Der lebendige Gott
Ein Wesen, das Vernunft, Begabung und
einen Willen besitzt, ist auch lebendig und zwar auf
hochentwickelter Existenzstufe. Daher wird oft “bewusstes
Bemühen“ als Zeichen von Leben gesehen, beim Einzelnen wie in
der Gesellschaft. Fragt man sich, welches Volk “lebendiger“
ist, so ist dies anhand der Werke und dem “bewussten Bemühen“
eines jeden Volkes zu ermessen. Unter allen Lebewesen lebt der
Mensch auf höchster Entwicklungsstufe, kann er stärker als
jedes andere Wesen durch “bewusstes Bemühen“ auf sein Leben
einwirken.
Dasjenige Wesen nun, dessen “bewusstes
Bemühen“ in höchstem Maß erfolgt und besser ist als jedes
andere Wesen, ist Gott. Daher ist Gott lebendig und zwar auf
höchster Stufe von Leben, Er ist absolutes Leben und ebenso
absolut lebend.
„Er ist der Ewiglebende!“
(Heiliger Qur´an 40:65)
den niemals der Tod befällt,
„Und vertraue auf den Lebendigen, Der
nicht stirbt und erhebe Seine Herrlichkeit in Lobpreisung...“
(Heiliger Qur´an 25:58).
Er ist immer “wach“ und ermüdet nie:
„Allah - es gibt keinen Gott außer
Ihm, dem Lebendigen, dem aus Sich Selbst Seienden und
allerhaltenden Schlummer ergreift Ihn nicht noch Schlaf...“
(Heiliger Qur´an 2:255 siehe auch 3:2).
Das in diesem Vers verwendete Wort
“qayyum“ hat die selbe Wortwurzel wie “qiyam“ in der Bedeutung
von “aufstehen“, “aufrecht sein“. “Qa’im“ ist Partizip Präsens
und bedeutet “stehend“ und “aufrecht“, daher heißt “qayyum“,
die intensive Form des Partizips Aktivs, dementsprechend
“gerade aufrecht“ oder “ewig aufrecht“. Interpreten haben sich
über diese Eigenschaft Gottes im Heiligen Qur´an
unterschiedlich geäußert:
Tabarsi
schreibt in seinem Werk “Madschma-ul-Bayan“: “Qayyum
bedeutet, dass Er sich der Instandhaltung der Schöpfung
widmet, sei es, indem Er zu Beginn die Geschöpfe schuf oder
dass Er sie mit dem Nötigen versorgt;“ auch an anderer
Stelle heißt es ähnlich: „Es lässt sich kein Wesen auf
dieser Erde finden, es sei denn, dass dessen Unterhalt Gott
obliegt. Von Qatada wird überliefert, dass er “qayyum“ als
„über alle Angelegenheiten Wissender“ verstanden sehen
will. Said ibn Chabir und Zahak interpretieren “qayyum“ in der
Bedeutung von „ewig existent“, Hasan Basri als „über
alle Köpfe Stehender/Wachender“. Das Wort kann für alle
drei Bedeutungen stehen...“
In philosophischen Abhandlungen wird
“qayyum“ folgendermaßen interpretiert: Was auf eigenen Füßen
steht und dessen Existenz von nirgendwo anders entnommen ist,
anderen Leben schenkt und sie am Leben hält - wir sind
aufrecht [qaim] (am Leben) durch Dich wie Du aufrecht [qaim]
(am Leben) bist durch Dich.
Sadr al-Muta'allihin hat sich eben dieser
Auslegung angeschlossen und ausführlich dazu Stellung
genommen: „“Qayyum“ ist derjenige, der so sehr aufrecht am
Leben ist, dass Er ebenso das am Lebensein anderer Wesen
bedingt.“
Sayyid Qutb schreibt zu “qayyum“: „Was
nicht nur die Wesen geschaffen hat, sondern auch sie am Leben
erhält.“
Allama Tabatabai schreibt in “Al-Mizan“
(2:347,348) so ähnlich wie es von Tabarsi von Qatada zitiert
wird.
Meiner Meinung nach wird aufgrund des
nachfolgenden Verses (2:255) die Übersetzung „immer
aufrecht/immer wachsam“ dem Wort “qayyum“ am besten gerecht.
“Qayyum“ vervollständigt und ergänzt gleichsam die Eigenschaft
des “Lebendigen“.
Wie wir wissen, benötigen alle lebenden
Wesen auf dieser Erde Schlaf zum Leben. Der Schlaf geht im
Allgemeinen mit dem Erschlaffen der körperlichen und geistigen
Kräfte einher. Er dient der Erneuerung der Kräfte. Im Schlaf
befindet sich ein Teil der Kräfte, besonders die der
sinnlichen Wahrnehmung und der motorischen Bewegung, im
Ruhestand. Der Heilige Qur´an sagt, Gott ist ein absolut
Lebendiger, in dessen Wissen nicht das geringste Anzeichen von
Ermüdung eintritt:
„... Schlummer ergreift Ihn nicht,
noch Schlaf. Sein ist, was in den Himmeln und was auf Erden
ist. Wer ist es, der bei Ihm fürbitten will, es sei denn mit
Seiner Erlaubnis? Er weiß, was vor ihnen ist und was hinter
ihnen; und sie begreifen nichts von Seinem Wissen, außer was
Ihm gefällt. Sein Wissen umfasst die Himmel und die Erde; und
ihre Erhaltung beschwert Ihn nicht; und Er ist der Erhabene,
der Große.“
(Heiliger Qur´an 2:255)
Die Verse 2:117, 3:47, 16:40, 19:35 und
40:68 enthalten ähnliche Aussagen.
Im oben genannten Vers liegt der
Hauptakzent auf dem allumfassenden Wissen und Seiner Macht,
die Zeichen Seiner ewigen Wachsamkeit sind.