Mensch u. Glaube

Mensch und Glaube

Ayatollah Morteza Motahhari

Inhaltsverzeichnis

Bewusstseinsniveau und Wünsche des Menschen

Das Gebiet des Wissens, der Beobachtungsgabe, der Kenntnisse, der Bereich der Wünsche und Erwartungen ist beim Menschen viel umfangreicher, ausgedehnter und erhabener als beim Tier. Seine Kenntnisse gehen über die sichtbaren Dinge und die äußeren Erscheinungen hinaus und dringen ein in das Innere ihrer Natur, Eigenschaften, Verhältnisse, Zusammenhänge und gesetzmäßigen Notwendigkeiten. Das Wissen des Menschen ist nicht gefangen in den Grenzen eines Bereiches, einer Region, ist nicht gebunden und gekettet an die Fesseln seiner Zeit, sondern es überbrückt Regionen und Zeiten. Dadurch gelangt der Mensch an Wissen über seinen eigenen, zukünftigen Lebensbereich, soweit er Erkenntnisse gewinnt über das Universum, seine eigene Vergangenheit und Zukunft, seine eigene geschichtliche Vergangenheit und die der Welt. Das heißt, er ergründet die Erde, den Himmel, die Gebirge, die Meere, die Pflanzen und andere Lebewesen, macht sich Zukunftsgedanken, die in einem weit entfernten Horizont liegen, und mehr noch als das, er lässt seine Gedanken wandern in Unendlichkeit und Ewigkeit und gelangt zu Erkenntnissen über diese.

Das Wissen des Menschen geht über die Kenntnis über sich selbst und seine eigene Unbedeutung hinaus. Er erforscht die umfassenden Gesetze, allgemeine Gesetzmäßigkeiten und das Gefüge der Welt, wodurch er seine Herrschaft über die Natur befestigt. Das Niveau der Wünsche und Ansprüche des Menschen kann sehr hoch sein. Er ist ein Geschöpf, welches nach vollkommenen Welten strebt und erfüllt ist von Wunschträumen und reifen Verlangen. Er strebt nach Idealen, die nicht materieller und gewinnbringender Art sind und hegt nicht nur Wünsche, die nur ihn selbst, höchstenfalls noch seinen Partner und seine Kinder betreffen. Seine Wünsche sind allgemeiner und umfassender Art, schließen die Menschheit ein und beziehen sich nicht nur auf eine bestimmte Sphäre, ein bestimmtes Gebiet oder einen speziellen, begrenzten Zeitabschnitt.

Der Mensch ist voller sehnlicher Wünsche, so sehr, dass er diese und seine Überzeugungen bisweilen an die Spitze aller anderen Werte setzt. Der Seelenfrieden seiner Mitmenschen und seine Hilfsbereitschaft ihnen gegenüber ist ihm wichtiger als seine eigene Bequemlichkeit. Den Dorn im Fuße des Anderen empfindet er so stark, als sei er in seinem eigenen, mehr noch, in sein eigenes Auge eingedrungen: Er ist mitfühlend. Die Freude der Anderen macht ihn froh, und ihre Traurigkeit bereitet ihm Kummer. Seiner Überzeugung und seinen Wunschträumen ist er so leidenschaftlich zugetan, dass er schnell bereit ist, seine eigenen Vorteile, sogar sein Leben und seine Existenz für sie zu opfern. Der menschliche Charakter der Zivilisation, welcher ausschlaggebend ist für den Geist der Kultur, ist die Folge derartiger menschlicher Empfindungen und Wünsche.

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