64. Brief – Antwort auf Muawiya
Antwort
auf Muawiya
Im Folgenden waren wir und ihr in der Tat
im Verhältnis von Harmonie und Gemeinschaft, wie du es erwähnt
hast, doch trennte uns ehedem voneinander, dass wir
Überzeugung [iman] hatten und ihr ungläubig wart, und dass wir
standhaft waren, doch ihr habt euch in Versuchung führen
lassen. Die Muslime unter euch nahmen den Islam nur
widerwillig an, und (selbst) dann, als die arabischen
Stammesführer allesamt dem Gesandten Allahs (s.) zugetan
waren.
Du hast gesagt, dass ich Talha und Zubair
getötet, Aischa (aus ihrem Haus) getrieben und zwischen den
beiden Städten (Kufa und Basra) gelagert habe. Und das sind
Dinge, von denen du weit entfernt bist und die nicht gegen
dich gerichtet sind, und man hat dafür dir gegenüber keine
Erklärung abgeben.
Weiterhin hast du gesagt, dass du mich
mit einigen der Auswanderer [muhadschirin] und Helfer [ansar]
besuchen wirst, doch die Auswanderung [hidschra] kam zum Ende,
als dein Bruder gefangengenommen wurde. Wenn darin eine Eile
bestand, dann warte ab, denn ich werde zu dir kommen, und das
wäre angemessen, denn das würde heißen, dass Allah mich zu dir
gesandt hat, um dich zu bestrafen! Und wenn du zu mir kommst,
dann würde es so sein, wie der jemand der Banu Assad sagte:
„Sie gehen gegen die Sommerwinde an, die Erde und Steinchen
auf sie werfen, zwischen Staub und Felsen.“
Ich habe (immer noch) das Schwert, mit
dem ich deinen Großvater packte, deine Onkel mütterlicherseits
und deinen Bruder am gleichen Ort. Und wahrlich, bei Allah,
ich weiß, wie sehr dein Herz verhüllt und wie schwach dein
Verstand ist. Es wäre angemessener, zu dir zu sagen, dass du
eine Leiter erstiegen hast, die dich zu einem schlechten
Aufstieg bringt und zu deinen Lasten geht, nicht zu deinen
Gunsten. Denn du suchtest etwas, was nicht du verloren hast,
und du hütest Vieh, das nicht dein eigenes ist. Du hast nach
etwas gestrebt, dessen du weder würdig bist, noch dass du dort
etwas zu suchen hast. Wie weit ist doch dein Sprechen von
deiner Tat entfernt! Und wie sehr ähnelst du deinen Onkeln
väterlicher- und mütterlicherseits! Ihre Bosheit und ihr
Wunsch nach Falschheit haben sie zur Leugnung Muhammads (s.)
getrieben, und so wurden sie auf ihren Schlachtfeldern
niedergeschlagen, wie du weißt. Sie konnten Gewaltiges nicht
abwenden, sie schützten nichts Unantastbares durch
Schwertschläge, die reichlich im Krieg vorhanden waren, und
mit denen keine Schwäche einhergeht.
Du hast viel gesagt über die Mörder
Uthmans. Tue, was die Leute getan haben (d.h. den Treueid
leisten), dann mache das Volk zum Richter über mich, und ich
werde dich und sie mit dem Buche Allahs des Erhabenen in
Einklang bringen. Doch das, was du willst, ist die künstliche
Brust,
die einem Kind in der ersten Zeit seiner Entwöhnung gegeben
wird, und Frieden dem, der ihn verdient.
Erläuterung
Muawiya hatte
einen Brief an den Befehlshaber der Gläubigen (a.)
geschrieben, in dem er, nachdem er an gegenseitige Einigkeit
und Freundschaft appelliert hatte, ihn beschuldigt hatte,
Talha und Zubair getötet, Aischa aus ihrem Haus getrieben und
Kufa als Gouverneurssitz anstelle von Medina abgelehnt zu
haben. Am Ende drohte er mit Krieg und sagte, dass er mit
einer Armee von Auswanderern [muhadschirin] und Helfern [ansar]
zum Kampf ausziehen würde. Der Befehlshaber der Gläubigen (a.)
schrieb obigen Brief als Antwort an ihn, worin er Muawiyas
Behauptung über Einigkeit schrieb in dem Sinne „Es mag
Einigkeit gegeben haben zwischen euch und uns, doch mit der
Ankunft des Islam entstand so eine Kluft zwischen uns, die
nicht überbrückt werden kann, und es ist so eine Spaltung
entstanden, die nicht beseitigt werden kann. Das geschah
deswegen, weil wir dem Ruf des Propheten stattgaben und zum
Islam eilten, doch ihr immer noch im Zustand des Unglaubens
und Unwissenheit verharrten, während wir und ihr
unterschiedliche Wege einschlugen. Aber als der Islam
Stabilität sicherte und sich die führenden Araber in seinen
Schoß begaben, musstet ihr es auch tun, und ihr versuchtet,
euer Leben zu schützen, indem ihr euch nach außen mit dem
Islam schmücktet, aber um sein Fundament zu zerstören,
heimlich dennoch die Zwietracht anfachtet. Da wir den Islam
aus freiem Willen zufrieden angenommen haben, hielten wir am
Geraden Weg fest, und in keinem Stadium geriet unsere
Standhaftigkeit ins Wanken. Deswegen kann uns auch eure
Annahme des Islams nicht dazu bringen, dass wir euch
zustimmen.“
Was Muawiyas
Anklage angeht, dass der Befehlshaber der Gläubigen (a.) die
Ermordung von Talha und Zubair eingefädelt hätte, selbst wenn
sich diese Beschuldigung als wahr herausstellen sollte,
entspricht es denn nicht den Tatsachen, dass sie offen gegen
den Befehlshaber der Gläubigen (a.) revoltiert und gegen ihn
Krieg angefangen hatten, nach dem sie ihren Treueid gebrochen
hatten? Deswegen wenn sie im Zusammenhang mit dem Aufstand
getötet worden wären, so gäbe es keinen Tadel gegenüber
demjenigen, der sie getötet hat, weil für jemanden, der gegen
den rechtmäßigen Imam mit Waffengewalt aufsteht, die
Todesstrafe vorgesehen ist, und der Kampf gegen so eine Person
ist zweifellos erlaubt.
Aber in
beiden Fällen war es eben nicht Imam Ali (a.), der sie tötete
bzw. töten ließ. Ganz im Gegenteil tat er alles, um sie am
Leben zu erhalten und ihnen die Gelegenheit zur Reue zu geben,
waren sie doch verdiente Muslime der ersten Stunde. Es waren
diejenigen, die die Macht an sich reißen wollten, die sie
töteten. Daher schreiben die Historiker: „Marwan ibn Hakam
erschoss Talha mit einem Pfeil und wandte sich an Aban ibn
Uthman: „Wir haben einen der Mörder deines Vaters getötet
und dir deine Rache erleichtert.“
Was Zubair
betrifft, so wurde er von Amr ibn Dschurmuz getötet auf seinem
Rückweg von Basra, und das ging nicht vom Befehlshaber der
Gläubigen (a.) aus. Genauso kam Aischa selbst aus ihrem Haus
als Anführerin einer Rebellengruppe, obwohl der Befehlshaber
der Gläubigen (a.) ihr mehrmals den Rat gegeben hatte, ihre
Stellung als Prophetenwitwe zu erkennen und nicht ihre Grenzen
zu überschreiten, aber das hatte keine Wirkung auf sie.
Von der
gleichen Art war Muawiyas Kritik, dass der Befehlshaber der
Gläubigen (a.) Medina verlassen und Kufa als Gouverneurssitz
genommen hatte, weil Medina üble Leute von sich wegtreiben und
Schmutz wegwerfen würde. Die Antwort darauf bestand lediglich
darin, dass Muawiya selbst immer Syrien als seinen
Regierungssitz hatte und Medina fernblieb. Mit welchem Recht
kann er dem Befehlshaber der Gläubigen (a.) einen Vorwurf
machen, weil er seinen Gouverneurssitz verlegte? Der
Befehlshaber der Gläubigen verließ Medina wegen der Aufstände,
die in allen Ecken aufflammten. Allein die Maßnahme, so einen
Ort wie Kufa als Hauptstadt zu wählen, von dem aus jederzeit
gegen sie militärische Unterstützung mobilisiert werden
konnte, konnte die Aufstände gegen Imam Ali (a.) eindämmen.
Der Befehlshaber der Gläubigen (a.) hatte bei der
Kamelschlacht gesehen, dass eine große Mehrheit der Bewohner
Kufas ihn unterstützt hatten und dass die Verteidigung gegen
den Feind leicht erreicht werden konnte, indem man Kufa zu
einer Armeebasis machte, während Medina nicht für die
militärische Mobilisierung geeignet war.
Was
letztendlich Muawiyas Drohung angeht, mit den Auswanderern [muhadschirin]
und den Helfern [ansar] zu marschieren, gab ihm der
Befehlshaber der Gläubigen darauf eine subtile Antwort,
nämlich „Wie kannst du die Auswanderer [muhadschirin]
mitbringen, da die Tür für die Auswanderung [hidschra]
geschlossen wurde, als dein Bruder Yazid ibn Abu Sufyan
gefangengenommen wurde.“ Dieser wurde gefangengenommen am
Tag des Falls von Mekka, und da gibt es keine Frage der
Auswanderung nach dem Fall von Mekka mehr, die jemanden in die
Lage versetzen könnte, sich Auswanderer zu nennen, aufgrund
der Aussage des Propheten (s.): „Es gibt keine Auswanderung
[hidschra] mehr nach dem Sieg über Mekka.“