Reise durch Persien

Reise durch Persien

1925 n.Chr.

Pierre Loti

Inhaltsverzeichnis

Vierter Teil

Freitag, 18. Mai

Heute ist Freitag, der Sonntag des Muselmanns, und da muß ich wie alle anderen in die Felder hinausgehen. Ein Sonntag im Mai, das immer gleiche Fest des Frühlings und des blauen Himmels. Die großen Alleen des Schah-Abbas, die von Platanen, von Pappeln, von Rosenbüschen eingerahmt werden, sind mit Fußgängern überschwemmt, alle streben sie hinaus nach den Gärten oder einfach hinaus nach den grünen Kornfeldern. Scharen von Männern mit Turbanen oder schwarzen Astrachanmützen wandern träge und träumerisch daher, jeder hält eine Rose in der Hand. Scharen von gespensterhaften Frauen, auch sie sind selbstverständlich mit einer Rose geschmückt und tragen fast alle ein Baby an ihrer Brust, dessen kleiner, mit einer goldenen Mütze bedeckter Kopf zur Hälfte zwischen ihren Schleiern zum Vorschein kommt. Heute entvölkert sich Ispahan, es leitet alles Leben, das ihm noch zwischen seinen Ruinen geblieben ist, in die Oase hinaus.

Außer den neben mir einherschreitenden Spaziergängern ist das freie Land, wo wir bald anlangen, von den ganz schwarzen Frauen überschwemmt, die sich schon frühmorgens auf den Weg gemacht haben müssen. Man sieht sie nebeneinander in den weißen Mohnfeldern, zwischen den bunt blühenden Kornblumen, dem roten Mohn sitzen. Niemals sah ich Sonntags einen solchen Müßiggang unter einem so strahlenden Himmel, inmitten so leuchtend grüner Felder.

Ich sitze zu Pferde und reite ziellos vorwärts. Da ich mich zufällig einem Trupp persischer Reiter angeschlossen habe, die anscheinend wissen, wohin sie wollen, so sehe ich mich plötzlich umgeben von den Ruinen eines Palastes, den glitzernden Ruinen der Spiegelmosaike, den wunderbaren, zerbrechlichen Ruinen, die niemand behütet. – Im Jahrhundert des Schah-Abbas gab es vieler solcher Märchenpaläste! – Der Ehrenhof ist in einen Sumpf verwandelt, ist angefüllt mit Gebüsch und wilden Blumen; und ein kleiner Teehändler hat in Anbetracht des Freitags seine Öfen in einer der wunderbaren Säulenhallen aufgestellt, deren Decken mit einer überraschenden Pracht, mit einer zarten Anmut verziert, vergoldet sind. Dies war einst der kaiserliche Palast, die Liebhaberei eines Herrschers, der Thronplatz ist noch leicht erkennbar. Hinten, in einem zweiten, ein wenig schattigen Saal, liegt die Estrade, wo er sich ausruhte, liegt der gewaltige Spitzbogen, der ihm als Heiligenschein diente. Er ist natürlich ganz mit Stalaktit behangen und wird von zwei goldenen Chimäras überragt, die in einzelnen Teilen einen chinesischen Einfluß verraten; aber der Hintergrund wirkt ganz überraschend; statt wie sonst eine unentwirrbare Verschlingung von Rosetten und Zellengeweben zu zeigen, deren kleinste Flächen von Gold umrahmt sind, ist er leer, öffnet sich auf ein Gemälde in der Ferne, das in Wirklichkeit weit herrlicher ist als alle Schmiedearbeiten der Welt: Gebadet von den hellen Sonnenstrahlen liegt dort das Panorama von Ispahan, das der vollendete Kunstgeschmack sich erwählt hat, liegt dort die Stadt der rosenroten Erde und der blauen Fayencen, über der seltsamen Brücke mit den beiden aufeinander ruhenden Bogengängen, vor den Bergen und den Schneegefilden, läßt sie ihre Kuppeln, ihre Minaretts, ihre unnatürlich farbigen Türme in der Sonne leuchten. Eingerahmt von diesem Spitzbogen, von dem rot- und goldfunkelnden Schatten aus gesehen, in dem wir uns befinden, wirkt dies alles wie ein orientalisches, sehr phantastisches Gemälde, wie ein sehr durchsichtiges Fächergemälde.

Es hält sich hier niemand mehr auf, der dies betrachten könnte, was einst die Augen der Kaiser erfreut haben muß; der kleine Teehändler am Eingang hat nicht einmal mehr Zuspruch. Lange stehe ich hier allein unter den schönen, bald einstürzenden Decken, während ein Hirte mein Pferd auf dem Hof, zwischen dem Brombeergesträuch, dem Mohn und dem Windhafer am Zügel hält.

Eine halbe Stunde weiter entfernt, in den Feldern von weißem Mohn und Veilchen, erhebt sich ein zweiter Palast, eine zweite Liebhaberei eines Herrschers, ein zweiter Thronplatz. Er nennt sich »das Haus der Spiegel«, und seinerzeit wird er einem Palast von Rauhreif und Eiszapfen geglichen haben; er ist gänzlich verfallen, aber an den noch übriggebliebenen Teilen des Gewölbes glänzen tausende von Spiegelstückchen, die das Alter oxydiert hat, gleich Salz. Ein bescheidener Tee- und Kuchenverkäufer steht im Schatten dieser Ruine, und meine Ankunft stört eine Gesellschaft von gespensterhaften Frauen, sie hatten sich fröhlich zu einer kleinen Mahlzeit im Gras auf dem Hofe niedergelassen, aber jetzt verstummen sie und senken vor meinem Anblick ihren Schleier herab.

Wie immer muß ich vor Sonnenuntergang in die Stadt zurückgekehrt sein. Übrigens ist der Abend nach einem so strahlenden Mittag traurig, ein Wind hat sich erhoben, der aus der Richtung der Schneefelder kommt, er führt eine leise Erinnerung an den Winter mit sich, während gleichzeitig die Wolken am Himmel dahinziehen.

Auf dem schmalen Pfade, auf dem ich zurückkehre, inmitten der Kornfelder, der Kornblumen und des Mohns schreitet eine Frau mir entgegen, sie ist natürlich ganz schwarz und trägt eine weiße Maske, sie geht langsam mit gesenktem Kopf, man könnte sagen, sie schleppe sich dahin: irgendeine arme Alte, die zum letztenmal den Monat Mai erlebt, und ihr Nahen stimmt mich traurig . . . Hier steht sie zwei Schritte vor mir, die einsame, müde Spaziergängerin . . . Ein Windstoß zerrt an ihrem langen Trauerschleier, ihre weiße Maske löst sich und fällt zu Boden! . . . Ah! welch ein Lächeln fange ich auf zwischen den strengen schwarzen Falten! . . . Sie ist zwanzig Jahre alt, sie ist eine kleine Schönheit, drollig und schelmisch, mit ihren runden, rosenroten Wangen, Onyxaugen, die aus dem Flaum des Rabengefieders gemacht zu sein scheinen, ganz wie die Sultaninnen auf den alten Schachteln . . . Wovon mochte sie träumen, diese kleine Person, da sie eine so schmerzliche Haltung zeigte? . . . Halb beschämt über ihr Mißgeschick, halb belustigt, schenkt sie mir ein reizendes Lächeln: aber sehr schnell befestigt sie wieder ihre weiße Maske und läuft leichtfüßiger als ein junges Zicklein durch die Felder dahin.

Als ich um fünf Uhr nachmittags auf der Brücke anlange, herrscht dort ein großes Gedränge. Alle Freitag-Spaziergänger kehren eilends zurück, denn in Persien fürchtet man sich immer vor der Nacht; rechts und links von der großen Straße, auf den beiden überdachten Wegen, die gotischen Klostergängen gleichen, zieht sich eine ununterbrochene Kette von schwarzen Frauen dahin, ihre müden Babys klammern sich an sie, und lassen sich ziehen.

In dem Basar, den ich durchkreuzen muß, bringt die Rückkehr von dem Felde zu dieser Stunde Leben und Treiben mit sich, und dies freut mich, denn ich kenne nichts Traurigeres, als wenn diese zu langen Gewölbe an den Festtagen von einem Ende bis zum anderen verödet daliegen, ohne die Pracht der Stoffe, der Sattelzeuge, der Waffen, ohne die geöffneten Läden.

Mein Weg führt durch die größten aller Gewölbe, durch die Gewölbe des Kaisers; oben an den Decken laufen die noch immer leuchtenden Fresken entlang, die das Bild des Herrschers darstellen, besonders häufig aber sieht man ihn auf den Kuppeln, auf den großen, die Plätze überdachenden Kuppeln verewigt: der Schah-Abbas mit seinem langen, bis zum Gürtel herabwallenden Bart, wie er zu Gericht sitzt, der Schah-Abbas, wie er auf die Jagd geht, der Schah-Abbas, wie er in den Krieg zieht, wohin das Auge fällt, überall der Schah-Abbas. Ich eile vorwärts in der geheimnisvollen, schweigenden Begleitung der verschleierten Frauen, die Heckenrosen und echte Rosen mit sich nach Hause tragen. Von Zeit zu Zeit wirft die Bogentür einer Karawanserei oder der blaue Bogen einer Moschee einen Lichtstreifen auf den Weg, der die Dunkelheit noch dunkler erscheinen läßt. In einer Nische, halb versteckt durch ein ganz vergoldetes Gitter, steht ein Mensch mit weißem Bart und einem Gesicht, das hundert Jahre alt sein könnte, umgeben von einer Schar gespensterhafter Frauen; es ist dies ein alter, heiliger Derwisch; er bewacht eine kleine Wunderquelle, die hinter dem schönen Gitter aus dem Felsen hervorspringt, er füllt die bronzenen Becher mit Wasser, und seine vertrocknete Hand reicht sie durch die Stäbe hindurch der Reihe nach den Damen, diese lüften ein wenig den Schleier und trinken darunter, indem sie darauf achten, daß ihr Mund nicht zum Vorschein kommt. Dies alles trug sich bei mattem Dämmerlicht zu, und jetzt, als ich den Basar verlasse, scheint der kaiserliche Platz durch einige rote, bengalische Flammen erleuchtet zu sein. Die Sonne wird untergehen, denn hier stehen die Musikanten mit ihren langen Trompeten und ihren gewaltigen Trommeln, auf dem gewohnten Balkon erwarten sie die nahe Stunde, bereit, ihren schreckeneinflößenden Gruß in die Luft hinauszuschicken. Aber wo sind denn all die Wolken geblieben? Zweifellos hält sich kein bedecktes Wetter in diesem Lande, diese trockene, reine Luft saugt die Dämpfe auf. Der blaßgelbe Himmel ist rein und klar und gleicht einem riesengroßen Topas, und an den verschiedenen Seiten des Platzes wechselt der große Reichtum der Glasuren seine Farbe, wie an jedem schönen Abend breiten sich rosige und goldige Tinten über ihm aus.

Mein Gott! ich habe mich verspätet, denn dies ist das letzte Erglühen der Minaretts und Kuppeln, das Schlußbild allen Blendwerks; die Gebäude erstrahlen in rotem Glanz, die Sonne geht unter . . . Und als ich durch die große Einöde, über den Platz dahinschreite, bricht der Lärm der Trompeten dort oben los, ächzend, stöhnend, und die Trommelschläger schlagen den Takt dazu, und ihr Schlag gleicht dem Rollen des Donners.

Um schnell von hier in das russische Haus zurückzugelangen, versuche ich den Weg durch die Gärten des Zelleh-Sultan; man wird jetzt allmählich wissen, daß ich der Fremde bin, den der Fürst D... aufgenommen hat, und vielleicht läßt man mich deshalb passieren.

Und in der Tat, an allen aufeinander folgenden Toren schauen die Wächter, die zwischen den Rosenbüschen ihre Kalyan rauchen, mir wortlos nach. Aber ich hatte nicht vorausgesehen, wie bestrickend und reizvoll diese Stunde in den Blumenalleen ist, und ich empfinde große Lust, hier länger zu verweilen. Man ist wie berauscht von den ungezählten Rosen, deren Düfte sich abends unter den Bäumen vereinen. Und der Gesang der Muezzine, der plötzlich über Ispahan schwebt, erscheint nach dem Blasen der Trompeten von einem süßen, himmlischen Klang, man könnte glauben, es seien Orgeln und Glocken, die in der Luft zusammenklingen.

Da es mein letzter Tag ist (ich reise morgen), so habe ich ausnahmsweise die Erlaubnis erbeten, in später Abendstunde umherzustreifen, und meine Wirte waren so gütig, die Nachtwächter benachrichtigen zu lassen, welchen Weg ich einzuschlagen gedächte, damit sie mir die schweren Tore mitten in den Straßen öffnen könnten, die man nach Sonnenuntergang verriegelt, und die einen Verkehr von einem Viertel zum andern verhindern.

Es ist ungefähr zehn Uhr, als ich das Haus des Fürsten verlasse, zum Erstaunen der Kosaken, der Wächter an dem einzigen Ausgang. Und sofort tauchen wir in dem Schweigen und in der Dunkelheit unter. Keine Hauptstadt ruft in dem Maße wie das nächtliche Ispahan den Eindruck des Todes und der Verlassenheit hervor. Unter den Gewölben klingen die Stimmen viel zu laut, und gleichsam, als befände man sich in einer Totengruft, wirft das Pflaster den Schall der Tritte dumpf zurück. Zwei Wächter folgen mir, ein dritter geht mir vorauf; er trägt eine drei Fuß hohe Laterne, die er von rechts nach links schwingt, um mir die Löcher, die Kloaken, den Schmutz und die toten Tiere zu zeigen. Zuerst begegnen wir in großen Abständen ähnlichen Fackeln, sie leuchten einem verspäteten Reiter oder einer Schar verschleierter Frauen, die in Begleitung eines bewaffneten Mannes daherkommen, und dann zeigt sich bald kein einziger Mensch mehr auf den Straßen. Schreckliche, graugelbe Hunde, herrenlose Hunde; sie nähren sich von Abfall, schlafen rudelweise an dieser oder jener Ecke zusammen und knurren den Vorübergehenden an; sie sind jetzt die einzigen, lebenden Wesen in diesen Straßen, aber sie erheben sich nicht einmal, sondern begnügen sich damit, den Kopf aufzurichten und die Zähne zu zeigen. Sonst rührt sich nichts. Außer den gespaltenen Ruinen auch nicht ein Haus, das nicht furchtsam verschlossen wäre. Bis an die Zähne bewaffnet schleicht der Wächter des Viertels auf leisen Babuschen hinter uns her. Wenn man vor der eisenbeschlagenen Tür anlangt, die sein Reich abgrenzt und den Weg versperrt, ruft er mit laut tönendem Schrei den Wächter herbei; dieser antwortet zuerst aus weiter Ferne, dann kommt seine Stimme immer näher, und schließlich öffnet sich das Tor unter lautem Geknarr der Schlüssel, der Riegel , und der rostigen Angeln. Alsdann betreten wir ein neues Reich der Schatten und der zusammenstürzenden Ruinen, während die Tür sich hinter uns schließt und uns plötzlich noch mehr von dem Hause trennt, aus dessen Bereich wir uns immer weiter entfernen. Und so geht es fort, kein Grabesviertel, das wir durcheilen, steht in Verbindung mit dem vorhergehenden, aus dem wir kommen. In den überdachten Gegenden herrscht ein Geruch von Schimmel, Fäulnis und Unrat; es ist dort so dunkel, daß man glauben könnte, man befände sich zwanzig Fuß tief unter der Erde. Aber unter freiem Himmel schaut man das Wunder der Sterne Persiens, mit denen sich keine anderen Sterne der Welt vergleichen können, sie erscheinen noch weit strahlender zwischen den gespaltenen Mauerresten, zwischen den Trümmerhaufen, in dem Rahmen des Verfalls und der Schatten. Alles trägt dazu bei, diese Atmosphäre so durchlässig, so leicht zu machen, daß kein funkelndes Licht zurückgehalten werden kann: Die Höhe, die Nachbarschaft dieser Sandwüsten, die niemals Wasserdünste ausatmen. Die Sterne Persiens haben dasselbe Feuer wie die reinen Diamanten, sie haben, sieht man genau hin, ein buntes Feuer, ein rotes, ein violettes, ein bläuliches Feuer. Und dann sind sie unzählig, stellen Tausende von Welten dar, die in anderen Gegenden auf unserer Erde nicht sichtbar sind, die aber in diesem Lande, aus der Tiefe der Unendlichkeit heraus, zu den Menschen hinabstrahlen.

Welch ein Gegensatz, dieser jämmerliche Verfall hier auf dem Boden! Trümmerhaufen, Schutt und Unrat, das ist schließlich alles, was von diesem Ispahan übriggeblieben ist, das in der Ferne und unter den Strahlen der Sonne noch die große, bezaubernde Stadt spielt . . .

Über unseren Köpfen dehnen die Gewölbe sich aus, werden immer gewaltiger; wir erreichen die Stadtviertel, die der Schah-Abbas erbaut hat, und jetzt machen wir vor dem Tor einer der Hauptadern des Basars halt. Der Wächter, unser Führer, stößt einen langgezogenen Schrei aus, und bald antwortet eine Stimme in der Ferne, eine schleppende, unheilverkündende Stimme, die ein endloses Echo zurückwirft, gleichsam, als stieße man nachts in einer Kirche einen Hilferuf aus. Derjenige, der hinter dem Zedernportal steht, antwortet, daß er den Schlüssel nicht finden könne, daß ein anderer ihn behalten habe, und so weiter, Und die Hunde der Straße werden unruhig, wachen überall auf und stimmen ein Konzert an, ihr Gebell pflanzt sich in dem klangreichen, überdachten Labyrinth immer weiter fort. Inzwischen aber entfernt sich der Mann, der vorgibt, den Schlüssel zu suchen, sei es aus bösem Willen, sei es aus Angst, sicher aber ist, daß er uns das Tor nicht öffnen wird. Deshalb laßt uns auf einem Umweg durch andere Straßen versuchen, endlich das Ziel unseres Ausfluges zu erreichen.

Das Ziel ist der kaiserliche Platz, den ich ein letztes Mal vor meiner Abreise in dunkler Nacht sehen möchte. Endlich liegt dieser Platz vor uns, man hat uns das hohe Tor des Färberbasars geöffnet, und schwach beleuchtet von all den kleinen, dort oben funkelnden Diamanten, erscheint er noch größer, als bei hellem Tageslicht. Eine ganze Karawane schläft dort an einem der Torflügel, die starke Ausdünstung der knienden Kamele trübt die reine Luft; und ringsumher liegen die Wächter, gleichsam als befände man sich auf freiem Felde. Außerdem schreiten einige gespensterhafte Frauen in zwei kleinen Abteilungen durch diese Einöde, beiden geht ein Laternenträger, gehen Wächter vorauf: Die Frauen kehren sicher von einem Fest, von irgendeinem Haremsfest zurück, zu dem die Ehemänner keinen Zutritt haben, und das im Innern der fest verschlossenen Wohnungen gefeiert wird. Einen dieser geheimnisvollen Trupps sehen wir in weiter Ferne, ganz hinten am anderen Ende des Platzes vorübergehen, fast könnte man glauben, es sei ein Zug winziger Zwerge. Man hört das Rufen, das Klopfen an den Toren des Viertels, die geöffnet werden sollen, und dann ertönt das Knarren der Riegel, und die beiden dunklen Flecke, der eine nach dem anderen, tauchen in den gewölbten Gängen unter, wir bleiben allein mit der schlafenden Karawane zurück, allein auf dem großen, auf dem zu dieser Stunde erhabenen Platze, zwischen den symmetrischen Reihen der gemauerten Arkaden.

Während der Platz gewachsen zu sein scheint, ist die kaiserliche Moschee dort unten, deren Umrisse sich scharf von dem bläulichen Himmel abheben, zusammengeschmolzen, ist kleiner geworden, – wie es auch mit den Bergen und Denkmälern geht, wenn man sie zur nächtlichen Stunde aus weiter Ferne betrachtet. Aber sobald man sich ihr nähert, sobald sie ihre Bedeutung in dem Raum einnimmt, wächst sie zu einem Wunder an, das, durch diese unnatürliche Klarheit gesehen, inmitten der Abgeschiedenheit und des ewigen Schweigens, noch überraschender wirkt. Die Sterne, die kleinen bunt schillernden Diamanten lassen ihr funkelndes Licht von oben aus der unermeßlichen Leere auf sie herabfallen, lassen ihre Fayencen, ihre glatten Flächen, die Bogen ihrer Kuppeln und ihrer spindelförmigen Türme, in mattem Glanz erstrahlen. Und sie versteht es auch jetzt noch, ihr Blau zur Geltung zu bringen, wo alle anderen Farben auf der Erde verblaßt sind; ganz blau hebt sie sich von den Tiefen des nächtlichen Himmels ab, die neben ihrer Glasur fast schwarz, von einem sternenbesäten Schwarz erscheinen. Und man könnte sagen, sie sei zu Eis erstarrt, denn nicht nur begegnet uns wie immer ein Friede unter ihren Mauern, sondern sie ruft auch den Eindruck hervor, als strahle sie Kälte aus.

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