Der Quran im Islam
Der Quran ist in seiner Signifikanz unabhängig
Der Quran ist eine sprachliche Äußerung
wie jede andere, deren Sinn sich jedem erschließt. Er ist in
seiner Signifikanz nie unbestimmt und bedarf keiner
außersprachlichen Sinndeutung, denn das Bezeichnete im Quran
ist das, was aus dem arabischen Wortlaut verstanden wird. Die
Feststellung, dass er in seiner Ausdrucksweise nicht
unbestimmt ist, bedeutet, dass jeder, der der arabischen
Sprache mächtig ist, die Sätze der Quranischen Verse ebenso
deutlich versteht, wie er die Sätze einer jeden arabischen
Äußerung versteht. Darüber hinaus begegnen wir im Quran
einigen Versen, in denen eine bestimmte Volksgruppe, wie die
Kinder Israels, die Gläubigen, die Ungläubigen und manchmal
auch alle Menschen angesprochen werden,
wobei Gott ihnen seine Intentionen näherbringt, mit ihnen
diskutiert oder sie auffordert, etwas Ähnliches wie den Quran
zu bringen, falls sie daran zweifeln, dass es sich hierbei um
Worte Gottes handelt.
Selbstverständlich hat es keinen Sinn,
die Menschen mit Worten anzureden, die keinen
Kommunikationscharakter haben. Auch die Aufforderung an die
Leute, einem sprachlichen Vorbild nachzueifern, dem kein Sinn
zu entnehmen ist, wäre unakzeptabel.
Darüber hinaus sagt Gott der Erhabene:
„Machen sie sich denn keine Gedanken
über den Quran? Oder sind gewisse Herzen versiegelt?“
(47:24)
Und er sagt, wie schon erwähnt:
„Machen sie sich denn keine Gedanken
über den Quran? Wenn er von jemand anderem als von Allah
wäre, würden sie in ihm viel Widerspruch finden.“ (4:82)
Diese Quranischen Verse setzen das
Nachdenken, das ein Kommunikationsprozess ist, voraus. Sie
weisen ebenfalls darauf hin, dass die Widersprüche, die auf
den ersten oberflächlichen Blick in verschiedenen Versen
auftreten, durch das Nachdenken aufgehoben werden können.
Wären die Bedeutungen der Verse nicht zu erschließen, hätte es
keinen Sinn, darüber nachzudenken oder ihre äußerlichen
Widersprüche mit ihrem tieferen Sinn zu erklären suchen.
Es gibt eigentlich keinen Grund, den
Quranischen Text mit außerkontextuellen Argumentationen
erklären zu wollen. Es wird zwar gesagt, dass man zu einem
besseren Verständnis der Quranischen Intentionen nur die
Erklärungen des Propheten oder seine Erklärungen und die der
Mitglieder seiner Familie zu Rate ziehen müsse, doch diese
Empfehlung ist unannehmbar, denn die Richtigkeit der
Erklärungen des Propheten und der Imame soll erst aus dem
Quran erschlossen werden. Wie kann also angenommen werden,
dass sich die Beweise über die Sinndeutung des Quran auf ihre
Aussagen stützen sollen?
Im Gegenteil, das Prinzip des
Prophetentums und des Imamats muss erst durch den Quran, der
auch eine Berufungsurkunde des Propheten ist, begründet
werden. Das widerspricht jedoch nicht der Tatsache, dass der
Prophet und die Imame die Einzelbestimmungen der Gesetze und
Scharia-Gebote, die aus der äußeren Form des Quran nicht zu
erschließen sind, ermittelt haben.
Sie hatten darüber hinaus die Aufgabe,
die Erkenntnisse der Schrift, wie aus folgenden Versen
ersichtlich, zu lehren:
„Und wir haben die Mahnung (d.h. den
Quran) zu dir hinabgesandt, damit du den Menschen klarmachst,
was zu ihnen hinabgesandt worden ist.“ (16:44)
„Was der Gesandte euch nun gebracht
hat, das nehmt an! Aber verzichtet auf das, was er euch
verwehrt!“ (59:7)
„Und wir haben keinen Gesandten
geschickt, ohne dass ihm – mit Allahs Erlaubnis – Gehorsam
geleistet werden sollte.“ (4:64)
„Er ist es, der unter den
Schriftunkundigen einen Gesandten aus ihrer Mitte berief, der
ihnen seine Wunderzeichen vorträgt, der sie läutert und sie
die Schrift und die Weisheit lehrt.“ (62:2)
Aufgrund dieser Verse hat der Prophet die
Aufgabe, die Einzelheiten der islamischen Rechtssprechung zu
erläutern und den Quran zu lehren. Er hat laut Thaqalain
genannter Überlieferung, die in einer vollständigen Kette
tradiert worden ist, die Imame aus seiner Familie als seine
Stellvertreter in diese Aufgabe eingesetzt. Und das steht
nicht im Widerspruch zu der Tatsache, dass auch andere unter
Anwendung der Verfahren, die sie von ihren wahren Lehrern
gelernt haben, den Sinn des Quran aus seiner äußeren Form
erschließen können.