Nahdsch-ul-Balagha - Pfad
der Eloquenz
Er (a.) trieb in dieser
(Predigt) die Leute an, als die Nachricht erging über den
Überfall von Muawiyas Armee auf al-Anbar und sie (Imam Alis
(a.) Gefährten) sich nicht (dagegen) erhoben hatten. Er (a.)
erinnert in dieser (Predigt) an die Vorzüge der Anstrengung [dschihad]
und motiviert die Leute (dazu), er erwähnt sein Wissen über
den Krieg und stößt bei ihnen auf Müdigkeit und Ungehorsam.
Was
Folgendes (betrifft):
Die Anstrengung [dschihad] ist ein Tor zum Paradies, das Allah
Seinen auserwählten Freunden eröffnet hat. Er ist das Kleid
der Gottesehrfurcht, der undurchdringliche Schutzpanzer Allahs
und Sein verlässlicher Schild. Wer ihn unterlässt und ihn
verschmäht, den wird Allah ins Gewand der Demütigung kleiden,
und die Heimsuchung wird ihn umhüllen. Er ist getreten von
Geringschätzung und Verachtung, und in sein Herz ist
(Nachlässigkeit) ausführlich eingraviert worden. Die Wahrheit
ist von ihm weggenommen worden, da er die Anstrengung [dschihad]
beiseite ließ. Er wird von Schande gebrandmarkt, und
Gerechtigkeit wird ihm verweigert.
Höret! Ich hatte euch Tag und Nacht zum
Kampf gegen jene Leute aufgerufen, geheim und öffentlich, und
ich habe euch gesagt: „Greift sie an, bevor sie euch (noch
einmal) angreifen!“ Bei Allah, niemals wurden Leute
inmitten ihrer Heimat angegriffen, ohne dass sie gedemütigt
wurden. Und ihr wart gleichgültig und schlaff, bis die
Angriffe auf euch niederprasselten und von eurer Heimat Besitz
ergriffen wurde. Und dieser Bruder des Ghamid
ist mit seiner Kavallerie in al-Anbar eingedrungen und hat
Hassan ibn Hassan al-Bakri
getötet, und er hat eure Kavallerie von ihrem Standort
vertrieben.
Und ich habe erfahren, dass ein Mann von
ihnen im Hause einer muslimischen Frau und einer anderen, die
unter Schutz stand,
eingedrungen ist und ihnen ihren Schmuck von ihren Beinen,
Armen, Hals sowie ihre Ohrringe entrissen hatte. Sie konnte
sich nur damit ihrer (Ermordung) erwehren, indem sie
aussprach: „Allahs sind wir, und zu Ihm kehren wir zurück.“
Dann gingen sie beladen (mit dem Diebesgut) weg, und kein Mann
von ihnen ist verwundet worden, und kein Blut von ihnen ist
geflossen. Wenn irgendein Muslim deswegen vor Kummer gestorben
wäre, kann man ihn nicht tadeln, sondern er wäre bei mir
wertgeschätzt. Wie seltsam! Seltsam – bei Allah – das Herz
sinkt, und die Vereinigung jener Leute in ihrer Falschheit
bringt (mir) Kummer, (wie auch) ihre Abspaltung von der
Wahrheit. Schimpf und Schande über euch, da ihr die
Zielscheibe geworden seid, auf die geschossen wird! Ihr wurdet
angegriffen und greifft (selbst) nicht an, und ihr werdet
überrannt und überrennt (selbst) nicht. Es wird gegen Allah
Ungehorsam geleistet, und ihr seid damit einverstanden! Wenn
ich euch befehle, ihnen in den Tagen der Hitze
entgegenzutreten, sagt ihr „In dieser Sommerhitze? Gewähre
uns Aufschub, bis sich die Hitze von uns zurückzieht“, und
wenn ich euch befehle, im Winter gegen sie zu ziehen, sagt
ihr: „In dieser Eiseskälte? Gewehre uns Aufschub, bis sich
die Kälte von uns zurückzieht.“ All das sind nur Ausreden,
dass ihr vor Hitze und Kälte flieht, denn wenn ihr vor der
Hitze und der Kälte flieht, dann flieht ihr erst recht vor dem
Schwert!
Oh ihr, die ihr wie Männer ausseht, aber
keine Männer seid! (Ihr habt) den Intellekt von Kindern und
den Verstand von im Zelt abgeschottet lebenden Frauen (obwohl
auch sie sich bilden sollten). Ich wünschte, euch nie gesehen
und gekannt zu haben. Bei Allah, (euch zu kennen), brachte
Reue mit sich und hatte Gram zur Folge. Möge Allah euch
bekämpfen! Ihr habt mein Herz mit Eiter gefüllt und meine
Brust mit Zorn beladen. Ihr gabt mir den Schluck der Anklage
zu schlucken. Ihr habt meinen Rat (an euch) durch Ungehorsam
und dadurch, dass ihr mich im Stich gelassen habt, verdorben,
bis dass die Quraisch sagten: „Ibn Abi Talib ist ein
mutiger Mann, aber er hat kein Wissen über die Kriegsführung.“
Mögen sie bei Allah Reue nehmen! Gibt es jemanden unter ihnen,
der über größere Stärke verfügt und der länger auf seiner
Stellung verweilt als ich?! Ich habe mich dafür erhoben, als
ich noch nicht zwanzig war, und jetzt bin ich hier, und ich
habe die sechzig überschritten! Aber jemand, dem nicht
gehorcht wird, kann keinen Rat geben.
Nach der
Schlacht von Siffin hatte Muawiya überall Gemetzel und
Blutvergießen verbreitet und Übergriffe auf die Städte verübt,
die innerhalb des Herrschaftsbereichs des Befehlshabers der
Gläubigen (a.) lagen. Dafür entsandte Muawiya den Kommandeur
Sufyan ibn Auf al-Ghamidi, so dass er mit einer Streitmacht
von sechstausend Mann die Städte Hit, al-Anbar und al-Mada´in
angriff. Erst erreichte er al-Mada´in, aber als er es bereits
verwüstet vorfand, marschierte er weiter nach al-Anbar. Hier
stand ein Kontingent von fünfhundert Soldaten als Wache von
Seiten des Befehlshabers der Gläubigen (a.) aufgestellt zum
Schutz der Stadt, aber es konnte der Armee Muawiyas nicht
standhalten. Nur etwa hundert Mann standen fest auf ihren
Posten und wehrten sie mannhaft ab, so weit sie es vermochten,
aber die versammelte Macht des Gegners ritt so eine heftige
Attacke, dass auch sie nicht mehr standhalten konnten, und der
Kommandeur des Kontingents, Hassan ibn Hassan al-Bakri wurde
zusammen mit dreißig anderen getötet. Als das Schlachtfeld
leer war, plünderten Muawiyas Soldaten al-Anbar aus und ließ
die Stadt völlig zerstört zurück.
Als der
Befehlshaber der Gläubigen (a.) die Nachricht von diesem
Angriff erhielt, stieg er auf die Kanzel und ermahnte die
Leute, den Gegner zu besiegen, und rief sie zur Anstrengung [dschihad],
aber aus keiner Ecke kam eine Stimme oder Antwort. Er stieg
äußerst angeekelt und bekümmert von der Kanzel, und im selben
Zustand brach er mit seinem Fußvolk auf. Als die Leute das
sahen, wurde ihre Selbstachtung und Scham geweckt und sie
folgten nach und nach ihm doch. Der Befehlshaber der Gläubigen
(a.) machte am Ort al-Nuchaila Halt. Die Leute versammelten
sich dann um ihn und bestanden darauf, wieder zurückzugehen,
da sie genug seien, um dem Gegner entgegenzutreten. Als ihre
vorgetragene Bereitschaft zum Einsatz gegen das Unrecht immer
lauter wurde, stimmte Imam Ali (a.) zu, zurückzukehren, um
doch den Kampf aufzunehmen, und Said ibn Qais al-Hamdani
marschierte mit einer Streitmacht von achttausend Mann voraus.
Aber Sufyan ibn Auf al-Ghamidi war abgerückt, so kam Said zu
Imam Ali (a.) nach Kufa zurück, ohne gekämpft zu haben.
Als Said Kufa
erreichte, war – nach der Version von Ibn Abi al-Hadid – der
Befehlshaber der Gläubigen (a.) so tief bekümmert und fühlte
sich so unwohl während jener Tage, dass er nicht einmal die
Moschee betreten wollte, sondern er setzte sich stattdessen in
den Korridor seiner Wohnung, die an den Eingang der Moschee
grenzte, schrieb diese Predigt und gab sie dem von ihm
befreiten Sklaven Sad, um sie den Leuten vorzulesen. Hingegen
hat al-Mubarrad
von Ubaidullah ibn Hafs al-Taimi ibn Aischa überliefert, dass
der Befehlshaber der Gläubigen (a.) jene Predigt an einem
erhöhten Ort in al-Nuchaila selbst gehalten habe, und Ibn
Maitham hielt diese Ansicht für wahrscheinlicher.