird er doch nicht lernen, wie man schwimmt. "Das schwerste Leben hatten zuerst Propheten, dann die, die ihnen in der Vollkommenheit (Tugend) gefolgt sind." Sa'di aus Shiraz sagt: "Sa'di hat sein ganzes Leben in Bitterkeit verbracht, damit euch sein Name süß und voll Wohlklang ist, wenn ihr ihn hört."

Den erzieherischen Aspekt des Leids sehen wir bei Rumi, dem großen moslemischen Philosophen und Dichter des 13. Jahrhunderts, der das mit diesem Gleichnis eindringlich erklärt: "Sie streuten Samen in die Erde; dann kamen Halme heraus. Darauf wurde es in der Mühle gemahlen; in Brotform wurde es größer und nützlicher. Dann haben die Zähne das Brot zerkaut und, nach der Verdauung wurde es Geist und sinnvoller Gedanke. Und wiederum: Als dann Liebe den Geist verwirrte und bestürzte - was war das für eine überraschende Entwicklung und Veredelung!"

Ein weiterer allgemeiner Standpunkt, den wir hier erwähnen sollten, ist: Gegensätze erzeugen Gegensätze. Sein und Nichtsein, Leben und Tod, Fortdauer und Unbeständigkeit, Jugend und Alter sind miteinander verbunden. Diese Dialektik ist das Naturgesetz dieser Welt. Sa'di hat gesagt: "Schatz und Schlange und Blume und Dorn und Sorge und Glück kommen zusammen." Rumi kann diesen Punkt wieder ganz und klar machen, wenn er sagt: "Not kann den Schatz bringen und Glück liegt in der Not. Wenn man die Schale abschält, liegt der Kern frisch und rein frei. O Bruder! Dunkle und kalte Orte, mit der Sorge kämpfen, sich wehren gegen Trägheit und Schmerz - das ist Quelle das Lebens und (geistiger) Trunkenheit; denn alles Große liegt im Geringen." Wenn wir also wahre Glückseligkeit erlangen wollen, müssen wir durch alle schweren Phasen hindurch. In der Tat, große Männer haben Folter, Armut, Gefangenschaft, Entbehrung und selbst den Tod erlitten, und gerade darum sind sie groß geworden.

Wir wollen diesen Abschnitt beschließen mit einem Ausspruch von Mulla Sadra: "Gäbe es nicht den Widerspruch im Leben (des Universums), so wären die fortdauernden Segnungen (Gnadengaben) des barmherzigen Gottes nicht möglich gewesen."

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