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zu islamischen Themen finden Sie im Verlag Eslamica.
Gräber
Mohammed sprang auf.
Er stieß mit dem Fuß nach Ali, der neben ihm schlief.
Der Knabe rieb sich schlaftrunken Wangen und Augen.
»Was wünschest du, Herr?«
Mohammed senkte die Wimpern.
»Folge mir, Knabe. Ich habe Furcht... allein. Ich will, daß
etwas Lebendiges um mich sei.«
Einsam und schallend schritten sie durch die nächtlichen
Straßen Mekkas.
Der Mond warf ihre Schatten ihnen lang und spitz voraus.
Katzen kreuzten den Weg: aus schwarzen Winkeln wie im
Arnikarausche leise tanzend.
Hunde bellten brav: fern hinter Hürden.
Hyänen heulten vor den Toren.
Ein Hahn stand weiß auf einer Mauer.
Im Zickzack durchzogen sie die schweigsame Stadt.
Torbogen nahmen sie dunkel auf und entließen sie strahlend.
Wolken schwärzten wie mit Pinselstrichen den Mond.
Ruhig und unverwandelt schien ein Stern.
Sie eilten eine Palmenallee entlang. Ein Tor erschloß sich
ihnen.
Ali, der Knabe, bebte zurück.
Sie standen auf dem Begräbnisplatz von Mekka.
Mohammed schritt bis in die Mitte der Gräber. Die Gräber
öffneten sich. Unabsehbar bis ans Ende der Welt dehnten sich
die duldsamen Reihen der Toten im weißen Licht des Mondes. Die
Schädel schillerten Opalen. Skelett lag neben Skelett, in
dünnen Totenhemden; frierend.
Mohammed erhob seine Stimme. Wie ein erzener Stab zerschlug
sie die Einsamkeit.
»Ihr Toten, ich grüße euch! Ein Sterblicher segnet die
Gestorbenen! Ich rede zu den Lebenden wie in eine leere Wand.
Ihre Ohren sind mit Werg verstopft und ihre Lippen mit Leim
verkittet. So erhebe ich meine Stimme zu den Toten, daß sie
mich ihren Bruder nennen und begreifen. Ihr Toten, die ihr
seid unzählige wie Sand der Wüste, verachtet und verscheucht
nicht den, der elend zu euch flüchtet. Er ist geringer denn
der Geringste von euch. Er ist unwissender denn der
Unwissendste unter euch. O dürfte er nur eine Stunde einer der
euren sein: mit Weisheit und Tugend, wie mit Juwelen beladen,
kehrte er zurück in den Kreis der Lebenden, sie fabelhaft
unfehlbar zu bekehren ...«
Schweigsam lauschten die Reihen der Toten. Unabsehbar
dehnte sich Grab an Grab bis ans Ende der Welt. Die Schädel
schillerten opalen. Skelett lag neben Skelett, in dünnen
Totenhemden, im weißen Licht des Mondes unsagbar frierend.