Mensch u. Glaube

Mensch und Glaube

Ayatollah Morteza Motahhari

Inhaltsverzeichnis

Freude und Fröhlichkeit

Die erste Auswirkung des religiösen Glaubens, hinsichtlich Erwecken von Freude und Hervorrufen von Fröhlichkeit, ist die “Zuversicht“, die optimistische Einstellung gegenüber der Welt, der Schöpfung und dem Dasein. Der religiöse Glaube lässt den Menschen die Welt in einer bestimmten Weise begreifen, indem er ihn mit einer gezielten Schöpfung und mit den Zielen Heil, Vollendung und Glück bekannt macht und dadurch konsequenterweise eine optimistische Einstellung gegenüber der gesamten Daseinsordnung und den herrschenden Gesetzen vermittelt.

Ein gläubiger Mensch fühlt sich in der Welt wie ein Bürger in einem Lande, dessen Gesetze, Struktur und Verwaltung er als richtig und gerecht erkennt, den wohlwollenden Absichten der Verantwortlichen vertraut und für den folglich die Vorrausetzung für einen allgemeinen Fortschritt und Aufstieg gegeben sind. Er ist davon überzeugt, dass der alleinige Grund für eine eventuelle Rückständigkeit nur in der eigenen Trägheit und Unerfahrenheit liegt. Denn er fühlt sich zudem in einer Welt, in der Seinesgleichen, wie er selbst, voll verpflichtet und verantwortlich ist. Nach seiner Ansicht ist er selbst für seine Nichtweiterentwicklung verantwortlich und nicht die Behörde und die Ordnung des Landes. Und jede auftretende Unzulänglichkeit wird deshalb verursacht, weil er und Seinesgleichen Pflichten und Verantwortung nicht erfüllt haben. Diese Einstellung spornt ihn natürlich an und verleiht seinem Handeln und Wandeln Hoffnung und Zuversicht.

Doch ein Ungläubiger fühlt sich in der Welt wie jemand, der in einem Lande lebt, dessen Gesetzte, Struktur und Institutionen er als falsch und grausam ansieht, aber keinen anderen Ausweg hat, als sie zu akzeptieren. So jemand ist immer erfüllt von Komplexen und Feindseeligkeiten. Er wird niemals auf den Gedanken kommen, sich selbst zu verbessern und fragt sich: „Da, wo Himmel und Erde nicht eben und gleichmäßig verlaufen, wo das Dasein aus Grausamkeit, Unglück und Unrecht besteht, was kann da die Redlichkeit eines winzigen Teilchens wie mir, gegenüber all dem, bewirken.“ So jemand wird sich niemals an der Welt wirklich erfreuen können, sie wird für ihn immer ein Kerker voller Schrecken bleiben.

Der Heilige Qur´an verkündet: „Derjenige, der sich von meiner Ermahnung abwendet, dessen Leben wird voller Drangsal sein ...“

(Heiliger Qur´an 20:124) 

Ja, es ist der Glaube, der dem geistigen Leben in der Tiefe unseres Wesens Weite schenkt und die Ursache seelischer Belastungen verhindert.

Die zweite Auswirkung des religiösen Glaubens bezüglich des Erweckens von Freude und Frohsinn ist die Erhellung des Herzens und des Verstandes. Wenn ein Mensch kraft des religiösen Glaubens die Welt im Lichte der Gerechtigkeit und Wahrheit klar und hell sieht, wird die gleiche Aufgeklärtheit seine Seele erleuchten und einem Licht gleichen, das in seinem Innersten angezündet wird. Im Gegensatz dazu ist für jemanden, der ungläubig ist, die Welt sinnlos, dunkel, unverständlich, undurchschaubar und ungeklärt, und sein Herz ist demzufolge in dieser von ihm selbst vermuteten Lichtlosigkeit, dunkel und finster.

Die dritte Auswirkung des religiösen Glaubens hinsichtlich des Hervorrufens von Freude und Frohsinn ist das “Erhoffen“ eines guten Ergebnisses auf redliche Mühe.

Gemäß der materialistischen Denkvorstellung steht die Welt allen Menschen – ob sie den wahren oder falschen Weg, den Pfad der Gerechtigkeit oder Tyrannei, den richtigen oder unrichtigen Weg beschreiten – neutral und gleichgültig gegenüber. Dieser Meinung nach ist der Erfolg des menschlichen Handelns lediglich von einem Faktor anhängig, nämlich dem Maß der Bemühungen und von nichts weiterem.

Jedoch nach der Auffassung eines gläubigen Menschen steht die Welt den Anstrengungen dieser beiden Gruppen nicht neutral und gleichgültig gegenüber, die Reaktion der Welt auf die Bemühungen dieser beiden Richtungen ist nicht gleich, sondern die Schöpfungsordnung unterstützt diejenigen, die sich um das Recht, die Wahrheit, die Redlichkeit, die Gerechtigkeit und das Gute bemühen.

„ ...  falls ihr Gott helft, so wird Er euch helfen und eure Füße festigen ...“        (Heiliger Qur´an 47:7)

„ ... Gott lässt den Lohn derer, die Gutes tun, nicht verloren gehen.“     (Heiliger Qur´an 9:120[1])

Der vierte Einfluss bezüglich der Freude und des Frohsinns ist der Friede des Gemüts.

Naturgemäß befindet sich der Mensch auf der Suche nach seinem Glück. Und in der Vorstellung, das Glück zu erreichen, taucht er in ein Meer von Freude ein. Und in Gedanken an eine unglückliche, entbehrungsreiche Zukunft beginnt er zu zittern, überwältigt von Angst und Erregung.

Zweierlei Dinge verursachen das Glück des Menschen:

  1. Bemühung
  2. Das Vertrauen auf die Lebensbedingung

Der Erfolg eines Schülers wird durch zwei Faktoren bewirkt, durch seine eigenen Bemühungen und Anstrengungen und zum anderen durch eine günstige, förderliche Schulatmosphäre und die Ermutigung und Anregung seitens der Lehrer. Wenn ein fleißiger und strebsamer Schüler zu dem Milieu, in dem er unterrichtet wird, und zu dem Lehrer, der am Ende des Schuljahres seine Zensuren bestimmt, kein Vertrauen hat und ein nicht gerechtfertigtes Verhalten erwartet, wird er an allen Tagen des Jahres voller Unruhe und Angst sein.

Die Aufgabe, die der Mensch sich selbst gegenüber hat, ist ihm bekannt. Von daher ist nichts zu befürchten, denn Angst wird durch Zweifel und Unschlüssigkeit erzeugt. An dem, was ihn selbst betrifft, zweifelt der Mensch nicht und gerät deswegen nicht ins Wanken. Das, was ihn in Angst und Sorge versetzt und ihn seine Pflichten hinsichtlich dessen nicht erkennen lässt, ist die Welt: Ist eine gute Tat sinnvoll? Sind Ehrlichkeit und Verlässlichkeit unsinnig? Heißt das Ergebnis aller Bemühungen und Pflichterfüllungen Entbehrung? In dieser Phase zeigen sich Angst und Not von ihrer am meisten erschreckenden Seite. Da der religiöse Glaube der Beziehung des Menschen (dem einen Beteiligten) zum Universum (dem anderen Beteiligten) Sicherheit und Zuversicht verleiht, beseitigt er die Angst und Unruhe des Menschen hinsichtlich seiner Erwartung vom Fernhalten der Welt ihm gegenüber und schenkt ihm stattdessen ein ausgeglichenes, ruhiges Gemüt. Darum meinen wir, dass einer der Effekte des religiösen Glaubens im Erlangen des Seelenfriedens liegt.

Eine andere seiner Wirkungen hinsichtlich des Freudeschenkens ist der Gewinn eines weiteren Vergnügens, welches als geistiges Vergnügen bezeichnet wird. Der Mensch erfreut sich auf zweierlei Weise.

Zum einen sind es die Wonnen, die durch die Sinnesorgane empfunden werden, infolge des Kontaktes eines dieser Organe zu einem externen Faktor; zum Beispiel das Vergnügen, das durch die Augen infolge des Sehens, durch die Ohren aufgrund des Hörens, durch das Schmecken des Gaumens und durch das Fühlen infolge des Berührens hervorgerufen wird. Zum anderen ist es die Freude, welche die Tiefe der Seele und das Hervorrufen des menschlichen Entzückens betrifft, jedoch in keinerlei Verbindung zu den Sinnesorganen steht und nicht durch eine bestimmte Beziehung zu einer äußeren Komponente erzielt wird: Beispielsweise die Freude, die der Mensch durch seine Wohltätigkeit, sein Engagement oder durch seine Beliebtheit und sein Ansehen empfindet oder durch den eigenen Erfolg oder den seiner Kinder, eine Freude, die sich nicht auf die Sinnesorgane bezieht und nicht unter dem direkten Einfluss einer sinnlichen Ursache steht.

Das geistige Vergnügen ist sowohl intensiver als auch beständiger als das sinnliche. Die Freude, welche gerechtigkeitsliebende Menschen durch die Anbetung und Verehrung Gottes erreichen, gehört zu diesen Wonnen. Das höchste Vergnügen der aufgeklärten Gottesehrfürchtigen, deren Anbetung vereint ist mit Bewusstheit, Demut und Hingabe, liegt in der Lobpreisung Gottes, die im religiösen Sprachgebrauch als “Lebenselixier“ und als “Süße des Glaubens“ bezeichnet wird. Denn der Glaube besitzt eine Süße, die alles übertrifft. Die geistige Freude vervielfacht sich, wenn Dinge wie der Erwerb von Wissen, das Erringen von Erfolg und Sieg sowie die Wohltätigkeit religiös motiviert sind, um Gottes Willen geschehen und im Bereich der Anbetung liegen.

[1] vgl. auch 11:115 und 12:90

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