Vierter Teil
Montag, 14. Mai
Der Schah-Abbas wollte auch, daß seine Hauptstadt mit
unvergleichlichen Gärten, mit wunderbaren Alleen geschmückt
sei. Der Weg Tscharbag, eine der Straßen, die nach Djoulfa
führt, und die der herrlichen Brücke folgt, auf der wir den
ersten Tag zur Stadt hineinritten, war einst eine Promenade,
wie es keine zweite auf Erden gab, man könnte sie die
Champs-Elysée von Ispahan nennen, eine vierfache
Plantagenreihe, eine halbe Meile lang, die drei gerade Alleen
bildet; die Allee in der Mitte, für Reiter und Karawanen
bestimmt, mit großen, regelmäßigen Fliesen gepflastert, die
seitwärts gelegenen Alleen in ihrer ganzen Ausdehnung durch
Springbrunnen, blühende Beete, durch Rosenhecken begrenzt, und
am Rande, zu beiden Seiten, hatte man die offenen PalästeDiese
Paläste, mit ihren Balkons, waren in erster Linie für die
Frauen des Harems bestimmt, man erbaute acht und nannte sie:
Die »Acht Paradiese«. erbaut, deren Mauern ganz mit Fayencen
bekleidet, deren Decken mit Arabesken und vergoldetem
Stalaktit geschmückt waren. Als bei uns der Hof des
Sonnenkönigs von Anmut und Reichtum wiederstrahlte, war der
Hof des Schahs von Persien der einzige, der sich mit ihm
messen konnte. Kurz bevor Ispahan von den Barbaren des Westens
überflutet wurde, erreichte es den Höhepunkt seines Glanzes,
seiner verfeinerten Ausschmückung, und Tscharbag war der Ort,
wo sich alle Anmut – wie sie nicht einmal Versailles gesehen
haben kann – zusammenfand. Zu den Stunden der Parade strömten
die verschleierten Schönen auf den Terrassen der Paläste
herbei, um ihren Herren zuzuschauen, die auf den weißen
Fliesen, zwischen den beiden, die Allee abgrenzenden
Rosenhecken ihre Rosse tummelten. Die stolzen Pferde mit dem
vergoldeten Sattelzeuge galoppierten in edler Haltung dahin,
sie zeigten die starke Biegung des Halses, wie sie die Perser
noch heute bei ihren Pferden erstreben. Und die schlanken
Reiter trugen sehr enge, sehr anschmiegende Kleider aus
Kaschmir oder aus golddurchwirktem Brokat; sie trugen Ringe
und Armbänder, und ihr hoher Kopfputz war mit Agraffen
geschmückt, sie glitzerten von Edelsteinen; die Fresken und
die alten Miniaturen haben uns die Einzelheiten ihrer ein
wenig dekadenten Moden überliefert, die in gutem Einklang mit
dem ganzen Lebensbild jener Zeit, mit der wunderbaren, zarten
Ausschmückung der Paläste, mit der unendlichen Duchsichtigkeit
der Luft, mit dem großen Blütenreichtum standen.
Tscharbag, so wie es heute in der Sonne an diesem schönen
Maienmorgen vor mir liegt, mutet es mich unsagbar traurig an,
ein fast verödeter Verbindungsweg zwischen den beiden
Trümmerhaufen Ispahan und Djoulfa. Die mehr als dreimal
hundert Jahre alten Platanen sind zu Riesen herangewachsen,
die absterben, die ihrer Krone beraubt sind. Die Fliesen
zeigen große Risse, traurig schießt das Gras dort hervor. Die
Wasserbassins sind ausgetrocknet oder haben sich in
stagnierende Sümpfe verwandelt. Die blühenden Beete sind
verschwunden, und die letzten Rosen bilden nur noch ein wildes
Gestrüpp. Jeder, der Lust hat, kann die wenigen, noch
aufrechtstehenden Paläste betreten, wo die empfindlichen Wände
zu Staub zerfallen, und wo die Afghanen aus Fanatismus bei
ihrer Ankunft die Gesichter der schönen, gemalten Damen auf
den Fayencetafeln zertrümmert haben. Mit seinen noch lebenden
Alleen ist Tscharbag, – der Zeuge eines ruhmvollen
Jahrhunderts, das dem unseren noch nicht so fern liegt –, weit
mehr von Heimweh befallen, als die Trümmer aus der ganz alten
Vergangenheit.
Nach unserem Besuch, den wir der großen toten Allee
abstatteten, kehren wir ins Innere von Ispahan zurück; unser
Weg geht durch die Basare, wo es immer wundervoll kühl und
schattig ist. Dort führte mich mein Begleiter zuerst zu den
Seidenwebern, die die Brokatstoffe für die Feierkleider, die
TaffetseidenEs ist bekannt, daß der Taffet aus Persien kommt,
ebenso wie sein Name. anfertigen; im Hintergrunde trauriger,
tief gelegener Wohnungen, in die nur ein wenig Licht aus der
überdachten dunklen Straße fällt, sind die Webstühle
aufgestellt. Und dann gelangen wir zu den Leuten, die die in
den Oasen der Umgegend geerntete Baumwolle verarbeiten, und
dann zu denen, die nach einem uralten Verfahren diese Stoffe
mittels großer Platten aus graviertem Holz bedrucken. Es
herrscht auch hier fast vollständiges Dunkel in dem
unterirdischen Gemach, wo man die vielen tausend Wandbehänge
(die stets das Portal einer Moschee darstellen) färbt, um sie
dann, wie es seit undenkbaren Zeiten geschah, in dem Fluß zu
spülen, und sie in der schönen Sonne, auf dem weißen Kies der
Ufer zu trocknen.
Wir beschließen unsere Wanderung in dem Viertel der
Fayencearbeiter; sehr eifrig sind diese noch damit
beschäftigt, nach alten, unveränderten Mustern Blumen und
Arabesken auf die Steine zu klecksen, die für die neuen
persischen Häuser bestimmt sind. Aber weder diese Farben, noch
die Glasur können mit denen der alten Kacheln verglichen
werden. Besonders gibt es das Blau nicht mehr, das leuchtende,
tiefe, fast übernatürliche Blau, das die Kuppeln der alten
Moscheen in der Ferne wie Blöcke kostbarer Steine erscheinen
ließ. Der Schah-Abbas, der die Kunst der Fayencen so allgemein
bekannt gemacht hat, führte aus dem Innern Indiens und aus
China seltene Kobalt- und Indigofarben ein, die man dann, nach
einem heute nicht mehr bekannten Verfahren, einbrannte. Er
hatte auch aus Europa und aus Peking Meister der Zeichenkunst
zu sich entboten, und diese stellten, trotz des Korans,
menschliche Gesichter neben die persischen Verzierungen. – So
läßt es sich auch erklären, daß die glasierten Wandflächen in
dem Hause des Fürsten Frauen der westlichen Renaissance mit
Mediciskragen zeigen, und wieder andere Frauen mit ganz
kleinen, geschlitzten Augen, die auf chinesische Art voller
Anmut schön tun.
Meine beiden mit Stöcken bewaffneten Soldaten und mein
schöner galonierter Kosak langweilen mich wirklich. Heute
nachmittag habe ich mich entschlossen, sie mit Dank
fortzuschicken und alleine umherzustreifen. Und was man mir
auch sagen mag, ich will versuchen, mich jetzt, wo ich
allmählich in Ispahan bekannt bin, auf einer der kleinen Bänke
der Teehändler, am Ufer eines kühlen Baches des kaiserlichen
Platzes, auf der schattigen Seite niederzulassen. Ich wußte
es: man bringt mir ganz freundlich meine winzige Tasse Tee,
meine Kalyan und eine Rose; mit meinen Freunden, den
Muselmännern, wird man sich immer verständigen können, wenn
man es nur anzufangen weiß.
Die Maiensonne brennt seit zwei oder drei Tagen wie Feuer
hernieder, man sehnt sich nach dem kühlen Hauch des fließenden
Wassers vor den kleinen Cafés, nach der Ruhe im Schatten der
Zelte, oder der jungen Bäume. Es ist zwei Uhr; in der Mitte
des ungeheuren Platzes, den eine Flut von weißem Licht
überschwemmt, liegen nur einige nachlässig ausgestreckte Esel,
knien nur einige Kamele im Staube. An beiden Enden des
erhabenen, des toten Platzes, erheben sich die beiden großen
Moscheen Ispahans und begrüßen sich aus weiter Ferne, sie
lassen ihre bunten Kuppeln, ihre seltsamen, mit Arabesken
verzierten Spindeln in den hellen Sonnenstrahlen leuchten: die
eine sehr alt, sehr heilig, die Freitagsmoschee, ist mit
gelbem Gold bekleidet, das durch ein wenig Grün noch mehr
hervorgehoben wird; die andere, die Königin allen Blaus, des
tiefen Blaus und des blassen Himmelblaus, ist die kaiserliche
Moschee.
Bei Sonnenuntergang lenke ich meine Schritte nach der alten
theologischen Schule der Muselmänner, »die Schule der Mutter
des Schahs« genannt; der Fürst D... war so gütig gewesen, mir
eine Begleitung zu geben, die mich bei dem leitenden Priester
einführen konnte.
Es ist nicht nötig zu fragen, wer die breite, gerade Allee,
die dorthin führt, erbaut hat: Natürlich der Schah-Abbas,
stets der Schah-Abbas; alles, was in Ispahan von den
winkeligen Gäßchen, wie man sie in den persischen Städten
sieht, abweicht, war das Werk dieses Fürsten. Die schöne Allee
wird von hundertjährigen Platanen eingerahmt, man hat ihre
unteren Zweige nach persischer Art beschnitten, um ihre
weißen, elfenbeinernen Stämme noch höher erscheinen zu lassen,
und so gleichen sie, die sich erst nach dem Gipfel zu
ausbreiten, erst dort oben dicht belaubt werden, in der Tat
langen, schlanken Säulen. Zu beiden Seiten des Weges öffnen
sich verfallene Tore, einst wurden sie von Fayencen
eingerahmt, über sie hinaus ragt als Wappen Irans: Ein Löwe,
der ein Schwert vor die Sonne hält.
Diese Universität – sie ist drei Jahrhunderte alt, und ihr
Lehrplan ist derselbe, wie am ersten Tage – wurde mit einem
Pomp erbaut, der diesem Volk der Denker und der Dichter, das
seit alten Zeiten die Bildung des Geistes in Ehren hielt,
würdig ist. Man wird sofort von dem wunderbaren Eingang
geblendet; in einer glatten, weiß und blau emaillierten Mauer
ist eine Art riesengroße Vertiefung eingelassen, eine Art
Höhle, zu der sich ein hoher Spitzbogen öffnet, das Innere ist
mit einem Regen von blauem und gelbem Stalaktit überzogen. Die
Tür zeigt zwei Flügel aus Zedernholz, wohl fünfzehn bis
achtzehn Fuß hoch, sie sind von oben bis unten mit einer
feinen, silbernen Panzerung bedeckt, mit getriebenem,
ziselierten Silber, durch dessen Netz von Arabesken und Rosen
sich purpurrote religiöse Inschriften hindurchziehen. Diese
Kunstarbeiten haben selbstverständlich unter dem Zahn der
Zeit, unter der afghanischen Verheerung gelitten, sie sind
abgenutzt, verbeult, stellenweise abgerissen, sie erinnern in
traurigster Weise an eine nie wiederkehrende Zeit des
wahnsinnigsten Luxus und der ausgesuchtesten Verfeinerung.
Wenn man durch dies ausgezackte Gewölbe in einen
monumentalen Vorhof tritt, auf den der Garten folgt, sieht
man, wie sich das Gerinnsel des Stalaktit in regelmäßige Arme
teilt, die an den inneren Mauern herunterlaufen, ihre Emaillen
zeigen ein phantastisches blaues Laubwerk, das von
Inschriften, von alten Sprüchen in bläulichen, in weißen
Buchstaben durchzogen wird; im Hintergrunde liegt der Garten,
von einer gewaltigen Fayencebucht eingeschlossen; ein
trauriges Eden, wo die Rosensträuche, die Rosenbüsche im
Schatten der dreihundert Jahre alten Platanen blühen. Zu
beiden Seiten des Pfades, der zu irgendeinem Zauberschloß zu
führen scheint, haben die bescheidenen, kleinen Zuckerwerk-,
Erdbeeren- und Teehändler ihre Tische, ihre rosengeschmückten
Platten aufgestellt. Und wir begegnen einer Schar Studenten,
die das Schulgebäude verlassen, junge Leute mit fanatischem,
eigensinniges Blick, mit dunklen Gesichtern unter den großen
Priesterturbanen.
Der Garten ist ein Viereck, wird von wohl fünfzig Fuß hohen
glasierten Mauern eingeschlossen, und ehrwürdige Platanen, die
so groß wie Affenbrotbäume sind, bedecken ihn mit ihren
Zweigen und hüllen ihn in ihren grünen Schatten ein. In der
Mitte steht ein Springbrunnen, liegt ein Marmorbassin, und
überall zu beiden Seiten der kleinen Alleen mit ihren
grünlichen Kacheln vereinen sich die beiden Blumenarten, die
man stets in allen persischen Gärten sieht: die echten
süßduftenden rosenroten Rosen und die einfachen weißen
Heckenrosen. Rosenhecken und Rosensträucher strecken ihre
überschlanken Zweige unter dem Druck der hohen blauen Mauern
und der alten Platanen unendlich weit von sich, sie umklammern
die gewaltigen Stämme und fallen gleichsam tränend zurück,
immer aber sind sie unermüdlich im Blühen. Da der Zutritt zu
diesem Platz allen vorübergehenden Muselmännern gestattet ist,
so sieht man hier die braven Leute aus dem Volk, die von der
Kühle und dem Schatten angelockt wurden, auf den Fliesen
sitzen oder liegen und ihre Kalyan rauchen, deren kleine,
vertraute, glucksende Töne man von allen Seiten hört. Und von
oben dringt das Gezwitscher der gefiederten Welt zu uns herab;
die Zweige sind voll von Nestern; Meisen, Buchfinken, Spatzen
haben diesen ruhigen Zufluchtsort zu ihrer Wohnstätte
ausersehen, und auch die Schwalben haben überall an allen
Dächern ihre Nester angeklebt. Diese Mauern, die den Garten
einschließen, werden von oben bis unten von einer einzigen,
unendlichen, ganz blauen Mosaikfläche bekleidet, und darauf
baut sich eine dreireihige Bogenöffnung auf, durch die das
Licht in die Zellen fällt, wo die jungen Priester ihren
einsamen Gedanken nachhängen. Je in den vier Wänden des
rechteckigen Platzes nimmt ein gewaltiger Spitzbogen die Mitte
ein, er gleicht dem Eingangstor und zeigt ein Gewölbe, an dem
die Fayencetröpfchen herniederfließen, in dem Eiszapfen in
Lapislazuli und safrangelber Farbe leuchten.
Und der Spitzbogen im Hintergrunde ist der prächtigste von
allen vieren, er wird auf beiden Seiten von Minaretts
geschmückt, jenen blauen Spindeln, die in den Himmel
hinaufragen; er führt zu der Moschee der Schule, deren
turbanartige Kuppel man dort oben über dem alten Gezweig
erglänzen sieht. In den Minaretts schlängeln sich in
spiralförmigen Windungen von unten lange religiöse Inschriften
aus weißer Glasur hinauf bis zur Spitze, wo sie in einer Flut
von Licht gebadet daliegen; die Kuppel ist übersät mit gelben
Emailleblumen, mit grünem Emaillelaubwerk, die wie im
Kaleidoskop ihre unentwirrbaren Linien über die blauen
Arabesken ziehen. Wenn man das Auge über den Schatten, der
hier unten herrscht, erhebt, so sieht man durch das hohe
Blätterdach, unter dem das Alter und der Verfall verborgen
liegt, an einem klaren Himmel die ganze Pracht der Juwelen
glitzern, und die großen, lichtreichen Wellen der persischen
Sonne fluten darüber hin.
Alter und Verfall, sobald man nur näher hinsieht; eine
letzte Täuschung läßt uns an wunderbare Herrlichkeiten
glauben, aber auch sie wird nur noch wenige Jahre leben; die
Kuppel ist gespalten, die Minaretts werden ihres feinen,
durchsichtigen Schmuckes beraubt, und die glasierte
Bekleidung, deren Farbe heute noch so leuchtend ist wie im
großen Jahrhundert, fällt schon an vielen Stellen ab, graue
Steinflächen, Löcher und Risse kommen zum Vorschein, in denen
das Gras, die wilden Pflanzen wuchern. Ich habe den Eindruck,
als wenn dies alles hoffnungslos dahinschwindet,
dahinschwindet wie das alte, bezaubernde Persien, ohne daß es
je wieder hergestellt werden könnte.
Auf kleinen, steilen, dunklen Treppen, wo mehr als eine
Stufe fehlt, steigen wir zu den Zellen der Studenten hinauf.
Die meisten liegen schon lange verlassen da, angefüllt mit
Asche, Vogelschmutz, Eulenfedern; nur in einigen wenigen
zeigen alte, heilige Manuskripte, zeigt ein Gebetsteppich, daß
man hier noch hineintritt, um sich zu sammeln. Diese Zellen
haben zum Teil Aussicht auf den schattenreichen Garten, auf
seine grünlichen Fliesen und seine Rosengebüsche, auf das
ganze kleine, traurige Gehölz, wo man das Lied der Vögel und
das ruhige Plätschern der Kalyan hört; zum Teil blicken sie
auf die weite Ebene, auf das Weiß der Mohnfelder, das am
Horizont durch einen schmalen Strich der Wüste abgeschnitten
wird, auf ein anderes silberhelles Weiß dort hinten: die
Schneegefilde der Gipfel. Welch einen wunderbaren Zufluchtsort
bieten diese Zellen, umgeben von der Ruhe dieser Trümmerstadt,
umgeben von der Einöde, allen denen, die sich den Träumen des
orientalischen Mystizismus hingeben wollen . . .!
Ein Gewirr von Treppen und Gängen führt uns zu dem alten
Priester, der dies Schemen von einer Schule leitet. In dem
Schatten einer blauen, glasierten Grotte liegt seine Wohnung,
eine Art Loggia mit einem Balkon, von wo aus er das ganze
Innere der Moschee beherrscht. Und es ist ein ergreifender
Eindruck, plötzlich dies Heiligtum, diese Gebetsnische
erscheinen zu sehen, Dinge, von denen ich glaubte, daß sie
mir, dem Ungläubigen, stets verborgen bleiben würden. Der
hagere, blasse Priester in schwarzem Kleid, mit schwarzem
Turban, sitzt auf einem Gebetsteppich, und ihm zur Seite sein
Sohn, ein Kind von zwölf Jahren, gleichfalls in Schwarz
gekleidet, mit einem kleinen, schwärmerischen Gesicht, das
unter dem heiligen Schatten seine Farbe verloren hat; zwei
oder drei ernste Greise hocken daneben, jeder hält eine Rose
in der Hand, mit derselben ein wenig gezierten Anmut, die den
Figuren auf den alten Miniaturen eigen ist. Sie träumten oder
besprachen heilige Dinge; nach tiefen Verbeugungen und langen
Höflichkeitsreden bietet man uns Kissen an, bringt uns Kalyans,
Tee, und dann beginnt die Unterhaltung, wir sprechen langsam,
sie riechen an ihren Rosen mit greisenhafter Geziertheit, oder
verfolgen mit starrem Auge den Sonnenstrahl, der an den
wunderbaren Glasuren im Hintergrunde des Heiligtums
hinabsickert. Die Schattierungen dieser Moschee, das Glitzern
dieser Wände halten mich davon ab, dem Gespräch zu folgen; ich
glaube durch ein bläuliches Eis, in den kristallisierten, aus
Stalaktit erbauten Palast eines unterirdischen Geistes
hineinzusehen. Lapislazuli und Türkis in ewiger Abwechslung,
eine Apotheose des Blaus. Die Ströme kleiner, blauer
Eiszapfen, kleiner, blauer Prismen fließen von der Kuppel
herab und überfluten an einzelnen Stellen die vielen blauen
Muster der Wände . . . In ihren Einzelheiten erscheint die
Zeichnung unentwirrbar, aber sie ruft doch als Ganzes den
Eindruck der Einfachheit und der Ruhe hervor: dies ist, wie
überall, das große Geheimnis der persischen Kunst
Aber welch ein trauriger Verfall. Der Priester, mit dem
schwarzen Turban, beklagt sich, daß er seine wunderbare
Moschee in Staub zusammenfallen sehen muß. »Schon lange«, sagt
er, »habe ich meinem Kinde verboten, herumzulaufen, damit
keine Erschütterung hervorgerufen wird. Täglich höre ich etwas
fallen, höre die Glasuren fallen . . . Zu der Zeit, in der wir
leben, nehmen die Großen kein Interesse daran, und ebenso das
Volk . . . Was soll man dabei machen?« Und er führt die Rose
an seine abgemagerten, wachsgelben Nasenflügel.
In ihrer Gesellschaft war man umgeben von einem Traum aus
alten Zeiten, von einem unwandelbaren Frieden, und zwar in dem
Maße, daß uns beim Hinaustritt aus den schönen,
silberziselierten Türen die Allee der Platanen, durch die
einige lebende Wesen, einige Reiter, einige Züge von Eseln und
Kamelen ziehen, modern, ja belebt erscheint . . .
Vor Hereinbruch der Nacht bleibt mir noch ein wenig Zeit,
um auf dem großen Platz haltzumachen, wo die religiöse Stunde
des Moghreb mit einer Zeremonie verbunden ist, die aus dem
ganz alten Islam stammt, die auf die uranfängliche Religion
der Magier zurückzuführen ist. Die kaiserliche Moschee war
während des ganzen Tages ein einziges Blau, sobald sie sich
aber unter den Strahlen der untergehenden Sonne für eine kurze
Minute in ein starkes Violett verwandelt, erscheint ein
Orchester am anderen Ende des Platzes, in einer Loggia
oberhalb des großen Portales, das der gelben, glasierten
Moschee gegenüber liegt: gewaltige Trommeln und lange
Trompeten, wie in den Tempeln Indiens. Nach
vieltausendjähriger Überlieferung bietet man der Sonne
Persiens, genau in dem Augenblick, wo sie stirbt, einen Gruß
dar. Wenn die Strahlen erlöschen, ertönt die Musik, plötzlich
und wild; laute, hohle Schläge, die sich überstürzen, der Lärm
eines nahen Gewitters, der sich über den ganzen, jetzt bald
verödeten Platz ergießt, wo nur noch einige Karawanen am Boden
liegen, und die Trompetenstöße gleichen dem Gebrüll eines
Tieres, das sich vor dem fliehenden Licht im Todeskampf windet
. . . Morgen früh werden die Musikanten auf denselben Platz
hinaufsteigen, um der aufgehenden Sonne ein lärmendes
Morgenständchen darzubringen . . .
– Und also tut man auch am Ufer des Ganges, derselbe Gruß,
der der Geburt und dem Sterben dieses herrschenden Gestirns
das Geleite gibt, hallt zweimal täglich über ganz Benares
wider . . .
In der Dämmerung, nachdem man in das russische Haus
zurückgekehrt, nachdem die Tür geschlossen ist, erinnert
nichts an Ispahan, bis morgen hat man von Persien Abschied
genommen. Und es ist ein seltsamer Eindruck, sich plötzlich in
einem liebenswürdigen, verfeinerten Winkel Europas
wiederzufinden: der Fürst und die Fürstin sprechen unsere
Sprache wie die ihre; den Abend verbringen wir im Kreise,
geschart um das Klavier, und man weiß wirklich nicht, daß ganz
in der Nähe eine fremde Stadt und die Wüsten liegen, die uns
von der zeitgenössischen Welt trennen.
Das einzige, was ich diesem Hause, der offenen, anmutigen
Gastfreundschaft vorzuwerfen habe, das sind die Hunde, die es
bewachen, ein halbes Dutzend dieser boshaften Tiere verfolgen
mich noch immer als Wegelagerer; und wenn ich einmal nach
Hereinbruch der Nacht, mit der Meute hinter mir drein, die
Allee des Gartens, die hundert Meter lange Rosenallee, die
meine Wohnung von dem Hause meiner Wirte trennt, durchkreuze,
so ist dies ein weit gefährlicheres Abenteuer, als durch die
Wüsten des Südens, von woher ich komme, zu ziehen.