Gott und die Welt

Gott und die Welt

 Ayatollah Beheschti

Tauhid im Gehorsam

Aus qur´anischer Sicht gibt es zum einen den absoluten Gehorsam, die bedingungslose Hingabe gegenüber den religiösen Geboten. Nach dem Heiligen Qur´an stellt dieser Gehorsam die eigentliche „Dienerschaft“ („ubudijah“) dar. Zum anderen gibt es den Gehorsam Menschen gegenüber, die als natürliche Autoritäten zurecht über uns stehen und deren Befehle wir aus der Überzeugung heraus befolgen, dass jene das Beste für uns oder die Gemeinschaft wollen oder aufgrund aufrichtiger emotionaler Verbundenheit zu ihnen. Gemeint ist zum Beispiel der Gehorsam gegenüber dem Propheten (s.), den Imamen (a.) oder deren Stellvertretern oder der Gehorsam gegenüber den Eltern. Allerdings wird erst dann der jeweilige Gehorsam zur Pflicht, wenn sich die Person, der es zu gehorchen gilt, an die Gerechtigkeit hält und das Gesetz (Gottes) nicht bricht und ersterer wiederum von seiner Pflicht Gebrauch macht, dieses in jedem Fall neu zu überprüfen. Sollte sich ein Befehl nicht im Rahmen des göttlichen Gesetzes und der Gerechtigkeit bewegen, muss man sich ihm widersetzen. Es handelt sich hier also nicht etwa um einen blinden Gehorsam:

„Sie haben sich ihre Schriftgelehrten und Mönche zu Herren genommen neben Gott und den Messias, den Sohn der Maria. Und doch war ihnen geboten, allein den Einigen Gott anzubeten. Es ist kein Gott außer Ihm. Allzu heilig ist Er für das, was sie (Ihm) zur Seite stellen!“ (Heiliger Qur´an 9:31)

Muhammad ibn Yaqub Kulaini (gest. 329 n.H.)[1] zitiert Abu Basir in seiner Hadith-Sammlung “Usul-al-Kafi“:

„Ich (Abu Basir) fragte ihn (Imam Sadiq): „Sie haben sich ihre Schriftgelehrten und Mönche zu Herren genommen?“ und er erwiderte: „Bei Gott, jene haben die Menschen nicht dazu aufgerufen, sie anzubeten, und hätten sie sie dazu aufgerufen, die Menschen wären nicht darauf eingegangen, aber jene machten das Verbot Gottes zum Gebot und das Gebot zum Verbot, auf diese Weise hatten sie sich unbewusst ergeben“.“[2]

Kulaini hat die Antwort des Imam auch an anderer Stelle zitiert: „Bei Gott, jene (die Gelehrten) haben weder für die Menschen gefastet noch gebetet; jene machten ein Verbot Gottes zu einem Gebot und die Menschen akzeptierten ohne zu zögern und richteten sich danach.“

Imam Fachr Radhi[3] führt in seiner umfassenden Qur´an-Interpretation zum obigen Vers (Heiliger Qur´an 9:31) folgendermaßen aus: „Wisse, dass der allmächtige Gott mit dem obigen Vers „Sie haben sich Schriftgelehrte und Mönche zu Herren angenommen …“ Juden und Christen eine Art Götzendienst vorwirft ...“

Die meisten Interpreten sind der Meinung, dass mit “Herren“ in dem obigen Vers nicht etwa gemeint ist, dass die Menschen die Überzeugung vertraten, Schriftgelehrte oder Mönche seien Götter dieser Welt, sondern eher, dass sie ihnen hörig waren. Es wird überliefert, dass Adiy ibn Hatim[4], eines Tages den Propheten aufsuchte, als dieser gerade die neunte Sure “Al-Taubah“ rezitierte und zu dem obigen Vers gelangte. „Ich bete jene nicht an“, bemerkte Adiy. Der Prophet (s.) fragte: „Haben jene (die Schriftgelehrten) nicht aus dem Gebot Gottes ein Verbot gemacht und habt ihr es nicht akzeptiert?“ – „Doch“, erwiderte Adiy. „Eben das bedeutet, sich jene zu Herren machen“, sagte der Prophet. Adiy sagte: „Ich fragte, wie es sich bei den Rabbinern verhalte. Er antwortete: „Fanden sich im Heiligen Buch Dinge, die im Widerspruch zu dem standen, was die Rabbiner sagten, so hielten sich die Menschen an was Wort der Rabbiner und ließen das Gesagte im Buch fallen…“.“ [5]

[1] Abu Dschafar Muhammad ibn Yaqub ibn Ishaq al-Kulaini Ar-Razi, bekannt als Scheich Kulaini (gest. 940 n.Chr.), war ein großer Gelehrter des Islam und Sammler von Überlieferung mit Bezug auf die Ahl-ul-Bait (a.).

[2] Usul-al-Kafi 2:53

[3] Abu Abdullah Muhammad ibn Umar ibn Husain al-Radhi, bekannt als Fachr al-Radhi (1149 - 1209 n.Chr.) war ein bekannter Geistlicher und Philosoph aus dem Iran.

[4] Adiy ibn Hatim war ein Gefährte des Propheten Muhammad (s.) und Überlieferer [rawi]. Zunächst war er einer der führenden Köpfe des Stammes Tay. Er ist der Sohn des Dichters Hatimtai, der für seine Großzügigkeit unter den Arabern bekannt war. Adi blieb ungefähr 20 Jahre Christ, bis er schließlich im Jahr 9 n.d.H. (630 n.Chr.) den Islam annahm. In der Kamelschlacht und der Schlacht von Siffin stellte er sich auf die Seite von Imam Ali (a.).

[5] Interpretation des Heiligen Qur´ans von Fachr Razi 16:36-37

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