111. Predigt – Missbilligung des Diesseits
(Diese
Predigt wurde gehalten) über die Missbilligung des Diesseits.
Was Folgendes (betrifft):
Ich warne euch vor dem Diesseits, denn es ist süß und grün,
umgeben von Begierden, es wird für das Eilige (der
Wunschbefriedigung) geliebt. Es erregt Gefallen mit Wenigem,
es stattet sich mit (trügerischen) Hoffnungen aus und schmückt
sich mit Täuschungen. Seine Freuden dauern nicht an, und vor
seinen Katastrophen ist man nicht sicher. Es ist betrügerisch
und schädlich, wechselhaft, dem Untergang geweiht,
vergänglich, zur Vernichtung verurteilt, verzehrend und
zerstörerisch. Wenn es den höchsten Punkt der Wünsche derer
erreicht, die es begehren, dann ist es so, wie Allah, Der
Erhabene und Hohe, gesagt hat: „Gib ihnen das Gleichnis vom
irdischen Leben: Es ist wie das Wasser, das Wir vom Himmel
niedersenden, mit dem die Pflanzen der Erde sich vermengen,
und dann werden sie zu dürrer Spreu, die der Wind verweht.
Allah hat Macht über alle Dinge.“
Niemand erfreut sich daran, ohne dass ihm
danach Tränen folgen, und niemand erhält von dem (Diesseits)
Glück von vorn, ohne dass ihn von hinten dessen Unglück
trifft. Niemand empfängt den leichten Regen des Wohlstands,
ohne dass die schwere Regenwolke der Heimsuchung auf ihn
niederprasselt! Es passt (zum Diesseits), dass es diesem
(Menschen) am Morgen hilft und ihn am Abend nicht mehr kennt.
Wenn eine Seite davon höchst wohlschmeckend und süß ist, so
ist die andere äußerst bitter und verpestet. Nie erlangt ein
Mensch Wohlstand und Fülle in seinen Wünschen, ohne dass ihn
in der Folge dessen
Unglücke ereilen. Niemand verbringt davon den Abend unter dem
Flügel der Sicherheit, ohne dass er morgens unter der Schwinge
der Furcht erwacht. Was sich darin befindet, ist Täuschung,
Trug und vergänglich. Vergehen wird, wer darin ist, es liegt
nichts Gutes an Wegzehrung darin außer der Gottesehrfurcht.
Wer wenig von diesem (Diesseits) nimmt, wird viel von dem
bekommen, was ihm Sicherheit gibt! Und wer viel von diesem
(Diesseits) nimmt, nimmt viel von dem, was ihm Untergang
bringt, und schon bald wird er sich davon entfernen. Wie viele
von denen, die sich darauf verlassen haben, hat es in die
Katastrophe gestürzt, und wie viele von denen, die sich darin
beruhigt fühlten, hat es zu Boden geworfen, (wie viele) die
großes (Ansehen) hatten, hat es zu Verächtlichen gemacht, und
(wie viele) Stolze hat es gedemütigt!
Die Macht (im Diesseits) ist
veränderlich, das Leben darin trübe, sein Wohlgeschmack wie
Bittersalz, seine Süße wie der Saft von Aloe,
seine Ernährung Gift und die Mittel darin sind morsch.
Das Lebendige darin ist dem Tode ausgesetzt, und das Gesunde
darin der Krankheit. Sein Reich ist dazu bestimmt, entrissen
zu werden, der Starke darin wird besiegt, wer reichlich vom
Diesseits besitzt wird vom Schicksal geschlagen und wer ihm
nahe steht wird geplündert.
Wohnt ihr denn nicht in den Wohnungen
derer, die vor euch waren, und die länger als ihr gelebt und
bleibendere Spuren hinterlassen haben sowie weitreichendere
Hoffnungen hatten und zahlreicher waren und größere Heere
besaßen (als ihr)! Wie waren sie doch dem Diesseits untertan,
und wie sehr gaben sie ihm den Vorzug! Dann zogen sie von ihm
fort ohne Wegzehrung, die sie weiterbrachte, und ohne den
Rücken (eines Reittieres), mit dem sie den Weg hätten
zurücklegen können. Habt ihr (jemals) die Nachricht erhalten,
dass das Diesseits so großzügig zu ihnen war, (um auch nur)
eine Seele auszulösen, ihnen eine Hilfe oder ein guter
Begleiter für sie zu sein? Dieses (Diesseits) ereilte diese
(Menschen) mit Unannehmlichkeiten, fing sie mit dem Lasso der
Widerwärtigkeiten, demütigte sie mit Schicksalsschlägen, warf
sie zu Boden, trat auf sie mit den Hufen und half dem
unberechenbaren Wechsel des Schicksals gegen sie. Ihr habt
dessen Verkleidung jenen gegenüber beobachtet, die dem
(Diesseits) nahe kamen, es bevorzugten und darin verweilen
wollten, bis dass sie davon fortzogen für die ewige Trennung.
Gab es ihnen denn irgendeine Wegzehrung mit als den Hunger,
oder gab es ihnen einen anderen Platz als die Enge? Gab es
ihnen (jemals) ein anderes Licht als die Finsternis, oder gab
es ihnen letztendlich irgend etwas anderes als Reue?! Ist es
all das, was ihr vorzieht, oder damit zufrieden seid, oder
das, wonach ihr giert? Wie schlimm ist doch die Heimstätte für
jemanden, der sie nicht skeptisch betrachtet und der nicht vor
ihr auf der Hut ist? So wisset – und ihr wisst es – dass ihr
dieses (Diesseits) verlassen und davon fortziehen werdet. So
lasst euch mahnen von denen „die sprachen: ´Wer ist stärker
als wir an Macht?´“,
und sie wurden zu ihren Gräbern getragen, doch nicht als
Reiter, und sie wurden in die Gräber hinab gelassen, doch
nicht als Gäste. Für sie wurden Gräber aus der (Erd-)Oberfläche
bereitet, die Leichentücher aus Erde und alte Knochen als
Nachbarn. Das sind Nachbarn, die keinem Rufer antworten, noch
Unrecht abwehren, noch einer Totenklage Aufmerksamkeit
schenken.
Wenn sie Regen bekommen, empfinden sie
keine Erleichterung, und wenn sie Hungersnot ausgesetzt sind,
verzweifeln sie nicht. Sie sind zusammen, aber dennoch jeder
für sich allein, und sie sind in Nachbarschaft zueinander,
aber weit (voneinander) entfernt. Sie sind nahe zueinander,
aber besuchen sich nicht. Sie sind sich nahe, aber kommen
einander nicht nahe. Sie sind geduldig, ihr Groll ist
vergangen, sie sind unwissend und ihr Hass ist gestorben.
Unheil wird von ihnen nicht befürchtet, noch wird von ihnen
erhofft, dass sie (selbiges) abwehren. Sie haben den Rücken
der Erde
mit ihrem Inneren eingetauscht, Enge für Weite, Familie mit
Fremde und Dunkelheit mit Licht. Sie kamen zu dieser (Welt),
so wie sie diese (Welt) verlassen haben, barfuß und nackt. Sie
sind von ihr mit ihren Taten auf das ewige Leben hin
fortgegangen zur bleibenden Heimstätte, wie Er, Der Erhabene
und Hohe sagte: „Wie Wir die erste Schöpfung begannen, (so)
werden Wir sie erneuern – bindend für uns ist die
Verheißung, und wahrlich, Wir werden sie erfüllen“
Erläuterung
Diese Predigt
gilt als eine der umfassendsten Beschreibungen des Diesseits
und dessen Vergänglichkeit und verdeutlich eindringlich, dass
Diesseitiges nicht mitgenommen werden kann in das Jenseits,
außer die in Gottesehrfurcht begangenen guten Taten. Die
nächste Predigt schließt inhaltlich fast nahtlos an.