Tauhid im Gehorsam
Aus qur´anischer Sicht gibt es zum einen
den absoluten Gehorsam, die bedingungslose Hingabe gegenüber
den religiösen Geboten. Nach dem Heiligen Qur´an stellt dieser
Gehorsam die eigentliche „Dienerschaft“ („ubudijah“) dar. Zum
anderen gibt es den Gehorsam Menschen gegenüber, die als
natürliche Autoritäten zurecht über uns stehen und deren
Befehle wir aus der Überzeugung heraus befolgen, dass jene das
Beste für uns oder die Gemeinschaft wollen oder aufgrund
aufrichtiger emotionaler Verbundenheit zu ihnen. Gemeint ist
zum Beispiel der Gehorsam gegenüber dem Propheten (s.), den
Imamen (a.) oder deren Stellvertretern oder der Gehorsam
gegenüber den Eltern. Allerdings wird erst dann der jeweilige
Gehorsam zur Pflicht, wenn sich die Person, der es zu
gehorchen gilt, an die Gerechtigkeit hält und das Gesetz
(Gottes) nicht bricht und ersterer wiederum von seiner Pflicht
Gebrauch macht, dieses in jedem Fall neu zu überprüfen. Sollte
sich ein Befehl nicht im Rahmen des göttlichen Gesetzes und
der Gerechtigkeit bewegen, muss man sich ihm widersetzen. Es
handelt sich hier also nicht etwa um einen blinden Gehorsam:
„Sie haben sich ihre Schriftgelehrten
und Mönche zu Herren genommen neben Gott und den Messias, den
Sohn der Maria. Und doch war ihnen geboten, allein den Einigen
Gott anzubeten. Es ist kein Gott außer Ihm. Allzu heilig ist
Er für das, was sie (Ihm) zur Seite stellen!“ (Heiliger
Qur´an 9:31)
Muhammad ibn Yaqub Kulaini (gest. 329 n.H.)
zitiert Abu Basir in seiner Hadith-Sammlung “Usul-al-Kafi“:
„Ich (Abu Basir) fragte ihn (Imam
Sadiq): „Sie haben sich ihre Schriftgelehrten und Mönche zu
Herren genommen?“ und er erwiderte: „Bei Gott, jene haben die
Menschen nicht dazu aufgerufen, sie anzubeten, und hätten sie
sie dazu aufgerufen, die Menschen wären nicht darauf
eingegangen, aber jene machten das Verbot Gottes zum Gebot und
das Gebot zum Verbot, auf diese Weise hatten sie sich
unbewusst ergeben“.“
Kulaini hat die Antwort des Imam auch an
anderer Stelle zitiert: „Bei Gott, jene (die Gelehrten)
haben weder für die Menschen gefastet noch gebetet; jene
machten ein Verbot Gottes zu einem Gebot und die Menschen
akzeptierten ohne zu zögern und richteten sich danach.“
Imam Fachr Radhi
führt in seiner umfassenden Qur´an-Interpretation zum obigen
Vers (Heiliger Qur´an 9:31) folgendermaßen aus: „Wisse,
dass der allmächtige Gott mit dem obigen Vers „Sie haben sich
Schriftgelehrte und Mönche zu Herren angenommen …“ Juden und
Christen eine Art Götzendienst vorwirft ...“
Die meisten Interpreten sind der Meinung,
dass mit “Herren“ in dem obigen Vers nicht etwa gemeint ist,
dass die Menschen die Überzeugung vertraten, Schriftgelehrte
oder Mönche seien Götter dieser Welt, sondern eher, dass sie
ihnen hörig waren. Es wird überliefert, dass Adiy ibn Hatim,
eines Tages den Propheten aufsuchte, als dieser gerade die
neunte Sure “Al-Taubah“ rezitierte und zu dem obigen Vers
gelangte. „Ich bete jene nicht an“, bemerkte Adiy. Der
Prophet (s.) fragte: „Haben jene (die Schriftgelehrten)
nicht aus dem Gebot Gottes ein Verbot gemacht und habt ihr es
nicht akzeptiert?“ – „Doch“, erwiderte Adiy. „Eben das
bedeutet, sich jene zu Herren machen“, sagte der Prophet.
Adiy sagte: „Ich fragte, wie es sich bei den Rabbinern
verhalte. Er antwortete: „Fanden sich im Heiligen Buch Dinge,
die im Widerspruch zu dem standen, was die Rabbiner sagten, so
hielten sich die Menschen an was Wort der Rabbiner und ließen
das Gesagte im Buch fallen…“.“