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zu islamischen Themen finden Sie im Verlag Eslamica.
Meinungsfreiheit oder Massenbeleidigung - "Die Satanischen
Verse" - Symbol der westlichen Literatur?
Menschen, die, um das Volk zufriedenzustellen,
Gott verärgern, werden keine Erlösung finden.
(Fürst der
Märtyrer Imam Hussain (a.))
Debatte im Deutschen Bundestag und
Lesung im Österreichischen Parlament
Am 23. Februar 1989 kam
es im Deutschen Bundestag zu einer aktuellen Debatte über die Rushdie-Affaire. Sprecher aller vier im Bundestag vertretenen
Fraktionen sowie eine Sprecherin der Regierung, so erschien es
zumindest den Muslimen, stimmten in die allgemeine Hetze gegen
die Islamische Republik Iran ein. Alle Redner klagten Imam
Khomeini an. Kein Redner interessierte sich für die
zahlreichen anderen islamischen Gelehrten der Welt, die das
Todesurteil bekräftigten. Alle Redner klagten die Islamische
Republik Iran an, kein Redner erwähnte auch nur mit einem Wort
die vielen unschuldigen toten Demonstranten bei Kundgebungen
gegen Rushdie in Indien und Pakistan. Kein Redner erwähnte mit
einem Wort die Staatsmänner anderer Länder, welche das
Todesurteil unterstützten. Kein Redner erwähnte das deutsche
Gesetz gegen Beschimpfung von Religionsgemeinschaften. Alle
erwähnten zwar die Verletzung religiöser Gefühle, aber
keiner traute sich bei seiner Rede die notwendigen
Konsequenzen daraus zu ziehen. Obwohl nahezu alle Redner das
Gleiche sprachen, beanspruchte jeder Redner immerhin fast 10
Minuten für seine fraktionsintern ausgearbeitete Empörung.
Im
Saal selber konnte kein großes Interesse an der Debatte
festgestellt werden, da nur ein Bruchteil der Abgeordneten und
fast kein Minister anwesend war. So richteten sich die Reden
auch mehr in Richtung Medien.
Als erster sprach der
SPD-Abgeordnete Freimut Duve und empörte sich über die
Aussagen des damaligen Staatspräsidenten Chamene'i in
Jugoslawien, wo Ayatollah Chamene'i angesprochen auf den Fall
Rushdie sagte: "Der Todespfeil ist abgeschossen und geht
unbeirrt auf sein Ziel zu". Duve sah in dieser Äußerung eine
Kriegserklärung und sagte: "Er (Ayatollah Chamene'i) ist nach
unserem Strafrecht des Aufrufs zum Mord schuldig". Duve wußte
wohl damals nicht, daß Ayatollah Chamene'i Nachfolger von Imam
Khomeini werden würde. So ist die neue Leitung der weltweiten
Islamischen Revolution bereits in der Bundesrepublik eines der
schwersten Verbrechen verurteilt worden. Zwar ist das Urteil
von Duve nicht rechtskräftig, da Duve nicht als Richter
sprach, aber es ist schon interessant, daß ein
Bundestagsabgeordneter einen hohen islamischen Geistlichen in
Abwesenheit nach westlichem Strafrecht beschuldigen und
verurteilen darf, Imam Khomeini aber kein islamisches Urteil
gegen Rushdie sprechen darf. Die Vorstellungen von
Meinungsfreiheit im Westen sind schon sehr skurril.
In einer
weiteren Passage sagte Duve: "Muslime, die sich ihrer
Religion Willen offen gegen Khomeini stellen, verdienen
unseren Schutz". Es ist schon eine unglaubliche Anmaßung, daß
nicht-islamische Bundestagsabgeordnete den Muslimen weismachen
wollen, was diese ihrer Religion Willen zu tun haben. Aber
in Duves Aussage steckt noch eine andere sehr tragische
bundesdeutsche Realität. Faktisch besagt seine Aussage anders
betrachtet, daß Muslime, die sich nicht offen gegen Imam
Khomeini stellen, nicht den Schutz des Staates verdienen.
Diese Aussage spiegelt sich in zahllosen Verbrechen
oppositioneller iranischer Gruppen gegen die iranischen
Muslime wider. Obwohl die Verbrechen sich fast immer gegen die
Muslime richteten, wurden von den Sicherheitskräften in
Deutschland nicht die Täter, sondern zumeist die Opfer
festgenommen und teilweise ohne Gerichtsverfahren bis zu einem
halben Jahr festgehalten.
Duve wollte seine Rede mit einem
literarischen Anstrich beenden, indem er Goethes großes
literarisches Werk "West-östlicher Divan"/ zitierte: "Wer sich
selbst und andere kennt, wird auch hier erkennen, Orient und
Okzident sind nie mehr zu trennen." Während dieses Zitat die
gegenseitige Abhängigkeit zum Ausdruck bringt, wären zwei
andere Zitate aus dem West-östlichen Divan viel passender
für die Rushdie-Affaire gewesen:
Ärgerts jemand, daß es Gott
gefallen, Mahomet zu gönnen Schutz und Glück,
An den stärksten
Balken seiner Hallen Da befestige er den derben Strick,
Knüpfe
sich daran! Das hält und trägt;
Er wird fühlen, daß sein Zorn
sich legt.
Neben obiger Empfehlung gibt es in Goethes Buch auch einen
Reim unter dem Titel "Fatwa"; als ob der größte
deutsche Dichter dieses für Rushdie geschrieben hätte: "Der
Mufti las des Misri Gedichte, Eins nach dem anderen, alle
zusammen Und wohlbedächtig warf sie in die Flammen, Das schöne
Buch es ging zunichte. Verbrannt sei jeder, sprach der hohe
Richter, Wer spricht und glaubt wie Misri - er allein Sei
ausgenommen von des Feuers Pein: Denn Allah gab die Gabe
jedem Dichter. Mißbraucht er sie im Wandel seiner Sünden, So
seh er zu, mit Gott sich abzufinden."
Als nächster Sprecher
kam der CDU-Abgeordnete Heinrich Lummer zum Podest. Nachdem er
Imam Khomeini als "greisen Fanatiker" beleidigt hatte und die Fatwa als
"Mordauftrag" und "Unkultur" diffamiert hatte, mußte
er das Christliche seiner Partei hervorheben, indem er ein
religiöses Urteil fällte: "Der Auftrag zur Tötung des Autors
einer Gotteslästerung ist eine wahrhaft gotteslästerliche
Anmaßung ... selbst wenn er meinen Glauben lästert und
spottet, darf es nicht zum Tode führen." Das mag für Lummers
persönlichen Glauben gelten, aber es ist nicht verbindlich für
alle anderen Bekenntnisse. Nachdem Duve eine Art weltliches
Urteil gesprochen hatte, folgte Lummer also mit einer Art
religiöser Aussage. Dennoch waren Lummers Äußerungen gegenüber
dem Iran sehr vorsichtig formuliert. So sprach er von
"Bitten", das Urteil zurückzuziehen. Als Vertreter einer
großkapitalnahen Partei ist Lummer natürlich klar, daß man den
einflußreichen Iran nicht wie einen Untergebenen behandeln
kann; ganz anders dagegen sein Verhalten gegenüber den anderen
islamischen Ländern: "Wir erwarten die Mithilfe der
islamischen Staaten". Ein deutscher Politiker erwartet von
sogenannten islamischen Staaten, daß sie ihm bei einem Angriff
auf die islamischen Werte behilflich sind, denn auch Lummer
konnte nicht ein Verbot des Rushdie-Buches in Deutschland
ankündigen. Bei seiner Erwartung vergißt Lummer, daß seine
möglichen Helfer, auch wenn es sich dabei um US-hörige Regimes
handelt, immerhin eine muslimische Bevölkerung regieren, gegen
die sie sich zu behaupten haben. So fand sich auch kein
einziger Staat mit mehrheitlich islamischer Bevölkerung,
welche Lummers Erwartung erfüllt hätte. Der ehemalige
ARD-Korrespondent im Libanon Marcel Pott gab unumwunden zu, daß die arabischen Regimes nur
"aus Angst vor den Massen" sich
nicht gegen Imam Khomeini gestellt haben (ARD Presseclub
26.2.89).
Eine Passage aus Lummers Rede verdient es, trotz
seiner Solidarität mit der allgemein herrschenden Meinung,
betont zu werden: "Ich will jetzt gar nicht die Frage
aufstellen, ob nicht das aufrichtige Bedauern (Rushdies), wenn
es der Autor so meint, auch dazu führen müßte, das Buch zu
ändern oder zurückzuziehen ...". Lummer äußert seinen klaren
Zweifel an der Aufrichtigkeit von Rushdies sogenannter
Entschuldigung. In einer Atmosphäre der hysterischen
Verteidigung aller Handlungen von Rushdie kann er seinen
Zweifel allerdings nur in der Form einer nicht gestellten
Frage äußern.
Als nächstes sprach die Abgeordnete der Grünen
Karitas Hensel. Während die ersten beiden Redner zumindest den
Anschein von Seriosität erweckten, war ihre Rede an fachlicher
Inkompetenz kaum zu überbieten. Nach einer allgemeinen Polemik
gegen den Iran forderte sie die Muslime auf, die islamischen
Gesetze dem internationalen Völkerrecht unterzuordnen oder
anzupassen: Die Muslime sollten also Gottes Gesetz
menschlichen Vorstellungen unterordnen. Anschließend lobte sie
das zukünftige Erscheinen der deutschen Ausgabe und sprach
davon, daß dieses Erscheinen ihre "Vorstellung von
Meinungsfreiheit ist". Dann verbot sie Imam Khomeini, im Namen
anderer Völker zu sprechen. Hätte sie die Schriften und Reden
von Imam Khomeini jemals gelesen oder gehört, wüßte sie, daß
Imam Khomeini ohnehin immer im Namen Gottes sprach und nicht
im Namen anderer Völker. Dennoch steckt in ihrer Aussage wohl
der Gedanke, daß die Muslime viele Völker, und nicht die vom
Heiligen Quran verlangte einige Gemeinschaft, darstellen. Es
wird in Zukunft für die westlichen Politiker schwer werden, zu
erkennen, daß die Muslime sich immer mehr als ein Volk fühlen,
gemäß der Aufforderung des Heiligen Quran.
Vollends
lächerlich wurde die Rede der Grünen, als sie den damaligen
Innenminister des Iran Mohtaschemi als Nachfolger Imam
Khomeinis bezeichnete. Eine Erklärung für eine derartige
Fachinkompetenz zu finden ist kaum möglich, zumal selbst der
Ministerposten von Herrn Mohtaschemi im Lande nicht
unumstritten war. An derartigen Fehlurteilen ist zu erkennen,
daß zum Teil selbst westliche Politiker die von den Medien
verbreiteten Manipulationen über den Islam und die Islamische
Republik Iran glauben.
Vorletzter Sprecher war Olaf Feldmann
von der FDP. Von seiner Rede soll hier nur eine Passage
zitiert werden: "Wir verkennen nicht den Unterschied zwischen
unserem Wertesystem und denen der islamischen Welt. Wir leben
zwar in unterschiedlichen Welten, aber auf einer Erde. Keiner
kann und darf sein Wertesystem absolut sehen. Wir erwarten
aber Respekt vor unserer Rechtsordnung, unserer Grundordnung
und dem menschlichen Leben." Nur ein auf sich selbst und
seine Umgebung fixierter Mensch kann so eine Aussage machen,
ohne zu bedenken, daß diese Aussage, wenn überhaupt, dann für
alle gültig sein muß! Was aber kann Feldmann einem Muslim
antworten, wenn dieser ihm sagt: Wir erwarten aber Respekt vor
unserer Rechtsordnung, unserer Grundordnung und der
menschlichen Würde? Wie kann der Abgeordnete dem Muslim dann
die Herausgabe sowie die fanatische Unterstützung des
Rushdie-Buches erklären?
Die Debatte wurde beendet von der
Sprecherin des auswärtigen Amtes Irmgard Adam-Schwaetzer. Sie faßte noch einmal alle westlichen Argumente zusammen und
teilte mit, daß die Gespräche einer deutsch-iranischen
Wirtschaftskommission abgebrochen wurden. Bereits tags zuvor
hatte sie im deutschen Fernsehen die Intention deutscher
Außenpolitik ausgesprochen: "Rückkehr des Iran zu eher westlich
orientierten Staaten" (ARD Im Brennpunkt 22.2.89).
Nach ihrer
Rede im Bundestag kam es zur Verabschiedung einer vom ganzen
Parlament bei Enthaltung der Grünen getragenen Resolution, in
der es unter anderem heißt: Der Deutsche Bundestag verurteilt
den Mordaufruf aufs schärfste. Die Grünen verlangten, daß
mehr als diese schärfste Verurteilung gegen den Iran getan
wird.
Auch das Österreichische Parlament, der Nationalrat,
solidarisierte sich mit Rushdie in einer "symbolischen Lesung"
am 29. April 1989. Einen Tag vorher gab es eine
Protesterklärung der Muslime in Österreich. Unterzeichnet war
die Erklärung von: Kulturzentrum Österreich, Islamischer
Verein für Afghanistan in Österreich, Islamisch-Irakischer
Verein und Studentenverein, Muslimisch-Türkischer Kulturverein
und United Islamic Students Association Österreich. Der
Wortlaut der Protesterklärung gibt Aufschluß über die Gedanken
der Muslime in einem nicht-islamischen Land. Es sollte erwähnt
werden, daß es sich bei den Muslimen nicht nur um Ausländer
sondern auch um österreichische bzw. deutsche Bürger handelt.
Der Islam unterteilt die Menschen nicht in
Staatsangehörigkeiten. Aber auch im westlichen, national
orientierten Wertesystem sollte nicht vergessen werden, daß
die Muslime deutscher Nationalität nach den Christen die
größte Glaubensgemeinschaft in Deutschland sind. Ähnlich sind
die Verhältnisse in Österreich. Der folgende Text ist vor
diesem Hintergrund auch als Gedanke und Meinung eines
österreichischen Muslim zu betrachten:
Im Namen Gottes
An
das Präsidium des Nationalrats der Republik Österreich
Mit
großer Betroffenheit und Bestürzung müssen wir in Österreich
lebende Muslime feststellen, daß die im Parlament vertretenen
Parteien nicht davor zurückschrecken, eine sogenannte
'symbolische Lesung' aus dem Buch S. Rushdies, das der
Präsident des Landes selbst als blasphemisch bezeichnet hat,
im Parlament abzuhalten und damit die Muslime auf provokante
und schamlose Art zu beleidigen und zu demütigen. Wir Muslime
sind verblüfft über die unglaubliche Arroganz und
rücksichtslose Machtdemonstration, mit der sich die
staatstragenden Parteien über die Gefühle einer religiösen
Minderheit und über die Gesetze des Landes, das ihnen die
Beleidigung einer anerkannten Religionsgemeinschaft verbietet,
hinwegsetzen. Mit diesem Vorgehen setzen die verantwortlichen
Kräfte des Landes gegenüber einer wehrlosen Minderheit einen
Akt, der als einmalig in die Geschichte eines Landes eingehen
wird, das sich in der Weltöffentlichkeit gerne als
völkerverbindend, als Brücke zwischen Ost und West, als
internationaler Ort der Begegnung der Kulturen und Religionen
präsentiert. Dieses Vorgehen erteilt aber auch den Muslimen in
Österreich eine dauerhafte Lektion: Sie, die sich bisher im
Konflikt um S. Rushdie äußerst zurückgehalten und jegliche
öffentliche Aktion vermieden haben, müssen jetzt zur Kenntnis
nehmen, daß dies nicht nur nicht honoriert, sondern im
Gegenteil als Schwäche interpretiert und als Ermunterung
verstanden wurde, sie zu provozieren und zu erniedrigen. Sie,
die in der Öffentlichkeit schon beim harmlosesten Protest
gegen eine geplante Rushdie-Veranstaltung als barbarische
Gewalttäter verleumdet wurden, müssen nun beobachten, mit
welchen Methoden sich die als Verkörperung der Zivilisation
auftretenden Volksvertreter über die Rechte und Gefühle einer
Minderheit hinwegsetzen und sonst immer lautstark verkünden,
wie wichtig ihnen der Schutz jeder Minderheit als Lehre aus
einer blutigen Geschichte sei. Wir können nicht annehmen, daß
die Betreiber dieses Vorgehens sich bloß aus eigenem Antrieb
zu solch fragwürdigen Aktionen versteigen. Wir
österreichischen Muslime sind höchst irritiert und entsetzt
über so viel Heuchelei, Engstirnigkeit und Intoleranz und
protestieren aufs schärfste gegen die Beleidigung unserer
Religion durch die 'symbolische Lesung' im Parlament. Wenn wir
uns etwas vorzuwerfen haben, dann die illusionäre Hoffnung, in
einem Land zu leben, das zumindest dann auf die Aggression auf
unsere Religion verzichten würde, wenn wir unsererseits
äußerste Zurückhaltung üben. Wir haben die Lektionen gelernt
und wissen jetzt, daß nicht Politiker, die die Gesetze des
Landes mit Füßen treten, und die Toleranz der Mächtigen uns
schützen, sondern daß wir selbst aktiver als bisher für den
Schutz unserer Religion eintreten müssen.
Wir appellieren
an alle menschlich, unvoreingenommenen und gerecht denkenden
Mitbürger, die Verantwortlichen zur Vernunft zu mahnen und uns
in unserem gerechten Bemühen zu unterstützen, die Würde
unserer Religion zu wahren. Die Verantwortung für weitere
Entwicklungen tragen jene, die mit voller Absicht und ohne Anlaß auf die Logik der Einschüchterung und Aggression setzen
statt auf die Prinzipien eines menschlichen Zusammenlebens.
Dieser Brief löste einen regen Briefwechsel zwischen dem
Präsidium des Nationalrates und den Muslimen aus. Der
Nationalratspräsident versuchte dabei zuerst die Angelegenheit
herunterzuspielen und als "öffentliche Diskussion von
einzelnen Mitgliedern des Parlamentes" abzutun. In einem
späteren Schreiben aber verteidigt er uneingeschränkt die
Aktion unter dem Vorwand der "Freiheit der Meinungsäußerung"
(Der vollständige Briefwechsel ist abgedruckt in Al-Qiyam
Nr.11/ Kulturzentrum Österreich - Echo der Islamischen
Renaissance).