.Bücher
zu islamischen Themen finden Sie im Verlag Eslamica.
Meinungsfreiheit oder Massenbeleidigung - "Die Satanischen
Verse" - Symbol der westlichen Literatur?
Und ihr sollt eure Kinder nicht töten aus Armut (Heiliger Quran 6/151)
Westliche Wertvorstellungen und das Todesurteil gegen einen
Autor
Nahezu ein halbes Jahr hatten die Muslime in England
durch rechtliche Maßnahmen sowie durch zahllose
Demonstrationen versucht, die Verbreitung des Buches "Die
Satanischen Verse" zu verhindern. Unverständlicherweise aber
wurden diese Protestaktionen von der britischen Regierung
demonstrativ ignoriert. Selbst die Anrufung der englischen
Gerichte mit Bezug auf das britische Blasphemie-Verbot führte
zu keinem Erfolg, da das Gesetz nicht für den Islam angewandt
wurde.
Auf eine Anfrage hin ließ Imam Khomeini den Sachverhalt
des Buches, die Umstände seiner Veröffentlichung sowie alle
weiteren zu einer Urteilsfindung notwendigen Fakten
untersuchen. Nachdem ihm die Untersuchungsergebnisse vorlagen,
verurteilte Imam Khomeini am 14. Februar 1989 gemäß der
islamischen Gesetzgebung den Autor des Buches "Die
Satanischen Verse" in Abwesenheit zum Tode. Er forderte die
Muslime auf, das Urteil zu vollstrecken.
Es kann aus der im
Westen herrschenden Denkanschauung und dem westlichen Weltbild
heraus als befremdlich erscheinen, den Autor eines Buches zum
Tode zu verurteilen. Doch unterliegen die Anhänger westlicher
Denkmodelle lediglich der Idee, die westliche Interpretation
der menschlichen Werte müßte von allen Menschen der Welt
kritiklos übernommen werden. Dabei gehen die Verfechter
solcher Gedanken davon aus, daß nur ihre selbsterfundene
Vorstellung über sogenanntes lebenswertes Leben gültig ist.
Sie gehen sogar so weit, selber zu bestimmen, was Leben als
solches überhaupt ist.
An einem einfachen Beispiel läßt sich
zeigen, daß verschiedene Handlungsweisen unter anderem in
Deutschland aus islamischer Sicht einem Massenmord an
Hunderttausenden von Menschen gleichkommt, ohne daß die
Islamische Republik Iran jedesmal die Beziehungen zur
Bundesrepublik Deutschland abbricht. Der folgende Vergleich
dient aber nicht dazu, mutmaßlich Falsches mit Falschem zu
rechtfertigen, sondern ist lediglich ein Beispiel, um die
Problematik aufeinanderstoßender Wertvorstellungen zu
verdeutlichen.
Aus muslimischer Betrachtungsweise ließe sich
folgendes feststellen: Seit Jahren wird in der Bundesrepublik
Deutschland jährlich 200000 bis 300000 Menschen das Recht auf
Leben aberkannt, weil einige andere Menschen sich sonst
einschränken müßten. Die Durchführung des Mordes wird
staatlich bezahlt, was einer Beihilfe zum Mord gleichkommt.
Die eigentlichen Mörder werden durch Krankschreibung staatlich
gefördert und in keiner Weise geächtet. Der Mord wird
legitimiert, indem das von Gott geschenkte Leben einfach zu
"ungeborenem Leben", also zu nicht gleichberechtigtem Leben
umdefiniert wird. Durch diese selbstgewählte Definition wird
ein "ungeborenes" Kind anders betrachtet, als z.B. ein
einjähriges. So kann das sogenannte "ungeborene" Kind unter
Umständen getötet werden, das geborene aber nicht. Was hier
als "Hilfe für zu ertragende Schwierigkeiten" für die Mutter
und "Arbeitslohn" für den Arzt interpretiert wird, kann aus
der Sicht eines Muslim als Kopfgeld betrachtet werden. Was
hier "Abtreibung aus sozialer Indikation" genannt wird, muß
aus islamischer Sicht als Mord aus niedrigsten Motiven an
unschuldigen und völlig wehrlosen Menschen interpretiert
werden.
Ohne Zweifel aber behandeln die hiesigen Ärzte nicht
nur deutsches, sondern auch ausländisches Leben auf diese Art.
So sind wahrscheinlich auch schon unzählige iranische
Staatsbürger dem hier herrschenden Wertesystem zum Opfer
gefallen, weil westlich orientierte iranische Eltern dieses
anordneten. Da die Islamische Republik Iran nicht nur die
Heimat der Iraner ist, sondern vor allem von vielen Muslimen
aus aller Welt als ihre geistige Heimat verstanden wird,
erhöht sich die Zahl der Opfer um ein vielfaches. Dennoch kann
die Abtreibungspraxis in Deutschland nicht mit Rushdies
Veröffentlichung in einen Topf geworfen werden. Während die
Abtreibung einem Menschen lediglich sein hiesiges Leben nimmt,
trachtet Rushdies Veröffentlichung nach dem ewigen Leben aller
gottgläubigen Menschen.
Nein, Abtreibungspraxis und "Die
Satanischen Verse" haben nichts miteinander zu tun! Trotzdem
ist das genannte Beispiel eine gute Gelegenheit für jeden
Nicht-Muslim zu erkennen, daß im Todesurteil gegen Salman
Rushdie kein Angriff auf menschliche Werte, sondern die
Anwendung eines anderen, mindestens gleichberechtigten
Verständnisses menschlicher Werte zu sehen ist. Denn aus dem
oben genannten Beispiel ist gut ersichtlich, daß die Frage,
was lebenswertes Leben ist, und wer Recht auf Leben hat, auf
Definitionen beruht. Und es kann schließlich nicht von den
Muslimen erwartet werden, daß sie Gottes Definitionen beiseite
legen, um sich den Definitionen der westlichen Welt
unterzuordnen.
Verschiedenen Urteilen über das Leben aber
liegen verschiedene Auffassungen über das Leben zugrunde. Um
die Auffassung der Muslime verstehen zu können, ist es
notwendig, ihre Argumente frei von Vorurteilen zu studieren.