5. Mein preußisches Beamtentum
Meine erste persische Reise.
Es war nach seiner Rückkehr aus Spanien, daß mich eines
Tages der Baron von Minutoli durch seinen Besuch überraschte,
um mir den Antrag zu stellen, mit ihm gemeinschaftlich eine
mehrjährige Reise nach Persien anzutreten. Er erklärte mir,
daß man ihn zum Ministerresidenten ernannt und ihm die Wahl
eines Postens in drei exotischen Ländern freigelassen habe.
Darunter befände sich Persien. Er wolle die Reise antreten,
wenn ich mich entschließen könnte, ihn auf derselben zu
begleiten, natürlich in einer amtlichen Eigenschaft und mit
dem Titel eines königl. preußischen Vizekonsuls. Er machte
geltend, daß das moderne Persien ein wenig bekanntes Land sei,
dem aber ein poetischer Beigeschmack nicht fehle, so daß die
Reise neben der Erfüllung der patriotischen Zwecke der Mission
auch einen gewissen Genuß darbieten dürfe.
Was hatte ich in Berlin zu verlieren oder zu gewinnen? Ich
nahm ohne lange Überlegung den Antrag an, überzeugt in der
Anwesenheit eines liebenswürdigen und menschenfreundlichen
Chefs einen Ersatz für die Trennung von Heimat und Familie zu
finden. Freilich empfand ich es wie einen Stich ins Herz, daß
ich auf lange Zeit gezwungen sein würde, meinen ägyptischen
Studien ein Valet zu sagen, aber es tröstete mich der Gedanke,
in eine neue Welt im Osten einzuziehen und dort manche
Kränkung zu vergessen, die mir besonders in der letzten Zeit
den Aufenthalt in meiner eigenen Heimat verbittert hatte. War
es doch soweit gekommen, daß der geschickte Zeichner
Weidenbach, der an dem großen ägyptischen Denkmälerwerke
arbeitete, die Weisung erhielt, für mich selber keinen Strich
zu zeichnen, und daß die hieroglyphischen Typen der hiesigen
akademischen Buchdruckerei zum Drucke meiner eigenen Bücher
keine Verwendung finden durften.
In ungefähr einem Monat erlernte ich die persische Sprache,
wobei mir der 65 Jahre alte Lektor an der hiesigen Universität
Pietrazewski die ersten Anweisungen gab. Es ist derselbe, der
unserer Mission als Dragoman im Lande der Sonne leuchtete.
Auch er ist längst in das Reich der Schatten hinabgestiegen,
aber ich darf mich noch heute rühmen, sein braver Schüler
gewesen zu sein, der gleich nach unserer Ankunft in Persien
die Arbeit übernahm, die Mühe des Dolmetschens mit dem Lehrer
zu teilen.
Die Vorbereitungen zur Abreise waren bald erledigt,
obgleich es in Berlin ein wenig schwer hielt, die
Reisebedürfnisse eines Europäers für die Residenzstadt Teheran
mitten im Herzen von Asien zu beurteilen. Meine Freunde, an
deren Spitze sich die Bildhauer Bläser und Affinger und der
Maler W. A. Meyerheim befanden, gaben mir ein Abschiedsfest,
das an Fröhlichkeit seinesgleichen suchen soll. Es bestand in
einem abendlichen Festessen, verbunden mit inhaltreichen
Wandbildern, die mit Hilfe einer Laterna magica, deren Gläser
Meister Meyerheim buntfarbig bemalt hatte, höchst kunstgerecht
zur Darstellung gelangten.
Am 5. Februar 1860 abends 7 Uhr verließ ich Berlin, um mit
den übrigen Mitgliedern der Mission in Wien am nächsten Tage
zusammenzukommen. Zu den Mitreisenden gehörte ein Galizier,
der auf seine Regierung mit ihren papiernen Guldennoten
schlecht zu sprechen war und mir unaufhörlich die Frage
vorlegte:»Kann ein Diener glücklich sein, wenn sein Herr kein
Geld hat?« worauf ich ihm einfach erwiderte: »Ja, wenn der
Diener selber Geld hat.«
In Triest besuchte ich meinen alten Freund, den Hofmaler
Fiedler, einen geborenen Preußen, der sein großes und
herrliches Bild, die Wüste bei Assuan, damals gerade vollendet
hatte. Mit dem Lloydschiffe setzten wir nach Stambul über,
nichts weniger als erfreut durch die gewaltigen Kotberge und
die schmutzigen Gießbäche, welche das Straßennetz erfüllten.
Die Besichtigung der Stadt, die ich zum erstenmal in meinem
Leben besuchte, nahm ein paar Tage in Anspruch, und als
Mitglied der ersten preußischen Mission nach Persien hatte ich
die Ehre, den berühmtesten Personen der östlichen
diplomatischen Welt vorgestellt zu werden. Ich rechne dazu den
türkischen Minister der auswärtigen Angelegenheiten
Fuad-Pascha, den Präsidenten des Tansimats und den
eigentlichen Reformer der Türkei Ali-Pascha, den Präsidenten
des Staatsrats Kiamil-Pascha, den inngen Fürsten Alexis
Labanoff, welcher als russischer Gesandter in Stambul
residierte, Muchlis-Pascha, einen preußischen, in türkischen
Diensten stehen den Militär, dessen eigentlicher Name
Kuzkowski lautete, und viele andere Versonlichkeiten von Rang
und Stellung inner halb oder außerhalb der Türkei.
Der 26. Februar war der große Tag, an welchem die
Mitglieder nuserer Mission durch den preußischen Gesandten
Grafen von der Goltz und durch Fuad-Pascha nach dem türkischen
Hofzeremoniell dem Großsultan Abdul-Medschid-Chan vorgestellt
wurden. Der Beherrscher aller Gläubigen stand damals im 37.
Lebensjahre, machte aber bereits den Eindruck eines durch
Krankheit gealterten Mannes.
Auf einem österreichischen Lloydschiffe verließen wir am 2.
März Konstantinopel, um die eigentliche Reise nach Persien auf
der asiatischen Seite unseres Erdballes anzutreten. Wir
erreichten Trapezunt, wo selbst damals der gelehrte
Orientalist Dr. Blau seines Amtes als preußischer Konsul
waltete. Er hatte vor unserer eigenen Mission eine Dienstreise
nach der türkisch-persischen Grenze unternommen, seinen Weg
bis nach der großen persischen Handelsstadt Täbris ausgedehnt
und in einem handelspolitischen Berichte, der im Druck
erschien, seine Beobachtungen und Erfahrungen niedergelegt.
Von Trapezunt aus führt noch heute eine Karawanenstraße nach
der eben erwähnten Stadt. Schlechte Witterungsverhältnisse,
die um diese Zeit in dem rauhen Gebirgslande herrschen, sowie
die Langsamkeit der Bewegung der Karawane hatten unsern Chef
bewogen, diese Straßen aufzugeben und den Weg nach Persien
durch das russische Kaukasien einzuschlagen. Zur See traten
wir die Weiterreise an, landeten bei Batum, damals einer
armseligen, aus wenigen Hütten und Häusern bestehenden
türkischen Ansiedelung, die heutzutage in den Besitz Rußlands
übergegangen ist und sich gegenwärtig zu einer ansehnlichen
russischen Handelsstadt, am Ausgangspunkt einer Eisenbahn nach
dem Kaspischen Meere, entwickelt hat. Nach einer Weiterfahrt
von wenigen Stunden liefen wir in den Rion-Fluß ein, den
Phasis der Alten, verbrachten die Nacht in der fieberreichen
Militärstation von Poti, um später auf einem Flußdampfer und
schließlich in russischen Kibitken die letzte Strecke nach
Tiflis zurückzulegen. Fußhoher Schnee erfüllte die Gebirgs.
pässe, eine grimmige Kälte durchzitterte unsere Glieder, aber
glücklich erreichten wir die Hauptstadt des Kaukasus, in
welcher die russische Armee, kurz nach Eroberung des
Tscherkessengebietes, ihr Hauptquartier aufgeschlagen hatte.
Es kann nicht meine Aufgabe sein, die einzelnen
Persönlichkeiten zu schildern, von dem Generalgouverneur des
Kaukasus Fürst Bariatinsky an, mit denen wir in Berührung
kamen. Es genüge zu wissen, daß wir uns allenthalben einer
zuvorkommenden Aufnahme erfreuten und daß dem Fürsten selber
mein Name wohlbekannt war, da er sich durch Ankauf der großen
Bibliothek eines russischen Ägyptologen in den Besitz einer
ägyptischen Bücherei gesetzt hatte, die an Vollständigkeit
kaum übertroffen werden konnte. Unsere Reise zu Lande von
Tiflis aus durch das gebirgsreiche armenische Gebiet bis zur
russisch-persischen Grenze am Araxes ging ebensowohl ohne
Unfall von statten, als sie uns täglich die reichste Gelegen
heit darbot, Land und Leute in allen Einzelheiten auf das
genaueste kennen zu lernen. Jenseits des Araxes berührten wir
das eigentliche Gebiet Persiens. Wir hatten das Glück, von
einem persischen Reisemarschall empfangen und den drei Wochen
langen Weg über Täbris nach der Haupt- und Residenzstadt des
Schah von Persien geleitet zu werden. Ich habe in einem
zweibändigen Werke, das unter dem Titel »Reise der ersten
preußischen Gesandtschaft nach Persien« gleich nach meiner
Rückkehr in die Heimat erschien, den Versuch gewagt, die
Erlebnisse, die Beobachtungen und die Erfahrungen unserer
Mission in möglichster Vollständigkeit zusammenzustellen, um
dem deutschen Leser ein Bild Persiens zu geben, wie es uns
heutzutage mit allen seinen Eigentümlichkeiten und
Sonderbarkeiten entgegentritt.
Der Beherrscher dieses großen Landes, das an Umfang
Deutschland dreimal übertrifft, aber höchstens sieben
Millionen Einwohner zählt, war der damals dreißigjährige Schah
Nasred-Din, der noch gegenwärtig das Szepter über seine
»gesegneten Königreiche« führt und durch seine wiederholten
Reisen nach Europa die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich
gezogen hat. Meinerseits kann ich dem Vergnügen nicht
entsagen, meine offene Meinung über diesen Fürsten
auszusprechen, der in Frängistan die härtesten und
ungerechtesten Urteile erfahren hat. Man hat es vergessen, daß
der Schah ein Asiat und kein Europäer ist, daß Gebräuche und
Sitten der Perser auf asiatisch-mohammedanischen Anschauungen
beruhen, aber man weiß es nicht, daß gerade der Schah als der
beste Perser bezeichnet werden muß, dessen wiederholte Reisen
nach Europa lediglich den Zweck verfolgten, europäische
Kulturzustände und die Fortschritte unserer Industrie durch
Augenschein näher kennen zu lernen und, wenn möglich, auf
persische Verhältnisse zu übertragen. In dem königlichen
Schloßgarten zu Teheran habe ich öfters Gelegenheit gehabt,
nach meiner zweiten vor wenigen Jahren amtlich unternommenen
Reise nach Teheran, die Äußerungen des Schah über Kultur und
Zivilisation näher kennen zu lernen und mich jedesmal gefreut,
darin den gesundesten Anschauungen zu begegnen. Nicht weniger
mußte ich erstaunt sein, aus seinem eigenen Munde zu
vernehmen, wie sehr es ihn geschmerzt habe, in deutschen,
englischen, französischen Zeitungen die ungerechtesten und
spöttischsten Beurteilungen seiner Handlungen und seiner
Gewohnheiten gelesen zu haben und dem Vorwurfe begegnet zu
sein, als ob er allein die Schuld daran trage, daß seine
Unterthanen sich im Zustande von Halbbarbaren befänden. Er
habe zwei Aufgaben zu erfüllen, einerseits in seinem Volke das
echte Persertum in Sprachreinheit, in edlen Sitten und guten
Gewohnheiten zu bewahren, andererseits aber nichts unversucht
zu lassen, um der Kultur nach europäischen Begriffen den
Eingang in sein Land zu verschaffen. Er habe, damals bereits
als ein Dreißiger, die französische Sprache erlernt, um sich
aus französischen Büchern zu belehren und zu unterrichten, er
habe selber ein französisch-persisches Wörterbuch abgefaßt und
in Druck gegeben, um den Persern die Kenntnis dieser Sprache
zu erleichtern; er schreibe und er dichte, um auch in der
eigenen Sprache seinem Volke Muster zu bieten, allein er müsse
es der Zeit überlassen, seine Bemühungen von bleibenden,
sichtbaren Erfolgen gekrönt zu sehen. Diese und ähnliche
Äußerungen der iranischen Majestät waren nicht bloß darauf
berechnet, mich zu bestechen und ein günstiges Urteil über
ihren Urheber zu erzeugen, sondern sie entsprangen seiner
aufrichtigen Meinung, wie ich mich selber später durch die
Thatsachen zu überzeugen Gelegenheit hatte.
Dreißig Jahre später, nach der Rückkehr von meiner zweiten
Reise nach Persien, ward mir die Ehre zu teil, aus dem Munde
unseres großen Kaisers Wilhelm I. ein Urteil über den Schah
von Persien zu hören, das sich mit dem meinigen vollständig
deckte. Auch in diesem Falle offenbarte mein kaiserlicher Herr
die tiefe Menschenkenntnis, welche ihn auszeichnete, und die
seltene Eigenschaft, gleichsam mit einem Blicke den äußeren
Schein von dem inneren Werte scharf zu unterscheiden. Auf dem
Paradediner, zu dem ich kurz nach meiner Rückkehr aus Teheran
eine Einladung zu erhalten die Ehre hatte, äußerte sich der
Kaiser wörtlich: »Ich habe den Schah von Persien als einen
Mann von seinem Taktgefühl kennen gelernt, das sich bei seinen
mehrmaligen Besuchen in Berlin nie verleugnet hat. Mußte es
mich nicht tief bewegen, daß der Schah an jenem Tage, an
welchem mich das Geschoß eines Wahnsinnigen verwundete, sofort
seine Abreise befahl, in der Meinung, seine Ankunft an selbem
Tage habe mir Unglück gebracht?«
Kurz nach unserer Ankunft in Teheran wurde die preußische
Mission durch ein neues Mitglied vermehrt, zu dem ich während
seines ganzen Lebens die größte Zuneigung fühlte, trotzdem die
Wege unseres Berufes auseinandergingen und ein Wiedersehen
nach der Rückkehr in die Heimat nur selten verwirklicht wurde.
Es war der Neffe des Ministerresidenten, Herr von Grolmann,
der damals als Premierlieutenant dem ersten Garderegiment in
Potsdam angehörte und der Gesandtschaft in Teheran als
Militärattaché überwiesen ward. Dienstliche Pflichten halten
ihn verhindert, gleichzeitig mit uns von Berlin abzureisen,
und so war er genötigt, von Ort zu Ort in fliegender Eile
unsern Wegspuren zu folgen, um sich erst in Teheran, wenige
Tage nach unserer eigenen Ankunft, mit uns zu verbinden. Ohne
Kenntnis der türkischen, russischen und persischen Sprache war
dem kaltblütigen und klugen Offizier das Kunststück gelungen,
sich überall Bahn zu brechen und zuletzt in sechs Tagen einen
Kurierritt von der russisch-persischen Grenze an bis nach der
Residenzstadt Teheran bei glühendster Hitze mitten in den
asiatischen Steppen zurückzulegen. Die Leistung war eine
außerordentliche, wenn auch auf dem Schnellritte zwei Pferde
auf der Straße liegen blieben.
Der diplomatische Verkehr in Teheran lehrte mich zum
erstenmale das internationale gesandtschaftliche Leben kennen,
fern von der europäischen Heimat und unter einer
halbbarbarischen Bevölkerung. Die nationalen Unterschiede
verschwanden, das Gefühl der europäischen Landsmannschaft trat
in den Vordergrund. Wenn auch die französische Sprache zur
Vermittlung der gegenseitigen Unterhaltung und amtlichen
internationalen Korrespondenz diente, so dehnte sich der
Einfluß Frankreichs auf die europäischen Landsleute in keiner
weiteren fühlbaren Weise aus. Zu den Bekanntschaften, die ich
damals zu machen Gelegenheit hatte, gehörte in erster Linie
der berühmte Keilschriftenforscher Colonel Sir Henry Rawlinson,
der als bevollmächtigter Gesandte Englands in Teheran seine
Residenz aufgeschlagen hatte, der russische Legationssekretär
Jessen, uns Deutschen wohlbekannt als liederreicher Dichter,
der bisherige Leibarzt des Schah Dr. Pollack, ein geborener
Österreicher, sowie sein Nachfolger, der französische Doktor
Tholozan, eine der liebenswürdigsten und deutschfreundlichsten
Persönlichkeiten. Zuletzt will ich den jungen Melnikoff nicht
vergessen, welcher damals der russischen Gesandtschaft
attachiert war, weil ich das Glück hatte, ihn bei meiner
zweiten Anwesenheit in Persien, nach Verlauf von beinahe
dreißig Jahren, als Minister und Gesandten seiner Regierung in
Teheran wieder zu begrüßen.
Die Leiden und Freuden des Aufenthaltes in Teheran in der
sommerlichen Jahreszeit am Fuße des schneebedeckten El-Burs
übergehe ich gern, denn die Leiden, meist hervorgerufen durch
die schädlichen Einflüsse des iranischen Klimas, überwogen bei
weitem die Freuden. Doch verbrachten wir den ganzen Sommer
über in den sogenannten kühlen Gründen am El-Burs, um am
Schlusse desselben in der herbstlichen Jahreszeit die vom
Baron von Minutoli geplante Reise über Hamadan (das alte
Ekbatana), Isfahan und Schiras nach dem persischen Golf
anzutreten, gegen alles Widerraten unterrichteter Personen,
welche die Reise in herbstlicher Jahreszeit nach dem Süden
geradezu als ein gefährliches Unternehmen bezeichneten. Der
Baron war der entgegengesetzten Meinung, da er in dem Glauben
stand, daß ein nach dem Laarthale unternommener Ausflug zur
Besteigung des 18000 Fuß hohen Berges Demawend uns vollkommen
zu dem weiteren Wege nach dem persischen Golfe vorbereitet und
reisefest gemacht haben dürfte.
Unsere Karawane bestand aus sieben Europäern, ungefähr
zwanzig persischen Soldaten, Dienern und Karawanenknechten,
sowie aus neun Reitpferden und 22 Maultieren zum Transport der
Reisigen und des Gepäcks. Die ausgesprochenen Befürchtungen
trafen leider in vollstem Maße ein. Die Hitze, der Genuß von
Früchten, dann besonders das schlechte und meist salzige
Wasser, wie es den persischen Bächen der Mehrzahl nach eigen
ist, und der Mangel jeder ärztlichen Hilfe brachten ihre
Einwirkungen auf unsere europäischen Körper zur Geltung. Wir
erkrankten der Reihe nach und gingen mit Bangigkeit dem
letzten Teile der Reise im Süden entgegen, woselbst Pest und
Cholera, mit dem Mittelpunkt Schiras, nach den Berichten aller
Reisenden zahlreiche Opfer forderten. Im Angesicht der Ruinen
von Persepolis hielt ich mein letztes Stündlein für gekommen.
Ueber und Dysenterie durchwühlten meinen Leib und nur mit Mühe
und Not vermochte ich mein Pferd zu besteigen, um den letzten
Marterweg nach Schiras zurückzulegen.
Bei unserem Einzug in die Stadt der Dichter und des
Wissens, in welcher du Cholera mit aller Gründlichkeit hauste,
hatten wir die Überraschung, einem bleichen Perser zu Pferde
zu begegnen, vor dem alle Welt auf der Straße mit lautem
Geschrei sich in die Nebengassen rettete und den man mir auf
Befragen sonderbarerweise als den »Choleramann« bezeichnet
hatte. Sobald er in irgend einem Teile Persiens erscheint, so
soll nach den Erzählungen darüber die Cholera in demselben
ausbrechen und nicht eher weichen, als bis der Choleramann
wieder den Rücken gewendet hat. Ich werde auf diese
merkwürdige Person noch einmal zurückkommen, da ich während
meines späteren konsularischen Amtes in Kairo die Überraschung
hatte, ihr an dem Krankenbette eines von der Cholera gepackten
Preußen zu begegnen.
Die Zunahme meiner Leiden hinderte mich an dem Ritte des
Barons von Minutoli und seines Neffen von Grolmann nach
Benderbuschir am persischen Golfe teilzunehmen.
Mein unglücklicher Chef büßte auf dem Wege sein Leben ein,
nachdem ihn das Fieber mit voller Macht ergriffen hatte, ohne
daß man selbst auf den englischen Schiffen im Hafen des
persischen Golfes im stande gewesen war, dem schwer Erkrankten
Heilung und Rettung zu bringen. Der ehemalige Polizeipräsident
von Berlin, Baron von Minutoli, liegt in einem Felsengrabe des
christlich-armenischen Kirchhofes außerhalb der Stadt Schiras
bestattet, fern von Familie und Heimat auf asiatischer Erde,
in der Nähe der Dichterfürsten Hafis und Saadi.
Die Rückkehr nach Teheran war unter solchen Umständen eine
Trauerreise und unsere Ankunft in der Residenz nichts weniger
als ein fröhliches Wiedersehen von Bekannten und Freunden.
Hierzu kam, daß die Cholera ihren Weg hinter unserem Rücken
nach der Hauptstadt genommen hatte und gleichzeitig eine
Hungersnot ausgebrochen war, die für die darin anwesenden
Europäer – der Zahl nach etwa sechzig – das Ärgste befürchten
ließ. Das Volk erstürmte die Bäckerläden, durchlief die
Straßen mit drohendem Geheul, pflanzte sich vor der Burg des
Schah auf und Tausende von Weibern rissen sich auf offener
Straße die Schleier von dem Angesicht, um in die Rufe nach
Brot mit gellender Stimme und drohend erhobenen Händen
auszubrechen.
Das Personal der Gesandtschaften hatte sich in seinen
Häusern in Verteidigungszustand gesetzt und mit Bangen
erwartete man den Ausgang der Dinge. Aber auch das ging
vorüber, und man fing an allmählich wieder aufzuatmen, nachdem
der Schah und seine Minister die Getreidespeicher geöffnet und
das Korn unter die hungernde Menge verteilt hatten.