Die Weisheiten des Befehlshabers der Gläubigen (a.) 146-150
146. Und er
(a.) sagte:
Lenkt eure Überzeugung [iman] durch
Mildtätigkeit, schützt euren Eigentum mit der Armensteuer [zakat],
und wehrt die Wogen der Heimsuchung durch Bittgebet ab.
147. An
Kumail ibn Ziyad Nacha´i
Kumail ibn Ziyad berichtete,
dass der Befehlshaber der Gläubigen, Ali ibn Abu Talib (a.)
seine Hand nahm und ihn zum Gräberfeld führte, und als er die
Wüste durchquert hatte, seufzte er tief und sagte:
Oh Kumail
ibn Ziyad, wahrlich diese Herzen sind Behälter, und die besten
von ihnen bewahren (ihren Inhalt) exakt, so bewahre du von
mir, was ich dir jetzt sage: Die Menschen sind von dreierlei
Art: Der fest an Allah gebundene Gelehrte, der Lernende auf
dem Wege der Rettung, und (schließlich) gibt es die
Ungebildeten, das einfache Volk, die jedem Rufer folgen und
sich mit jedem Wind neigen. Sie suchen keine Erleuchtung durch
das Licht des Wissens, und sie suchen nicht Schutz bei einer
verlässlichen Basis.
Oh Kumail,
das Wissen ist besser als der (materielle) Besitz, das Wissen
bewacht dich, während du den Besitz bewachen musst, und der
Besitz vermindert sich durch Ausgeben, während das Wissen
durch das Ausgeben anwächst. Die Ergebnisse des Besitzes
vergehen zusammen mit seinem (des Besitzes) Vergehen.
Oh Kumail,
die Erkenntnis des Wissens ist eine Religion [din], nach der
man urteilt. Damit erwirbt der Mensch den Gehorsam in seinem
Leben und einen guten Ruf nach seinem Tod. Das Wissen ist der
Herrscher, und der Besitz wird damit beherrscht.
Oh Kumail,
diejenigen, die Besitztümer aufspeichern, gehen zugrunde,
während sie (noch) am Leben sind, und die Wissenden sind
Verbleibende für alle Zeiten: Die Hervorragenden unter ihnen
sind (körperlich) nicht anwesend, doch ihr Vorbild befindet
sich in den Herzen. Schau, hier ist wahrlich reichliches
Wissen (und er deutete auf seine Brust). Wenn ich nur jemanden
finden könnte, der es tragen könnte. Doch, ich habe einen
schnell Verständigen gefunden, (aber) man kann sich nicht
seiner sicher sein, denn er ist jemand, der die Religion als
Vehikel für das Diesseits benutzt, um dank Allahs
Gnadengeschenken über Seine Diener Macht zu erlangen, und
durch Seine Beweise (auch) über Seine Ihm Nahestehenden [auliya],
oder er ist ein minuziöser Befolger der Wahrheitsträger,
jedoch hat er keine tiefe Einsicht in die genauen Einzelheiten
dieser. Im ersten Moment, in dem sich ihm Zweifel zeigt, wird
sich in seinem Herzen Argwohn entzünden. Nein, weder dieser
noch jener (war gut genug)! Entweder giert er nach Vergnügen
und lässt sich leicht von Leidenschaften leiten, oder er ist
begierig bestrebt nach Anhäufen und Aufspeichern von Besitz,
und keiner von beiden beachtet die Religion in irgendeiner
Sache, das, was ihnen am meisten ähnelt, ist das frei grasende
Vieh! So stirbt das Wissen mit dem Tod dessen, der es besitzt.
Oh Allah,
ja! Die Erde ist nicht ohne einen, der sich (der Sache) Allahs
annimmt mit Seinem Beweis, sei er klar und bekannt oder aus
Furcht verborgen, auf dass Seine Argumente und Beweise nicht
nichtig werden. Wie viele sind sie, und wo sind jene
(anderen)? Bei Allah, jene sind wenig an Zahl, doch gewaltig
bei Allah an Wertschätzung. Allah schützt durch sie Seine
Argumente und Beweise, bis sie sie an Gleiche wie sie selbst
weitergeben und sie in die Herzen derer säen, die ihnen
ähnlich sind. Das Wissen ist mit ihnen zur Wahrheit und
Klarsicht geeilt, während sie sich des Geistes der sicheren
Gewissheit erfreuten und nahmen das leicht, was die Prassenden
schwer nehmen, und sie befreundeten sich mit dem, von dem die
Unwissenden sich abgestoßen fühlen. Sie waren im Diesseits mit
dem Körper, (jedoch) ihre Geister waren in der höchsten Sphäre
sesshaft. Jene sind die Statthalter [chulafa] Allahs auf
Seiner Erde, und die Aufrufer zu Seiner Religion. Oh, oh, wie
ich mich danach sehne, sie zu sehen! Geh nun fort, oh Kumail,
wohin du wünschst.
148. Und er (a.) sagte:
Der Mensch
ist verborgen unter seiner Zunge.“
Erläuterung
Dies bedeutet, dass der Wert eines Menschen anhand seiner
Sprache erkannt werden kann, da die Sprache eines jeden
Menschen auf seinen Sinn und Manieren hinweist und daher seine
Gefühle und sein Temperament leicht eingeschätzt werden
können. Deswegen sind seine Schwächen und Stärken so lange
verborgen, solange er schweigt, aber wenn er spricht,
manifestiert sich sein wahres Selbst.
149. Und er (a.) sagte:
Der
Mensch, der seinen Wert nicht kennt, erleidet Vernichtung.
150. Und er (a.) sagte zu einem
Mann, der ihn darum bat, dass er ihm einen guten Rat geben
sollte:
Sei nicht
wie jemand, der auf das Jenseits hofft ohne (gute) Taten, und
der die Reue aufschiebt durch seine lange Hoffnung (dass noch
Zeit genug sei), der in den Worten der Enthaltsamen spricht,
jedoch wie die (das Diesseits) Begehrenden handelt. Wenn ihm
davon gegeben wird, wird er nicht satt, und wenn ihm davon
etwas verweigert wird, begnügt er sich nicht (mit dem, was er
hat). Er ist unfähig zum Dank dafür, was er bekommt, und
strebt danach, das zu vermehren, was ihm bleibt. Er erlässt
Verbote gegen andere, doch lässt sich von nichts abhalten, er
gebietet, was er (selbst) nicht tut, er liebt (zwar) die
Rechtschaffenen, während er nicht handelt wie sie. Er hasst
die Sünder, während er doch einer von ihnen ist. Er
verabscheut den Tod wegen seiner vielen Sünden, doch er
besteht weiterhin auf dem, weswegen er den Tod verabscheut.
Wenn er krank wird, verharrt er in Reue, und wenn er gesund
ist, fühlt er sich sicher und vertreibt sich die Zeit mit
Tändelei. Wenn er sich wohl befindet, ist er selbstgefällig,
und wenn er geprüft wird, verzweifelt er. Wenn ihn eine
Prüfung trifft, spricht er die Bittgebete eines Bedrängten,
doch wenn er Wohlstand erlangt, wendet er sich in Verblendung
(davon) ab. Sein Ego überwältigt ihn mit seinen Vermutungen,
während er es nicht mit fester Gewissheit überwältigen kann.
Er fürchtet sich vor anderen wegen seiner geringsten Sünden
und hofft für sich selber auf mehr (Lohn), als ihm aufgrund
seiner Taten zusteht. Wenn er reich wird, verfällt er in
Übermut und in Versuchung, und wenn er arm wird, verzweifelt
er und wird schwach. Wenn er handelt, dann unzulänglich, doch
er übertreibt, wenn er bittet. Wenn sich ihm eine Begierde
darbietet, begibt er sich in Ungehorsam (gegenüber Allah),
doch verzögert er die Reue. Wenn ihn eine Katastrophe
heimsucht, entfernt er sich von den Linien der
Religionsgemeinschaft (wie Standhaftigkeit und Hilfesuchen bei
Allah). Er beschreibt Lehren, doch er zieht (selbst) keine
Lehren. Er übertreibt beim Ermahnen, aber lässt sich (selber)
nicht mahnen. Er ist eingebildet im Sprechen, doch arm an Tat.
Er streitet wegen Vergänglichem und übersieht das Bleibende.
Er sieht den Gewinn als Verlust und den Verlust als Gewinn. Er
fürchtet sich vor dem Tod, doch er eilt nicht, die
Gelegenheiten zu ergreifen, bevor sie vergehen.
Er
betrachtet den Ungehorsam (gegen Allah) der anderen als
gewaltig, wo er doch Größeres als das bei sich selbst als
gering ansieht. Wenn er etwas in Gehorsam (zu Allah) tut, hält
er es für viel, während er das, was andere in Gehorsam (zu
Allah) tun, als verächtlich sieht, wobei er die Leute (dafür)
tadelt, doch sich selber schmeichelt. Sich mit den Reichen zu
vergnügen, ist ihm lieber, als mit den Armen (Allahs) zu
gedenken. Er urteilt über andere zugunsten seines Egos, doch
er urteilt nicht zu Lasten seines Egos zugunsten anderer. Er
leitet andere an, jedoch führt sich selbst irre. Ihm wird
Gehorsam gezollt, doch er (selbst) ist (Allah) ungehorsam. Er
verlangt Erfüllung (der Verpflichtungen ihm gegenüber), aber
erfüllt (seine Verpflichtungen gegenüber anderen) nicht. Er
fürchtet die Geschöpfe statt seines Herrn, doch er fürchtet
Seinen Herrn nicht in (der Behandlung) Seiner Geschöpfe.
Sayyid Radhi sagte: „Wenn es in
diesem Buch nur diese eine Rede gäbe, würde sie genügen als
wirksame Ermahnung, tiefgehende Weisheit und Tiefblick für den
Scharfsichtigen sowie als Lehre für den nachdenklich
Schauenden.“