Mesnevi

Mesnevi

Dschalaleddin Rumi

Aus dem Persischen übertragen von Georg Rosen

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Erzählung über den abgesetzten Schah

Als der durch des Wesirs Arglist verführte
Heillos Blutdürstige nicht mehr regierte,
Ward Schah ein andrer, jenes Juden Spross,
Der auch der Christen Untergang beschloss.
Willst du von diesem Frevel auch die Kunde?
Lies von den Burgen an des Himmels Kunde!
Ja, es beschritt auch dieser Schah die Bahn,
Die böse Bahn, die angebahnt sein Ahn.

Wer immer einen bösen Brauch erfunden,
Den trifft Abscheu und Flucht zu allen Stunden.
Der Gute geht, es dauert seine Bahn;
Unrecht und Fluch bleibt von dem bösen Mann.
Bis zum Vergeltungstag bleibt, was erzeugt
Vom Bösen ist, zum Bösen hingeneigt;
Bis zum Posaunenton gesondert fließen
Des bittern Wassers Adern und des süßen.
Des Guten Erbe ist das süße, klar –
Dies Erbe ist das Buch, das ewig wahre.
Erkenne in der strebenden Gebeten
Strahlen vom Edelsteine der Propheten!
Es wendet sich der Strahl mit dem Rubin,
Der ihn erzeugt, und fällt zurück auf ihn.
Des Fensters Schimmer sich im Zimmer wendet,
Je wie die Sonne ihre Bahn vollendet.
Der Stern, dem jeder Mensch anheimgegeben,
Bestimmt sein Tun, beherrscht sein ganzes Leben,
Steht Venus in dem Horoskop, so neigen
Die Sinne sich zu Lieb’ und Spiel und Reigen;
Steht Mars in ihm, so dürstet heiß nach Blut
Der Mensch und sucht nach Streit und Kampfesglut.
Doch ob den Sternen andre Sterne blinken,
Die nicht verbrennen, noch vergehen und sinken,
Wandelnd an andern Himmeln, als den sieben,
Die und benannt die Weisen und beschrieben,
Wurzelnd im strahlend reinen Gotteslicht,
Verbunden nicht und auch zu trennen nicht.
Der unter dieser Sterne Gunst Geborne
Verbrennt und steinigt alles Gottverlorne.
Doch stammt sein Zorn von Mars nicht, der bald siegt,
Und bald in stetem Wechsel unterliegt.
Das höh’re Licht bleibt von Verfinsterungen.
Gott spendet aus dies Licht der Seelenwelt,
Heil dem, der sein Gewand nur dorthin hält!
Von allem, was nicht göttlich, zieh den Blick,
Wem dieses Lichtes Spende ward, zurück.
Doch dieser Spende der nur dich erfreut,
Der sich umgürtet mit der Liebe Kleid.
Das Ganze sucht der Teil, wie zu der Rose
Hinstrebt der Nachtigallen Lenzgetose.
Nur äußerliche Farbe trägt das Tier,
Von innen strahlt des Menschen Farbenzier.
Klarheit und Glück die Farbe ist des Reinen,
Aber des Hohnes Schwarz die den Gemeinen.
Farbe von Gott heißt jene Farbe zart,
In dieser Gottes Fluch sich offenbart.
Zum Meere geht, was aus dem Meer gekommen,
Und alles kehrt, woher es ward gekommen:
Vom Bergeshaupt die Ströme niedereilen –
Liebende Seelen nicht im Leibe weilen.

Schau, was der Jud’ ersonnen! Einen Götzen
Neben ein lodernd Feuer ließ er setzen,
Und sprach: „Die zu dem Gott sich nicht bekehren,
Soll diese Glut verbrennen und verehren.“

So lange war das Ich sein Götz gewesen,
Bis eines andern Götzen es genesen.
Denn nur die Selbstsucht das Idol erzeugt,
Der Götz der Schlange, sie dem Drachen gleicht.
Dem Stahl und Stein das Ich gleicht; draus entspringt
Der Götz, ein Funken, den kein Wasser zwingt.
Stahl löscht und Stein kein Wasser; - Stahl und Stein
Im Busen – kann der Mensch da sorglos sein?
Im Innern schüren Stahl und Stein die Glut,
Nichts leistet gegen diese Glut die Flut.
Wohl mag die Flut die äußre Glut bezwingen,
Nie kann in Stahl und Stein hinein sie dringen.
Judentum ist und Christentum die Welle
Der Stahl und Stein entsprungnen Feuerquelle.
Wasser im Schlauch wird allzeit schal und schwindet,
Doch ewig frisches Nass im Quell sich findet.
Der Götz verdorbnem Wasser gleicht im Schlauche –
Die Selbstsucht ist der Quell solch ekler Jauche.
Der Götz von Holz ist eine trübe Lache,
Das Ich gleich an der Heerstraß’ einem Bache.
Ob hundert Wasserkrüg’ ein Stein zerschelle,
Ewig lebendig rinnt das Nass der Quelle.
So ist der Götz zerstörbar, doch es können
Die Selbstsucht Toren nur zerstörbar nennen.
Ihre Gestalt willst du von mir in Worten? –
Lies von der Hölle mit den sieben Pforten!
Ihr Hauch ist Arglist, und selbst Pharaonen
Verschlingt dies Meer mit ihren Legionen!
Zu Mosis Gott, zu Moses fleuch, und lass
Schnöde verrinnen nicht des Glaubens Nass!
Halt’ dich an Achmed, halt’ dich an den einen!
O mach dich frei vom Leibe, dem gemeinen!

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Zur helle Lohe führte, zu dem Bilde,
Mit ihrem Kind ein Weib der Schah, der wilde.
Er ward das Kind ins Feuer, und verzagend
Wollte, und seinem Glauben schon entsagend,
Das Weib zum Bilde beten angstbetört –
Da rief as Kind: „Sieh, ich bin unversehrt!
Komm, Mütterlein, mir ist so wohl zumut,
Schein’ ich auch rings umgeben von der Glut.
Nur den Befangnen diese Flammen blenden,
Das freie Auge sieht drin Gnadenspenden.
Komm, Mutter, sie, wie sich der Herr bewährt,
Sie, wie den Seinen Wonne er beschert!
Komm her! wie Fluten kühl sind diese Flammen,
Die der flutkühlen Glutenwelt entstammen.
Komm und erkenne, wie Chalil gesessen
Im Feuer unter Rosen und Zypressen!
Den Tod, ich sah ihn, als du mich gebarst;
Wie bangte mir, da du entbunden warst!
Doch hat Erlösung mir aus Kerkernacht
Zur süßen Lichtwelt die Geburt gebracht.
Eng gleich dem Mutterleib die Welt ich finde,
Seit solche Wonn’ ich in der Glut empfinde.
Ich seh’ hier eine Welt in Glut und Rauch,
Durchdrungen ganz von Jesu Balsamhauch
Ob diese Welt gestaltlos, doch besteht sie,
Ob jene Welt gestalten, doch vergeht sie.
Komm, bei der Mutterliebe heil’gem Bande!
Denn sieh, Brennkraft ist nicht in diesem Brande.
Komm, meine Mutter, Glück wirst du gewahren,
Komm, Mutter, lass ein solches Heil nicht fahren!
Du siehst ja jenes Hundes Macht; komm her,
Hier siehst du Gottes Macht und Huld und Ehr’.
Mein Flehn, es kommt aus liebewarmer Brust,
Denn nicht bedarf ich dein in meiner Lust.
Komm her und ruf die andern auch zusammen,
Ein Luftmahl gibt der Schah uns in den Flammen.
Kommt, Gläub’ge! Stürzt euch allesamt herein,
Wonne gewährt der Glaube euch allein.
Eilt, wie zur Kerze liebberauschte Mücken,
Hierher, wo hundert Lenze euch entzücken!“ –

So rief das Kind inmitten jener Scharen,
Staunens und Schreckens voll die Gläub’gen waren.
Bewusstlos rannte, Mann und Weib zusammen,
Das ganze Christenvolk dann in die Flammen,
Getrieben einzig von des Freundes Liebe,
Die süß und klar das Bittre macht und Trübe;
Bis die Trabanten selbst des Schah vergebens
Zu ihnen sprachen: „Schonet eures Lebens!“

Schwarz ward aus Scham das Angesicht des Schah,
Das Herz ihm ob misslungnem Streben brach,
Da dieses Volk im Glauben liebentzückt,
Und selbst der Tod es nicht der Treu’ entrückt.
O wohl, dass auf ihn selbst die List des Bösen
Fiel, dass er schwarz sich sah, ein Höllenwesen!
Mit Schmach die Glub’gen hofft er zu bedecken,
Und selber blieb in Schmach und Hohn er stecken;
Ihr Kleid, dran er gezerrt, blieb unverletzt, -
Sein eignes ward zerrissen und zerfetzt!

 

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