Veröffentlicht am 31.7.2005 im Laufe der Leitkulturdiskussion.
Im Artikel 1
des Grundgesetzes (GG) für die Bundesrepublik Deutschland
heißt es gleich zu Anfang:
„Die Würde
des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen
ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“
Das klingt
wirklich erhaben und würdevoll! Aber ist es auch wirklich so
gemeint?
Es gibt
möglicherweise einige Einschränkungen zum ersten Artikel des
GG. So käme z.B. kaum ein deutscher Richter auf die Idee zu
behaupten, dass in Guantanamo die Menschenwürde geachtet wird.
Da ja alle staatliche Gewalt verpflichtet ist, die Menschwürde
zu achten und zu schützen, könnten naive Leser daher zu dem
Schluss kommen, dass jeder potentielle Verantwortliche für
Guantanamo verfolgt werden müsste, zumindest wenn er deutschen
Boden betritt. Aber das wäre nun wirklich zu viel verlangt vom
Grundgesetz, sich um den Frieden in der ganzen Welt zu
kümmern. Daher ist sicherlich nur Folgendes gemeint:
„Die Würde
des Deutschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen
ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“
Dummerweise
gibt es in Guantanamo auch einen Deutschen. Der war zwar nicht
immer ein Deutscher und hat auch kein echtes “deutsches Blut“,
wie es die niederländische Nationalhymne vorsieht, aber
immerhin einen deutschen Pass. Und das Grundgesetz schaut
bekanntlich nach dem Grund des Gesetzes und nicht nach dem
Blut. Daher ist sicherlich nur folgendes gemeint:
„Die Würde
des Deutschen ist unantastbar, so lange er in Deutschland
weilt. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller
staatlichen Gewalt.“
Seien wir aber
nicht unfair! Auch nichtdeutsche Bürger werden hier mit den
Segnungen des Grundgesetzes überhäuft, also muss es heißen:
„Die Würde
des Menschen ist unantastbar, so lange er in Deutschland
weilt. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller
staatlichen Gewalt.“
Nun gibt es
allerdings die merkwürdige Konstellation in diesem Land, dass
ein Mensch freiwillig zu einer so genannten Domina
gehen kann und darf, um ihr für ihre nicht ganz so würdevolle
Dienstleistung, für die eine Nichtdomina mit Gefängnisstrafe
rechnen müsste, steuerpflichtiges Honorar zu entrichten. Dabei
darf er jene Dienstleisterin sogar beauftragen, ihn
verletzungsgefährdend auszupeitschen und dabei 100 Mal den
Satz zu rufen: „Du Unwürdiger, ich entwürdige Dich“.
Daher bedeutet der erste Artikel im GG also:
„Die Würde
des Menschen ist unantastbar, so lange er in Deutschland weilt
und nicht freiwillig eine Entwürdigung akzeptiert. Sie zu
achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen
Gewalt.“
Manche
Zeitgeister sind der Meinung, dass auch die freiwillige
Kleidung ein Teil der Würde des Menschen darstellen kann und
die Aufforderung zur Entblößung – und sei es nur der Haare –
eine Entwürdigung darstellt. Im Gegensatz dazu wird dem
Betrachter der Kleidung anderer kein Recht zugebilligt,
darüber zu entscheiden, wie der Andere sich zu kleiden hat.
Hier gibt es allerdings – wie dem Leser bekannt – einige
Ausnahmen bezüglich Kopftuch mancher Frauen. Daher muss der
erste Artikel heißen:
„Die Würde
des Menschen ist unantastbar, so lange er in Deutschland weilt
und nicht freiwillig eine Entwürdigung anstrebt und nicht als
Muslima oder Nonne in bestimmen Bundesländern Lehrerin werden
will. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller
staatlichen Gewalt.“
Nun gilt jene
Würde allerdings nur für Leute, die sich heute noch wehren
können. Eine in jeder Hinsicht entwürdigende Darstellung
historischer Gestalten (z.B. Jesus und Maria) wird
nachweislich nicht geschützt, da niemand da ist, der jenen
Schutz rechtsrelevant beanspruchen könnte. Daher muss es
heißen:
„Die Würde
des Menschen ist unantastbar, so lange er lebt und so lange er
in Deutschland weilt und nicht freiwillig eine Entwürdigung
anstrebt und nicht als Muslima oder Nonne in bestimmen
Bundesländern Lehrerin werden will. Sie zu achten und zu
schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“
Nicht jede
Entwürdigung ist aber eine echte Entwürdigung. So wäre z.B.
das Schimpfwort “Ziegenficker“, gerichtet an eine Gruppe von
Menschen, sicherlich durch die staatliche Gewalt zu
verhindern, außer es erfolgt von einem Künstler. Der besagte
Fall war zwar nicht in Deutschland, aber auch hier gab es
keinen bekannt gewordenen Fall von Verurteilung irgendeines
Künstlers wegen Entwürdigung von Menschen, da die
künstlerische Würde anders zu werten ist; ähnliche
Entgleisungen aber gab es zuhauf. Daher muss es heißen:
„Die Würde
des Menschen ist unantastbar, so lange er lebt und so lange er
in Deutschland weilt und nicht freiwillig eine Entwürdigung
anstrebt und nicht als Muslima oder Nonne in bestimmen
Bundesländern Lehrerin werden will und seine Würde nicht
künstlerisch angetastet wird. Sie zu achten und zu schützen
ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“
Haben wir uns
bisher nur auf das Wort “Menschenwürde“ konzentriert, so
sollte nicht vergessen werden, dass der erste Artikel auch den
Begriff “Mensch“ beinhaltet. Zweifelsohne wird niemand den
Umgang mit abgetriebenen Föten in diesem Land als würdevoll
beschreiben. Während das Austragen eines Babys – unter welchen
Umständen auch immer – sicherlich würdevoll gestaltet werden
kann, ist die Abtreibung selbst (mal abgesehen davon, dass
hier ein Mensch getötet wird), kaum würdevoll zu gestalten.
Daher muss der erste Artikel heißen:
„Die Würde
des bereits geborenen Menschen ist unantastbar so lange er
lebt und so lange er in Deutschland weilt und nicht freiwillig
eine Entwürdigung anstrebt und nicht als Muslima in bestimmen
Bundesländern Lehrer werden will und seine Würde nicht
künstlerisch angetastet wird. Sie zu achten und zu schützen
ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“
So, oder so
ungefähr müsste der Artikel auch juristisch einwandfrei sein.
Allerdings ist er nun zugegebenermaßen etwas unhandlich
geworden. Daher schlagen wir eine vereinfachende Form vor:
„Die Würde
mancher Menschen ist manchmal unantastbar. Sie zu achten und
zu schützen ist manchmal Verpflichtung aller staatlichen
Gewalt.“