Mahomet

Mahomet
Trauerspiel in fünf Aufzügen, nach Voltaire

Siehe: Mahomet der Prophet

Übersetzt von Johann Wolfgang von Goethe

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Dritter Aufzug - Elfter Auftritt

Sopir. Phanor.

Sopir

Was bringst du, Phanor?

Phanor

Diese Tafel gab
Ein Araber mir insgeheim.

Sopir

Was ist's? –
Wie? Hammon! Götter! Trügt das Auge mich?
Ist's möglich, wollt ihr meinen Jammer enden?
Er will mich sprechen, Hammon, dessen Arm
Im harten Kampf die Kinder mir entriss?
Sie leben, sagt er; unter Mahomets
Gesetzen leben sie. So ist es wahr,
Was ich für List des frechen Feindes hielt,
Die mich zu schnödem Abfall locken sollte?
Der Hoffnung darf ich mich ergeben! Welch
Ein Lichtstrahl blicket durch die Nacht mich an!
Weiß doch Palmire nicht woher sie stammt!
Seide weiß es nicht, und mein Gefühl
Riss mich zu beiden allgewaltig hin.
Sie meine Kinder! Hoffnung, trüge nicht!
In meinem Elend schmeichl' ich mir zu viel.
Soll ich der tiefen süßen Rührung glauben?
Und künden diese Tränen mir sie an?
Wo eil' ich hin? wo kann ich sie umfangen?
Was hält mein Fuß mich an dem Boden fest?
Vom Alter und vom Unglück glaubt' ich mich
Gekühlt, daß nichts mich überraschen könne;
Nun überrascht mich ein unendlich Glück.
Nur heimlich kann mich Hammon sehen. Bring
Ihn diese Nacht, durch diese Hallen her.
Am Fuße des Altars, wo meine Tränen,
Wo ungestümer Jammer vor den Göttern
Sich ausgoss, bis sie endlich sich erweichten,
Da geb' er meine Kinder mir zurück.
Ja, gebt mir, Götter! meine Kinder wieder!
Und dieses junge Paar, das mich bisher
Bedeutungsvoll gerührt, ist es nicht mein,
So wächs't mein Reichtum an. Auch diese gebt
Der Tugend, der Natur, der Wahrheit wieder,
Und so sind denn die beiden Paare mein.

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