Vierter Aufzug - Dritter Auftritt
Palmire. Seide.
Seide
Palmire, wagst du's? welch unsel'ger Trieb
Kann dich an diesen Ort des Todes führen?
Palmire
Die Furcht, die Liebe leiten mich hierher.
Mit heißen Tränen lass mich deine Hände,
Geweiht zu einem heil'gen Morde, baden!
Welch schrecklich Opfer fordert Mahomet,
Und du willst ihm, willst seinem Gott gehorchen?
Seide
Du, deren rein Gefühl, du, deren Liebe
Mich ganz beherrscht, o! sprich mir mächtig zu!
Entscheide die verworrne Wut, erleuchte
Den trüben Geist, und leite meine Hand,
Statt eines Gottes den ich nicht begreife.
Warum erwählt man mich? Ist unser Gott
Denn nur ein Gott der Schrecken? sein Prophet,
Zeigt er uns nur den Unerbittlichen?
Palmire
Wer darf zu fragen, wer zu untersuchen
Sich unterstehen? Mahomet durchschaut
Die Tiefen unsers Herzens, unsre Seufzer
Vernimmt er alle, kennet meine Tränen.
An Gottes Statt wird er verehrt von allen,
Das weiß ich. Zweifeln schon ist Lästerung.
Und dieser Gott, den er so stolz verkündet,
Er ist der wahre, denn der Sieg beweis'ts.
Seide
Er ist es, denn Palmire glaubt an ihn.
Doch mein verwirrter Geist begreift noch nicht,
Wie dieser gute Gott, der Menschen Vater,
Zum Meuchelmorde mich bestimmen kann.
Ich weiß, mein Zweifel schon ist ein Verbrechen;
Das Opfer fällt, den Priester rührt es nicht,
Und so verdammt des Himmels Wort Sopiren;
Mir ruft es zu: Erfülle das Gesetz!
Vor Mahomet verstummt' ich, fühlte mich
Geehrt des Himmels Winke zu erfüllen;
Ich eilte, das Gericht schon zu vollziehn.
Ach! welch ein andrer Gott hielt mich zurück?
Als ich den unglückseligen Sopir
Erblickte, fühlt' ich meiner Überzeugung
Gewalt verschwinden, und vergebens rief
Die Pflicht zum Mord mich auf. Gelinde kräftig
Sprach an mein innres Herz die Menschlichkeit.
Dann aber griff mit Ehre und mit Würde
Mich Mahomet und meine Schwachheit an.
Mit welcher Größe, welchem Ernste, riss
Er aus dem weichlichen Gefühl mich auf.
So stand ich da, gehärtet und gestählt.
Wie göttlich-schrecklich ist Religion!
Da schien mein erster Eifer mich zu treiben:
Doch trägt die Ungewissheit mich zurück,
Von herber Wut, zum Mitleid und Verschonen.
So dränget das Gefühl mich hin und her,
Mich schreckt der Meineid, wie die Grausamkeit.
Ich fühle mich zum Mörder nicht geschaffen;
Doch Gott hat es geboten; ich versprach's,
Und ich verzweifle nun dass ich's getan.
Im Sturme siehst du mich umhergetrieben;
Die hohe Woge trägt mich zum Entschluss,
Sie reißt mich wieder weg. O könntest du
Im ungestümen Meer den Anker werfen!
Wie fest sind unsre Herzen nicht vereint;
Doch ohne dieses Opfer kann das Band,
So drohte Mahomet, uns nicht umschlingen.
Um diesen Preis nur ist Palmire mein.
Palmire
Ich bin zum Preise dieser Tat gesetzt?
Seide
Der Himmel hat's und Mahomet beschlossen.
Palmire
Soll solcher Grausamkeit die Liebe dienen?
Seide
Dem Mörder nur bestimmt dich Mahomet.
Seide
Wir Unglücksel'gen!
Seide
Doch der Himmel will's.
Religion und Liebe, beiden dien' ich.
Palmire
Ach!
Seide
Kennst du nicht den Fluch, der unaufhaltsam
Des Ungehorsams freche Weigrung trifft?
Palmire
Wenn seine Rache Gott in deine Hand
Gegeben, wenn er Blut von dir verlangt?
Seide
Um dein zu sein, was soll ich?
Palmire
Gott! ich schaudre!
Seide
Du hast's gesagt, sein Urteil ist gesprochen.
Palmire
Ich? wie?
Seide
Ja, du entscheidest.
Palmire
Welches Wort
War so zu deuten? welcher Wink?
Seide
So ist's!
Der Himmel gab ein Zeichen mir durch dich,
Und dies Orakel bleibe mein Gesetz.
Die Stunde naht. Sopir wird bald erscheinen;
Hier betet er die falschen Götter an,
Die wir verfluchen. Geh, Palmire!
Palmire
Nein.
Ich kann dich nicht verlassen.
Seide
Bleibe nicht!
Nicht in der Nähe dieser Schreckenstat.
Der Augenblick ist greulich. Fliehe! Hier,
Durch dieser Hallen säulenreiche Gänge,
Kommst du zur Wohnung des Propheten hin.
Dort bleib' in Sicherheit.
Palmire
Der alte Mann
Soll sterben?
Seide
Soll! das Opfer ist bestimmt!
Am Staube fest soll meine Hand ihn halten,
Drei Stiche sollen seine Brust durchbohren,
Und umgestürzt, von seinem Blut bespritzt,
Soll der Altar verbannter Götter liegen.
Palmire
Durch deine Hand! im Staube! blutig! Gott!
Hier ist er. Weh uns!
Der Grund des Theaters öffnet sich, man sieht einen
Altar.