Nahdsch-ul-Balagha
Pfad der Eloquenz - Nahdsch-ul-Balagha

Aussprache: nah-dschul-balagha
arabisch:
نهج البلاغة
persisch:
نهج البلاغة
englisch: Peak of Eloquence

Mehr zum Thema siehe: Nahdsch-ul-Balagha

200. Predigt – Über Muawiya

Über Muawiya

Bei Allah, Muawiya ist nicht listiger als ich, aber er betrügt und führt ein ausschweifendes Leben. Wenn ich nicht den Betrug verabscheuen würde, dann wäre ich der Listigste aller Menschen. Aber jeder Betrug ist eine Ausschweifung, und jede Ausschweifung ist ein Akt des Unglaubens. Jeder Betrüger wird ein Banner haben, an dem er am Tage der Auferstehung erkannt wird. Bei Allah, ich kann nicht durch Intrigen nachlässig gemacht werden, noch kann ich durch Gewalt geschwächt werden.

Erläuterung

Menschen, die über Religion und Ethik unwissend sind, sich von den Beschränkungen des religiösen Gesetzes frei fühlen und sich über das Konzept von Bestrafung und Lohn nicht im Klaren sind, haben keinen Mangel an Ausreden und Mittel zur Erreichung ihrer Ziele. Sie können in jeder Stufe Wege des Erfolgs finden, aber wenn die Vorschriften von Menschlichkeit, Islam, oder die Beschränkungen auferlegt durch Ethik und religiöses Gesetz als Hemmnisse auftreten, dann verringert sich die Möglichkeit, Mittel und Wege zu ersinnen, und der Aktionsspielraum wird eingeschränkt. Muawiyas Einfluss und Kontrolle war das Resultat von diesen Mitteln und Wegen, derer er sich bediente, in denen er kein Hemmnis noch irgendein Hindernis kannte, ob es erlaubt war oder nicht, noch fürchtete er den Tag des Gerichts, was ihn davon hätte abhalten können, furchtlos wegen der Folgen zu handeln, wie Allama Raghib Isfahani über seinen Charakter schreibt:

„Sein Sinnen und Trachten bestand stets darin, sein Ziel zu erreichen, sei es erlaubt oder nicht. Weder interessierte ihn die Religion, noch dachte er irgendwann an die göttliche Bestrafung. Er bediente sich Falschaussagen und Erfindungen, um seine Macht zu erhalten, und wandte Betrug und Einfälle aller Art dafür an. Als er sah, dass er keinen Erfolg erlangen konnte, ohne den Befehlshaber der Gläubigen (a.) in einen Krieg zu verwickeln, stachelte er Talha und Zubair gegen ihn auf. Als er mit diesen Mitteln keinen Erfolg erzielen konnte, hetzte er die Syrer auf und zettelte den Bürgerkrieg (Muslime gegen Muslime) von Siffin an. Als seine rebellische Einstellung durch die Ermordung von Ammar klargeworden war[1], führte er erst die Leute hinters Licht, dass Ali für seine Ermordung verantwortlich sei, da er ihn auf das Schlachtfeld geschickt hätte, und bei anderer Gelegenheit interpretierte er die Worte des Propheten “aufrührerische Partei“ in dessen Voraussage, dass Ammar von einer aufrührerischen Partei getötet werden würde, mit der Bedeutung “Rache nehmende Partei“, womit er beweisen wollte, dass Ammar von denen getötet werden würde, die Uthmans Blut rächen wollten, obwohl der nächste Teil des Satzes seiner Aussage „er wird sie zum Paradies rufen“, keinen weiteren Interpretationsspielraum lässt. Als es keine Hoffnung auf Sieg mehr gab trotz dieser Listen, ersann er durch Hinweis seines Feldherrn Amr ibn Aas, Qur´an-Verse auf Speerspitzen aufzuspießen, obwohl weder der Qur´an noch dessen Gebote bei ihm irgendeine Wertigkeit besaßen. Wenn er wirklich mit dem Qur´an eine Entscheidung hätte fällen wollen, hätte er diese Forderung vor Beginn der Schlacht stellen müssen, und als ihm klar wurde, dass die Entscheidung gesichert worden war durch Amr ibn Aas weiteren Trick[2] durch den Betrug an Abu Musa al-Aschari und dass sie somit nicht den entferntesten Zusammenhang mit dem Qur´an hatte, hätte er sie nicht akzeptieren dürfen, und er hätte Amr ibn al-Aas für diese List bestrafen, oder ihn zumindest warnen und ermahnen müssen. Aber im Gegenteil wurde seine (Amr ibn al-Aas´) Handlungsweise hoch gewertet, und als Belohnung wurde er Gouverneur von Ägypten.“

Im Gegensatz dazu war das Verhalten des Befehlshabers der Gläubigen (a.) ein hochstehendes Muster des religiösen Gesetzes und Ethik. Er behielt die Erfordernisse von Wahrheit und Rechtschaffenheit immer im Blick, selbst unter ungünstigen Umständen und gestattete nicht, dass sein reines Leben durch die Sicht von Betrug und dem Ersinnen von Listen befleckt wurde. Wenn er gewollt hätte, hätte er eine List nach der anderen ersinnen können, und Muawiyas schändliche Handlungen hätten durch ähnliche Handlungen beantwortet werden können. Zum Beispiel, als Muawiya eine Wache am Ufer des Euphrat abgestellt hatte, um Imam Alis (a.) Soldaten den Zugang zum Wasser zu versperren, dann hätte er ihn später auch aus Rache den Weg zum Wasser abschneiden können, denn da Muawiya vorher das Euphratufer erobert hatte, hätte Imam Ali (a.) Vergeltung üben und Muawiya überwältigen können durch Schwächung seiner Kampfkraft durch Wasserentzug. Aber der Befehlshaber der Gläubigen (a.) konnte niemals seine Hände mit so einer unmenschlichen Tat beschmutzen, die weder durch irgendein Gesetz noch moralische Vorschrift gestattet war, obwohl gewöhnliche Leute solche Handlungen gegen den Feind als statthaft erachten und diese Doppelzüngigkeit, um Erfolg zu erzielen für einen klugen politischen Schachzug und strategische Fähigkeit halten. Aber der Befehlshaber der Gläubigen konnte unter keinen Umständen in Betracht ziehen, seine Macht mit Schwindel und Falschheit zu stabilisieren. Daher, als die Leute ihm rieten, die Beamten aus den Tagen von Uthman in ihren Ämtern zu belassen und Talha und Zubair zu besänftigen, in dem er ihnen Gouverneursposten von Kufa und Basra zusicherte und Muawiyas Geschicklichkeit in der Verwaltung zu nutzen, in dem er ihn zum Gouverneur von Syrien machen sollte, lehnte der Befehlshaber der Gläubigen (a.) diese Ratschläge ab, zog die Gebote des Religionsgesetzes weltlichem Machtstreben vor und erkläre Muawiya offen Folgendes:

„Wenn ich Muawiya erlaube, das zu behalten, was er bereits besitzt, dann wäre ich einer von denen, die diejenigen, die (andere) fehlleiten, als Helfer nehmen“[3].

Die, die auf oberflächliche Erfolge schauen, interessiert es nicht, herauszufinden, durch welche Mittel diese Erfolge erzielt wurden. Sie unterstützen jeden, von dem sie sehen, dass er seine Erfolge auf listigen und betrügerischen Mitteln und Wegen erlangt hat und beginnen ihn als einen Administrator, als klugen Politiker mit brillantem Intellekt usw. zu betrachten, während derjenige, der keine listigen und doppelbödigen Methoden anwendet dank seines Festhaltens an islamischen Geboten und göttlichen Instruktionen, und der Misserfolg gegenüber durch falsche Methoden erlangten Erfolg bevorzugt, als jemand betrachtet wird, der politisch unwissend und keine Weitsicht besitzt. Sie halten es nicht für notwendig, darüber nachzudenken, was für Schwierigkeiten und Hindernisse es auf dem Weg einer Person gibt, die an Prinzipien und Gesetzen festhält, die sie vom Weiterkommen abhalten, selbst nachdem sie fast Erfolg gehabt hätte.

[1] Der Prophet (s.) hatte seinem treuen Gefährten Ammar vorhergesagt, dass er von einer frevlerischen bzw. aufrührerischen Bande ermordet werden würde, eine Überlieferung, die sehr bekannt war unter den Gläubigen.

[2] Das ist eine Anspielung auf das sogenannte Schiedsgericht von Adhruh nach der Schlacht von Siffin, um die von Muawiya aufgeworfene Frage des Kalifats zu lösen. Jenes Schiedsgericht wurde Imam Ali (a.) von seinen Anhängern aufgezwungen. Beide Seiten sollten einen Vermittler benennen, die eine Lösung ausarbeiten sollten. Muawiya ernannte Amr ibn Aas. Imam Ali (a.) wollte Malik al-Aschtar als seinen Vertreter nominieren, aber seine Anhänger rebellierten, weil sie fürchteten, dass Malik al-Aschtar in seiner uneingeschränkten Treue zu Imam Ali (a.) keinen Kompromiss eingehen würde und sie inzwischen nicht mehr kämpfen wollten. Sie zwangen Imam Ali (a.) dazu, Abu Musa al-Aschari als seinen Vertreter zu benennen. Imam Ali (a.) machte das Volk auf die Konsequenzen dieses Missgriffs aufmerksam, und dass es selbst die Folgen zu tragen hätte. Auf Vorschlag Amr ibn Aas’ kamen beide zu dem Schluss sowohl Muawiya als auch Imam Ali (a.) als Kalif abzusetzen. Amr ibn Aas schlug in einer wohldurchdachten List vor, dass jeder Vertreter die Absetzung seines eigenen Kalifen bekannt geben sollte und ließ Abu Musa den Vortritt. Abu Musa trat vor die Leute und sagte: „Hiermit stelle ich fest, dass Ali ibn Talib vom Kalifat abgesetzt wurde!“ Darauf hin trat Amr ibn Aas auf und verkündete: „Hiermit stelle ich fest, dass Muawiya Kalif sein wird“. Nach diesem Ereignis wandten sich ausgerechnet diejenigen auf Seiten Imam Alis (a.) einmal mehr gegen ihn, die ihm vorher Abu Musa aufgezwungen hatten, und bildeten die Chawaridsch.

[3] Vgl. Heiliger Qur´an 18:59

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