.Bücher
zu islamischen Themen finden Sie im Verlag Eslamica.
Meinungsfreiheit oder Massenbeleidigung - "Die Satanischen
Verse" - Symbol der westlichen Literatur?
Die Welt ist wie ein Markt, manche
gehen mit Gewinn heraus, manche mit Verlust. (Imam Ali an-Naqi (a.))
Die Front für Rushdie hat auch Risse
Die Haltung
der westlichen Politiker, Autoren und Verleger für die
Verteidigung der "Satanischen Verse" war nahezu einheitlich.
Dennoch wäre es nicht korrekt, die, wenn auch im Westen
wenigen, kritischen Stimmen gegenüber Rushdie, unerwähnt zu
lassen, zumal diese von den westlichen Medien meist ignoriert
wurden: So sagte der Erzbischof von Lyon, Kardinal Decourtray:
"'Die Satanischen Verse' sind eine Beleidigung der
Religionen" (Spiegel 9/89, 27.2.89). Der ehemals sehr
populäre griechische Sänger George Moustakis, der Theologie in
Griechenland und in den USA studiert hat, sagte in einem
Interview mit der Iranischen Nachrichtenagentur IRNA: "Ich
würde genauso fühlen, wenn jemand so etwas über unser
christliches Buch, "Die Offenbarung der Evangelien", schreiben
würde". Selbst Ex-US-Präsident Jimmy Carter sagte: "'Die
Satanischen Verse' sind eine Beleidigung von Millionen von
Muslimen und gehen viel weiter in ihrer Blasphemie gegen den
Islam als 'Die letzte Versuchung Christi' gegen das
Christentum." Carter empfahl "sensibler" mit der Empörung
umzugehen, die das Buch provoziert hat. Er empfahl den
Europäern, die diplomatischen Beziehungen zum Iran
beizubehalten.
Einen bemerkenswerten Vergleich stellte der
Schriftsteller Walter Jens als Sprecher des deutschen PEN auf
(ZDF Spezial 23.2.89): "Das PEN-Zentrum muß abwägen. Es
sagt erstens: Bitte stellen sie sich vor, da wird das Kreuz
Jesu Christi gezeigt, und dieses Kreuz dient als Balken eines
Bordells. Huren mit den Namen Maria, Mutter Jesu, Martha,
Magdalena bedienen fromme Pilger, die ihnen zu Willen sind.
Millionen von Christen würden sich beleidigt fühlen. So fühlen
sich im Augenblick durch das Rushdie-Buch Millionen von
Muslime beleidigt." Um so unverständlicher ist es, wie die
Erklärung von PEN fortfährt, und welche Konsequenzen aus
obigem Vergleich gezogen werden: "Punkt zwei: Darüber ist
zu diskutieren, offen, auch unter dem Aspekt, daß der Islam
von Hause aus friedlich, toleranzfreundlich ist, und was jetzt
geschieht ein ungeheurer Abfall von seinen Grundlagen ist.
Aber wenn jetzt ein Mann, und zwar kann man sich gar nicht
deutlich genug vorstellen, unter wie grauenvollen Umständen,
weiterleben muß, wenn jetzt ein Mann, ein Schriftsteller, ein
Kollege von uns mit dem Tode bedroht wird, dann müssen wir
aufstehen, nicht nur verbal ihm unsere Solidarität erklären,
sondern selbstverständlich dafür sorgen, daß auf breitester
Basis sein Buch erscheint und eine Diskussion eröffnet wird,
auch über den Islam wie er einmal war. Die Muslime dürfen hier
nicht zu Freiwild werden. Ich glaube, daß die heutigen
Machthaber in der gleichen Weise von der Zielsetzung des Islam
abweichen, wie manche Israeli sich an den Gesetzen Moses
versündigen, wenn sie auf Kinder schießen, und wir Christen
sollten die letzten sein, die nicht auch an unsere eigene
Brust klopfen. Ich fand es schauerlich, daß der (iranische)
Botschafter beim Vatikan erklärte, er werde persönlich Rushdie
hinrichten; und keine Reaktion kam vom Vatikan - also beide
Seiten sehen, aber das Wichtigste: Solidarität mit unserem
Kollegen Rushdie: Das Buch muß bei uns erscheinen!" Walter
Jens spricht es deutlich aus: Die Solidarität mit einem
Berufskollegen steht höher als die Solidarität mit Millionen
von Opfern einer schweren Beleidigung.
Überhaupt ist es schon
eine erstaunliche Leistung, wie man in einer so kurzen
Stellungnahme so viele Themen zusammenwerfen und so gut
durchmischen kann, daß am Ende kaum jemand etwas versteht,
außer, daß das Buch erscheinen soll. Rushdie wird zum Opfer,
Muslime zu Tätern. Jens' Beispiel mit den Israelis paßt aber
gut in die Thematik, denn wenn die Muslime schon sehr viel
früher gemeinsam die Entehrung ihrer Heiligtümer verteidigt
hätten, und die heiligen Orte in Palästina geschützt hätten,
dann könnte heute kein Israeli muslimische Kinder
abschlachten. Jens vergleicht in der Erklärung drei Taten
miteinander und setzt sie auf die gleiche Stufe: Die Muslime
sprechen ein Todesurteil gegen einen gotteslästernden Autor
aus, die Zionisten erschießen tagtäglich unschuldige Kinder,
die Christen lassen zu, daß ihr Papst dem Botschafter der
islamischen Republik Iran nicht den Mund verbietet. Damit wird
der tägliche Massenmord durch die Zionisten mit der freien
Meinungsäußerung und Verteidigung eines islamischen
Richterspruchs auf eine Stufe gestellt. Der Vergleich ist sehr
irreführend. Jens gibt selber zu, daß Rushdie die Muslime
beleidigt hat. Damit sollte dieser doch die Folgen seiner
Taten zu tragen haben. Was aber haben die Kinder in Palästina
getan, daß sie dazu verurteilt sind, seit ihrer Geburt unter
der grausamen Willkürherrschaft einer Besatzungsarmee zu
leiden?
Erklärungen, wie diese von Jens, dienen lediglich
dazu, emotionsbehaftete Themen zur ungerechtfertigten
Untermauerung des eigenen Standpunktes zu mißbrauchen, ohne
daß der wahre Zusammenhang daraus hervorgeht. Die Front für
Rushdie rief u. a. auch in der deutschen Kunstszene
Auseinandersetzungen hervor: Eine Veranstaltung des
PEN-Zentrums Bundesrepublik Deutschland über die
Rushdie-Affaire unter Schirmherrschaft des Senators für
kulturelle Angelegenheiten in Berlin konnte nicht in den
Räumen der Akademie der Künste stattfinden, weil die
Verantwortlichen keine Räume zur Verfügung stellten.