Reise durch Persien

Reise durch Persien

1925 n.Chr.

Pierre Loti

Inhaltsverzeichnis

Vierter Teil

Donnerstag, 17. Mai

Rosen, überall Rosen; in dieser kurzen Jahreszeit, die so schnell dem alles versengenden Sommer Platz macht, lebt man in einer Flut von Rosen. Sobald ich des Morgens meine Tür öffne, beeilt sich der Gärtner, mir einen Strauß zu bringen, der frisch gepflückt noch ganz feucht von dem Tau der Maiennacht ist. In den Cafés reicht man uns eine Rose zur traditionellen kleinen Tasse Tee. In den Straßen bieten uns die Bettler Rosen an, die wir aus Mitleid nicht zurückweisen, die wir aber kaum zu berühren wagen, weil sie aus solchen Händen kommen.

Heute erscheinen in Ispahan zum erstenmal in diesem Jahr die kleinen Esel, die Eisträger, um die unschuldigen Getränke, das klare Wasser zu kühlen; ein Knabe führt sie, er treibt sie von Tür zu Tür und meldet sie durch einen lauten, singenden Schrei an. Das Eis hat man aus den weißen Schneeregionen geholt, die man dort oben auf den Gipfeln der Berge leuchten sieht, man hat es in Körben auf den Rücken der Esel geladen und mit Zweigen gegen die Sonne geschützt, – natürlich zieren auch einige Rosen den Korb.

Viele kleine Esel kreuzen meinen Weg, als ich mich heute morgen zu einem Babuschenhändler begebe, dem ich für schweres Geld das Versprechen abgelockt habe, mir heimlich drei Frauen Ispahans zu zeigen. Wir klettern zusammen auf eine verfallene Mauer hinauf, um durch ein Loch in den Garten hineinzusehen, wo man heute bei der Rosenernte beschäftigt ist. Und wirklich, dort stehen drei Frauen, sie halten große Scheren in der Hand, schneiden Rosen und legen diese in Körbe, zweifellos, um aus den Blättern Essenzen zu bereiten. Ich hatte gehofft, daß sie hübscher wären; die Damen, die auf den altmodischen Schachteln gemalt sind und auch die wenigen unverschleierten Bäuerinnen, denen wir unterwegs in den Dörfern begegnet sind, haben mich verwöhnt. Sehr blaß, ein wenig zu fett, sind sie trotzdem anziehend mit ihren altmodisch naiven Augen. Bestickte, paillettenbenähte Seidenstoffe verhüllen ihr Haar. Sie tragen überfallende Hemden, und über den Hosen kurze, abstehende Röcke, wie die Röcke der Balletteusen; alles dies scheint aus Seide zu sein und ist mit Stickereien verziert, die an das Jahrhundert des Schah-Abbas erinnern. Übrigens versichert mich mein Führer, daß es Frauen der besten Gesellschaft sind.

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