Ist Gott überall?
Im Heiligen Qur´an gibt es Verse, die auf
diese Frage eine positive Antwort zu geben scheinen und auch
bei theologischen Diskussionen hört man gelegentlich: „Gott
ist nirgends und überall.“
In der Sure 57, Vers 4 heißt es:
„... Und Er ist mit euch, wo immer ihr
sein möget ...“
(Heiliger Qur´an 57:4)
Manche, wollen diesem und ähnlichen
Versen entnehmen, dass Gott überall ist. Aber befasst man sich
eingehender mit den entsprechenden Stellen, wird man diese
Auslegung revidieren müssen. Im Heiligen Qur´an wird an vielen
Stellen Gottes Gegenwart im Zusammenhang mit einer bestimmten
Gruppe von Menschen erwähnt. In der Sure 5, Vers 12 z.B. wird
den Gläubigen Gottes Schutz zugesichert:
„...Gedenket der Gnade Allahs über
euch, als ein Volk die Hände nach euch auszustrecken
trachtete. Er aber hielt ihre Hände von euch zurück. Und
fürchtet Allah; auf Allah sollen die Gläubigen vertrauen.“
(Heiliger Qur´an 5:11)
In der Sure 20, Vers 46 erfahren wir,
dass Gott Moses und seinen Bruder auffordert, zum tyrannischen
Pharao zu gehen. Und als sie Ihm ihre Angst vor dem Tyrannen
eingestehen, „sprach Er: „Fürchtet euch nicht; denn Ich bin
mit euch beiden. Ich höre und Ich sehe“.“ (Siehe dazu auch
unter anderem Heiliger Qur´an 8:12, 47:35, 2:153, 16:128,
9:36)
In den Versen 4:108 und 58:7 lesen wir,
dass „Allah alle Dinge weiß“ und „allweise,
allwissend ist“:
„Sie verbergen sich vor den Menschen;
verbergen sich jedoch nicht vor Allah, wo Er doch bei ihnen
ist, wenn sie Worte aushecken, womit Er nicht zufrieden ist.
Allah umfasst, was sie tun.“ (Heiliger Qur´an 4:108)
Auch der folgende Vers will Gottes
Allweisheit und Allgegenwart zum Ausdruck bringen:
„Er ist es, Der die Himmel und die
Erde erschuf in sechs Zeiten, dann setzte Er Sich auf den
Thron. Er weiß, was in die Erde eingeht und was aus ihr
hervorkommt, was vom Himmel niederkommt und was zu ihm
aufsteigt. Und Er ist mit euch, wo immer ihr sein mögt. Und
Allah sieht alles, was ihr tut.“
(Heiliger Qur´an 57:4)
Dennoch stoßen wir in der
Philosophiegeschichte des Islam auf Personen und Gruppen, die
die obigen Verse anders interpretieren und anhand
verschiedener Verse glauben zur Überzeugung gelangen zu
können, dass der Heilige Qur´an sehr wohl von einem
pantheistischen Monismus spricht. Das heißt sie ziehen daraus
den Schluss, dass Gott eben jene Gesamtheit aller Wesen dieser
Welt darstellt und jedes Wesen gleichsam ein Teil von Ihm ist.
Die Verse, auf die Bezug genommen wird, sind unter anderem:
„... Und Er ist mit euch, wo immer ihr
sein möget ...“
(Heiliger Qur´an 57:4)
oder
„... wisset, dass Allah zwischen einen
Menschen und sein Herz tritt ...“ (Heiliger Qur´an 8:24)
oder
„... Wir sind ihm näher als die
Halsschlagader.“
(Heiliger Qur´an 50:16)
oder
„Wohin ihr euch immer wendet, dort ist
Allahs Angesicht ...“
(Heiliger Qur´an 2:115)
Nicht aus dem Zusammenhang herausgerissen
und im Rahmen des Kontexts lassen die Verse jedoch eine andere
Auslegung zu: Die obige Stelle in Sure 57 will auf die
Allgegenwart Gottes hinweisen, dass Er immer zur Stelle ist,
wenn wir Ihn brauchen; die Verse in den Suren 8 und 50 wollen
Gottes Kenntnisse auf das Sichtbare und das Verborgene
aufmerksam machen und der letzte aufgeführte Vers ist sicher
als ein Hinweis darauf zu verstehen, dass der Gott der
“Al-Aqsa-Moschee“ und der Gott der Kaaba ein- und derselbe
ist. Wenn Gott jetzt gebietet, die Gebetsrichtung von
Jerusalem nach Mekka zu verlegen, geschehe dies darum, der
Eigenständigkeit des Islam Nachdruck zu verleihen und die
Unabhängigkeit Prophet Muhammads (s.) von den Juden zu
betonen.
Für die Gelehrten steht außer Frage, dass
Gott über dem steht, dass man Ihm einen Ort zuordnen wolle. Er
ist weder im Himmel, noch auf Erden und noch überall.