Fußnoten
1.
In dem neuesten (1910) über das Mesnevi
erschienenen, übrigens vortrefflichen Werke:
The Masnavi by Jalalu 'D Din Rumi,
book 11, sagt der Autor C.E. Wilson: „In
1881 Sir James Redhouse translated the First Book of this
poem, but with the exception of that poem and of Mr.
Whinfield's abstract, nothing of importance in any European
language hat been attempted up to the present to further the
knowledge of a work so valuable to students not only of
Sufismus, but also of philosophy generally, including the
modern development, theosophy.
2.
Ethé, Neupersische Literatur, in Geyer und Kuhns
Grundriss der iranischen Philosophie.
3.
Edv. Lehmann (Professor der Religionsgeschichte an der
Berliner Universität), Textbuch zur Religionsgeschichte,
Leipzig 1912.
4.
Dieser Vers Dschelal ed dins spielt darauf an, dass die
Sufi ihren Namen von dem arabischen Wort suf, Wolle,
herleiten, weil das Wollkleid, das „härene Gewand“, das
eigentliche Kleid der Derwische ist.
5.
Ein Vorläufer Dschelal ed dins.
6.
Nur so ist khärbät zu übersetzen.
7.
Über diejenigen hier erwähnten Personen und
Erzählungen, welche nicht aus der Bibel bekannt sind, finden
sich nähere Angaben im Anhang und in den Anmerkungen zum Text.
8.
Vgl. über den Zusammenhanf der islamischen mit der
griechischen Kultur Fr. Rosen, Die Sinnsprüche Omars, des
Zeltmachers, 2.Aufl., S. 108 u. f.
9.
Fr. Rosen, Die Sinnsprüche Omars, des Zeltmachers, 2.
Aufl., S. 73.
10.
D.h. schöne philosophische Gedanken.
10a. D.h. den entferntesten der im Altertum bekannten
Planeten.
11.
Das Bild, das hier dem Dichter vorschwebt, ist das der
durch die vielen kleinen einzelnen Butzenscheiben in der
Kuppel eines orientalischen Bades geteilten Sonnenstrahlen,
die den Eindruck einer Vielheit der Lichtquellen hervorrufen
könnten.
12.
Neben der reinen Vernunft nahm man noch einen
tierischen Verstand an, der aus die Erhaltung und die äußeren
Bedürfnisse des Lebens gerichtet war. Nur die reine Vernunft
ist ein Teil der göttlichen Vernunft, des Logos, der im Anfang
war. Sie ist eins und unteilbar in Gott und allen
vernunftbegabten Wesen.
13.
Über den Einfluss indischer lehren auf die Entwicklung
des Sufismus hat Goldziher in seinen Vorlesungen über den
Islam erschöpfende Angaben gemacht.
14.
Die Abkehr von der Welt führt durch das ganze
scholastische Mittelalter zur Abkehr von der Naturbeobachtung
– abgesehen von Astrologen und Alchimie, die dann allmählich
wieder zur Naturerkenntnis zurückführen – und verhindert so
jeden Fortschirtt in der Kenntnis des Realen. Auch bei uns war
es so: der Lehrplan unserer humanistischen Gymnasien ist in
der Hauptsache ein Überbleibsel aus dieser scholastischen
Zeit. Im Orient ist die Mystik stärker gewesen als bei uns.
Sie hat zwar nicht so sehr die Massen des Volkes, wohl aber
fast alle führenden Geister in ihrem Banne festgehalten und
sie verhindert, sich der freien Erforschung der realen Welt
wieder zuzuwenden. Dies ist wohl hauptsächlich der
anscheinenden Wissenschaftlichkeit der künstlichen
Koraninterpretation zuzuschreiben. Der Dogmatik stand in
dieser Exese ein vollständiges philosophisches System als
Stütze zur Seite. Dem Dogma der Christenheit hat eine ähnlich
starke und zwingende Hilfsmacht in seiner scholastischen
Philosophie nicht zur Verfügung gestanden, und daher konnten
sich die Völker des Abendlandes leichter zur Kritik und zum
Nationalismus durcharbeiten. Hierdurch wurde bei uns auch dem
religiösen Leben selbst wieder neue Nahrung zugeführt, während
im Orient als Folge all zu langer Stagnation vielfach
Versumpfung eintrat. Bei einem Besuche, den ich 1904 der
Grabstätte Dschelal ed din Rumis in konia abstattete, fand ich
unter den Mevlevi-Derwischen, die das Heiligtum ihres
Ordensstifters hüteten, nur einen, der überhaupt der
persischen Sprache mächtig und imstande war, die Worte des
Meisters zu verstehen. Die übrigen wussten zwar einzelne Teile
des Mesnevi auswendig, doch kümmerten sie sich wenig um deren
Sinn. Der ganze zikr (liturgische Dienst) einschließlich des
sama' (des mystischen Neigens) war ihnen zur leeren und
unverständlichen Formel geworden.
15.
Manchem der Leser wird sich die Frage aufdrängen, auf
welchem Wege diese platonische Philosophie gerade nach Persien
gelangt ist. Wo war die Brücke zwischen den beiden so
verschiedenen Welten des Hellenismus und des Barbarentums? Es
hat natürlich nicht nur einen solchen Weg gegeben,
indessen muss ein bestimmtet Vorgang als besonders wichtig
angesehen werden: Bekanntlich hat die altgriechischen
Philosophie den politischen Untergang ihrer Heimat lange
überlebt. Der tiefe Eindruck, den vor allem Plato hinterlassen
hatte, bewirkte eine Fortsetzung seiner Philosophie, den
sogenannten Neuplatonismus. Die Neuplatoniker
beabsichtigten lediglich, die Lehre des Meisters zu pflegen
und zu erklären. Sie haben aber allmählich immer mehr mit
pythagoreischen Theorien, besonders der Zahlenphilosophie und
mit mystischen Elementen aus Griechenland und später auch aus
dem Orient durchsetzt und sie mit den so widersprechenden
Lehren des Aristoteles zu vereinbaren gesucht. Auch traten
immer mehr Männer von nicht-griechischem Ursprung, wie der
Phönizier Porphyrius und der Syrer Iamblichus in der
neuplatonischen Richtung hervor. Immerhin aber blieb ihnen das
Studium der Werke Platos die Hauptsache. In ihnen suchten sie
auch ein Gegengewicht gegen das siegreich vordringende
Christentum, dem gegenüber sie einen immer schwereren Stand
hatten. Ihre Philosophenschule hielt sich aber in Athen, bis
der Kaiser Iustinian ihr durch ein Edikt vom Jahre 529, das
ihr Vermögen einzog und das Lehren der Philosophie in Athen
verbot, ein Ende bereitete. Einige der letzten Philosophen von
Athen beschlossen darauf, nach Persien aus zuwandern, wo
damals der mächtige und berühmteSassanidenherrscher Kesra
Anuschirwan, oder kurz Nuschirwan regierte. Es war bekannt,
dass Nuschirwan die griechische Bildung beschützte und
pflegte. Zu ihm wanderten Damascius der Elicier, Simplicius
der inder, Priscianus, Eulamius aus Phrygien, die Phönizier
Hermias und Diogenes und Isidorus aus Gaza. In seiner
Hauptstadt Ktesiphon hofften diese griechischen Philosophen
etwas dem platonischen Idealstaat ähnliches zu finden,
indessen sie es doch, trotz der freundlichen Aufnahme, die
ihnen dort zuteil ward, nicht lange in dem „Barbarenlande“
ausgehalten. Aber diese Reise ist für das Weiterbestehen des
Neuplatonismus nach seinem Untergange in Athen von großer
Bedeutung gewesen. Er hat damals im Perertum so tiefe Wurzeln
geschlagen, dass, als ein Jahrhundert später der Islam die
Sassaniden von ihrem Throne stürzte, die griechische
Philosophie nicht zugleich mit dem Zoroastrismus unterging,
sondern sich mit der Lehre Muhammeds eng verschmelzen und ihr
noch zur Stütze werden konnte.
Leben des Mewlana Dschelal ed din Rumi Muhammed, Ibn
Muhammed, Ibn Hassan, el-Balchi, el-Bekri
1.
D.h. aus Balch (Bactra) gebürtig.
2.
D.h. Nachkomme der Familie Abi Bekr's, des ersten
Chalifen.
3.
Muhammed Kutb ed din Charezm-Schah, genannt Tagtasch
oder Takasch, einer der ausgezeichnetsten Sultane aus der
Dynastie der Beherrscher von Charezm, welcher in dern
Oxusländern und dem nordöstlichen Persien von 596 der Flucht
(1199 v. Chr.) bis 617 (1220) regierte.
4.
Nach Dschelal ed din der größte mystische Dichter, den
die persiche Literatur aufzuweisen hat. Er wurde im Jahre 513
der Flucht (1119 nach Chr., nicht, wie es in Hammers
Geschichte der schönen Redekünste Persiens heißt, 613 der
Flucht oder 1216 n. Chr.),also beinahe ein Jahrhundert früher
als sein ihn weit hinter sich zurücklassender Nachfolger, in
der Nähe von Nischabur geboren. Das hier erzählte
Zusammentreffen kann gleichwohl stattgefunden aheb, da
ausdrücklich bezeugt wird, dass er 110 Jahr als geworden. Zu
seinen berühmtesten Schriften gehört das von Herrn von Hammer
auszugsweise übersetze Monik et-tair (Die Vogelsprache), das
in Prosa von Silvestre de Sacy übertragene Pend-naem (Buch des
Rates) und das hier erwähnte Esrar-name (Buch der
Geheimnisse).
5.
Den Ihram,zwei Wolltücher, deren eines den obern und
das andere den unteren Teil desKörpers zu bedecken dient.
6.
D.h. nach der Kaaba zu Mekka.
7.
Der Bruder und Nachfolger des Keikawus, der drittletzte
Sultan von Ikonium. Er regierte von 610 der Flucht (1213 n.
Chr.) bis 634 (1236).
8.
Der Sohn Dschelal ed dins. Das hier erwähnte Gedicht
führt nach ihm den Namen Weled-name.
9.
D.h. Beha es din. Dieser Name bedeutet nämlich Preis
der Religion. Wir haben hier ein Sinnspiel, welches sich im
Deutschen nicht wiedergeben lässt, indem der Name Sultan-Weled
Sultan-Sohn bedeutet.
10.
Abermals ein Sinnspiel; Dschelal ed din bedeutet
nämlich Herrlichkeit der Religion.
11.
D.h. von der Sekte der Assassinen, an deren Spitze der
Scheich el-dschebel oder der Alte Berge stand. Der Begründer
ihrer Herrschaft in der Provinz Kuhistan im persichen Irak
hieß Hassan Esabah (von 1090 bis 1115 n. Chr.), nach dessen
Sohne und nachfolger Buzurg-Umid der Stamm hier benannt worden
ist.
12.
Eines früheren mystischen Dichters, der in der ersten
Hälfte des sechsten Jahrhunderts der Flucht in Gazna blühte.
13.
D.h., welche alle Stufen des Strebens nach der
Erkenntnis Gottes durchlaufen und zu dem Grabe der
Vollkommenheit gelangt sind, dass sie in quietistischer
Selbstanschauung den Enthüllungen des hächsten Wesens
engegenharren können.
14.
Vgl. die Stelle im Text S. 16-17 und 18, nebst der Anm.
47.
15.
Vgl. den Bericht des Reisenden
Mr. Browne in The modern Traveller; Syria
and Asia Minor, Vol. II, pag. 300: The splendid Tekieh (or
monastery) of Mewlawy Derwishes (at Konieh), is the first
among such buildings in the Turkish empire, and is universally
celebrated. Its cupola, covered with shining green tiles, is
conspicuous from afar. The tomb of the founder is of black
marble it is known by the name of Mulla Hunkiar. Voluntary
contributions are brought to the fraternity from all quarters
and from very distant regions. Even the Emperor of Marocco,
according to their report, annually sends them a hundred
pieces of gold. The order was founded by Jalal-ed-din mohammed,
Ben Mohammed, el Balkhi, el Konawi (also named Mulla Hunkiar),
who lived at Konieh, where he was regarded as a saint and
visited by Ertoghrul, the father of the first Othman.
16.
Der letzte große mystische und romantische Dichter
Persiens, welcher im neunten Jahrhundert der Flucht lebte.
17.
Das Grün war bekanntlich die Farbe des Propheten, und
wird deshalb noch jetzt bei den Muhammedanern heilig geachtet.
18.
Die Armut im Sinne der Mystik ist stets als
Gottesbedürftigkeit zu fassen; sie besteht darin, dass der
Mensch, alles Irdischen sich entschlagend, nur nach dem
Überirdischen und Göttlichen Verlangen trägt.
19.
D.h. des (Ibn) Manssur el-Halladsch, eines der früheren
Mystiker, welcher wegen ketzericher Lehren im Jahre 309 der
Flucht zu Bagdad hingerichtet wurde. Er soll zuerst die Lehre
von der Einheit des Wissenden mit dem Gewussten verbreitet
haben, welche er in die Worte ana 'lhakk, ich bin der Allwahre,
kleidete. Wie man erzählt, bemühten sich seine orthodoxen
Zeitgenossen vergebens, ihn zum Widerrufe dieser Bedeutung zu
bewegen; selbst unter den Qualen der Folter wiederholte er
seinen Satz, und nachdem er endlich als Ketzer hingerichtet
worden war, ronn noch sein Blut in der Gestalt der Schriftzüe
von ana I'lhakk zusammen. Der Dichter Fehim Efendi, ein
Mewlewi-Derwisch, spielt hierauf mit folgenden Worten in einem
Gasel an:
des
Rosengartens Ana 'lhakk Nachtigall eröffnet mir das Geheimnis
(d.h. die von Manssur verkündete und mit seinem Blute
rotbesiegelte Lehre von der unbedingten Einheit lässt mich
Gott erkennen); - Schah Manssurs Flöte erschließt mir die
Pforte des Verborgenen.
Mesnevi
1.
Über die Entstehung dieses Einganges erzählen die
Derwische des von Scheich Melana gestifteten Ordens der
Mewlewi folgendes: Hussam ed din Tschelebi, der selbst als
mystischer Dichter berühmte, geistreiche Schüler und Vertraute
des Scheich, hatte diesen wiederholt gebeten, die Lehren, die
er vortrage, schriftlich niederzulegen. Als er eines Tages
lebhaft in ihn drang, antwortete Mewlana, er habe bereits auf
göttliche Eingebung seinem Wunsche gewillfahrt, und zog aus
seinem Turban ein Stück Papier hervor, auf dem sich die ersten
achtzehn Doppelverse geschrieben fanden. Diese stehen ihres
dunklen Ursprungs wegen bei den Mewlewi im höchsten Ansehen
und sind der Gegenstand weitläufiger Kommentare geworden, in
denen ihre mystische Bedeutung wahrscheinlich weit über die
Grenzen der Absicht ihres Urhebers hinaus ausgedehnt worden
ist. - Die Flöte ist eines der vornehmlichsten Instrumente der
schmelzenden, melancholischen Musik, welche die Derwische zu
ihren mystischen Neigen begeistert. Alle ihre Laute sind
Klage, - Klage, wie es hier heißt, über ihre Trennung von dem
rohrbewachsenen Weiher; und so ist sie das Bild des er
leuchteten Menschen, dessen Leben auch nur eine Klage sein
soll, eine Klage über seine Trennung von der Gottheit, über
die Sonderung des Teils von dem Ganzen, nach dem er sich
zurücksehnt, bis die als Krankheit und Sünde geltende
Individualität vernichtet und der reine Geist in die große
Einheit resorbiert worden ist.
2.
D.h. in der Flöte.
3.
Der Pfad im Blut ist die Liebe. So ruft Hafiz seinem
Geliebten in einem Gasel zu: „Halt' fern vom Staub und Blut
dein Gewand, wenn du an mir vorübergehst; denn auf diesem Wege
(den ich gehe, d.h. dem der Liebe) sind der Erschlagenen viel,
deine Opfer!“ -
4.
Die Liebe des Kais mit dem Beinamen Medschnun, der
Rasende, zur Leila ist eine arabische Wüstensage, welche von
den romantischen und mystischen Dichtern des Orients unendlich
viel ausgebeutet worden ist. Medschnuns Leidenschaft wird von
Leila geteilt, ist aber doch unglücklich, indem der Vater des
Mädchens sich weigert, sie dem aus Liebe wahnsinnig gewordenen
Jünglinge zu geben. Medschnun lebt nun unter den Tieren des
Feldes und bezaubert diese so, wie die Menschen, die ihm nahe
kommen, durch seine beredten Klagen, bis ihm endlich das Glück
zu lächeln scheint und ihn mit seiner Geliebten vereinigt.
Aber ein neues Hindernis, schrecklicher als alle früheren,
vereitelt auf's neue seine Hoffnungen: Leila stirbt in dem
Augenblicke, wo er sie sein nennen konnte, und bald darauf
haucht auch Medschnun auf ihrem Grabe seine Seele aus. Dies
ist der Faden der mit vielen reizenden Episoden
ausgeschmückten Erzählungen von einer Liebe, die den
Orientalen als der wahre Ausdruck der innigsten Leidenschaft
gilt.
5.
D.h. der den Sorgen des gewöhnlichen Menschen
überhobene und deshalb diesem als Tor geltende.
6.
Dieser Ausruf ist an den Scheich Schems ed din Tebrizi
gerichtet, den Lehrer Mewlanas. „Mögest du dauern“, „mögest du
nie fehlen“, sind gewöhnliche Begrüßungsformeln bei den
Orientalen.
7.
Dieser Vers ist mystisch. Die formlose, aller
Gestaltung widerstrebende, aber in sich klare Flut ist die
Gottbegeisterung, der gegenüber die Menschen in drei Klassen
zerfallen: einige leben ganz in ihr, wie der Fisch im Meer,
und werden ihrer nie satt; diese immer nach der Wahrheit
Dürstenden sind die vollkommensten Menschen. Andere begnügen
sich, jene Flut nur gekostet zu haben, dies ist die zweite
Klasse; die dritte und niedrigste endlich hat gar keinen
Anteil an der wahren Erkenntnis, deren Tag verstreicht langsam
in irdischen Besorgnissen und Ängsten.
8.
Der hier Angeredete ist nach der Ansicht der
Mewlewi-Derwische Hussam ed din, der nach der Mitteilung der
ersten achtzehn Verse um weitere Aufschlüsse bat.
9.
Nach der Ansicht, dass es nur dann der Muschel gelinge,
Perlen zu erzeugen, wenn sie sich vor der Fülle des
Meerwassers verschließe und nur einen Regentropfen in sich
aufnehme.
10.
Es ist hier von der Liebe des Geschöpfes zu dem
Schöpfer die Rede. Das Kleid, welches dieselbe zerreißen soll,
ist die Selbstsucht, der Eigenwille, durch den sich die
Individualität kund gibt. Die mystischen Dichter bedienen sich
zur Bezeichnung der göttlichen Liebe stets der Ausdrücke,
welche eigentlich der irdischen Liebe und Freundschaft gelten.
11.
Den beiden Regungen der Selbstsucht; sie waren es,
welche Iblis zu der ihm selbst verderblichen Widerpsenstigkeit
vermochten, als Gott ihm befohlen, sich vor dem Menschen
niederzuwerfen.
12.
Im Original: „Du unser Plato und Galen!“ Die Orientalen
teilen die Philosophen des Altertums in zwei Klassen, die
Ischrakijje und die Messchaijje. Erstere schöpften ihre
Weisheit aus der Abstraktion, der Reinigung des inneren und
der Askese des äußeren Menschen; letzteren gelang dies nicht,
weshalb sie sich auf's Experimentieren und Studium verlegten.
Der Anführer der Ischrakijje ist Plato (Islatun) und der der
Messchaijje Galen (Dschalinus). Der Vergleich soll also sagen,
dass die Liebe nicht weniger zur wahren Erkenntnis führt als
die gefeierten Lehren der Weltweisheit.
13.
Die göttliche Liebe war am stärksten bei Idris und 'Issa
(Henoch und Jesus), deren irdische Leiber sie zum Himmel
hinauf trug.
14.
Die Geschichte der Enthüllung Gottes vor Moses erzählt
der Koran (Sur. 7, 139) folgendermaßen: und als Moses herankam
zu der Zeit, die wir (der Redende ist Gott) ihm bestimmt, und
sein Herr (Gott) mit ihm redete, sprach er: „Mein Herr, zeige
dich mir, dass ich dich schaue!“ ER (Gott) sprach: „Du wirst
mich nicht sehen, aber schaue auf den Berg, und wenn er selbst
bleibt auf seiner Stelle, so wirst du mich sehen.“ Und da Gott
dem Berg sich enthüllte, machte er ihn zu Staub, und Moses
fiel nieder in Ohnmacht. Vgl. 11. Mos. 33, 18ff. Die
mystischen Dichter geben der Telle eine ihren Vorstellungen
entsprechende Deutung. Moses sehnt sich, Gottes Angesicht zu
sehen, wie man sich nach dem Anblick des Gegenstandes seiner
Liebe sehnt, und der Berg – hier der Tür oder Horeb, nach
einigen Auslegern (siehe Beidhawi zu der Koranstelle) der
Zebir – erbebt liebe-berauscht, da sich Gott vor ihm enthüllt,
bis er in Stücke fällt. Die letzten Worte der Koranstelle sind
dem persischen Text womöglich eingefügt.
15.
Anspielung auf die schöne Dichtung von der Liebe der
Nachtigall zur Rose. [Gleichzeitig enthalten diese Worte eine
Hindeutung auf die platonische Lehre von dem „Nichtsein“ der
Erscheinungswelt und dem alleinigen wahren Sein des
Übersinnlichen.]
16.
Indem nämlich die Liebe des Liebenden eigenen Willen
tötet und in dem des Geliebten aufgehen lässt.
17.
Gottes.
18.
Ein zugleich geistlicher und weltlicher Herrscher, wie
z.B. die Khalifen waren.
19.
D.h., wir bürgen für die Heilung mit unserm Leben.
20.
Messih, der Messias, ist auch bei den Islamiten ein
Beiname Jesu, nach welchem die Christen auch Messihiten
heißen. Dem Muhammedanismus, der das Wunderbare aus der
Heiligen Schrift mit Vorliebe aufgefasst hat, gilt Jesus u.a.
auch als der weiseste Arzt, dessen Hauch alle Krankheit, ja
selbst den Tod besiegt, und zu dem Galenus sich nur verhält
wie der gewöhnliche Mensch zu dem Sohne Gottes.
21.
Bekanntlich sind die Orientalen sehr streng in
Beobachtung der Sitte, bei jeder Erwähnung von etwas
Zukünftigem oder Beabsichtigtem die Worte: in sha'allah, so
Gott will, hinzuzufügen. Sie nennen dies istißnai-mutlak, die
absolute Ausnahme. Unser Scheich eifert gegen diese
Äußerlichkeit für den Fall, dass die Ausnahme nicht in der
unbedingten Hingabe des Herzens an den Willen Gottes ihre
Begründung hat.
22.
Gebetsnische, Mihrab, eine, meistens mit Vergoldungen,
Arabesken und Inschriften reich verzierte Nische in der Mitte
der nach Mekka gerichteten Seite der Moscheen, welche die beim
Beten inne-zuhaltende Richtung (Kybla) bezeichnet. Sie
entspricht ungefähr dem Synthronos der griechischen Kirchen,
der auch da, wo solche in Moscheen verwandelt worden, der
Regel nach dazu benutzt wird.
23.
Anspielung auf die Stelle im Koran, (Sur. 4, 79):
Sprich (befiehlt Gott dem Mohammad): „das Besitztum der
(diesseitigen) Welt ist gering.“
24.
Nämlich mich, anstatt an dich, an die schwachen Ärzte
wendend.
25.
Im Koran (Sur. 20, 6): Siehe, Er kennt das Geheime und
noch Verborgeneres.
26.
Die göttliche Gnade wird als ein Ozean dargestellt
wegen ihrer Unendlichkeit und Unergründlichkeit. Man sagt,
dass dieser Ozean aufwalle, wenn er dem Menschen zum
Bewusstsein kommt.
27.
Die muhammedanischen Philosophen setzen zwischen die
materielle Körperwelt und die Geisterwelt eine, weder dieser
an Subtilität noch an jener Substantialität gleichkommende
dritte, welche sie 'alem-i-missal, die Welt der Vorbilder oder
(platonischen) Ideen nennen. Dieselbe ist teilbar wie das
Körperliche, aber unfassbar wie das Geistige, und reproduziert
alle Erscheinungen der materiellen Welt in einer geistigen
Form, und die der geistigen Welt in körperlichen Bildern. In
ihr sehen also die Lieblinge Gottes, wenn auch noch Menschen
und an das Irdische gebunden, wie in einem Spiegel die
abstrakte Wonne des Aufgehens der Seele in die Gottheit.
28.
Der König
29.
Wörtlich: Du bist mir wie Achmed, und ich dir wie Omar.
Achmed ist, wie Machmud, ein Name Mohammads, und zwar der, mit
dem er im Himmel genannt wird, während die Oberwelt ihn als
Mohammad und die Unterwelt als Machmud kennt. Omar Ibn Chattab
gilt bekanntlich als einer der eifrigsten und treuesten
Anhänger Mohammads. - Die Unterwürfigkeit des Königs gegen
seinen Gast gibt dem Scheich zu der folgenden Digression über
den Gehorsam gegen das Göttliche, das geistig Große, Anlass,
ein Thema, auf welches wir ihn oft zurückkommen sehn.
30.
Die in dem vorhergehenden Vers aufgestellte Behauptung
belegt der Dichter mit Erzählungen aus der Vorzeit, und zwar
zunächst mit der aus dem Exodus bekannten Geschichte von der
Unzufiredenheit der Israeliten in der Wüste mit ihrer
gleichförmigen Speise. Der Koran spielt verschiedentlich auf
diese Erzählung an, die er ziemlich getreu aufgefasst hat,
z.B. Sur. 2, 54 (Gott spricht) „und wir machten das Gewölk sie
beschatten und ließen Manna auf sie nieder steigen und
Wachtel: 'Genießt der guten Dinge, die wir euch als Nahrung
gegeben'; und nicht an uns taten sie Unrecht, wohl aber an
sich selber taten sie Unrecht.“ -
31.
V. 58: Und als ihr (Juden) spracht: „O Moses, wir
können gewiss nicht aushalten bei einer Speise, darum bete zu
deinem Herrn für uns, dass er uns hervorbringe, was die Erde
sprießen lässt von ihren Kräutern und Gurken, ihrem Knoblauch,
ihren Linsen und Zwiebeln.“ Er (Moses) sprach: „Wollt ihr
eintauschen das Schlchte für das Gute? Steigt hinab nach
Ägypten, da findet ihr, was ihr begehrt.“ Tisch ist hier
uneigentlich für Mahlzeit zu nehmen. Übrigens verweise ich auf
den Anhang.
32.
Dies ist die arabische Version der evangelischen
Erzählungen von den wunderbaren Speisungen Chrisit, vielleicht
mit einer dunklen Erinnerung an die Einsetzung des heiligen
Abendmahls vermischt. Der Koran lässt sich darüber (Sur. 5,
112 ff.) folgendermaßen vernehmen: Gedenke (Gott redet) wie
die Apostel sprachen: „O Jesus, Marias Sohn, ist dein Herr
imstande, uns einen Tisch vom Himmel niedersteigen zu lassen?“
- Er sprach: „Fürchtet Gott, so ihr Gläubige seid.“ Sie
sprachen: „Wie wünschen davon zu essen, und dass unsere Herzen
zuhig werden, und wir erfahren, dass du uns wahr geredet, und
dessen Zeugnis ablegen.“ Da sprach Jesus, Marias Sohn: „O
Gott, unser Herr! Lass zu uns einen Tisch vom Himmel
herabsteigen, dass es uns ein Fest werde, den ersten unter uns
und den letzten unter uns, und ein Wunder von dir; und ernähre
du uns, denn du bist der beste Ernährer!“ Gott sprach:
„Gewiss, ich will ihn zu euch hinabsteigen lassen; wer aber
hernach unter euch ungläubig ist, den will ich wahrlich mit
einer Strafe bestrafen, mit der ich keines der Geschöpfe
bestrafen werde.“ Die Kommentatoren geben die Erzählung
weitläufiger, aber in etwas verschiedener Auffassung; siehe
den Anhang.
33.
Gottes.
34.
Dem Scheich schwebte hier unfehlbar die Mythe von Iblis
vor, der sich Gottes Geheiß, vor Adam nieder zufallen,
widersetze, weshalb er zum Satan ward, während der Gehorsam
den übrigen Engeln und – nach einer mir sonst noch nicht
vorgekommenen Erweiterung der Legende – den himmlischen
Lichtkörpern ihre Unschuld und ihren Glanz bewahrte.
35.
Der Menschen nämlich; dass die Verfinsterung der Sonne
und des Mondes eine göttliche Strafe für die Vergehen der
Menschen sei, ist eine im Orient weit verbreitete Ansicht.
36.
Asasel, bald Eigen-, bald Gattungsname, bedeutet einem
dem Throne Gottes besonders nahe stehenden Engel, z.B. in der
Einleitung zu Sadis Bostan: „Wenn Gott eine Gnadenkunde gibt,
so spricht Asasel: 'Auch ich habe daran teil.' - Hier
bezeichnet es den Iblis vor seinem falle.
37.
Der König umfasst die Brust des Arztes, dem er
überhaupt dieselben Ehren erweist, die einem fahrenden Scheich
von den Ordensbrüdern an den Orten, wo er ankommt, gebühren.
Über das Verhältnis des Schüler zu dem Religionslehrer (Murschid,
Führer) werde ich an einer anderen Stelle Gelegenheit haben,
mich aus zufallen
38.
dem Harem.
39.
Die Ärzte, welche die Kranke früher behandelt.