Gleichnis mit Christen.
Als aus dem
Haus die Flasche ihm zu holen
Dem doppelsicht’gen Knecht sein Herr befohlen,
Fragte der Knecht: „Sag’, welche von den beiden
Begehrst du? Wolle mich genau bescheiden!“
Der Herr sprach: „Eine Flasche ist’s, nicht zwei;
Drum sieh nicht doppelt, bring’ sie mir herbei.“
Der Knecht sprach: „Herr, du schmähst mich ohne Recht!“
Der Herr sprach: „So zerbrich die eine, Knecht!“
Und er zerschlug sie, und es schwanden beide –
Trüb wird des Menschen Aug’ im Hass und Neide.
Eine nur war es, die als zwei er sah,
Und als sie brach, war keine zweite da.---------------
Der Zorn, die
Gier, nimmt uns des Auges Klarheit
Und raubt dem Sinn die Gradheit und die Wahrheit.
Die Tugend birgt sich und ein Schleier trennt
Augen und Herz, wo Leidenschaft entbrennt.
Den Richter macht, der auf Bestechung sinnt,
Die Habgier gegen Recht und Unrecht blind.
So trübte jüd’scher Hass dem Schah die Blicke –
O hilf und, Herr, vor solchem Missgeschicke!
Denn er befahl viel tausend Gläub’ger Mord
Und sprach: „Ich bin des Judentumes Hort!“
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Ihm diente
ein Wesir, ein Menschenhasser,
der schlau in Knoten schlingen konnte Wasser.
Der sprach: „Die Christen fürchten für ihr Leben,
Drum ihren Glauben sie zu bergen streben.
Du Forscher im Verborgnen, weiser Schah!
Töte sie nicht, stell’ ihrem Blut nicht nach!
Töte sie nicht! Es ist verlorne Müh’:
Ein Duft verrät die ja den Glauben nie.
Wohl hundert Hüllen ihren Sinn umspinnen,
Was außen dein scheint, ist dir fremd von innen.“ –
Der König sprach: „So sag’, mit diesen Christen
Was fang’ ich an, um sie zu überlisten?
Dass von der Welt das Christentum verschwinde,
Nicht offen, nicht geheim hinfort sich finde.“
Er sprach: „Schneid’ mir die Hände ab, die Ohren,
Lass grausam Nas’ und Lippen mir durchbohren,
So führe mich zum Galgen hin, zum Rade,
Und dort erwirke mir ein Fürspruch, Gnade.
Auf einem Kreuzweg oder Marktplatz lasse
Dies vor sich gehen, auf volkbelebter Straße.
Alsdann verbanne mich nach fernem Lande;
So bring’ ich Elend über sie und Schande!
Denn, „heimlich“ sag’ ich, „bin ich Jesu Knecht, -
Gott, der das Innre sieht, er kennt mich recht!
Doch da dem Schah mein Glauben kam zur Kunde,
Begehrt’ er wütend meinen Tod zur Stunde.
Ich strebte, der Entdeckung vorzubeugen,
Mich äußerlich als Jude stets zu zeigen;
Der Schah jedoch bald mein Geheimnis merke,
Seinen Verdacht mein Reden nur bestärke.
‚Dein Wort,’ sprach er, ‚im Brot der Nadel gleicht
Ein Fenster in dein Herz aus meinem reicht,
Und dieses Fenster tut mir kund das Wahre
Deiner Gesinnung; drum die Worte spare!’
Wär’ Jesus nicht, mein Glauben, mein Vertrauen,
in Stücke hätt’ er jüdisch mich zerhauen. –
Um Jesus geb’ ich gern mein Haupt und Blut,
Ich nehm’ es hin aus seiner Gnaden Flut;
Gern lass’ ich mir um ihn das Leben rauben –
Doch ich bin tiefgelehrt in seinem Glauben,
Und seht, mich schmerzt es, dass Unwissenheit
Vernichtet dieser Lehre Lauterkeit.
Doch Gott und Jesu sei’s zum Preis und Ruhme,
Dass ich Wegweiser ward dem Christentume!
Frei aus dem Judentume ich erstand,
Um meine Lenden ich den Gürtel wand.
Ihr Männer, diese Zeit ist Jesu Zeit,
Drum euern Geist ganz seiner Lehre weiht.“
Als der Wesir sich also ausgesprochen,
War jede Sorg’ im Haupt des Schahs gebrochen.
Wie diesen er gebeten, so geschah es,
Und alles Volk im höchsten Staunen sah es.
Verstümmel trieb man zu den Christen dann
Den Mann, der alsobald sein Werk begann.
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Und viele
Tausende von Christen kamen
An seinem Wohnort nach und nach zusammen.
Die Worte Christi, seiner Taten jede
Erzählt’ er ihnen in beredter Rede,
Des Gürtels und Gebets Geheimnis lehrt’ er,
Heimlich der Evangelien Sinn erklärt’ er,
Von außen ganz ein Lehrer der Gesetze,
Und innerlich ein Lockton nur zum Netze. –
Den Achmed bat einst seiner Treuen Schar:
„Mache des Selbstsucht-Dämons List uns klar;
Sag’ uns, was mischt sich doch des Zwecks Gemeinheit
In unsre Anbetung und Seelenreinheit?“
Sie fragten nicht: „Wie soll’n wir überbieten
Den Dienst, wie uns vor offnen Fehlern hüten?“
Sie, die, wie Rosen wir von Nesseln scheiden,
Die Selbstsucht scheiden konnten und vermeiden,
Sie staunten, die so klugen, ob der Kunde,
Die ihnen ward aus des Propheten Munde.
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Der Christen
Herz gewann bald der Wesir;
Was wirkt im Volke nicht die Neubegier!
Im Busen seiner Liebe Saat sie bauten,
Und wähnten töricht ihn Jesu Betrauten.
Doch er war der einaugige Antichrist, –
Gott schütze uns vor des Verruchten List!
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Ach, manches
Netz ist uns gestellt, und wir,
Hungrigen Vögeln gleichen wir an Gier!
Immer ein neues Netz, in das wir fallen,
Und wär’ uns Adlerblick beschieden allen;
Immer befreit und Gott, doch keiner Warnung
Achtend gehen wieder wir in die Umgarnung!
Füllten wir unsre Speicher noch so sehr
Mit Weizen an, die Speicher blieben leer,
Und keiner war von uns, der je bedachte,
Dass ihm die List der Maus den Schaden brachte,
Der Maus, die ihren Wohnsitz aufgeschlagen
Im Speicher und das Korn davongetragen.
O Mensch! Die Maus musst du zunächst verjagen,
Dann kannst du Weizen aufzuspeichern wagen.
Merk’ wohl auf jene Worte des Propheten:
„Vollendung gibt die Inbrunst nur dem Beten.“
Der vierzigjähr’gen Arbeit Korn, wo blieb es,
Wenn nicht die Maus entwendete, der Dieb, es?
Wir häufen gute Werke mehr und mehr –
Warum bleibt des Verdienstes Schrein denn leer?
Vom Feuerstahl gar mancher Funke fällt,
Den zundergleich das Herz auffängt und hält;
Jedoch ein Dieb in Finsternis und Graus
Drückt mit dem Finger diese Funken aus,
Löscht, einen nach dem andern, diese Funken,
Damit kein Licht vom Himmel möge prunken!
Sind tausend Netze auch auf unsrem Pfade,
Wir sind getrost, o Gott, in deiner Gnade;
Wenn deine Huld, Allgüt’ger, mit uns ist,
Fürchten wir nicht des argen Feindes List! –
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Den Geist
allnächtlich aus de Leibes Schranken
Befreist du, nimmst ihm Sorgen und Gedanken.
Frei seiner Fessel nachts der Geist sich fühlt,
Keiner befiehlt ihm, keinem er befiehlt.
Gefangne
denken ihrer Banden nicht,
Könige nachts
an ihre Lande nicht,
Es grämt
niemand um Vorteil und Verlust sich,
Keiner
Erinnrung ist der Mensch bewusst sich.
Nicht Schlaf,
Auflösung ist’s im ein’gen Gotte, -
Nicht sorge um die Schläfer in der Grotte!
Dem
Schicksalsschreibrohr gleicht in Gottes Hand,
Wer Tag und
Nacht schläft allem ird’schen Tand;
Und denkst
du, dass das Rohr sich selber führe
Und brauche
keine Hand, die es regiere?
Der Auflösung in Gott ein Abglanz zeigt
Im Schlafe
sich, wenn die Empfindung schweigt,
Wen Geist und
Leib ohn’ Regung, ohne Leben,
Wenn im
Gesild’ des Herrn die Seelen schweben.
Dann lockst
du, und wir fliegen in dein Netz,
Und du ziehst
uns zum Recht hin, zum Gesetz.
Wenn dann das
Frührot uns das Taglicht bringt,
Des Himels
goldner Aar die Flügel schwingt,
Wenn
schöpferisch, wie Asrafel, der Morgen
Gestaltet
alles, was die Nacht verborgen,
Dann bindet
an die Körper Gott die Geister
Und neue Last
den Körpern überweist er.
Das Ross der
Seele macht, des Sattels bar,
Den Spruch:
„Schlaf ist des Todes Bruder“, klar.
Doch weil am
Tag die Last rückkehrt den Rossen,
Hält ihren
Huf Gott an ein Seil geschlossen,
Um morgens
sie vom Anger herzubringen
Und von der
Weide sie ins Joch zu zwingen.
O mögst du,
wie die Schläfer in der Höhle,
Wie Noahs
Schiff, behüten meine Seele,
Dass von der
Sintflut des Vernünftelns frei
Das Aug’ und
Ohr mir und Gewissen sei! –
Gar viele gottversunkne Schläfer werden
Stets dir vor Augen sein, o Mensch, auf Erden,
Die dir vom
Freunde singen, vom Asyle –
Doch, wenn
dein Ohr nicht hört, zu welchem Ziele?
So sprach ein Fürst zur Leila: „Das bist du,
Um die
Medschnun verloren alle Ruh’?
Ich finde
nicht so schön dein Angesicht!“
Sie sprach:
„O schweig! Du bist Medschnun ja nicht.“ –
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Wer wachen Auges eher schläft als wacht,
Dem wär’ es
besser, schlief er Tag und Nacht.
Wacht nicht
dem ein’gen Wahren unser Geist,
Als Hemmnis
da das Wachen sich erweist.
Am Tag in
Phantasieverwirrungen,
In Habsucht-
und Besorgnisirrungen,
Find’t keine
Rast die Seele und verliert
Den Weg, der
sie zur ew’gen Wonne führt.
Der schläft, der sich an Luftgebilden letzt,
Auf
Einbildungen seine Hoffnung setzt.
Statt der
Huri im Traum des Divs genießt er
Und seine
Wollust über ihn ergießt er;
Also ein ödes
Land befruchtend, findet
Sich selbst
er wieder und sein Traumbild schwindet,
Er findet
wüst den Kopf, den Leib befleckt –
Weh, wen ein
nichtig Traumgebilde neckt!
Es kreist hoch in der Luft der Aar; sein Schatten
Irrt wie ein
Vogel durch Gefild’ und Matten,
Und mühsam,
diesen Schatten zu erlegen,
Verfolgt der
Tor auf Wegen ihn und Stegen,
Und weiß
nicht, dass ein Luftbild nur des Wildes
Es ist, noch
wo der Kern des Schattenbildes.
Eifrig
verfolgend schießt er seine Pfeile
Und leert den
Köcher aus in blinder Eile; -
Des
Lebensköchers Pfeile gehn dem Toren,
Der nur nach
Schatten hascht, also verloren! –
Doch der bleibt frei vom Schatten und vom Wahn,
Den Gottes
Schatten führt auf seiner Bahn,
Der Fromme,
der in Gottes Dienst beständig,
Er, der der
Welt tot und in Gott lebendig.
O zaubre
nicht, halt an des Heil’gen Kleid dich,
Dass er
erlöse in der letzten Zeit dich!
Als Schatten
Gottes sei er dir ein Führer
Zum höchsten
Sonnenlicht, zum Allregierer!
Wandle nur
unter solchen Leitsterns Blinken;
Sprich mit
Chalil: „Ich mag nicht die da sinken.“
Der Schatten
leite dich zur Sonne hin,
Drum fasse
das Gewand des Schems ed din.
Kennst du den
Weg zu diesem Holden nicht,
So frag’
Hussam, der ew’gen Wahrheit Licht.
Doch fasst dich auf dem Wege Neid, so merke,
Dass in dem
Neid besteht des Teufels Stärke,
Der nur aus
Neid gering den Adam schätzte,
Aus Neid der
Seligkeit sich widersetzte.
Auf deinem
Pfad ist dies der schroffste Steg –
Heil, wem
nicht Neid mitzieht auf seinem Weg!
Der Neid des
Menschen Leib als Haus bewohnt,
Drum bleibt
kein Mensch vom Neide je verschont.
Doch ob der
Leib des Neides Haus auch sei,
Gott schuf den Leib vom Neide rein und frei.
„Reinigt
mein Haus!“ gebeut Gott, und ist nicht
der irdne
Talisman ein Schatz von Licht?
Dem, der den
Neidlosen beneidet, macht
Der Neid das
Herz schwarz, wie die schwarze Nacht.
Drum sollst
du Staub zu der Gläub’gen Füßen,
Staub, wie
wir auf das Haupt des Neides gießen.
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Der neidentsprossene Wesir, verloren
Gab er in
eitlem Wahne Nas’ und Ohren,
Hoffend, dass
mit des Neides gift’gem Pfeile
Er sein
erseh’nes Opfer bald ereile.
Wer
neidverblendet seinem Nächsten Leid
Antut, dem
raubet Nas’ und Ohr der Neid.
Die Nase ist
das Duftempfindende;
Das nach dem
Duft die Heimatfindende;
Der ist
geruchlos, dem der Duftsinn fehlt,
Duft ist der
Glaube, der das Herz beseelt.
Wen bei des
Dufts Genuss nicht Dank durchglühte,
Der stieße
von sich frech des Ew’gen Güte.
Sei dankbar, Mensch, sei der Dankbaren Knecht,
Erstirb vor
ihnen, stehe stets im Recht!
Die Menge vom gebet verführe nicht,
Führe sie
irre, gleich dem Wesire, nicht!
Der schien
zum wahren Glauben hinzuleiten,
Doch
Knoblauch war in sein Wort verstand,
Neben dem
Süßen Bitterkeit drin fand; -
Gar weise
Sprüche, doch mit Doppelsinn,
Zucker mit
Rosenöl, doch Gift darin.
O lass solch
frommes Wort dich nie betrügen!
Hundert
Verbrechen drin verborgen liegen.
Denn wohl
befahl er: „Ringet nach dem Wahren“
Doch lag in
seinen Worten: „Lasst es fahren“
So ist das
Erz von außen blank und hell,
Doch schwärzt
es ab an Hand und Kleidern schnell;
So auch das
Feuer in der Lohe rot ist,
Doch schwarz
sein Werk, die Kohle, wenn sie tot ist.
So ist der
Blitz ein Licht für das Gesicht,
Doch blendet
er nicht unser Augenlicht?
Und jeder
minder Einsichtsvolle trug
Als
köstliches Geschmeid das Wort voll Trug.
Vom König
fern sechs Jahre fort und fort
War der Wesir
der Diener Jesu Hort.
Herz hatten
sie und Glauben ihm ergeben,
Und sei Gebot
war ihnen Tod und Leben.
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Botschaften hin und wieder – es versprach
Jede Gunst
heimlich dem Wesir der Schach
Und schrieb:
„Die Zeit ist da, du mein Getreuer,
Von Sorg’ und
Angst jetzt werde mein Befreier!“
Die Antwort
war: „Bald wird mir’s, Herr, gelingen,
Verderben in
die Christenheit zu bringen.“
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Nach den Gesetzen Jesu Volk zu führen
War
anvertraut als Obherrn zwölf Emiren.
Zwölf Stämme unter den zwölf Fürsten stunden,
Durch
ird’sche Rücksicht ihren Herrn verbunden.
Die Fürsten
waren mit den Stämmen allen
Als Sklaven
dem Wesir anheimgefallen.
Seinen Lehren
und Reden trauten alle,
Und auf sein
Tun und Lassen schauten alle.
Kein Fürst,
der nicht sein Leben hingegeben,
Hätt’ er
gesagt: „Du darfst nicht länger leben.“
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Und je hinleitend auf verschiedne Bahn,
Fertigt’ er
jedem ein Gesetzbuch an,
Je andern
Inhalts jeden Stammes Buch
Und alle unter sich im Widerspruch.
In einem sprach er
aus: „Selbstüberwindung
Allein ist
der Rückkehr zu Gott Begründung.“
Im andern:
„Die Entsagung hilft zu nichts;
Nur Edelsinn führt auf den Pfad des Lichts.“
Im dritten:
„Fasten bringt und Edelsinn
Zu frecher Gleichstellung mit Gott dich hin,
In Freud’ und
Leid bereitet dir’s Gefahr,
Nur die
Ergebung hilft dir immerdar.“
In einem
andern: „Freund, der Dienst tut not,
Denn ohne
Dienst ist die Ergebung tot.“
Dann wieder:
„Die Gebote, sie bestehen
Nur, dass wir
unsre Schwäche draus ersehen,
Dass seine
Ohnmacht drin der Mensch gewahre
Und sich ihm Gottes Kraft dann offenbare.“
Dann wieder:
„Hüte dich, dich schwach zu nennen,
Das hieße Gottes Gnade ja verkennen;
Denn deine
Kraft ist Ausfluss seiner Kraft,
Ist
Gnadengabe des, der alles schafft.“ –
In einem andern: „Dieses beides lasst!
Idol ist
alles, was das Aug’ erfasst.“
Dann hieß es: „Töte nicht das Augenlicht,
Denn der
Gedanken Licht ist das Gesicht;
Wer
Anschauung verschmäht und Phantasie,
Löscht des
Genusses Lampe sich zu früh.“
Und wieder:
„Lösch’ das Licht aus ohn’ Erbangen,
Und
tausendfachen Lohn wirst du erlangen.
Ist tot
dasLicht, dann wchst der Geist; Geduld
Schafft dir
der Leila deiner Wünsche Huld.
Wer fromm
sich lossagt von der Welt, dem fällt
Mehr als die Welt zu und was sie enthält.“
In einem
andern: „Was dir Gott verliehn,
Soll dir zur
Lust und zum Genuss erblühn.
Erfass’ es
wohl, - lässt er’s doch leicht dir werden;
Wird dich
nicht selbst in Not und Beschwerden.“
Und wieder:
„Freund, entsag’ den Lüsten allen,
Denn sündhaft
ist des Fleischs Wohlgefallen.
Gar viele
Pfade leicht und eben scheinen,
Und jedes
Volk verfolgt eifrig den seinen;
Doch wenn im
Leichten nur der Pfad bestände,
Kein Jud’ und
Geber, der ihn da nicht fände!“
Dann wieder:
„Heil ist da nur wohlbewährt,
Wo, was im Herzen lebt, die Seele nährt.
Denn
fruchtlos ist und öde, gleich der Wüste,
Im Ausgang alles fleischliche Gelüste;
Nur Reue ist
die Ernte solche Wandels,
Bedauern der
Ertrag nur solchen Handels,
Und nicht
erweist im Ausgang sich’s als Heil,
Der Name
Unheil wird ihm da zuteil.
Was Heil, was
Unheil, welches von den beiden
Im Ausgang
schön ist, lern’ es unterscheiden!“
Dann hieß es: „Einen Meister wähle dir,
Denn kein
Verstand begreift den Ausgang hier.
Den Ausgang hoffte mancher zu entdecken,
Und blieb in
Irrtum und Verachtung stecken.
Des Ausgangs
Kenntnis ist kein Handgewebe –
Wer ist, der
allen Zwiespalt sonst nicht höbe?“
Dann wieder:
„Meister du nur selbst dir bist,
Dein eignes
Urteil ja den Meister kiest.
Drum wird’
ein Mann und sei nicht andrer Spiel,
Selbstständig
zeuch und festen Sinns zum Ziel!“
Und dann:
„Das All ist eins; wer Zweiheit drin
Erblickt, des
Aug’ ist krank und trüb ein Sinn.“
Und wieder:
„Wird das Hundert je zum einen?
Wahnsinnig
dünken mir, die solches meinen.“
So waren – Gift und Balsam – gegenseitig
Die Lehren
alle fremd und widerstreitig.
Und wenn in
Gift und Balsam du besangen,
Kannst du zum
Duft der Einheit da gelangen?
In dieser Art in den zwölf Büchern sprach er,
Des Glaubens
Jesu arger Widersacher.
Zu Jesu
Einfalt reichte sein Verstand nicht,
Und Jesu Farbe färbte ein Gewand nicht,
Sie, drin das
bunteste Gewand geschwinde
Schlicht wird
und lieblich gleich dem Morgenwinde.
Nie satt wird
ihrer, wer durch sie dem Wahren
Zustrebt, wie nie der Fisch des Quells, des klaren.
Ob
tausendfältig bunt das Trockne scheine,
Es liebt der
Fisch die Welle nur, die reine.
Doch ist mit
seinem Heer das Meer zu klein.
Es liegen ja
im Staub zahllose Meere
Anbetend vor
dem Herrn mit ihrem Heere.
Fällt
Gnadenregen nieder nicht ihn’ Ende,
Auf dass das Meer uns Perlenschätze spende?
Glühn nicht
unzähl’ge Sonnen, um den Meeren,
Den Wolken
die Barmherzigkeit zu lehren?
Fiel nicht
ein Weisheisstrahl auf Flut und Erde,
Dass er im
Erdenschoß zum Saatkorn werde? –
Treu ist die
Erde; was wir auf sie säen,
Des Art lässt
ohne Trug sie auferstehen;
Der Treu der
Sonn’ ist ihre Treu entflossen,
Die über sie
das Licht des Rechts ergossen;
Doch ihr
Geheimnis hält sie still verwahrt,
Bis uns der
Lenz die Allmacht offenbart.
Wer gab denn
solche Treu, solchen Verstand
Dem
Unbeseelten, als des Höchsten Hand,
Des Huld im
Leblosen Bewusstsein weckt,
Des Zorngericht den Klugen niederstreckt?
Doch ist für
Geist und Herz dies Wort zu hoch –
Kein Ohr
vernimmt mich; drum was red’ ich noch?
Wo ein Ohr ist, zum Aug wird’s überall,
Und wo ein Stein ist, wird es zum Kristall.
An seine
Zauberkraft reicht Zauber nie,
Nie Alchimie an Seine Alchimie!
Lob will
reden, doch kein Lob ich finde;
Loben heißt
Sein, und alles Sein ist Sünde.
Geh’ auf in
Seinem Sein! Vergeh’ vor Ihm!
Denn blau ist alles Sein und blind vor ihm.
Wär’ es nicht
blind, es wär’ vor Ihm zerronnen,
Es wär’
zergangen vor der Glut der Sonnen,
Und trüg’ der
Trauer Farbe es, das Blau, nicht,
So wär’ wie Eis erstarrt der Weltenbau nicht.
--------------------
Dem König gleich, halsstarrig für und für
Stritt gegen
das Verhängnis der Wesir,
Gegen die
Allmacht, die durch einen Ruf,
Durch ein
Wort aus dem Nichts die Welten schuf.
Zahllose
Welten werden offenbar
Dem Aug’, das
Gott sehkräftig macht und klar;
Und scheint
das Weltall dir unendlich groß,
Nur ein Atom
ist’s in der Allmacht Schoß.
Der Kerker
deiner Seele diese Welt ist;
O Mensch! zieh hin, wo deiner Freiheit Feld ist.
Sie ist
begrenzt, doch dies ist ohne Schranken,
Denn Hemmnis
ist die Form für den Gedanken.
Mit bloßem
Stab zerbrach unzähl’ge Speere
Moses in des Ägypter-Herrschers Heere;
Zahllose
Dichter macht’ in allen Landen
Ein Wort aus Gottes schlichtem Buch zuschanden!
Wer, wenn
nicht der Gemeine, will nicht gern
Ersterben vor
dem allgewalt’gen Herrn,
Dem Herrn,
der felsenfeste Herzen zwingt,
Des Garn sich um den klugen Vogel schlingt?
Verstand und
Einsicht sind nicht seine Pfade,
Zerknirsche
nur empfängt des Herrschers Gnade.
O die ihr
Schätze häuft, in Winkeln scharrt,
Dem Wahn anklebet, wie dem Stier der Bart,
Was ist der
Stier, dem ihr als Bart euch leiht,
Was ist der
Erdenstaub, des Kraut ihr seid?
Ein Weib, erblasst ob einer bösen Handlung,
Ward zum
Gestirn der Suhra durch Verwandlung.
Ist es
Verwandlung, wenn zum Stern ein Weib wird,
Wie viel mehr, Frevler, wenn zu Staub dein Leib wird!
Zum Horizont
will ich dich dein Geist erheben,
Doch niedrig
bleibst am Staub und Schlamm du kleben.
Der niedre
Sinn macht, dass du dich entkleidet
Der Würde, drum die Engel uns beneidet
War die
Verwandlung Suhras nicht zum Heil, -
Welche
Erniedrigung wird dir zuteil!
Zum Himmel
steigst du auf des Eifers Rossen,
Doch Adams
Glorie ist vor dir verschlossen.
Bist du nicht
Adams Sohn? Wie lang, o Tor,
Ziehst dem
Erhabnen du das Niedre vor?
Wie lang
sprichst du: „Ich will das All umfassen,
Die ganze
Welt soll meinen Ruhm nicht lassen?“ –
Ging’ auch
die ganze Welt in Schnee zugrunde,
Der Sonne
Glut zerschmölze ihn zur Stunde.
Der jüdischen
Wesirs und seinesgleichen
Verbrechen
Gottes Flammenschwerter weichen;
Den tollen
Wahn zur Weisheit wendet er
Und aus dem
Giftsaft Balsam spendet er,
Aus dunkler
Ahnung lässt er Klarheit sprießen,
Aus Hass und
Neide lässt er Liebe fließen,
Zur Ruh’
macht er die Angst, zum Rosenhain
Ward dem
Chalil des Feuerofens Schein.
Für ihn
entbrannt, die Sinne mir entschwinden,
Zum Zweifler werd’ ich, will ich ihn ergründen!
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Ein andres dann ersinnend, tauschte schnelle
Den Lehrstuhl der Wesir mit stiller Zelle
Den Jüngern
Sehnsucht lassend nur und Klage,
Hielt er sich
in der Zelle vierzig Tage.
Wahnsinnig
machte die Erinnerung
An seiner
Reden Anmut alt und jung.
Gekrümmt vom
Fasten saß er in der Zelle,
und flehend
traten sie auf seine Schwelle
Und sprachen:
„Ohne dich sind ohne Licht wir,
Sind Blinde,
denen es am Stab gebricht, wir.
Um Gottes
Willen, des allgnäd’gen Herrn,
Halt’ uns
nicht länger, Meister, von dir fern!
Säuglinge
sind wir, unsre Amme du –
Bring’ uns im
Schatten deiner Huld zur Ruh’.“ –
Er sprach:
„Mein Herz ist immer bei den Meinen;
Allein ich
darf nicht unter euch erscheinen.“
Flehend die
zwölf Emire vor ihn traten,
Sich selbst
anklagend seine Jünger nahten:
„Welch
Unheil! denn an Glauben und an Geist
Sind, Edler,
ohne dich wir wie verwaist.
Vorwände
suchst du, und in heißen Schmerzen
Entsteigen
kalte Seufzer unsren Herzen.
Dein lieblich
Wort, hat es und nicht belehrt?
Hat deiner
Weisheit Milch uns nicht ernährt?
Um Gott, um
Gott! Entreiß’ uns diesen Sorgen,
Tu’ Gutes
heut und lass’ es nicht auf morgen!
Kannst du es
sehn, dass fern von dir verderben
Wir, die wir
dir nur leben, dir nur sterben?
Wie Fische
lechzen wir auf trockner Erde –
Zieh auf die
Schleusen, dass uns Wasser werde!
O du,
desgleichen keine Zeit gesehn,
Hilf uns, um
Gott! lass’ uns nicht untergehn!“
------------------
Er sprach: „O
dir für Zunge ihr und Ohr
Worte wollt
und am Wort klebt, seht euch vor!
Das Ohr des
Außensinns, mit Wolle schleußt es,
und nehmt des Sinnes Band vom Aug’ des Geistes.
Das äußre Ohr
schließt und betört das innre,
Nur wenn das
äußre taub ist, hört das innre.
Der
Sinnenwelt verschließet Tor und Tür!
Dann hört ihr, wie Gott spricht: „Kehr um zu mir!
Könnt ihr,
wenn ihr für Worte wacht, gewahren,
Was euch nur Traugesichte offenbaren?
Das Wort, das
Werk vernimmt der äußre Sinn,
Der innre Sinn schwebt ob den
Himmeln hin.
Der
formerzeugte Sinn sieht die Gestalt nur,
Auf Wogen wandelt Jesu Geistgewalt nur!
Gestalt nur
sieht das Auge, selbst gestaltet,
Dem Geiste
sich des Meeres Herz entfaltet.
Bald Berge,
Täler bald und Ströme findet,
Wem auf dem
Pfad der Form das Leben schwindet;
Doch nur die
sich der Meereswell’ vertrauen,
Endlich des Lebenswassers Quell erschauen.
Des Landes
Well’ ist des Verstandes Helle,
Rausch und Vernichtung ist des Meeres Welle.
Fremd diesem
Rausche ist der Formentrunkne,
Blind diesem
Kelch der in Gestalt Versunkne.
Das Wort
gleicht Staube auf der Seele dir,
O merk’ es und das Schweigen wähle dir!“
----------------
Sie sprachen: „Weiser Mann! versag’ uns nicht
Den Wunsch
und lass’ in Not und Klag’ uns nicht!
Zu schwer
belaste die Kamele nicht,
Über Gebühr die schwache Seele nicht!
In jedes
Vogels Nahrung ist ein Maß;
Nicht ist das
Feigenkorn jedwedes Fraß.
Gibst du dem
Kindlein statt der Milch ein Brot,
Mit seinem
Brote hungert es zu Tod;
Doch wenn die
Zähn’ ihm erst im Munde prangen,
Da treibt von
selbst zum Brot es sein Verlangen.
Der junge
Vogel, der voreilig fliegt,
Der
räuberischen Katze leicht erliegt;
Doch wenn er
stark geworden, flattert er
Einher ohn’
Angstgeschrei, ohne Beschwer.
Der Div in uns verstummt vor deiner Rede,
Verständig
macht dein Wort das Ohr, das blöde;
Ja redest du,
da wird das Ohr erleuchtet,
Das Dürre
wird, wo Meer du bist, befeuchtet.
Mehr als der
Horizont gilt uns mit dir
Die Erde, du des Weltalls Licht und Zier.
Düster ist
ohne dich der Horizont uns;
Was ist der
Himmel ohne dich, o Mond, uns?
Der Hoheit
Form im Himmel mag erscheinen,
Ihr Sinn ist der Seele nur, der reinen;
Körpern ist
nur der Hoheit Form verliehn,
Und Körper sind nur Namen für den Sinn.“
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Er sprach: „Spart eure Gründe, eure Worte
Und öffnet
meinem Rat des Herzens Pforte;
Bin ich
getreu, so lasst von dem Verdachte,
Und wenn den Himmel ich zur Erde machte;
Bin ich
gerecht, so folget den Befehlen,
Wo nicht, so
lasst dies Drängen und dies Quälen.
Das Innre
ist’s, mit dem ich mich befasse,
Drum denkt
nicht, dass die Zelle ich verlasse.“
-------------------
Sie sprachen: „Sind wir dein doch fort und fort!
Drum nicht wie Fremder Wort ist unser Wort.
Ist unser
Auge voller Tränen nicht?
Nicht ist mit
seiner Amme ja im Streit
Das Kind, das selbst nicht weiß, warum es schreit.
Der Harfe
gleichen wir, die du geschlagen,
Dein sind und
unser nicht des Liedes Klagen;
Wie Flöten
sind wir, deren Schall von dir,
Wie Berge,
deren Widerhall von dir!
Dem
Schachspiel gleichen im Entscheiden wir,
Gewinn,
Verlust durch dich nur leiden wir.
Wie könnten
wir, du unsrer Seele Leben,
Die gleich
uns stellen, dir je widerstreben?
Nicht sind
wir, nichts ist unser Sein; im Schein
Vergänglich, bist du das vollkommne Sein.
Löwen, doch
Fahnenlöwen nur, wir gleichen,
Beweglich
nur, wenn Winde sie bestreichen;
Das dem
Sichtbaren Regung Gebende,
Daur’ es,
das unsichtbar Belebende!
Du bist’s,
des Hauch Bewegung uns und Leben,
Du bist es, der das Dasein und gegeben!
Die Luft des
Seins durch dich das Nichts empfindet,
Liebe zu dir
durch dich das Nichts entzündet;
Lass deiner
Gnade Luft uns ferner blühn,
Den Wein, den
Becher woll’ uns nicht entziehn!
Denn was du
uns entziehst, wer kann’s erreichen?
Kann sich das
Bild dem Maler je vergleichen?
Schau’ nicht
auf uns, wend’ ab von uns dein Blick,
Auf deine
eigne Großmut sieh’ zurück!
Nicht waren
wir, nicht flehten wir, doch war
Vor dir, was
wir nicht ausgesprochen, klar.
Ist an den
Maler doch das Bild gebunden,
Wie an den
Leib die Frucht, zu allen Stunden.
Wie
Stickgrund zu der Nadel, so verhält
Zur Allmacht leidend sich die ganze Welt.
Bald Divs-Gestalt, bald menschliche Gestalt
Bildet sie,
Luft bald und Betrübnis bald,
Und keine
Hand bewegt sich, ihr zu wehren,
Um Leid und Freud lässt kein Laut sich hören.
Erforsche,
was der Herr im Koran spricht:
„Du warfest, doch der warf, du warst es nicht!“
Denn nicht
durch uns ist je ein Pfeil geflogen,
Gott ist der
Schütze und der Mensch sein Bogen.
Nicht Zwang, die Allgewalt sollst du verstehn
In diesem
Wort, zu der wir betend flehn.
Das Flehn zeigt, dass der
Mensch abhängig sei,
Sein Scham-
und Reu-Empfinden, dass er frei.
Wenn frei in
seinem Tun der Mensch nicht wär’,
Woher die Scham dann, und die Reu woher?
Woher dann,
dass das Kind der Lehrer züchtigt,
Dass den Entschluss man ändert und berichtigt?
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Sprächt ihr: „Die Jünger waren nicht im klaren,
Umwölkt war ihrem Aug’ der Mond des Wahren;“
- Hier meine
Antwort; wenn ihr sie verständet,
Ihr wärt, des
Irrtums bar, dem Heil verpfändet.
Es weckt in
uns die Krankheit Klag’ und Leid,
Es ist die Krankheit des Erwachens Zeit;
Drum sucht
ihr, wen ihr krank euch fühlt und schwach,
Auch um
Verzeihung eurer Sünden nach,
Das Laster
dünkt euch scheußlich, und zurück
Zum Pfad der
Tugend wendet ihr den Blick,
Und ihr
gelobt, hinfort nur Gottes Willen
In eurem Tun
und Lassen zu erfüllen.
So überzeugt
ihr euch, dass im Erkranken
Wach und
verständig werden die Gedanken.
O Wahrheitsforscher, höre diese Wahrheit:
Der Heimgesuchte nur gelangt zur Klarheit;
Je leidender,
umso mehr klar und wach,
Je kundiger, umso mehr bleich und schwach.
Wirst du
nicht flehn, wenn du den Zwang empfunden,
Wenn in der Allmacht Fessel du gebunden?
Kann im
Gefesselten sich Freude regen,
Kann frei
sich der Gekerkerte bewegen? –
Drum siehst
du dich in Ketten und in Banden
Und von des
Königs Häschern rings umstanden,
So sei nicht
hart und grausam gegen Schwache,
Denn
Häschertum ist nicht des Schwachen Sache.
Fühlst du den
Zwang, zeig’ es, indem du klagst;
Wo nicht, so
sag’ nicht, dass du ihm erlagst!
Wenn Lieb’
und Lust dich treibt zu einem Werke,
Wie zeigt sich deine Kraft da, deine Stärke!
Doch bei dem
Werke, das dein Trieb verschmäht,
Fühlst du den
Zwang, der von dem Herrn ausgeht.
Irdisches
Werk ist für den Seher Zwang;
Himmlisches
für den Gottverschmäher Zwang;
Es ist das
Himmlische des Sehers Wahl,
Des Toren
Wahl der Erde Jammertal!
Wie seine Art
der Vogel sucht, so reiß
Mit sich den Leib und eilt dahin der Geist,
Den Kerker
dieser Welt liebt der Verdammte,
Der dem siebenten Höllenschlund entstammte;
Doch treibt
den frommen Seher Eden-wärts,
Ihn, Edens Sohn, die Seele und das Herz.
Mein Stoff
ist nicht erschöpft; allein ich wende
Mich ab von
ihm zu der Erzählung Ende.
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Es rief heraus von innen der Wesir:
„Erfahret,
meine Jünger, dies von mir:
Solches
Geheiß ward mir von unserm Herrn,
Von Jesus:
‚Halt’ dich deinen Jüngern fern!
Schau’ an die
Wand und sitz’ in Einsamkeit
Und löse
selbst des Leibs Gemeinsamkeit!’
Zu reden ist
mir nicht erlaubt hinfort,
Und ohne
Nutzen ist fortan mein Wort.
Fahrt wohl,
ihr Freunde! Tot bin ich für euch,
Zum vierten
Himmel fahr’ ich auf sogleich,
Dass nicht die Glut unter der Feuersphäre
Wie Brennholz
mich verzehre und zerstöre!
Fortan wird’
ich an Jesu Seite stehen
Über des vierten Firmamentes Höhen.“
Dann rief die
Fürsten er an seine Pforte
Und sprach zu
jedem einzeln diese Worte:
„Des Herrn
Vertrauter,“ rief er jedem zu,
„Und mein
Vertreter bist den Christen du!
Die andern
Fürsten sind deine Vasallen,
Jesus
bestellt zum Haupte dich von allen.
Wenn sich ein
Fürst empört, so lass’ ich sterben
Lass ihn im
Kerker schmachten und verderben!
Nur sprich
davon, solang ich lebe, nicht,
Vor meinem
Tod nach Herrschaft strebe nicht;
Vor meinem
Tod erkünd’ es nicht den Christen
Und lass des
Königtums dich nicht gelüsten.
Nimm dies
Gesetzbuch, unsres Heilands Lehren,
Die du dem
Volk sollst lesen und erklären.“
Also sprach
er zu jeglichem Emire:
„Des
Christentums Leitung gebührt nur dir!“
Jeden als
seines Volkes Ersten pries es,
Dieselbe
Würde jeglichem verhieß er,
Gab jedem
eine Schrift dann in die Hand,
Die mit den
andern nicht in Einklang stand,
Der Schriften
zwölf, an Sinn und an Gehalt
Verschieden,
wie der Buchstaben Gestalt,
So dass, was
diese sagte, aufgehoben
In jener war,
wie ich’ beschrieben oben.
Und aber
vierzig Tage einsam saß er,
Nahm Gift
dann und des argen Leids genaß er.
Kaum ward sein Ende ruchbar, als die Menge
Sein Grab
umwogt’, ein Weltgerichtsgedränge!
Aus Schmerz
das Haar zerraufend, das Gewand,
Sich so viel
Volk daselbst zusammenfand,
Dass seine
Zahl nur Gott bekannt geworden –
Griechen und
Araber und Kurdenhorden.
Das Haupt mit
seines Grabes Staub bestreut,
Balsam der Seele sehend in dem Leid,
Um seinen
Tod, so Vornehm wie Gemein,
Sich härmend
und wehklagend, groß und klein,
An seinem
Grabe einen Monat ließen
Ströme von
Blut sie aus den Augen fließen.
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Dann sprach also das Volk: „Wer, ihr Emire,
Ist von euch,
der uns jetzt statt seiner führe,
Der unser
Meister sei, auf den wir bauen,
In dessen
Hand wir unsre Hand vertrauen?
Sehn wir mit
Herzeleid die Sonne schwinden,
So muss für sie die Lampe sich entzünden;
Und schlägt
der Trennung Stunde uns, so haben
Wir statt der
Holden die Erinnrungsgaben;
Wird welk der
Rosenflor in Herbstesluft,
So bleibt im
Rosenöl uns Rosenduft;
Und da
unsichtbar Gott ist, so vertreten
Ich unsrem
Auge sichtbar die Propheten.„ –
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Dies ist nicht falsch! Ein Greuel wär’s, die beiden,
Vertreter und Vertretene, zu scheiden.
Zwei sind sie
dem, der an der Form nur klebt,
Eins sind sie dem, der sich der Form enthebt.
So ist
zwiefach das Auge an Gestalt,
Doch auf das
Licht schau’, das im Auge strahlt:
Siehst du, o
Mensch, auf beider Augen Licht,
Zu sondern dieses Licht vermagst du nicht.
Zehn Kerzen
sind in einem Raum vereint,
Und jede an
Gestalt verschiedene scheint;
Doch sieht
das Licht der Kerzen allzumal,
Ob du
vermagst zu scheiden jeden Strahl.
Wohl zählst
du hundert Äpfel; doch zerdrücke
Die hundert,
und ein Saft bleibt dir zurücke.
Es ist von
Sondrung und Zerlegbarkeit,
Von Teil und
Zahl allzeit der Geist befreit.
Süß ist die
Einheit Liebender, - drum halt’
Zum Geist dich, lass die störrige Gestalt!
Die störrige
Gestalt, lass sie verschwinden!
Der Einheit Schatz wirst unter ihr du finden.
O du mein
Herz, sein Sklav! die Form vergeht,
Durch seine
Huld, wenn sie dir widersteht.
Er offenbart
sich selber dem Gewissen,
Er näht den Derwischmantel, der zerrissen!
Von einem
Stoffe einst und rein und klar
Das All frei von der Last des Leibes war,
Der Sonne
gleich aus einer reinen Masse
War
unbefleckt es gleich dem klaren Nasse.
Doch ward es
zählbar wie der innen Schatten,
Sobald die Formen sich gebildet hatten.
O Mensch! mit Wurfgeschoss zerbrich die Zinnen,
Die Vielheit
siehst du dann in eins zerrinnen!
Wohl wollt’ ich weiter diesen Satz erklären,
Doch fürcht’ ich, schwache Seelen zu betören.
Schneidend
ist, wie ein stählern Schwert, mein Wort,
Drum führst du keinen Schild, so eile fort!
Denn dieser
Stahl kennt Schonung nicht und Milde.
Drum in die
Scheide berge ich mein Schwert,
Dass kein Verdreher mir das Wort verkehrt! –
So kommen wir
zum Ende der Geschichte
Die von der
Christen Täuschung ich berichte:
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Auf trat ein Fürst dann aus der Fürsten Schar,
Er stellte
sich dem gläub’gen Volke dar
Und sprach:
„Ich bin’s, den der Wesir geweiht, ich!
Jesu
Vertrauter bin für diese Zeit ich.
Schaut, dies
Gesetzbuch als Beweis ich führe,
Dass die
Vertreterschaft jetzt mir gebühre.“
Dann trat ein andrer Fürst aus dm Verstecke,
Auf dass die
Hand er nach der Herrschaft strecke;
Auch der ein
Buch aus seinem Busen nahm, -
Jüdischer
Ingrimm über beide kam.
Dann traten
auch die andern auf, bewehrt
Ein jeder mit
gezücktem, blankem Schwert.
Mit Schrift
und Schwert gegeneinander wandten
Sie sich wie
wutberauschte Elefanten.
Zahllose
Christen fielen in den Schlachten,
Die Häupter
häuften sich der Umgebrachten,
Ströme von
Blut rings von der Walstatt flossen,
Nacht ward
die Luft vom Staub, dem bergegroßen.
Der
Zweitracht Saat, die der Wesir gestreut,
Sprosst’ ihnen zu Verderben und zu Leid.
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Die Schale bricht, und wo ein Kern sich weist,
Da steigt zu
Eden auf der reine Geist.
Der Tod macht, was im Leib verborgen war,
Wie der
Granaten Herz das Messer, klar,
Diese ist süß
und lieblich, Saftes voll,
Jene ein
bloßer Name, faul und hohl.
Es macht das
Geistige sich selber klar,
Das Hohle
führt zur Schande immerdar.
Geh,
Formbefangener, nach dem Geiste ringe,
Denn es ist ob der Form der Geist die Schwinge.
Geh, sei der
Geistdurchdrungenen Genoss,
Reich
wirst du so und edel so und groß.
Wie in der
Scheid’ ein hölzern Schwert, erweist
Im Leib sich eine Seele ohne Geist.
Denn in der
Scheide steckend nur hat Wert es,
herausgezogen ist ein Holz, kein Schwert, es.
Mit einem
Schwert von Holz zieh nicht zur Schlacht,
Prüf’ es, bevor die Schlacht noch angefacht.
Such’ dir ein
andres, findest du’s von Holz;
Doch ist es
Stahl, so zieh’s getrost und stolz.
Ein Stahl ist
in der heil’gen Waffenkammer,
Der
zauberisch vernichtet allen Jammer!
Kein Weiser
je, der nicht gesagt dies Wort:
„Der Weise ist des Weltalls Heil und Hort.“
Kaufst du Granaten, wähle lachende,
Lachend der
Kerne Pracht kund machende;
Selig das
Lächeln, wo entstrahlt dem Munde
Ein
Perlenherz as reiner Seele Grunde!
Doch wo der
Mund ein schwarzes Herz entfaltet,
Über der Tulpe Lächeln Unheil waltet.
Der Garten
lach von der Granaten Lachen, -
Wie Edler Worte dich auch edel machen.
Möchtest du
wie ein harter Feldstein sein,
Des Edlen Näh’ macht dich zum Edelstein!
Liebe zu
Reinen nur pflanz’ in die Seele,
Die
Glücklichen nur für dein Herz erwähle!
Verzweifle
nicht, noch fließt der Hoffnung Bronnen,
Flieh nicht zur Finsternis, noch glühen Sonnen!
Zu
Herzbegabten auf reißt stets dein Herz dich,
Doch zieht
der Leib zum Schlamme niederwärts dich.
Geh, um des
Herzens Not den Edlen frage,
Auf dass vom
Glück der Glückliche dir sage!
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Im Evangelium ist erwähnt des einen,
Des besten Sehers, Mustafas, des Reinen,
Seiner
Schönheit, der Anmut seiner Weise,
Seines
Singens und Fastens, seiner Speise.
Es küsste von
den Christen eine Schar,
Der dieser
Name aufgestoßen war,
Gläubig den
hehren Namen immer wieder
Und leg’ die
Stirn auf die Beschreibung nieder.
Da blieb in
der erwähnten Trübsalzeit
Von Leid und
Trübsal diese Schar befreit.
Der Bosheit
des Wesirs, der Fürsten, Ziel sie.
Fanden im Namen Achmed ein Asyl sie.
Auch wurde
groß und wurde viel ihr Samen,
Denn Schutz
war ihnen Achmeds lichter Namen.
Die andern,
die den Namen Achmed höhnten
Und mit
Verachtung seiner nur erwähnten,
Die kamen
selbst in Unglück und Verachtung
Durch des
arglistigen Wesir Umnachtung,
Und es ward
der Verworrenheit zum Raube
Durch zwölf
Trugbücher ihr Gesetz und Glaube.
Ist schon der
Name Achmed solche Stütze,
Wie denkst
du, dass sein Licht uns erst beschütze?
Wenn sich der
Nam’ als feste Burg erweist,
Um wie viel
mehr selbst, der treue Geist?