Gottes Attribute

Inhaltsverzeichnis

Gott und seine Attribute

Sayyid Mudschtaba Musawi Lari

Lektionen in der Islamischen Doktrin - Buch I

Frei übersetzt unter Aufsicht von Dr. Mohammad Razavi Rad - übersetzt von A. Malik

L12 - Die unendliche Macht Gottes

Für die unendliche Macht Gottes gibt es keinen deutlicheren Beweis, als das, was durch das Studium und die Untersuchung der Phänomene des geschaffenen Universums und der multiplen Formen und Farben der Natur geliefert wird, wobei diese Phänomene wohl nie voll beschrieben werden können.

Wenn wir auf Gottes Schöpfung schauen, werden wir mit so viel Energie konfrontiert, dass keine Grenze für diese Energien vorstellbar ist. Ein Blick auf die Schöpfung und die Millionen von Wahrheiten, verborgen in den Wundern der Natur und den Tiefen des inneren Universums des Menschen, liefert die klare Indikation für den Grad der Macht des Einen, der sie erschuf, denn das reiche und komplexe System erlaubt keine andere Erklärung.

Es ist Gottes unvergleichliche Macht, die den Menschen zwingt, sich demütig vor dem Schöpfer dieses Plans zu verbeugen. Es gibt keine Worte, welche die Dimensionen Seiner Macht ausdrücken könnten. Dieses einzigartige Wesen hat eine derartige Macht, dass es genügt, sobald Er ein Sein existent werden lassen will, nur den Befehl „Sei“ zu erteilen und das angesprochene Objekt kommt ins Sein. Der Koran sagt: „Sein Befehl, wenn Er ein Ding will, ist nur, dass Er spricht: „Sei!“ - und es ist.“ (Vgl. Koran: Sure 36, Vers 82)

Das Gesetz, dargelegt in dem Vers, ist der beste Indikator für Seine grenzenlose Macht und der Manifestation Seiner endlosen Pracht. Es negiert jegliche Begrenzung, die man Gottes Macht aufsetzen könnte und erklärt die Unangemessenheit aller Kriterien, wenn man sie mit diesem göttlichen Gesetz konfrontiert.

Die Champions sind die Naturwissenschaftler, die Männer der Labore, die trotz all der Fortschritte, die sie machen, noch nicht das komplette Wissen über die inneren Geheimnisse auch nur einer einzigen unter den zahlreichen und unterschiedlichen Existenzformen der geschaffenen Welt erhalten konnten. Dennoch, das partiale und fehlerhafte Wissen, welche der Mensch sich bezüglich einiger weniger Daseinsformen, die in dieser Welt existieren, erworben hat, sollte ihm ausreichen, um mit seinem ganzen Sein zu erkennen, dass die große Macht, die solch eine Vielfalt im Überfluss im Universum schuf, unendlich sein muss.

Betrachtet man die Reichweite Seiner Schöpfung, kleine Kreaturen und monströse Bestien mit erstaunlichem Aussehen, in den Tiefen der Ozeane lebend, zarte und melodische Vogelarten mit farbenfrohen Flügeln, deren Schönheit geschickte Künstler zur Verzierung ihres Handwerks imitieren, Sterne, die am Himmel scheinen und die Sonne, die auf- und untergeht, die Dämmerung und das Mondlicht, die Planeten, die Galaxien und die Nebel, die zuweilen in ihren Herzen Millionen von strahlenden Sterne haben, schwindelerregend in ihrer offensichtlichen Unendlichkeit.

Ist nicht eine Schöpfung wie diese Ehrfurcht einflößend mit ihrer Pracht, eine Indikation für die unendliche Macht ihres Erschaffers? Kann man die Macht des Schöpfers missachten, der sich durch so viel Lebensvielfalt mitteilt, der doch deutliche, endliche Formen in allen ausgedehnten Spektren der Phänomene erscheinen lässt?

Bedenkt man die Tatsache, dass all diese einnehmenden Formen der Schöpfung letztlich aus Atomen entstehen, so kann die Frage des Seins nicht erklärt werden, außer durch den Verweis auf eine lenkende und unendliche Macht. Er ist es, der alle Dinge zur Annahme einer Leben schenkenden Form bringt und die Macht und die Intelligenz besitzt dieses gewaltige und präzise Programm zu planen und zu entwerfen.

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Groß und klein, schwer und leicht, all dies sind Eigenschaften, die endliche Existenzformen betreffen. Im unendlichen Bereich der Essenz Gottes und Seiner Attribute gibt es die Frage von groß und klein, wenig und viel nicht. Ohnmacht und die Unfähigkeit werden durch die Endlichkeit der Energie verursacht, die einem Mittel zur Verfügung stehen, durch die Existenz eines Hindernisses auf ihrem Weg oder durch die Abwesenheit von Mitteln und Instrumenten. Sie sind nicht wahrnehmbar im Falle einer unendlichen Macht.

Der Koran sagt: „(…) Und nichts vermag Gott in den Himmeln oder auf Erden zu hemmen, denn Er ist allwissend, allmächtig.“ (Vgl. Koran: Sure 35, Vers 44)

Obwohl Gott in der Lage ist, alles zu tun, hat Er die Welt nach einem präzisen und spezifischen Programm geschaffen, in dessen Struktur bestimmten Phänomenen eine festgesetzte Rolle zugeteilt wurde, die wiederum zur Entstehung anderer führen. Diese Phänomene sind ohne Zweifel Seinem Befehl völlig untergeordnet, ihre Rolle erfüllend und Ihm gegenüber nicht im Geringsten rebellierend.

Der Koran sagt: „(…) Und Er (erschuf) die Sonne und den Mond und die Sterne, Seinem Gesetz dienstbar. Wahrlich, Sein ist die Schöpfung und das Gesetz! Segensreich ist Gott, der Herr der Welten“ (Vgl. Koran: Sure 7, Vers 54)

Streng genommen, kann kein Geschöpf in dem Programm eine Manifestation der Macht sein oder an Seinem Willen und Befehl teilhaben, denn so wie Gottes Essenz keinen Partner hat, so hat Er auch keine Partner, was Seine Mittel betrifft.

So wie es allen Geschöpfen in der Welt in ihrem Wesen an Unabhängigkeit fehlt und sie von Ihm abhängig sind, so mangelt es ihnen auch daran, zu agieren und Wirkungen zu produzieren. Jedes Mittel und jede Wirkung bekommt die Essenz ihrer Existenz von Gott, ebenso wie die Macht zu agieren und eine Wirkung zu produzieren.

Wann immer Er es für notwendig erachtet, unterlässt die Ordnung, die alles umgibt, Ihre Aufgaben, denn auch die Ordnung, obwohl sie an sich fest und präzise ist, bleibt Ihm untergeordnet. Der Schöpfer, der jedem Faktor und jeder Ursache bestimmte Wirkungen zuteilt, ist in der Lage, die Wirkungen zu jeder Zeit wieder zu neutralisieren und auszusetzen. So wie Sein Befehl die Ordnung des Universums in die Existenz brachte, so kann ein Befehl einem Phänomen auch wieder die übliche Wirkung rauben.

So sagt der Koran: „Sie sprachen: Verbrennt ihn (Abraham) und helft euren Göttern, wenn ihr etwas tun wollt. Wir sprachen: Oh Feuer, sei kühl und ohne Harrm für Abraham!“ (Vgl. Koran: Sure 21, Vers 68-69)

Obwohl die starke Anziehungskraft der Sonne und der Erde auf einem weiten Raum wirken, sind beide Körper Seinem Willen unterworfen. Sobald Er einem kleinen Vogel die nötige Kraft gibt, kann dieser die Anziehungskraft der Erde überwinden und seinen Flug antreten.

Der Koran sagt: „Sehen sie nicht die Vögel, die in Dienstbarkeit gehalten werden im Gewölbe des Himmels? Keiner hält sie zurück außer Gott. Wahrlich, darin sind Zeichen für Leute, die glauben.“ (Vgl. Koran: Sure 16, Vers 79)

Welches Phänomen auch immer in der Welt des Seins vorstellbar ist, findet seine Nährkraft und sein Leben durch Gott. Daher muss jegliche Macht und Kapazität, die in dem Programm der Schöpfung gefunden werden kann notwendigerweise auf die unendliche Macht Gottes zurückgeführt werden können.

Ali (Friede sei mit ihm), der Führer der Gläubigen, sagte in einer Ansprache, die im Nahj Al-Balaghah festgehalten wurde: „Oh Gott, wir können nicht die Tiefen Deiner Pracht und Majestät durchdringen. Wir wissen nur, dass Du lebst und durch Dich selbst bestehst, dass Du ausgenommen bist vom Bedürfnis zu essen und zu trinken. Kein Verstand kann Dich begreifen und kein Auge Dich sehen. Doch Du siehst alle Augen, Du kennst die Lebensspanne jeder Sache, und Du bist allmächtig.

Obwohl wir nichts von Deiner Schöpfung wirklich wahrgenommen haben, sind wir von Deiner Macht verblüfft und preisen Dich stark. Das, was vor unseren Augen verborgen ist, können wir nicht sehen und das, was unsere Vernunft und unsere Intelligenz nicht erreichen kann, was sich hinter den Schleiern des Ungesehenen verbirgt, ist sehr viel grösser als das, was wir sehen.“ [33]

Wenn der Mensch sich entscheidet, etwas zu bauen, zum Beispiel ein Krankenhaus, trägt er die notwendigen Werkzeuge und Teile zusammen, die nicht eine wesentliche Beziehung zueinander haben und verbindet sie dann miteinander, indem er eine Serie von künstlichen Beziehungen herstellt, um sein Ziel zu erreichen.

Um so eine künstliche Beziehung herzustellen, macht er Gebrauch von verschiedenen Kräften und Objekten, die bereits schon existieren. Seine Arbeit und Aktivität ist Teil eines Systems der Schöpfung. Dies ist nicht wirklich kreative Arbeit, sondern eine Form der Bewegung, die innerhalb bereits bestehender Dinge stattfindet. Bei der göttlichen Kreativität handelt es sich um eine andere Kategorie als das Herstellen von künstlichen Beziehungen zwischen nicht zusammenhängenden Objekten. Gott bringt Existenzformen mit all ihren Eigenschaften, Kräften, Energien und Charakteristika hervor.

Wenn wir sagen, dass Gott allmächtig ist, müssen wir uns bewusst sein, dass dies sich nur auf Dinge bezieht, die möglich sind. Dinge, die rational unvorstellbar sind, sind gänzlich außerhalb der Sphäre Seiner Macht und die Worte „Macht“ oder „Kapazität“ in Verbindung mit Dingen, die unmöglich sind, ist unkorrekt und bedeutungslos. Obwohl die Macht Gottes grenzenlos ist, muss die rezeptive Kapazität der Dinge und ihre Fähigkeit als Ort für die Manifestation Seiner göttlichen Macht zu dienen, berücksichtigt werden. Die Implementierung des Willen Gottes ist verwoben mit den Beziehungen zwischen Ursache und Wirkung, mit seinem komplexen Netzwerk aus Gründen und Ursprüngen. Damit eine Sache das Objekt des göttlichen Willens werden kann, darf es nicht unmöglich sein, und es muss in seiner Essenz die rezeptive Fähigkeit besitzen, denn der Wille Gottes wird vollendet mittels der Rezeptivität der Dinge. Es ist wahr, dass der göttliche Fluss unendlich und konstant ist, aber die Basis, die er annehmen muss, ist womöglich fehlerhaft und nicht in der Lage den unendlichen Teil, der von der überreichen Quelle angeboten wir, zu absorbieren.

Der Ozean ist ein immens großes Becken für Wasser, ein Tanker hat dagegen nur limitierte Kapazitäten Wasser aufzunehmen, tatsächlich passt vergleichsweise nur sehr wenig Wasser in ihn hinein. Klar ist, dass in diesem Fall die Kapazität des Tankers endlich und limitiert ist, nicht die des Wassers eines Ozeans.

Einmal wurde Ali, der Führer der Gläubigen gefragt (Friede sei mit ihm): „Ist dein Herr in der Lage die ganze Welt in ein Hühnerei zu platzieren?“ Er antwortete: „Gott, der Allmächtige, ist in der Tat in der Lage alles zu tun, aber was du fragst ist unmöglich.“[34]

Obwohl Gottes geweihte Essenz völlig frei von Schwäche und Unfähigkeit ist, bleibt es bedeutungslos und irrational, zu fragen, ob er etwas vermag, was an sich unmöglich ist.

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Einem, den das Herz vor Liebe zu Gott brennt und der vom Glauben an den Schöpfer aller Dinge erfüllt ist, wird nie enttäuscht sein, einsam noch hoffnungslos, selbst auf dem Höhepunkt komplexer Krisen. Welche Handlung er auch unternimmt, er tut dies mit dem Bewusstsein des schützenden Schattens der obersten Macht, die ihn über alle Schwernisse triumphieren lassen kann.

Ein Mensch, der sich Gottes bewusst ist und weiß, dass er Seine Unterstützung hat, kann viele Härten erdulden und weiß sich zu wehren. Schwierigkeiten sind für ihn wie Schaum, gleich dem verschwindenden Schaum an den Oberflächen der Wasserwellen. Das Feuer, das in ihm brennt, wird immer leuchtender und er kommt noch stärker aus den Schmelztiegel der Entbehrung hervor.

Während der ganzen Zeit der Mühen wird er durch Gottes Liebe und Wohlwollen getröstet und gestärkt und dies formt den eigentlichen Motor seiner Aktivitäten. Versagen blockiert nicht seinen Weg und bringt ihn nicht dazu aufzugeben, stattdessen bemüht er sich mit aufrichtiger Absicht, fortfahrend, bis zum letzten Sieg.

Er versteht sehr wohl, dass sein Bemühen nicht fruchtlos bleiben kann und dass der Erfolg denen gehört, die es verdienen. Wann immer Er möchte, nimmt Gott die Hand der Gefallenen und Unterdrückten, die keine andere Zuflucht als Ihn haben und erhebt sie zur Spitze der Macht. Manchmal lässt er die Nasen der Mächtigen dieser Welt den Staub der Demütigung und der Katastrophe spüren, Unterdrücker, die an die Gewalt glauben, nur die Logik des Zwingens kennen und den Menschen als wertlos betrachten.

Wie viele Tyrannen sind schon in der Geschichte der Menschheit gestürzt worden, in den Sturm der Schande versinkend und verschwindend.

Die Geschichte der Gesandten Gottes repräsentiert ein komplettes und ideales Modell an menschlichen Werten. Wir alle wissen, wie die Gesandten allein gegen die unterdrückenden Kräfte ihrer Zeit dastanden, nur um den Menschen zur Erlösung zu führen, die Gesellschaft zu reformieren und ihnen erhabene Werte einzuprägen. Damit zündeten sie das erste Licht, was letztlich den Polytheismus zerstörte.

Die Reaktion, die sie mit ihrem Glauben initiierten, löste einen derart positiven Tumult aus, dass sie den Lauf der Geschichte veränderten. Sie legten die Grundlagen für den Monotheismus und etablierten die Prinzipien der Tugenden in einem höchst umfassenden Maße.

Wer kann die Rolle der Hingabe und des Glaubens bei dem unermüdlichen Kampf verneinen, den sie führen mussten? Wie weit kann allein die Willenskraft den Menschen bringen und wie sehr versetzt sie ihn in der Lage auszuhalten und zu erdulden?

Eine flüchtige Prüfung der stolzen Geschichte der Leben der Propheten ermöglicht uns alle auf anschaulichste Weise, ihre Aufrichtigkeit und Hingabe, die sie an den Tag legten, zu erblicken, ihr Verzeihen, ihre Nachsicht und ihren intensiven Wunsch den Menschen zu führen und zu reformieren, nachzuvollziehen. Das fundamentale Geheimnis ihres Erfolges war der Fakt, das sie nie auch nur für einen Moment an sich selbst dachten. Sie haben sehr aufrichtig auf ihr eigenes Sein verzichtet, es der Sache Gottes zum Geschenk machend. Gott hat darauf geantwortet, indem er ihnen Unsterblichkeit gab und ihnen ewigen Ruhm schenkte.

[33] „Nahj Al-Balaghah“, Predigt 159

[34] Bihar Al-Anwar, Band IV

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