Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen
Vorwort zum Autor
Ayatollah Morteza Motahhari (1920-1979)
gilt als einer der Vordenker und wichtigsten Intellektuellen
der Islamischen Revolution im Iran. Er wurde am 2. Februar
1920 in Fariman in der Provinz Chorasan geboren. Sein Vater
war ein frommer und reicher Mann, der unbeirrt die
Vorschriften und Grundsätze des Islam befolgte. Morteza
Motahhari war ausgesprochen lernbegierig, suchte die Bildung
und zeigte große Talente. Nach der Beendigung der Volksschule
in seinem Heimatort ging er mit 13 Jahren (1933) nach Maschhad,
in die Gelehrtenstadt beim Mausoleum von Imam Ridha (a.), um
sich dort religiöse Erziehung angedeihen zu lassen, denn ihm
lagen die islamischen Studien sehr. Er studierte u.a. Logik [mantiq],
Philosophie, Islamische Jurisprudenz sowie arabische
Literatur.
Während dieser Zeit entwickelte sich sein
Denken derart, dass sich seine Entwicklung im Handeln und
Benehmen lebendig niederschlugen. Seine Weiterentwicklung
bezog sich auf sein Verständnis bezüglich der Existenz Gottes.
Im Hinblick auf dieses Thema sagt Motahhari: "So, wie ich
mich erinnere, überschattete dieses Gefühl, als ich 13 war,
mein ganzes Wesen, und ich empfand eine seltsame
Empfindlichkeit den Themen über die Existenz Gottes gegenüber.
Die verschiedensten Fragen, natürlich meinem Alter
entsprechend, stürmten auf meinen Geist ein. Während der
ersten Jahre, die ich in Maschhad verbrachte, wo ich mich mit
dem Studium der Einführung ins Arabische beschäftigte, war ich
so in diese Gedanken versponnen, dass ich schließlich nicht
einmal mehr die Anwesenheit meines Zimmernachbarn ertragen
konnte. Daher teilte ich mein Zimmer auf und machte meinen
Teil zu einer dunklen Zelle, wo ich mit meinen Gedanken allein
sein konnte. In dieser Zeit mochte ich auch während meiner
Freizeit über nichts anderes nachdenken. Ich empfand es
tatsächlich als Zeitverschwendung, wenn ich mich mit anderen
Problemen beschäftigte, bevor ich die Antwort auf diese
lebenswichtige Frage gefunden hatte. Islamische Jurisprudenz
und Logik studierte ich allein zu dem Zweck, dass ich
allmählich dazu fähig würde, die Ideen der großen Philosophen
in dieser Hinsicht zu verstehen." Das Ergebnis jener Zeit
wurde in dem Werk "Ziel des Lebens" zusammengefasst.
So erzählt er weiter: "Ich erinnere
mich, dass ich von dem Zeitpunkt an, da ich in Maschhad
Arabisch zu studieren begonnen hatte, den Philosophen und
Denkern größeren Wert und große Überlegenheit zumaß, obwohl
ich in ihrer Gedankenwelt noch nicht zuhause war. Ich
interessierte mich für sie mehr als für alle Erfinder,
Forscher und andere Wissenschaftler. Und das nur deshalb, weil
ich die Ersteren als die Helden der Welt des Denkens
betrachtete".
Mit 18 Jahren entschloss sich Ayatollah
Motahhari dazu, seine Islamstudien in der Gelehrtenstadt Qum
fortzusetzen und blieb von da an für 15 Jahre in Qum. Er
erhielt eine wertvolle Ausbildung durch große Lehrer,
insbesondere durch Imam Chomeini,
der, mit Worten Motahharis, jene verloren gegangene Person
war, nach der er gesucht hatte. Motahhari sagt in diesem
Zusammenhang: "Der Unterricht in Ethik, den mir diese
geliebte Person jeden Donnerstag und Freitag erteilte, war ein
Unterricht, der sich wirklich um den göttlichen Weg und
Gnostik (Lehre der Gotteserkenntnis) drehte; es war nicht nur
Ethik in ihrer leblosen, wissenschaftlichen Form. Sein
Unterricht überwältigte mich so sehr, dass ich mich noch bis
Montag und Dienstag von seinem Einfluss beherrscht fühlte.
Meine intellektuelle und geistige Persönlichkeit formte sich
zum größten Teil während dieser und ähnlicher
Unterrichtsstunden, die ich zwölf Jahre lang von jenem
göttlichen Lehrer erhielt. Ich fühle mich daher immer ihm
gegenüber schuldig."
Im Jahre 1942 fand in Ayatollah
Motahharis Leben ein weiteres Ereignis statt, das mithalf,
seine geistige und wissenschaftliche Persönlichkeit
auszuformen: Er lernte den Gelehrten Hadsch Mirza Ali Schirazi
Isfahani kennen. Durch dieses Zusammentreffen lernte er die
Sammlung Nahdsch-ul-Balagha
kennen, was für ihn zu einem sehr wertvollen Buch wurde. Er
fand an diesem Buch und dessen vieldimensionalen Aspekten
spezielles Interesse. Ein Buch mit dem Titel: "Ein
Überblick über Nahdsch-ul-Balagha" stellte einen kleinen
Teil derjenigen Arbeiten dar, die er nicht mehr imstande war
zu vollenden. Das Jahr 1942 war einer der Meilensteine auf
Motahharis Lebensweg: Neben dem Besuch der Unterrichtsstunden
bei seinen großen Lehrern – neben Imam Chomeini auch Ayatollah
Burudscherdi und Allama Sayyid Muhammad Husain Tabatabai –
erteilte er auch selbst Unterricht auf verschiedenen
Fachgebieten.
Im Jahr 1947 lernte Ayatollah Motahhari
die Denkschulen des Materialismus kennen. Dank seiner
Begeisterung für das philosophische Studium widmete er sich
diesen sorgfältig. Die Studien sowohl der göttlichen
Philosophie als auch der materialistischen setzte er bis zum
Ende seines Lebens fort, und auf diesem Weg war es ihm
möglich, die beiden Philosophien voneinander zu trennen und
sie miteinander zu vergleichen, wodurch er die Authentizität
der allumfassenden Sicht des Islam gegenüber den
materialistischen Gedanken aufrechterhalten und bewahren
konnte. 1951 besuchte Ayatollah Motahhari die späten
Vorlesungen von Allama Tabatabai und begann das Buch
"Grundsätze der Philosophie und Methode des Realismus" zu
schreiben, das während der letzten 20 Jahre vor der
islamischen Revolution eine entscheidende Rolle gespielt und
die Basislosigkeit der materialistischen Denkschulen bewiesen
hat.
Als Ergebnis der Beschäftigung mit der
islamischen Gesellschaft wurde Ayatollah Motahhari während der
Jahre 1949-51, als die Wellen der Freiheitsbewegung im ganzen
Iran immer höher schlugen, Teil dieser Bewegung. Er stand mit
den meisten islamischen Gruppen in Kontakt, welche die
Verbesserung der islamischen Gesellschaft forderten.
1953 kam Ayatollah Motahhari nach Teheran
und heiratete die Tochter eines muslimischen Geistlichen aus
Chorasan. Er mietete sich ein Zimmer zum Leben. Von diesem
Zeitpunkt an begann er, zahlreiche Bücher zu schreiben. Seine
erste Arbeit war "Grundsätze der Philosophie und Methode
des Realismus", die 1954 erschien. 1956 wurde er
eingeladen, an der Fakultät für Theologie und
Islamwissenschaften zu unterrichten. So begann er dort für 22
Jahre Unterricht zu erteilen. In dieser Zeit studierte er
neben seinen Vorlesungen und Forschungen sehr genau
verschiedene Gebiete der islamischen Kultur und nahm an
mehreren Vortragsreihen über islamische Jurisprudenz,
Literatur, Philosophie, soziale und historische Themen teil.
Er kämpfte für die Erziehung und Bildung der jungen
Generation, und darum hielt er an diversen Universitätszirkeln
und wissenschaftlichen Körperschaften häufig Vorträge über die
verschiedenen Themen des Islam. In den Jahren von 1958 bis
1971 und auch noch später war er fast andauernd Sprecher der
"Vereinigung muslimischer Gelehrter". Die meisten
Bücher, die Ayatollah Motahhari verfasst hat, entstanden in
dieser Periode, auch die beiden vorliegenden sowie die bereits
veröffentlichten.
Die Arbeit an der Universität half ihm, Verbindungen zwischen
der Universität und den theologischen Schulen zu knüpfen;
viele Universitätsmitglieder wurden von ihm in die
theologischen Zentren geschickt, damit sie dort lehrten oder
unterrichtet wurden. Motahhari kämpfte hart zur Überbrückung
des Spaltes zwischen diesen beiden Organen.
Die politischen Aktivitäten Motahharis
gewannen an Bewegungskraft am 5. Juni 1963 während der
Vorbereitung zur Islamischen Revolution, in der die
muslimische Geistlichkeit eine sehr bedeutende Rolle gespielt
hat und viele aus ihren Reihen verhaftet und ins Gefängnis
gebracht wurden. Motahhari wurde mitten in der Nacht des 5.
Juni 1963 festgenommen und kam für 43 Tage ins Gefängnis.
Später wurde er auf Druck des Volkes und infolge eines
Protestmarsches vieler muslimischer Geistlicher freigelassen.
Zu jener Zeit war Imam Chomeinis direkte Verbindung zum Volke
vollkommen abgeschnitten, und Menschen wie Ayatollah Motahhari
trugen in dieser Hinsicht eine schwere Verantwortung auf ihren
Schultern. Als Imam Chomeini ins Exil musste versuchte die
"Gemeinschaft kampfbereiter Geistlicher" sein Sprachrohr
im Land zu sein und Motahhari war ein Schlüsselglied dieser
Vereinigung und Imam Chomeinis Vertreter in der Gesellschaft.
In den Jahren 1964 bis 1977 führte
Ayatollah Motahhari einen langen Kampf für die Wiederbelebung
der islamischen Grundsätze durch seine zahllosen Vorträge an
verschiedenen Universitäten und islamischen Vereinigungen.
Ayatollah Motahhari spielte eine wichtige Rolle bei der
Führung und Leitung der islamischen Koalitionsparteien, die
gegen das diktatorische Regime des inzwischen gestorbenen
Vaters des Schah zu den Waffen gegriffen hatte. Zu dieser
Aufgabe war er von Imam Chomeini bestimmt worden.
Ayatollah Motahhari hatte klar erfasst,
dass die Kraft der Wissenschaft und die Ausdrucksfreiheit für
die Opposition die einzigen Mittel waren, den Islam zu
schützen und zu bewahren. In seiner Rede, die er im Februar
1979 an der Theologischen Fakultät hielt, sagte er: "Jede
Denkschule, die an ihre eigene Ideologie glaubt, muss
unbedingt die Ausdrucks- und Denkfreiheit unterstützen. Jede
Denkschule dagegen, die nicht an ihre Ideologie glaubt,
verbarrikadiert den Weg hin zur Denk- und Ausdrucksfreiheit.
Solche Schulen versuchen, das Volk innerhalb eines begrenzten
Rahmens zu halten und das Wachsen ihrer Gedanken zu
verhindern. ... Ich verkünde hiermit, dass in der Islamischen
Republik den Gedanken keine Grenzen auferlegt werden, und es
wird nichts der Kanalisierung des Denkens ähnliches geben.
Alle müssen selbstverständlich frei sein, die Ergebnisse ihres
Denkens zu äußern. Ich muss hier allerdings betonen, dass das
nichts mit den Plänen und den Ausarbeitungen von
Verschwörungen zu tun hat. Keiner hat das Recht und die
Erlaubnis, verschwörerische Pläne zu schmieden, die Äußerungen
geistreicher Gedanken aber bleibt frei. ... Hiermit verkünde
ich allen nicht-muslimischen Freunden, dass das Denken aus
islamischer Sicht für alle frei ist. Jeder kann denken, wie er
will und seine Gedanken zum Ausdruck bringen, vorausgesetzt,
es sind seine eigenen Gedanken. Jeder ist frei, die eigenen
Gedanken zur Niederschrift zu bringen, und keiner wird ihn
daran hindern."
1978, als die Islamische Revolution an
Stoßkraft gewann, engagierte Ayatollah Motahhari sich in
seinen politischen Aktivitäten noch mehr und verließ Teheran,
um in Paris Imam Chomeini zu treffen. Während seines Besuches
wies Imam Chomeini ihm die Aufgabe zu, einen Revolutionsrat zu
gründen, und dieser Aufgabe kam er in bestmöglicher Weise
nach. Nach Imam Chomeinis Rückkehr in den Iran war Ayatollah
Motahhari ununterbrochen mit ihm zusammen.
Am 1. Mai 1979 schließlich wurde er durch
einen terroristischen Anschlag der Gruppe namens “Furqan“, als
er von einer Versammlung des Revolutionsrats kam, Märtyrer. Er
selbst hatte zuvor gesagt: "Das Blut der Märtyrer ist nie
verschwendetes Blut, denn jeder Tropfen dieses Blutes bringt
Tausende frischer Tropfen, ja Tonnen von Blut hervor, und
dieses wird dem Körper der Gesellschaft injiziert. Martyrium
bedeutet Injektion frischen Bluts in den Körper der
Gesellschaft, besonders in einer Zeit, wenn die Gesellschaft
an Blutmangel leidet."
Am folgenden Tag sagte Imam Chomeini
unter Tränen: "Ich habe mit ihm einen geliebten Sohn
verloren, eine Persönlichkeit, die Frucht meines Lebens war,
und ich trauere tief um ihn. ... Ich habe einen Sohn verloren
– aber dennoch erfüllt es mich mit Freude, dass es Sprösslinge
dieser Nation gibt, die so aufopferungsbereit sind wie er.
Motahhari, dessen Seele an Reinheit und Glaubenskraft an
Stärke die anderer weit übertraf und dessen Rede eine
einzigartige Wirkung ausströmte, ging von uns und erreichte
damit die höchste Stufe des Menschseins. Aber die böswilligen
Menschen müssen sich darüber im Klaren sein, dass mit seinem
Gehen seine islamische, wissenschaftliche und philosophische
Persönlichkeit nicht gegangen ist. Ein Terror kann nicht die
islamische Persönlichkeit eines Muslims treffen. ...".
Im Jahr darauf erklärte Imam Chomeini den
13. Ordibehescht (3. Mai) zu einem Trauergedenktag und später
wurde es zum Welttag der Lehrer.
Die Islamische Republik Iran hat mehrere
Gedenkbriefmarken zu seinen Ehren herausgebracht. Ebenfalls zu
seinen Ehren wurde die ehemalige "Takhte Tavoos Straße" 1979
umbenannt in "Schahid Motahhari" Straße (Märtyrer Motahhari).