Veröffentlicht am 27.6.2005 nach der Verurteilung des Mörders
an Van Gogh in den Niederlanden.
Nun ist der
Theo van Gogh-Fall wohl abgeschlossen. Der Angeklagte ist
verurteilt, zu lebenslanger Strafe, die in den Niederlanden
tatsächlich lebenslang ist und normalerweise kaum verhängt
wird. Nur selten scheint der Zusammenprall der Kulturen in
Europa derart deutlich und offensichtlich, wie in diesem Fall.
Aber ist es wirklich ein Zusammenprall der Kulturen? Oder ist
es nicht eher ein Spiegelbild des eigenen gemeinsamen
kulturellen Irrweges, der solche Verbrechen produziert?
Der 27-jährigen
Mohammed Bouyeri, Sohn einer nach Medienangaben integrierten
Einwandererfamilie hatte nicht nur den Mord auf offener Straße
am Filmemacher Theo van Gogh begangen, sondern während der
gesamten Gerichtsverhandlung jegliche Verteidigung abgelehnt
(daher wird es wohl auch keine Berufung geben). Und er stand
zu seiner Tat: Er hat sie – wiederum nach Medienangaben –
nicht nur offen zugegeben, sondern auch bekräftigt, dass er es
wieder tun würde. Die Folgen seiner Tat destabilisierten die
holländische Gesellschaft massiv und reichen weit nach Europa
hinein. Dem holländischen Gericht blieb bei dieser
Ausgangslage gar nichts anderes übrig, als den Angeklagten zu
lebenslanger Haft zu verurteilen.
Doch was
lernt die europäische Gesellschaft von diesem Fall? Was lernen
Muslime daraus? Wie kann solch eine Tat zukünftig im Vorfeld
verhindert werden? Ein Blick in die Medien, aber auch in die
Moscheen genügt, um zu erkennen, dass weder die europäische
Gesellschaft irgendetwas aus dem Fall gelernt hat, noch
zahlreiche Muslime hinreichend vorbereitet sind, um gegen
derartige Konflikteskalationen vorzugehen, und damit nur wenig
Chancen bestehen, den nächsten Fall zu vermeiden.
Ruud Peters,
Professor für islamisches Recht an der Universität Amsterdam,
hat gemäß Medienberichten
im Auftrag der Staatsanwaltschaft den Radikalisierungsprozess
des Täters Bouyeri untersucht. Bouyeri ist das älteste von
sieben Kindern marokkanischer Einwanderer und galt als gut
integriert. Er arbeitete für die Stadtverwaltung als
Jugendbetreuer. Dann stirbt seine Mutter, und Bouyeri sucht
Trost im Islam. Nächtelang surft er im Internet und
„konstruiert sich seinen eigenen Islam“, so Peters. Peters
ist davon überzeugt, dass die Radikalisierung Bouyeris auch
auf einen tiefen Generationenkonflikt schließen lasse. Der
Islam der Eltern mit seiner unpolitischen Ausrichtung ist für
Bouyeri die Religion jener, die es in der niederländischen
Gesellschaft nicht geschafft haben. Bouyeri verliert seine
Arbeit, weil er sich weigert, im städtischen Jugendzentrum
Alkohol auszuschenken! Auch der Zugang zur Moschee wird ihm
untersagt. Bouyeri vereinsamt. Er beginnt antidemokratische
Artikel zu schreiben. Er ruft die niederländischen Muslime zum
Dschihad
gegen die Demokratie auf. Er träumt davon, in den Niederlanden
die Scharia,
das islamische Recht, einzuführen. „Zu diesem Zeitpunkt hat
Bouyeri jeden Realitätssinn verloren“, konstatiert Peters.
Bouyeri entwickelt möglicherweise eine bizarre Beziehung zu
Gewaltvideos. Peters findet auf Bouyeris Festplatte Filme von
Enthauptungen und gewaltsamen Amputationen. In den Schriften
eines islamischen Gelehrten
aus dem 14. Jahrhundert stößt Bouyeri auf eine Stelle, in der
von der Pflicht der Gläubigen die Rede sei, jene zu töten, die
Allah und seinen Propheten beleidigen.
Im Sommer 2004
wird van Goghs Kurzfilm “Submission“ (die Unterwerfung) im
Fernsehen gezeigt. Die mehr oder weniger offen zur Abschaffung
des Islam aufrufende niederländische Abgeordnete Hirsi Ali
hatte das Drehbuch geschrieben. Texte aus dem Heiligen Qur´an
werden im Film im arabischen Original auf nackte, misshandelte
Frauenkörper projiziert. Eine Frau betet scheinbar religiös
gekleidet im völlig durchsichtigen ihre gesamte Weiblichkeit
entblößenden Gewand geradezu nackt (aber mit Kopftuch) ein
rituelles muslimisches Gebet und klagt dabei Allah scharf an.
Nebenbei entpuppen sich in dem Film diverse Muslime als
Frauenschänder, Vergewaltiger, Zwangsverheirater und
Helfershelfer solcher Verbrechen, alles mehr oder weniger
verursacht durch das Kopftuch – so der Eindruck bzw. den
Islam!
Die
geistig-moralische wie auch islamisch-rechtliche Problematik
einer derart gravierenden Verächtlichmachung des Islam wurde
bereits in dem Buch “Meinungsfreiheit oder Massenbeleidigung“
im Zusammenhang mit der so genannten Rushdie-Affaire
ausführlich erörtert. Fast jeder der damaligen – immerhin 15
Jahre alten – Feststellungen, ließe sich auch auf diesen Fall
übertragen.
Zwar ist
zunächst ein Mörder selbst am Mord Schuld. Aber diese
Feststellung wird kaum weiterhelfen, zukünftige
Gewaltverbrechen dieser Art im Vorfeld zu verhindern. Und
dabei müssen doch alle mithelfen, Muslime wie auch
Nichtmuslime, um so etwas zu verhindern! Alle tragen ein Maß
an Verantwortung. Aber viele scheinen dieser Verantwortung
nicht gewachsen!
Fangen wir bei
den Muslimen selbst an: Müssen nicht die Moscheen, die
Hunderte von Moscheen in z.B. Deutschland und ihre Leitungen
durch die Predigt eines glaubhaften Islams in einer auch für
die Jungend attraktiven Sprache die Lehre von „Unterdrückt
nicht und lasst Euch nicht unterdrücken“ herüberbringen?
Und geschieht derzeit nicht genau das Gegenteil? Ziehen sich
unter zunehmendem Druck eines geradezu von Islamhass besessen
erscheinenden Innenministers
die meisten muslimischen Vereine und Verbände in die
Versenkung zurück und lassen ihre Jugend sträflich allein?
Gehen sie doch
einmal in die Moscheen! Wie oft treffen sich dort noch
Jugendliche und sprechen über politische Fragen? In vielen
Kirchen wird heute mehr über den Irak-Konflikt gepredigt als
in vielen Moscheen in Deutschland. Gehen Sie doch einmal in
die Koranschulen. Was lernen die Schüler denn dort noch außer
arabischen Buchstaben, die sie ohnehin nicht verstehen. Sind
nicht viele Moscheevorstände bereit, jede nur erdenklich
Verrenkung und damit Pervertierung des Islam hinzunehmen, nur
um ja nicht in irgendeinem Verfassungsschutzbericht zu
erscheinen? Und gibt es nicht sogar Verbände, die in der
öffentlichen Wahrnehmung den Eindruck erwecken, dass jeder
Gläubige der Polizei gemeldet wird, wenn er auch nur eine
einzige kritische “undemokratische“ Frage stellt?
Bouyeri wurde
nach Medienangaben aus einer Moschee ausgeschlossen! Wer aber
sonst, außer der Moschee, hätte seine Verirrungen und Gedanken
in die richtigen Bahnen lenken können? Solche Jungendliche
gibt es überall in der Welt in allen Religionen und viel
prominentere Opfer als van Gogh hat die Welt schon miterlebt.
Wohin sollen die Jugendlichen gehen, wenn die Moschee sie
entweder ausschließt oder alternativ anbietet, sie den
Behörden zu melden?
Die
Verantwortung muslimischer Geistlicher und Intellektueller in
solchen Fällen besteht doch mindestens darin, einem
Jugendlichen mit derlei Gedanken zu erklären, dass der Islam
zwar durchaus eine wehrhafte Religion ist und durchaus auch
für Fälle – die der europäischen Kultur nicht passen – die
Todesstrafe vorsieht, aber es KEINEM Muslim zusteht,
Selbstjustiz auszuüben, weder in einem islamischen System noch
in einem nichtislamischen! Auch kann der religiös gebildete
Lehrer die zumeist von nichtmuslimischen Hetzern
hervorgekramte Lehre von der “Welt des Glaubens“ und der “Welt
des Unglaubens“
bezogen auf die heutige Zeit leicht zerpflücken, und zwar aus
dem Heiligen Qur´an heraus! Die meisten muslimischen
“Hassprediger“ der heutigen Zeit hingegen kommen aus den
Ländern, die am engsten mit den USA verbündet sind. Auch
darauf kann verwiesen werden, um der Radikalisierung entgegen
zu treten.
In dem Moment,
in dem scheinbar Intellektuelle oder Geistliche oder sich mehr
und mehr in jeder Hinsicht allem anpassende Vorsitzende
propagieren, dass der Islam die Todesstrafe abschaffen müsse,
oder man die Politik den Politikern überlassen müsse, machen
sie sich bei der aufgeweckten muslimischen Jugend nicht nur
lächerlich, sondern können von dem ungeübtesten jugendlichen
Fanatiker eines Besseren belehrt werden! Nicht die
Todesstrafe, sondern die Selbstjustiz ist es, die auch dem
noch so verbohrten religiösen Fanatiker ausgeredet werden kann
und werden muss! Und der glaubhafte Vertreter des Islam kann
dann jenem Jugendlichen auch klar machen, dass jene Tat auch
aus religiöser Sicht HARAM,
also religionsrechtlich verboten ist. Nur; welcher
Moscheevorsitzende wird sich zu solch einer schonungslosen
Offenheit trauen, wenn er am Tag nach seiner Predigt von
Schilys
Beamten zur Vernehmung gebeten wird? Welche Moscheegemeinde
wird solch einen Prediger noch zulassen, wenn sie damit
rechnen muss, dass am nächsten Tag Schilys Polizisten die
Moschee filzen und dann schließen oder ein Fernsehsender einen
Islamhasser schickt, der mit seiner versteckten Kamera die
Worte aus dem Zusammenhang reißt und verdreht? Und welcher
Prediger wird sich all zu lange dem Vorwurf auszusetzen, die
Leute “nur“ aus religiösen Gründen zur Rechtstreue aufzurufen
und nicht bereit ist, sich dem System zu “unterwerfen“?
Stattdessen
predigen sie dann – wie deutsche Innenminister es wünschen –
nur noch über das Gebet und das Fasten, und das Woche für
Woche, und die Jugendlichen treffen sich nicht in der Moschee,
sondern im Internet; dort wo auch sehr dubiose Prediger den
Kampf der Kulturen zu forcieren suchen und kaum jemand
irgendetwas kontrollieren kann.
Und wer soll
dem Jungendlichen dann helfen, wenn er seine Mutter verliert?
Wer hilft ihm bei der Suche nach einem neuen Job, wenn er
keinen Alkohol mehr in einem Jungendzentrum ausschenken will?
Die Frage, warum man Jungendliche Alkohol ausschenken lassen
muss, wollen wir hier gar nicht erst aufwerfen. Einige
muslimische Vertreter trauen sich ja heutzutage noch nicht
einmal mehr, das Alkholverbot in jener eindeutigen Form
überhaupt zu vertreten, obwohl das zum ABC des Islam gehört!
Wie sollen solche Vorsitzende dann jenem muslimischen
Jungendlichen glaubhaft erscheinen und ihm helfen?
Aber dieser
konkrete Fall bietet auch eine Reihe von weitergehenden
religiösen Argumenten, die durchaus mit muslimischen
Jugendlichen ausdiskutiert werden sollten und müssten! Hatte
der Attentäter nicht den “Märtyrertod“ für sich vorgesehen?
Hatte er nicht nach dem Attentat gemäß Medienangaben wild aber
ungezielt um sich geschossen in der Hoffnung, dann selbst
erschossen zu werden? Aber er wurde NICHT getötet! Ist das
nicht eines der allerdeutlichsten Beweise dafür, dass sein
angestrebtes Martyrium von Gott Selbst nicht angenommen bzw.
gewährt wurde? Bietet sich nicht hier die ungemein deutliche,
rein religiöse Argumentationsbasis, um zu belegen, wie
schädlich die Tat war und er jetzt ein Leben lang miterleben
soll, was er angerichtet hat?
Ja, der
westliche nichtmuslimische Leser mag jetzt am liebsten nicht
mehr weiter lesen. Zu sehr ist ihm solch eine
Argumentationswelt verhasst. Die so genannten “Islamexperten“
haben ganze Arbeit geleistet, und sie werden jetzt wieder aus
ihren Löchern kriechen und kanisterweise Öl ins Feuer gießen!
Soll man nicht gleich alle Muslime ausweisen, die so denken (idealerweise
auch die einheimischen Muslime)? Und denken nicht letztendlich
alle Muslime so? Ist der Islam nicht selbst Schuld an allem?
Ist nicht jeder Muslim ein potentieller Mörder? Müssen sich
nicht erst alle Muslime von ihrem Glauben distanzieren, bevor
wir zusammen leben können? Und massenweise die üblichen
Fragen, die wir bereits in dem Artikel „Lasst uns unsere
Schuhe ausziehen, um Hass zu besiegen!“
erläutert haben, werden wieder die Statisten dieser
Hassinszenierung bestmöglich aufwerfen.
Aber ist nicht
die westliche nichtmuslimische Welt – auch im Vorfeld –
mitschuld an dieser Entwicklung? Weil er ermordet wurde, darf
man es kaum noch sagen, aber Theo van Gogh war ein Hetzer ohne
gleichen. Er nannte z.B. den jüdischen Schriftsteller Leon de
Winter einen “Gaskammer-Artisten“ und den ebenfalls jüdischen
Bürgermeister Amsterdams einen “Schirmherr der Ziegenficker“,
wobei die “Ziegenficker“ für ihn die Muslime in Holland waren.
Dieser Mann wurde dann für jene Hetze als “Künstler“ verehrt
und mit einigen Auszeichnungen überhäuft. Für die Presse und
die sensationslüsterne Journaille war er eine Goldgrube und
sicherte Einschaltquoten und Schlagzeilen. Und es gibt
wirklich kaum jemanden, der es wagt zu sagen: „So ein Mann
ist kein “Kritiker des Islam“ sondern ein Verbrecher“,
denn eine derart massive Volksverhetzung ist eine Straftat! Es
ist aber die Erfahrung – insbesondere der jungendlichen
Muslime – dass jegliche Volksverhetzung gegen den Islam und
die Muslime ohne Konsequenzen in Europa bleibt (oder kennen
Sie einen Fall, in dem es anders war?),
und das erleben sie im Angesicht der Tatsache, dass jeder
muslimische Israelkritiker, sei er noch so friedlich, gleich
im Verfassungsschutzbericht auftaucht und mit
Gerichtsverfahren überzogen wird!
Wer dann jenes
Verbrechen gegen van Gogh gleich noch mit dem Widerstandskampf
Palästinas gegen Besatzung oder den Terroranschlägen in London
in einen Topf wirft und kräftig umrührt, hat wirklich nicht
vor, sein eigenes Volk zu schützen, sondern verfolgt äußerst
menschenverachtende Ziele!
Wenn wir
also allesamt gemeinsam behaupten, wir wollen in Zukunft
solche Verbrechen zumindest ernsthaft zu verhindern versuchen,
dann müssen wir auch die Ernsthaftigkeit unseres Anliegens
verdeutlichen – gegen alle Widerstände!
Wer versucht,
Muslime in Europa zur Rechtstreue zu erziehen und gleichzeitig
dazu aufruft, dass sie dazu den Islam aufgeben oder zumindest
kastrieren müssten, der hat nicht vor, Muslime zu integrieren,
sondern zu unterwerfen und wünscht sich den Kampf der Kulturen
für seine unmenschlichen Ziele!
Wer auf
muslimischer Seite Muslime in Europa zur Rechtstreue erziehen
will, der muss einerseits seine unbeeinflusste Treue zum Islam
bewahren, keine Angst vor noch so vielen Innenministern haben
und darf weder unterdrücken noch seine Geschwister im Stich
lassen, die unterdrückt werden!
Wer aus
nichtmuslimischer Seite Muslime in Europa zur Rechtstreue
erziehen will, sollte aufhören, den Generalverdacht gegen alle
Muslime zu schüren und den Islam als Ganzes zu verdammen. Er
sollte aufhören, bekannte Verantwortungsträger des Islam
derart zu knebeln, dass sie in ihren eigenen Reihen zu
Witzfiguren und damit zur Unglaubwürdigkeit degradiert werden,
und er sollte aufhören, jeden Hetzer gegen den Islam und die
Muslime zum Helden emporzuheben.
Eine Muslima
hatte einmal auf die Frage, was sie tun würde, wenn sie eines
Tages ohne Versorger und mittel- und arbeitslos dastehen
würde, geantwortet: „Notfalls schreibe ich ein Buch: ‚Wie
ich einer islamistischen Ehe entronnen bin’, und schon habe
ich für mein Leben ausgesorgt.“
Selbst wenn das
“nur“ ein Scherz war: Solange Muslime glauben, dass die
westliche Welt so funktioniert, und solange die westliche Welt
diesen Eindruck mit aller Gewalt – im wahrsten Sinn des Wortes
– bestätigt, solange wird der nächste van Gogh vorbereitet und
der nächste Mörder auch. Aber wir müssen es verhindern!
Und zwar alle friedliebenden Menschen gemeinsam!