1. In Ägypten
Bei meiner ersten Reise in Ägypten saß ich eines Abends in
Kairo an der wohlbesetzten Hoteltafel und mir gegenüber ein
Mann in vollständig morgenländischem Gewand, sonnengebräunt,
mit einem langen Bart und geschorenem Kopf, mit Armen, welche
bis an die Ellenbogen, und mit Beinen, welche bis an die Knie
hinauf nackt waren. Anfangs beachtete ich ihn nicht, da es ja
in Kairo Araber genug zu sehen gibt. Als er nun aber den Mund
öffnete und in reinstem Englisch mit seinem Nachbar eine
Unterhaltung begann, da wurde ich doch sehr neugierig. Wer war
dieser arabische Engländer? – Niemand anders als der berühmte
Leutnant Burton, der eben von Mekka zurückgekehrt war, von
Mekka, der heiligen Stadt der Mohammedaner, von Mekka, dessen
Betreten jedem Christen bei Todesstrafe verboten ist. Burton
hatte die Reise als Mohammedaner verkleidet zurückgelegt, und
so war es ihm gelungen, die heiligen Stätten zu besuchen und
sich mitten zwischen den Gläubigen zu bewegen, ohne dass
jemand in ihm den Ungläubigen ahnte. Je mehr ich Burton
erzählen hörte, um so stärker wurde in mir der Wunsch, seinem
Beispiele zu folgen. Aber da ich noch nicht gut Arabisch
sprechen konnte, so musste ich meinen Plan noch lange, lange
aufschieben.
Sieben Jahre später, im Frühlinge 1860, als ich von einer
Reise durch Marokko zurückgekehrt war, auf welcher ich mich
auch oft hatte verkleiden müssen, brachte ich meinen Plan
endlich zur Ausführung. Durch einen mehrjährigen Aufenthalt in
Nordafrika hatte ich eine Sprechweise des Arabischen, den
maghrebischen Dialekt, einigermaßen sprechen gelernt. Als
Maghrebi verkleidet konnte ich die Pilgerfahrt unternehmen.
Zwei Dinge musste ich mir aber dann noch anschaffen: ein
maghrebisches Gewand und einen muselmännischen Namen; ersteres
war leicht, letzteres nicht sehr schwer. Ich kaufte mir also
in Algier in aller Heimlichkeit einen maurischen Anzug: eine
Jacke, zwei Westen, Schärpe, Hose, rote Mütze und einen
halbseidenen Turban. Das alles zog ich nun nicht etwa an,
sondern wickelte es vielmehr sorgfältig in ein Tuch und begab
mich in stockfinsterer Nacht mit diesem Bündel in eins der
abgelegensten Gässchen der Stadt, wo ich in ein kleines, in
einem Keller befindliches Kaffeehaus trat. Dort, wusste ich,
würde ich den Mann treffen, der mir für die geplante
Pilgerreise seinen Namen leihen würde.
In einem Winkel dieses Lokales saß ein arabischer Strolch,
der früher in einem gewissen Wohlstand gelebt hatte, aber
durch das stete Rauchen des berauschend wirkenden Haschisch so
heruntergekommen war, dass er zu keiner Arbeit mehr Lust
hatte. »Sage mir, Abd-er-Rahmann,« so redete ich ihn zu seinem
höchsten Erstaunen an, »willst du sechs Monate auf die
angenehmste Weise, ohne Sorgen und mit reichlichem Geld
versehen, zubringen und während dieser Zeit Haschisch rauchen,
soviel du magst, ohne dass dich einer von deinen Gläubigern zu
belästigen wagt?« Der Angeredete schaute mich an, als glaubte
er, ich hätte auch Haschisch geraucht und erzählte ihm nun ein
Märchen aus Tausendundeiner Nacht. Endlich fragte er, was ich
denn mit solchem Unsinn meinte. »Du wirst«, erwiderte ich,
»dich in acht Tagen von hier entfernen und nach Tunis oder
einer andern afrikanischen Stadt gehen, dort sechs Monate
still für dich deinen Haschisch rauchen und bekommst dafür...«
(hier nannte ich ihm eine Summe, die für einen Araber ganz
annehmbar war). Einen Augenblick meinte Abd-er-Rahmann, ich
wäre wohl ein Missionar, die es zuweilen, aber erfolglos,
versuchen, Mohammedaner zu Christen zu machen, und erst als
ich ihn darüber beruhigt hatte, erklärte er sich zu allem
bereit. »Du wirst«, sagte ich ihm, »diesen Anzug, welchen ich
hier in diesem Bündel mitgebracht habe, morgen früh anziehen
und so gekleidet aufs Stadthaus gehen und eine Polizeikarte
auf deinen Namen für eine Pilgerreise nach Mekka verlangen.« –
Einen Tag später hatte ich meinen Pass. Der gute
Abd-er-Rahmann schiffte sich nach Tunis ein, während er
vorgab, die Pilgerfahrt nach Mekka unternehmen zu wollen, um
nach sechs Monaten mit dem ehrwürdigen Namen eines Hadsch
(eines Pilgers) zurückzukehren. Auf seine Verschwiegenheit
konnte ich rechnen, denn er geriet bei seinen Landsleuten in
die größte Gefahr, wenn sie erfuhren, dass er einem
Ungläubigen zu einer Fahrt nach ihrer heiligen Stadt verholfen
hatte. Nicht nur hat die türkische Regierung, welche die
Herrschaft über das Heilige Grab ausübt, Todesstrafe für jeden
Ungläubigen, der die Stadt zu betreten wagen sollte,
festgesetzt; nein, auch jeder Pilger wacht über sie und würde
jeden Christen sofort anzeigen, wenn er sich verkleidet in die
Stadt schleichen sollte. In dem Paß, den ihm die Polizei
ausgestellt hatte, stand außer dem Namen auch eine genaue
Beschreibung Abd-er-Rahmanns; aber es gelang mir einigermaßen,
mich so zu verkleiden, dass seine Beschreibung auch auf mich
passte; nur den Ausschlag auf dem Kopfe, an dem mein Gehilfe,
wie so viele Leute im Morgenlande, litt, wollte ich mir nicht
anschaffen, obgleich es ja durch Ansteckung möglich gewesen
wäre. Aber ich konnte ja sagen, ich wäre von jener Krankheit
unterwegs geheilt worden.
Kaum war ich im Besitz des Passes, als ich ein Dampfschiff
bestieg und mich auf die Reise machte. Anfangs war ich noch
Europäer; auf einer Station aber verwandelte ich mich in die
Person Abd-er-Rahmanns und fuhr dann auf einem andern
Dampfschiff nach Ägypten, und zwar nach Alexandrien. Ich fuhr
bescheiden auf dem dritten Platz, fastete und verrichtete
meine Gebete, wie es sich für einen armen Pilger gehört. Zum
Glück war die See ruhig, die Wellen stürzten nicht über Deck,
und auch die Seekrankheit verschonte mich. Am 16. April
langten wir in Alexandrien an. Von dieser Stadt will ich jetzt
nichts erzählen, nichts von dem Gewühl in den Straßen, von den
Maultieren, wilden Hunden, Kamelen, nichts von den großen
Bauten. Nur von einem Bauwerk muss ich berichten, von der
Eisenbahn, die von Alexandrien nach der Hauptstadt Kairo
führt. Wenn der Kalif Omar noch lebte, der die Bücher der
großen Bibliothek in Alexandrien zur Badeheizung verbrennen
ließ, weil sie neben dem Koran überflüssig waren, wenn er die
Eisenbahn, dies Teufelswerk, gesehen hätte, so hätte er sie
gewiss zerstört, jedenfalls aber jedem frommen Pilger
verboten, von der schändlichen Erfindung der Inkliis
(Engländer) Gebrauch zu machen. Aber heutzutage wagt man die
Eisenbahn doch nicht mehr zu verbieten, und so fahren denn
auch die frommen Pilger auf dem gottlosen Schienenwege dahin.
Am 26. Ramadan (18. April) nahm ich ein Billett dritter Klasse
und bestieg einen Wagen, der schon ganz mit Ägyptern und
Türken besetzt war, denn so, dachte ich, konnte doch kein
Maghrebi, der bald meine Verkleidung durchschaut hätte, mein
Nachbar werden. Zum Glück konnte ich die weißen Mäntel der
Maghrebi immer schon von weitem erkennen und in weitem Bogen
um diese Leute herumgehen.
In der Eisenbahn schloss ich bald Bekanntschaft mit einem
alten ehrwürdigen Mann mit langem weißen Bart, mit einem
Kattunkleid angetan, mit einem Turban auf dem Kopf und gelben
Schuhen an den Füßen. Er führte fortwährend fromme Sprüche im
Munde. Die wichtige Neuigkeit, dass es nur einen Gott gebe und
dass Mohammed sein Prophet sei, wurde uns wenigstens
hundertmal auf der Reise mitgeteilt. Dieser Greis war ein
gewisser Scheich Mustapha aus Kairo, ein Gelehrter, der den
ganzen Koran auswendig wusste und der mit seinen drei Neffen
die Pilgerreise nach Mekka antreten wollte. Die Reise sollte
den Nil hinaufgehen und von dort durch die Wüste und über das
Rote Meer geradezu nach dem Heiligen Grab führen. Und da er
wohl merkte, dass ich Geld hatte, so riet er mir eifrig zu,
mit ihm zu reisen, womit ich auch ganz einverstanden war.
Unter solchen Gesprächen fuhren wir an den Pyramiden vorbei
und begrüßten endlich die alte Kalifenstadt Kairo. Noch im
Bahnhof überraschte uns der Kanonenschuss, der den Gläubigen
das Ende des Fasttages ankündigte. Nun hätte man sehen sollen,
mit welcher Gier die Moslems, die einen über ihre Pfeife, die
andern über ihre Lebensmittel herfielen! –
Auch von Kairo will ich nicht viel erzählen. Ich hatte
meine bescheidene Herberge in dem Stadtviertel der
Kupferschmiede. Da der Monat Ramadan, an dem man tagsüber
fasten muss, noch andauerte, so zog ich vor, den Tag über zu
schlafen, um mich nicht zu sehr abzuschwächen. Nur nachts ging
ich aus, durch die herrlich erleuchteten Straßen, besuchte die
von tausend Lichtern strahlenden Moscheen, schlenderte
zwischen den Kaufläden umher, trat auch wohl in ein arabisches
Kaffeehaus und sah dort den Tänzerinnen und den Clownsspäßen
zu. Mein neuer Bekannter Scheich Mustapha, den ich auch einmal
traf, führte mich zu einem Sklavenhändler, von dem ich mir
einen jungen Negersklaven für die Summe von zweihundert
Franken kaufte. Warum tat ich das? Nun, in einem
Sklavenbesitzer würde man doch gewiss keinen Europäer
vermuten. Mein Sklave hieß Ali, war achtzehn Jahre alt, ganz
schwarz, hatte sehr dicke Lippen, eine platte Nase und sehr
weiße Zähne – kurz, er war ein echter Neger. Er verstand
nichts, aber das war auch nicht nötig; wenn er nur an mich
glaubte und jedermann sagte, ich sei ein frommer Moslem – und
das tat er. Endlich war der entsetzliche Ramadan vorbei, und
ich ging mit Ali am frühesten Morgen an den Nil, wo wir unsere
Bekannten mit einigen fünfzig anderen Ägyptern in einem großen
Nilschiff beisammen fanden. Ich wurde ohne Arg aufgenommen,
und bald ging es mit blähenden Segeln, beim schönsten,
günstigsten Nordwind den Nil hinauf.
Die Mitreisenden bestanden zum größten Teil aus Ägyptern,
einigen Negern, Türken und zwei Männern aus Mekka; zum Glück
war ich der einzige Maghrebi unter diesem bunten Häuflein. Die
Ägypter waren meist vornehme Leute, Gelehrte oder Kaufleute;
einige ägyptische Bauern (Fellahin), die mit dabei waren,
hielten sich meistens allein bei den Matrosen des Schiffes
auf, aßen mit diesen das harte schwarze Durrabrot, welches, in
Wasser gekocht, fast die einzige Nahrung der Armen ist, und
schliefen auf dem Verdeck, was sie übrigens bei der Temperatur
von einigen 20° R ohne Furcht vor Erkältung tun konnten. –
Einer von den Gelehrten war ein großes Licht, denn er kannte
sogar die Grammatik, was bei den Arabern immer das letzte ist,
was sie lernen. Obgleich ich auch einiges davon kannte, so
hütete ich mich doch, das merken zu lassen, weil mich das
unfehlbar als Europäer verraten haben würde; denn nur
demjenigen ist es gestattet, die Grammatik zu lernen, der den
ganzen Koran, ohne auch nur um ein Wort zu irren, aus dem
Gedächtnis hersagen kann – und davon war ich weit, weit
entfernt. Die beiden Türken, die mit uns reisten, waren aus
Kleinasien, waren rohe und grobe Kerle, traten schwerfällig
und plump auf, aßen auf eine abscheulich schmutzige Weise und
taten die unanständigsten Dinge in Gesellschaft. Aber sie
wurden doch mit großer Würde behandelt, denn sie gehörten ja
zu dem Volke, das über alle diese Länder herrscht. Die beiden
Mekkaner waren Leute von sehr feinen Manieren; aber sie waren
so eingebildet, dass sie verlangten, man solle sie
unentgeltlich fahren lassen. Wenn man sie erzählen hörte, so
besaßen ihre Eltern in Mekka Paläste, so schön wie der Palast
Aladdins. Je mehr wir uns aber ihrer Heimat näherten, desto
mehr stimmten sie ihre Prahlereien herab, und zuletzt mussten
sie eingestehen, dass ihre Väter ganz arme Leute seien.
Das Schiff, auf dem wir fuhren, hatte zwei Masten, einen
großen in der Mitte und einen kleinen am Vorderteil, mit
dreieckigen Segeln, die sich kreuzten, wenn sie aufgespannt
waren. Die Matrosen waren halbe Neger und gingen mit langen
blauen Hemden bekleidet, die sie aber oft auszogen, um in den
Fluss zu springen, und das Schiff, das alle Augenblicke auf
einer Sandbank festsaß, mit den Fäusten und dem Rücken wieder
flott zu machen. Da der Nordwind im späteren Frühjahr in
Ägypten höchst selten ist, so durften wir uns nicht wundern,
dass der günstige Wind, der uns die ersten drei Stunden
begleitet hatte, bald einem ungünstigen Südwind Platz machte.
Dieser Südwind (oder Schirokko, wie er in Algerien, oder Samum,
wie er in der Wüste genannt wird) ist überaus heiß und
trocken, führt eine Menge feinen Staub mit sich, der selbst
durch Fenster und Läden eindringt, und bringt auch gewöhnlich
Fieber und Augenentzündung mit. Da unsere Segel jetzt nutzlos
waren, so musste gerudert werden, was die faulen Matrosen nur
höchst ungern und langsam taten, so dass wir kaum drei oder
vier Kilometer in der Stunde vorwärts kamen. Und da der
Südwind nun ununterbrochen zu wehen fortfuhr, so war die
Folge, dass wir drei Wochen zu einer Fahrt brauchten, die sich
sonst in acht Tagen zurücklegen ließ.
Von der Reise selbst ist nicht viel zu erzählen. Abends
legten wir immer in kleinen Dörfern an, wo es oftmals bis tief
in die Nacht hinein Belustigungen gab. Einmal sahen wir einen
muselmännischen Friedhof. Da der Monat Schual besonders den
Besuchern der Gräber gewidmet ist, so sahen wir zahlreiche
kleine Barken mit ägyptischen, blauverhüllten,
dichtverschleierten Frauen. Die Männer von Kairo erzählten
viel Seltsames von den Krokodilen, die wir weiter oben zu
sehen kriegen sollten; ich musste mich natürlich stellen, als
wüsste ich gar nicht, was ein Krokodil sei, da solche Kenntnis
bei einem Maghrebi höchst verdächtig erschienen wäre; denn der
Maghrebi gilt überhaupt bei den Ägyptern für ein Muster von
Dummheit, und sie vergleichen ihn am liebsten mit einem Esel.
– In einem Orte mussten wir einen Tag rasten, um den Matrosen
Zeit zum Brotbacken zu lassen. Alle die kleinen Städtchen, an
denen wir vorbeikamen, waren aus grauen Luftziegeln erbaut, so
dass die Häuser wie Lehmhütten aussahen, die überall
zersprangen und zerbröckelten.
Einmal wurde einem der Männer, dem dicken Omar aus Kairo,
seine Börse gestohlen. Dadurch geriet er in große Wut und
klagte alle übrigen des Diebstahls an. Natürlich wollten wir
das nicht auf uns sitzen lassen. Aber wie konnte man den Dieb
ausfindig machen? Endlich kam einer auf den Einfall, einen
Spruch aus dem Koran auf ein Papier zu schreiben; dies Papier
wurde dann in Stücke gerissen und jedem Anwesenden ein Stück
in den Mund gesteckt; nun mußte es hinuntergeschluckt werden
und – den Unschuldigen sollte der Spruch keinen Schaden
zufügen, dem Schuldigen sollte er aber den Tod bringen. Auf
diese Art versucht man in Ägypten oft, aus abergläubischen
Menschen die Wahrheit herauszubringen, da der Schuldige dann
doch sein Papier nicht hinunterschlucken, sondern irgendwo im
Munde verstecken wird, wo es dann leicht gefunden werden kann.
Aber in unserer Gesellschaft half das Mittel nicht, denn auch
der Dieb verschluckte sein Papierchen, und bei keinem ließ
sich etwas finden. Nun hätte man ja nach dem Polizeidiener
schicken können, der ohne Zweifel durch Stockprügel die
Wahrheit bald herausgebracht hätte. Aber sowie Omar diesen
Vorschlag nur erwähnte, geriet alles in solche Entrüstung,
dass er gleich davon schwieg, denn wir hätten in diesem Falle
eben alle unsern Teil Schläge wegbekommen. Endlich machte
einer von den Türken einen Vorschlag, der sehr seltsam war,
aber doch gleich zum Ziel führte. Jeder sollte nämlich sein
bares Geld vorzeigen, und wer mehr als die zur Pilgerfahrt
nötige Summe bei sich habe, sei der Dieb. Es fand sich denn
auch wirklich, dass niemand mehr, ja kaum einer so viel hatte,
als für eine Pilgerfahrt nach Mekka notwendig ist. Ich besaß
wohl etwas mehr, aber mein Geld bestand zum Teil in Banknoten,
die ich gut versteckt hatte. Der Dieb jedoch, einer der beiden
Mekkaner, besaß dreimal soviel als irgendein anderer, woraus
hervorging, dass er vorher schon einmal gestohlen haben
musste. Da man ihm nun mit der Strafe des Halsabschneidens
drohte, wenn er nicht gestehen wolle, so gab er denn
schließlich sein Verbrechen zu. Omar bekam sein Geld wieder,
und die ganze Gesellschaft war dem Übeltäter bald wieder gut.
Der dicke Omar war so glücklich, dass er uns alle, ja den Dieb
auch, mit dem besten Mokkakaffee traktierte. Bald war es in
der Gesellschaft wieder so, als wenn gar nichts passiert wäre.
Um 2 Uhr nachmittags am 18. Schual 1276 der Hedschra (10.
Mai l860) vollendeten wir unsere Nilfahrt, indem wir in Kene
anlangten, von wo die Karawanen durch die Wüste nach Kosseir
am Roten Meer führen, wo man sich nach der arabischen Küste
und besonders nach Dschedda, dem Hafen Mekkas, einschifft.
Unser Weg sollte nun etwa hundertundachtzig Kilometer durch
die Wüste führen. Da mietete ich nun zunächst zwei Kamele,
eins für mich, eins für Ali, der mir nicht kräftig genug
schien, um den Weg zu Fuß machen zu können. Außer den nötigen
Esswaren nahm ich auch Wasser mit. Deshalb hatte ich schon in
Kairo ein Dutzend großer, mit Leder überzogener Wasserflaschen
gekauft, wie man sie gewöhnlich zu Wüstenreisen mitnimmt. In
meinem nicht geringen Erstaunen fand ich, dass ich der einzige
war, der an Wasserbehälter gedacht hatte. Nicht, als ob die
Araber nicht ebensoviel Wasser trinken als die Europäer; aber
sie sind so sorglos, dass sie lieber leiden wollen, als sich
die Mühe zu machen und an die Zukunft zu denken. Nur für sehr
große Wüstenreisen, wo es völlig an Oasen fehlt, nehmen diese
Leute Wasser mit. Aber trotzdem die Leute so wenig sorgten,
wurden doch zwei volle Tage auf den Vorbereitungen für die
Reise vertrödelt. Das ist echt morgenländisch! – Unsere
Reisegesellschaft bestand aus zweihundert Personen, aber nur
der vierte Teil war beritten; die Fußgänger brauchten sich
indessen auch nicht zu sehr anzustrengen, denn die ganze
Strecke wurde in sieben Tagen zurückgelegt, was auf den Tag
etwa fünfundzwanzig Kilometer brachte.
Unsere Karawane sah sehr bunt aus. Da waren Kamele, Esel,
Pferde und Maultiere; da waren Menschen in den verschiedensten
Trachten: ägyptische Bauern in langen blauen Hemden, Beduinen,
die stolzen, freien Wüstenbewohner, Türken mit schauderhaft
langen Schnurrbärten und mit Dolchen und Pistolen in der
Schärpe (die aber so umwickelt waren mit kunstvollen Bändern,
dass es sicher langer Zeit bedurfte, sie in Gang zu setzen,
und die doch wahrscheinlich überhaupt nicht zu gebrauchen
waren). Da waren Neger, deren Frauen sie bis ans Meer
begleiteten, Frauen, die beinahe ganz nackt gingen, nur um den
Leib ein Gehänge von dünn geschnittenen Riemchen trugen und
deren Haare, mit ranziger Butter beschmiert, in tausend
fettigen Löckchen auf den Nacken fielen. Da waren auch
Araberinnen, die ein einziges Tuch übers ganze Gesicht trugen,
das nur zwei Löcher für die Augen hatte, so dass man von ihrem
Gesicht nichts, nicht einmal die Augenbrauen erblicken konnte.
So will es hierzulande die Sitte. Die Sitte forderte auch,
dass sie mit den Männern auf dem ganzen Wege nie auch nicht
ein Wort wechselten, denn kein Araber spricht vor Männern mit
seinen weiblichen Verwandten.
Der vierte Tag brachte uns nur zwanzig Kilometer weiter und
zwar an einen Ruheplatz, wo gar kein Wasser gefunden wurde.
Nun kamen mir meine Wasserflaschen recht zustatten, und ich
machte mir dadurch viele Freunde, dass ich andern davon abgab.
Die Moslems sind freilich nicht sehr dankbar, denn sie pflegen
alle guten Werke der Menschen als Wohltaten Gottes anzusehen.
Gott lenkt die Menschen so, dass sie wohltätig sein müssen, ob
sie wollen oder nicht. Als wir aber dann nach sechsstündigem
Ritt bei einer Quelle anlangten, da fiel die ganze
Reisegesellschaft mit Heißgier über das gefundene Wasser her.
Es mochte etwa 5½ Uhr morgens am siebenten Tage sein,
als wir zum ersten Male an dem gewohnten immer gleichmäßigen
Wüstenhorizont eine Veränderung sahen. Statt der ewigen
Sandhügel und nackten Felsen erfreute unsern Blick auf einmal
eine lange, spiegelglatte, im Sonnenstrahl leuchtende Fläche,
auf der zahlreiche, kleine, weiße Punkte wunderlich
herumirrten. Das war der Arabische Meerbusen oder das Rote
Meer, das von allen Pilgern aufs freudigste begrüßt wurde.
Jubelnd legten sie die beiden letzten Wegstunden zurück, und
als sie in Kosseir anlangten, schien es ihnen, als hätten sie
schon das Schlimmste der Pilgerfahrt überstanden.
Wir hatten in Kosseir nichts Anderes und, da der Ort auch
sehr langweilig war, nichts Eiligeres zu tun, als alles für
unsere Abreise vorzubereiten. Darum sahen wir uns auch gleich
nach einem Schiffe um, das uns nach der arabischen Küste
hinübertragen sollte. Von den zwölf Segelschiffen, die im
Hafen, oder richtiger gesagt, auf dem Ankerplatz lagen, schien
uns das Schiff mit dem Namen » Um ess Ssalam« (das heißt
Mutter des Friedens) das solideste zu sein. Der Kapitän war
ein altes Männchen mit negerartigen Zügen, einem dicken Bauch,
ein paar triefenden Augen und einem recht blödsinnigen
Gesicht. Außerdem war er mit der Krätze behaftet, was mich
während der ganzen Fahrt aus seiner Nähe verscheuchte. Wir
wurden bald handelseinig. Ich musste tausend Piaster (etwa
zweihundert Mark) für mich und fünfhundert Piaster für Ali
bezahlen. Das war nach europäischen Begriffen sehr billig, für
einen Muselmann dagegen sehr teuer.