Nahdsch-ul-Balagha
Pfad der Eloquenz - Nahdsch-ul-Balagha

Aussprache: nah-dschul-balagha
arabisch:
نهج البلاغة
persisch:
نهج البلاغة
englisch: Peak of Eloquence

Mehr zum Thema siehe: Nahdsch-ul-Balagha

64. Brief – Antwort auf Muawiya

Antwort auf Muawiya

Im Folgenden waren wir und ihr in der Tat im Verhältnis von Harmonie und Gemeinschaft, wie du es erwähnt hast, doch trennte uns ehedem voneinander, dass wir Überzeugung [iman] hatten und ihr ungläubig wart, und dass wir standhaft waren, doch ihr habt euch in Versuchung führen lassen. Die Muslime unter euch nahmen den Islam nur widerwillig an, und (selbst) dann, als die arabischen Stammesführer allesamt dem Gesandten Allahs (s.) zugetan waren.

Du hast gesagt, dass ich Talha und Zubair getötet, Aischa (aus ihrem Haus) getrieben und zwischen den beiden Städten (Kufa und Basra) gelagert habe. Und das sind Dinge, von denen du weit entfernt bist und die nicht gegen dich gerichtet sind, und man hat dafür dir gegenüber keine Erklärung abgeben.

Weiterhin hast du gesagt, dass du mich mit einigen der Auswanderer [muhadschirin] und Helfer [ansar] besuchen wirst, doch die Auswanderung [hidschra] kam zum Ende, als dein Bruder gefangengenommen wurde. Wenn darin eine Eile bestand, dann warte ab, denn ich werde zu dir kommen, und das wäre angemessen, denn das würde heißen, dass Allah mich zu dir gesandt hat, um dich zu bestrafen! Und wenn du zu mir kommst, dann würde es so sein, wie der jemand der Banu Assad sagte: „Sie gehen gegen die Sommerwinde an, die Erde und Steinchen auf sie werfen, zwischen Staub und Felsen.“

Ich habe (immer noch) das Schwert, mit dem ich deinen Großvater packte, deine Onkel mütterlicherseits und deinen Bruder am gleichen Ort. Und wahrlich, bei Allah, ich weiß, wie sehr dein Herz verhüllt und wie schwach dein Verstand ist. Es wäre angemessener, zu dir zu sagen, dass du eine Leiter erstiegen hast, die dich zu einem schlechten Aufstieg bringt und zu deinen Lasten geht, nicht zu deinen Gunsten. Denn du suchtest etwas, was nicht du verloren hast, und du hütest Vieh, das nicht dein eigenes ist. Du hast nach etwas gestrebt, dessen du weder würdig bist, noch dass du dort etwas zu suchen hast. Wie weit ist doch dein Sprechen von deiner Tat entfernt! Und wie sehr ähnelst du deinen Onkeln väterlicher- und mütterlicherseits! Ihre Bosheit und ihr Wunsch nach Falschheit haben sie zur Leugnung Muhammads (s.) getrieben, und so wurden sie auf ihren Schlachtfeldern niedergeschlagen, wie du weißt. Sie konnten Gewaltiges nicht abwenden, sie schützten nichts Unantastbares durch Schwertschläge, die reichlich im Krieg vorhanden waren, und mit denen keine Schwäche einhergeht.

Du hast viel gesagt über die Mörder Uthmans. Tue, was die Leute getan haben (d.h. den Treueid leisten), dann mache das Volk zum Richter über mich, und ich werde dich und sie mit dem Buche Allahs des Erhabenen in Einklang bringen. Doch das, was du willst, ist die künstliche Brust[1], die einem Kind in der ersten Zeit seiner Entwöhnung gegeben wird, und Frieden dem, der ihn verdient.

Erläuterung

Muawiya hatte einen Brief an den Befehlshaber der Gläubigen (a.) geschrieben, in dem er, nachdem er an gegenseitige Einigkeit und Freundschaft appelliert hatte, ihn beschuldigt hatte, Talha und Zubair getötet, Aischa aus ihrem Haus getrieben und Kufa als Gouverneurssitz anstelle von Medina abgelehnt zu haben. Am Ende drohte er mit Krieg und sagte, dass er mit einer Armee von Auswanderern [muhadschirin] und Helfern [ansar] zum Kampf ausziehen würde. Der Befehlshaber der Gläubigen (a.) schrieb obigen Brief als Antwort an ihn, worin er Muawiyas Behauptung über Einigkeit schrieb in dem Sinne „Es mag Einigkeit gegeben haben zwischen euch und uns, doch mit der Ankunft des Islam entstand so eine Kluft zwischen uns, die nicht überbrückt werden kann, und es ist so eine Spaltung entstanden, die nicht beseitigt werden kann. Das geschah deswegen, weil wir dem Ruf des Propheten stattgaben und zum Islam eilten, doch ihr immer noch im Zustand des Unglaubens und Unwissenheit verharrten, während wir und ihr unterschiedliche Wege einschlugen. Aber als der Islam Stabilität sicherte und sich die führenden Araber in seinen Schoß begaben, musstet ihr es auch tun, und ihr versuchtet, euer Leben zu schützen, indem ihr euch nach außen mit dem Islam schmücktet, aber um sein Fundament zu zerstören, heimlich dennoch die Zwietracht anfachtet. Da wir den Islam aus freiem Willen zufrieden angenommen haben, hielten wir am Geraden Weg fest, und in keinem Stadium geriet unsere Standhaftigkeit ins Wanken. Deswegen kann uns auch eure Annahme des Islams nicht dazu bringen, dass wir euch zustimmen.“

Was Muawiyas Anklage angeht, dass der Befehlshaber der Gläubigen (a.) die Ermordung von Talha und Zubair eingefädelt hätte, selbst wenn sich diese Beschuldigung als wahr herausstellen sollte, entspricht es denn nicht den Tatsachen, dass sie offen gegen den Befehlshaber der Gläubigen (a.) revoltiert und gegen ihn Krieg angefangen hatten, nach dem sie ihren Treueid gebrochen hatten? Deswegen wenn sie im Zusammenhang mit dem Aufstand getötet worden wären, so gäbe es keinen Tadel gegenüber demjenigen, der sie getötet hat, weil für jemanden, der gegen den rechtmäßigen Imam mit Waffengewalt aufsteht, die Todesstrafe vorgesehen ist, und der Kampf gegen so eine Person ist zweifellos erlaubt.

Aber in beiden Fällen war es eben nicht Imam Ali (a.), der sie tötete bzw. töten ließ. Ganz im Gegenteil tat er alles, um sie am Leben zu erhalten und ihnen die Gelegenheit zur Reue zu geben, waren sie doch verdiente Muslime der ersten Stunde. Es waren diejenigen, die die Macht an sich reißen wollten, die sie töteten. Daher schreiben die Historiker: „Marwan ibn Hakam erschoss Talha mit einem Pfeil und wandte sich an Aban ibn Uthman: „Wir haben einen der Mörder deines Vaters getötet und dir deine Rache erleichtert.“[2]

Was Zubair betrifft, so wurde er von Amr ibn Dschurmuz getötet auf seinem Rückweg von Basra, und das ging nicht vom Befehlshaber der Gläubigen (a.) aus. Genauso kam Aischa selbst aus ihrem Haus als Anführerin einer Rebellengruppe, obwohl der Befehlshaber der Gläubigen (a.) ihr mehrmals den Rat gegeben hatte, ihre Stellung als Prophetenwitwe zu erkennen und nicht ihre Grenzen zu überschreiten, aber das hatte keine Wirkung auf sie.

Von der gleichen Art war Muawiyas Kritik, dass der Befehlshaber der Gläubigen (a.) Medina verlassen und Kufa als Gouverneurssitz genommen hatte, weil Medina üble Leute von sich wegtreiben und Schmutz wegwerfen würde. Die Antwort darauf bestand lediglich darin, dass Muawiya selbst immer Syrien als seinen Regierungssitz hatte und Medina fernblieb. Mit welchem Recht kann er dem Befehlshaber der Gläubigen (a.) einen Vorwurf machen, weil er seinen Gouverneurssitz verlegte? Der Befehlshaber der Gläubigen verließ Medina wegen der Aufstände, die in allen Ecken aufflammten. Allein die Maßnahme, so einen Ort wie Kufa als Hauptstadt zu wählen, von dem aus jederzeit gegen sie militärische Unterstützung mobilisiert werden konnte, konnte die Aufstände gegen Imam Ali (a.) eindämmen. Der Befehlshaber der Gläubigen (a.) hatte bei der Kamelschlacht gesehen, dass eine große Mehrheit der Bewohner Kufas ihn unterstützt hatten und dass die Verteidigung gegen den Feind leicht erreicht werden konnte, indem man Kufa zu einer Armeebasis machte, während Medina nicht für die militärische Mobilisierung geeignet war.

Was letztendlich Muawiyas Drohung angeht, mit den Auswanderern [muhadschirin] und den Helfern [ansar] zu marschieren, gab ihm der Befehlshaber der Gläubigen darauf eine subtile Antwort, nämlich „Wie kannst du die Auswanderer [muhadschirin] mitbringen, da die Tür für die Auswanderung [hidschra] geschlossen wurde, als dein Bruder Yazid ibn Abu Sufyan gefangengenommen wurde.“ Dieser wurde gefangengenommen am Tag des Falls von Mekka, und da gibt es keine Frage der Auswanderung nach dem Fall von Mekka mehr, die jemanden in die Lage versetzen könnte, sich Auswanderer zu nennen, aufgrund der Aussage des Propheten (s.): „Es gibt keine Auswanderung [hidschra] mehr nach dem Sieg über Mekka.“

[1] Eine Art Schnuller

[2] Ibn Sa´d, Band 3, Teil 1, S. 159; Ibn al-Athir, Band 3, S. 244, “al-Isti´ab“ Band 2, S. 766-769; “Usd al-Ghaba“, Band 3, S. 60, 61: “al-Isaba“, Band 2, S. 230; „Tahdhib at-Tahdhib“, Band 5, S. 21

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