Reise durch Persien

Reise durch Persien

1925 n.Chr.

Pierre Loti

Inhaltsverzeichnis

Vierter Teil

Montag, 14. Mai

Der Schah-Abbas wollte auch, daß seine Hauptstadt mit unvergleichlichen Gärten, mit wunderbaren Alleen geschmückt sei. Der Weg Tscharbag, eine der Straßen, die nach Djoulfa führt, und die der herrlichen Brücke folgt, auf der wir den ersten Tag zur Stadt hineinritten, war einst eine Promenade, wie es keine zweite auf Erden gab, man könnte sie die Champs-Elysée von Ispahan nennen, eine vierfache Plantagenreihe, eine halbe Meile lang, die drei gerade Alleen bildet; die Allee in der Mitte, für Reiter und Karawanen bestimmt, mit großen, regelmäßigen Fliesen gepflastert, die seitwärts gelegenen Alleen in ihrer ganzen Ausdehnung durch Springbrunnen, blühende Beete, durch Rosenhecken begrenzt, und am Rande, zu beiden Seiten, hatte man die offenen PalästeDiese Paläste, mit ihren Balkons, waren in erster Linie für die Frauen des Harems bestimmt, man erbaute acht und nannte sie: Die »Acht Paradiese«. erbaut, deren Mauern ganz mit Fayencen bekleidet, deren Decken mit Arabesken und vergoldetem Stalaktit geschmückt waren. Als bei uns der Hof des Sonnenkönigs von Anmut und Reichtum wiederstrahlte, war der Hof des Schahs von Persien der einzige, der sich mit ihm messen konnte. Kurz bevor Ispahan von den Barbaren des Westens überflutet wurde, erreichte es den Höhepunkt seines Glanzes, seiner verfeinerten Ausschmückung, und Tscharbag war der Ort, wo sich alle Anmut – wie sie nicht einmal Versailles gesehen haben kann – zusammenfand. Zu den Stunden der Parade strömten die verschleierten Schönen auf den Terrassen der Paläste herbei, um ihren Herren zuzuschauen, die auf den weißen Fliesen, zwischen den beiden, die Allee abgrenzenden Rosenhecken ihre Rosse tummelten. Die stolzen Pferde mit dem vergoldeten Sattelzeuge galoppierten in edler Haltung dahin, sie zeigten die starke Biegung des Halses, wie sie die Perser noch heute bei ihren Pferden erstreben. Und die schlanken Reiter trugen sehr enge, sehr anschmiegende Kleider aus Kaschmir oder aus golddurchwirktem Brokat; sie trugen Ringe und Armbänder, und ihr hoher Kopfputz war mit Agraffen geschmückt, sie glitzerten von Edelsteinen; die Fresken und die alten Miniaturen haben uns die Einzelheiten ihrer ein wenig dekadenten Moden überliefert, die in gutem Einklang mit dem ganzen Lebensbild jener Zeit, mit der wunderbaren, zarten Ausschmückung der Paläste, mit der unendlichen Duchsichtigkeit der Luft, mit dem großen Blütenreichtum standen.

Tscharbag, so wie es heute in der Sonne an diesem schönen Maienmorgen vor mir liegt, mutet es mich unsagbar traurig an, ein fast verödeter Verbindungsweg zwischen den beiden Trümmerhaufen Ispahan und Djoulfa. Die mehr als dreimal hundert Jahre alten Platanen sind zu Riesen herangewachsen, die absterben, die ihrer Krone beraubt sind. Die Fliesen zeigen große Risse, traurig schießt das Gras dort hervor. Die Wasserbassins sind ausgetrocknet oder haben sich in stagnierende Sümpfe verwandelt. Die blühenden Beete sind verschwunden, und die letzten Rosen bilden nur noch ein wildes Gestrüpp. Jeder, der Lust hat, kann die wenigen, noch aufrechtstehenden Paläste betreten, wo die empfindlichen Wände zu Staub zerfallen, und wo die Afghanen aus Fanatismus bei ihrer Ankunft die Gesichter der schönen, gemalten Damen auf den Fayencetafeln zertrümmert haben. Mit seinen noch lebenden Alleen ist Tscharbag, – der Zeuge eines ruhmvollen Jahrhunderts, das dem unseren noch nicht so fern liegt –, weit mehr von Heimweh befallen, als die Trümmer aus der ganz alten Vergangenheit.

Nach unserem Besuch, den wir der großen toten Allee abstatteten, kehren wir ins Innere von Ispahan zurück; unser Weg geht durch die Basare, wo es immer wundervoll kühl und schattig ist. Dort führte mich mein Begleiter zuerst zu den Seidenwebern, die die Brokatstoffe für die Feierkleider, die TaffetseidenEs ist bekannt, daß der Taffet aus Persien kommt, ebenso wie sein Name. anfertigen; im Hintergrunde trauriger, tief gelegener Wohnungen, in die nur ein wenig Licht aus der überdachten dunklen Straße fällt, sind die Webstühle aufgestellt. Und dann gelangen wir zu den Leuten, die die in den Oasen der Umgegend geerntete Baumwolle verarbeiten, und dann zu denen, die nach einem uralten Verfahren diese Stoffe mittels großer Platten aus graviertem Holz bedrucken. Es herrscht auch hier fast vollständiges Dunkel in dem unterirdischen Gemach, wo man die vielen tausend Wandbehänge (die stets das Portal einer Moschee darstellen) färbt, um sie dann, wie es seit undenkbaren Zeiten geschah, in dem Fluß zu spülen, und sie in der schönen Sonne, auf dem weißen Kies der Ufer zu trocknen.

Wir beschließen unsere Wanderung in dem Viertel der Fayencearbeiter; sehr eifrig sind diese noch damit beschäftigt, nach alten, unveränderten Mustern Blumen und Arabesken auf die Steine zu klecksen, die für die neuen persischen Häuser bestimmt sind. Aber weder diese Farben, noch die Glasur können mit denen der alten Kacheln verglichen werden. Besonders gibt es das Blau nicht mehr, das leuchtende, tiefe, fast übernatürliche Blau, das die Kuppeln der alten Moscheen in der Ferne wie Blöcke kostbarer Steine erscheinen ließ. Der Schah-Abbas, der die Kunst der Fayencen so allgemein bekannt gemacht hat, führte aus dem Innern Indiens und aus China seltene Kobalt- und Indigofarben ein, die man dann, nach einem heute nicht mehr bekannten Verfahren, einbrannte. Er hatte auch aus Europa und aus Peking Meister der Zeichenkunst zu sich entboten, und diese stellten, trotz des Korans, menschliche Gesichter neben die persischen Verzierungen. – So läßt es sich auch erklären, daß die glasierten Wandflächen in dem Hause des Fürsten Frauen der westlichen Renaissance mit Mediciskragen zeigen, und wieder andere Frauen mit ganz kleinen, geschlitzten Augen, die auf chinesische Art voller Anmut schön tun.

Meine beiden mit Stöcken bewaffneten Soldaten und mein schöner galonierter Kosak langweilen mich wirklich. Heute nachmittag habe ich mich entschlossen, sie mit Dank fortzuschicken und alleine umherzustreifen. Und was man mir auch sagen mag, ich will versuchen, mich jetzt, wo ich allmählich in Ispahan bekannt bin, auf einer der kleinen Bänke der Teehändler, am Ufer eines kühlen Baches des kaiserlichen Platzes, auf der schattigen Seite niederzulassen. Ich wußte es: man bringt mir ganz freundlich meine winzige Tasse Tee, meine Kalyan und eine Rose; mit meinen Freunden, den Muselmännern, wird man sich immer verständigen können, wenn man es nur anzufangen weiß.

Die Maiensonne brennt seit zwei oder drei Tagen wie Feuer hernieder, man sehnt sich nach dem kühlen Hauch des fließenden Wassers vor den kleinen Cafés, nach der Ruhe im Schatten der Zelte, oder der jungen Bäume. Es ist zwei Uhr; in der Mitte des ungeheuren Platzes, den eine Flut von weißem Licht überschwemmt, liegen nur einige nachlässig ausgestreckte Esel, knien nur einige Kamele im Staube. An beiden Enden des erhabenen, des toten Platzes, erheben sich die beiden großen Moscheen Ispahans und begrüßen sich aus weiter Ferne, sie lassen ihre bunten Kuppeln, ihre seltsamen, mit Arabesken verzierten Spindeln in den hellen Sonnenstrahlen leuchten: die eine sehr alt, sehr heilig, die Freitagsmoschee, ist mit gelbem Gold bekleidet, das durch ein wenig Grün noch mehr hervorgehoben wird; die andere, die Königin allen Blaus, des tiefen Blaus und des blassen Himmelblaus, ist die kaiserliche Moschee.

Bei Sonnenuntergang lenke ich meine Schritte nach der alten theologischen Schule der Muselmänner, »die Schule der Mutter des Schahs« genannt; der Fürst D... war so gütig gewesen, mir eine Begleitung zu geben, die mich bei dem leitenden Priester einführen konnte.

Es ist nicht nötig zu fragen, wer die breite, gerade Allee, die dorthin führt, erbaut hat: Natürlich der Schah-Abbas, stets der Schah-Abbas; alles, was in Ispahan von den winkeligen Gäßchen, wie man sie in den persischen Städten sieht, abweicht, war das Werk dieses Fürsten. Die schöne Allee wird von hundertjährigen Platanen eingerahmt, man hat ihre unteren Zweige nach persischer Art beschnitten, um ihre weißen, elfenbeinernen Stämme noch höher erscheinen zu lassen, und so gleichen sie, die sich erst nach dem Gipfel zu ausbreiten, erst dort oben dicht belaubt werden, in der Tat langen, schlanken Säulen. Zu beiden Seiten des Weges öffnen sich verfallene Tore, einst wurden sie von Fayencen eingerahmt, über sie hinaus ragt als Wappen Irans: Ein Löwe, der ein Schwert vor die Sonne hält.

Diese Universität – sie ist drei Jahrhunderte alt, und ihr Lehrplan ist derselbe, wie am ersten Tage – wurde mit einem Pomp erbaut, der diesem Volk der Denker und der Dichter, das seit alten Zeiten die Bildung des Geistes in Ehren hielt, würdig ist. Man wird sofort von dem wunderbaren Eingang geblendet; in einer glatten, weiß und blau emaillierten Mauer ist eine Art riesengroße Vertiefung eingelassen, eine Art Höhle, zu der sich ein hoher Spitzbogen öffnet, das Innere ist mit einem Regen von blauem und gelbem Stalaktit überzogen. Die Tür zeigt zwei Flügel aus Zedernholz, wohl fünfzehn bis achtzehn Fuß hoch, sie sind von oben bis unten mit einer feinen, silbernen Panzerung bedeckt, mit getriebenem, ziselierten Silber, durch dessen Netz von Arabesken und Rosen sich purpurrote religiöse Inschriften hindurchziehen. Diese Kunstarbeiten haben selbstverständlich unter dem Zahn der Zeit, unter der afghanischen Verheerung gelitten, sie sind abgenutzt, verbeult, stellenweise abgerissen, sie erinnern in traurigster Weise an eine nie wiederkehrende Zeit des wahnsinnigsten Luxus und der ausgesuchtesten Verfeinerung.

Wenn man durch dies ausgezackte Gewölbe in einen monumentalen Vorhof tritt, auf den der Garten folgt, sieht man, wie sich das Gerinnsel des Stalaktit in regelmäßige Arme teilt, die an den inneren Mauern herunterlaufen, ihre Emaillen zeigen ein phantastisches blaues Laubwerk, das von Inschriften, von alten Sprüchen in bläulichen, in weißen Buchstaben durchzogen wird; im Hintergrunde liegt der Garten, von einer gewaltigen Fayencebucht eingeschlossen; ein trauriges Eden, wo die Rosensträuche, die Rosenbüsche im Schatten der dreihundert Jahre alten Platanen blühen. Zu beiden Seiten des Pfades, der zu irgendeinem Zauberschloß zu führen scheint, haben die bescheidenen, kleinen Zuckerwerk-, Erdbeeren- und Teehändler ihre Tische, ihre rosengeschmückten Platten aufgestellt. Und wir begegnen einer Schar Studenten, die das Schulgebäude verlassen, junge Leute mit fanatischem, eigensinniges Blick, mit dunklen Gesichtern unter den großen Priesterturbanen.

Der Garten ist ein Viereck, wird von wohl fünfzig Fuß hohen glasierten Mauern eingeschlossen, und ehrwürdige Platanen, die so groß wie Affenbrotbäume sind, bedecken ihn mit ihren Zweigen und hüllen ihn in ihren grünen Schatten ein. In der Mitte steht ein Springbrunnen, liegt ein Marmorbassin, und überall zu beiden Seiten der kleinen Alleen mit ihren grünlichen Kacheln vereinen sich die beiden Blumenarten, die man stets in allen persischen Gärten sieht: die echten süßduftenden rosenroten Rosen und die einfachen weißen Heckenrosen. Rosenhecken und Rosensträucher strecken ihre überschlanken Zweige unter dem Druck der hohen blauen Mauern und der alten Platanen unendlich weit von sich, sie umklammern die gewaltigen Stämme und fallen gleichsam tränend zurück, immer aber sind sie unermüdlich im Blühen. Da der Zutritt zu diesem Platz allen vorübergehenden Muselmännern gestattet ist, so sieht man hier die braven Leute aus dem Volk, die von der Kühle und dem Schatten angelockt wurden, auf den Fliesen sitzen oder liegen und ihre Kalyan rauchen, deren kleine, vertraute, glucksende Töne man von allen Seiten hört. Und von oben dringt das Gezwitscher der gefiederten Welt zu uns herab; die Zweige sind voll von Nestern; Meisen, Buchfinken, Spatzen haben diesen ruhigen Zufluchtsort zu ihrer Wohnstätte ausersehen, und auch die Schwalben haben überall an allen Dächern ihre Nester angeklebt. Diese Mauern, die den Garten einschließen, werden von oben bis unten von einer einzigen, unendlichen, ganz blauen Mosaikfläche bekleidet, und darauf baut sich eine dreireihige Bogenöffnung auf, durch die das Licht in die Zellen fällt, wo die jungen Priester ihren einsamen Gedanken nachhängen. Je in den vier Wänden des rechteckigen Platzes nimmt ein gewaltiger Spitzbogen die Mitte ein, er gleicht dem Eingangstor und zeigt ein Gewölbe, an dem die Fayencetröpfchen herniederfließen, in dem Eiszapfen in Lapislazuli und safrangelber Farbe leuchten.

Und der Spitzbogen im Hintergrunde ist der prächtigste von allen vieren, er wird auf beiden Seiten von Minaretts geschmückt, jenen blauen Spindeln, die in den Himmel hinaufragen; er führt zu der Moschee der Schule, deren turbanartige Kuppel man dort oben über dem alten Gezweig erglänzen sieht. In den Minaretts schlängeln sich in spiralförmigen Windungen von unten lange religiöse Inschriften aus weißer Glasur hinauf bis zur Spitze, wo sie in einer Flut von Licht gebadet daliegen; die Kuppel ist übersät mit gelben Emailleblumen, mit grünem Emaillelaubwerk, die wie im Kaleidoskop ihre unentwirrbaren Linien über die blauen Arabesken ziehen. Wenn man das Auge über den Schatten, der hier unten herrscht, erhebt, so sieht man durch das hohe Blätterdach, unter dem das Alter und der Verfall verborgen liegt, an einem klaren Himmel die ganze Pracht der Juwelen glitzern, und die großen, lichtreichen Wellen der persischen Sonne fluten darüber hin.

Alter und Verfall, sobald man nur näher hinsieht; eine letzte Täuschung läßt uns an wunderbare Herrlichkeiten glauben, aber auch sie wird nur noch wenige Jahre leben; die Kuppel ist gespalten, die Minaretts werden ihres feinen, durchsichtigen Schmuckes beraubt, und die glasierte Bekleidung, deren Farbe heute noch so leuchtend ist wie im großen Jahrhundert, fällt schon an vielen Stellen ab, graue Steinflächen, Löcher und Risse kommen zum Vorschein, in denen das Gras, die wilden Pflanzen wuchern. Ich habe den Eindruck, als wenn dies alles hoffnungslos dahinschwindet, dahinschwindet wie das alte, bezaubernde Persien, ohne daß es je wieder hergestellt werden könnte.

Auf kleinen, steilen, dunklen Treppen, wo mehr als eine Stufe fehlt, steigen wir zu den Zellen der Studenten hinauf. Die meisten liegen schon lange verlassen da, angefüllt mit Asche, Vogelschmutz, Eulenfedern; nur in einigen wenigen zeigen alte, heilige Manuskripte, zeigt ein Gebetsteppich, daß man hier noch hineintritt, um sich zu sammeln. Diese Zellen haben zum Teil Aussicht auf den schattenreichen Garten, auf seine grünlichen Fliesen und seine Rosengebüsche, auf das ganze kleine, traurige Gehölz, wo man das Lied der Vögel und das ruhige Plätschern der Kalyan hört; zum Teil blicken sie auf die weite Ebene, auf das Weiß der Mohnfelder, das am Horizont durch einen schmalen Strich der Wüste abgeschnitten wird, auf ein anderes silberhelles Weiß dort hinten: die Schneegefilde der Gipfel. Welch einen wunderbaren Zufluchtsort bieten diese Zellen, umgeben von der Ruhe dieser Trümmerstadt, umgeben von der Einöde, allen denen, die sich den Träumen des orientalischen Mystizismus hingeben wollen . . .!

Ein Gewirr von Treppen und Gängen führt uns zu dem alten Priester, der dies Schemen von einer Schule leitet. In dem Schatten einer blauen, glasierten Grotte liegt seine Wohnung, eine Art Loggia mit einem Balkon, von wo aus er das ganze Innere der Moschee beherrscht. Und es ist ein ergreifender Eindruck, plötzlich dies Heiligtum, diese Gebetsnische erscheinen zu sehen, Dinge, von denen ich glaubte, daß sie mir, dem Ungläubigen, stets verborgen bleiben würden. Der hagere, blasse Priester in schwarzem Kleid, mit schwarzem Turban, sitzt auf einem Gebetsteppich, und ihm zur Seite sein Sohn, ein Kind von zwölf Jahren, gleichfalls in Schwarz gekleidet, mit einem kleinen, schwärmerischen Gesicht, das unter dem heiligen Schatten seine Farbe verloren hat; zwei oder drei ernste Greise hocken daneben, jeder hält eine Rose in der Hand, mit derselben ein wenig gezierten Anmut, die den Figuren auf den alten Miniaturen eigen ist. Sie träumten oder besprachen heilige Dinge; nach tiefen Verbeugungen und langen Höflichkeitsreden bietet man uns Kissen an, bringt uns Kalyans, Tee, und dann beginnt die Unterhaltung, wir sprechen langsam, sie riechen an ihren Rosen mit greisenhafter Geziertheit, oder verfolgen mit starrem Auge den Sonnenstrahl, der an den wunderbaren Glasuren im Hintergrunde des Heiligtums hinabsickert. Die Schattierungen dieser Moschee, das Glitzern dieser Wände halten mich davon ab, dem Gespräch zu folgen; ich glaube durch ein bläuliches Eis, in den kristallisierten, aus Stalaktit erbauten Palast eines unterirdischen Geistes hineinzusehen. Lapislazuli und Türkis in ewiger Abwechslung, eine Apotheose des Blaus. Die Ströme kleiner, blauer Eiszapfen, kleiner, blauer Prismen fließen von der Kuppel herab und überfluten an einzelnen Stellen die vielen blauen Muster der Wände . . . In ihren Einzelheiten erscheint die Zeichnung unentwirrbar, aber sie ruft doch als Ganzes den Eindruck der Einfachheit und der Ruhe hervor: dies ist, wie überall, das große Geheimnis der persischen Kunst

Aber welch ein trauriger Verfall. Der Priester, mit dem schwarzen Turban, beklagt sich, daß er seine wunderbare Moschee in Staub zusammenfallen sehen muß. »Schon lange«, sagt er, »habe ich meinem Kinde verboten, herumzulaufen, damit keine Erschütterung hervorgerufen wird. Täglich höre ich etwas fallen, höre die Glasuren fallen . . . Zu der Zeit, in der wir leben, nehmen die Großen kein Interesse daran, und ebenso das Volk . . . Was soll man dabei machen?« Und er führt die Rose an seine abgemagerten, wachsgelben Nasenflügel.

In ihrer Gesellschaft war man umgeben von einem Traum aus alten Zeiten, von einem unwandelbaren Frieden, und zwar in dem Maße, daß uns beim Hinaustritt aus den schönen, silberziselierten Türen die Allee der Platanen, durch die einige lebende Wesen, einige Reiter, einige Züge von Eseln und Kamelen ziehen, modern, ja belebt erscheint . . .

Vor Hereinbruch der Nacht bleibt mir noch ein wenig Zeit, um auf dem großen Platz haltzumachen, wo die religiöse Stunde des Moghreb mit einer Zeremonie verbunden ist, die aus dem ganz alten Islam stammt, die auf die uranfängliche Religion der Magier zurückzuführen ist. Die kaiserliche Moschee war während des ganzen Tages ein einziges Blau, sobald sie sich aber unter den Strahlen der untergehenden Sonne für eine kurze Minute in ein starkes Violett verwandelt, erscheint ein Orchester am anderen Ende des Platzes, in einer Loggia oberhalb des großen Portales, das der gelben, glasierten Moschee gegenüber liegt: gewaltige Trommeln und lange Trompeten, wie in den Tempeln Indiens. Nach vieltausendjähriger Überlieferung bietet man der Sonne Persiens, genau in dem Augenblick, wo sie stirbt, einen Gruß dar. Wenn die Strahlen erlöschen, ertönt die Musik, plötzlich und wild; laute, hohle Schläge, die sich überstürzen, der Lärm eines nahen Gewitters, der sich über den ganzen, jetzt bald verödeten Platz ergießt, wo nur noch einige Karawanen am Boden liegen, und die Trompetenstöße gleichen dem Gebrüll eines Tieres, das sich vor dem fliehenden Licht im Todeskampf windet . . . Morgen früh werden die Musikanten auf denselben Platz hinaufsteigen, um der aufgehenden Sonne ein lärmendes Morgenständchen darzubringen . . .

– Und also tut man auch am Ufer des Ganges, derselbe Gruß, der der Geburt und dem Sterben dieses herrschenden Gestirns das Geleite gibt, hallt zweimal täglich über ganz Benares wider . . .

In der Dämmerung, nachdem man in das russische Haus zurückgekehrt, nachdem die Tür geschlossen ist, erinnert nichts an Ispahan, bis morgen hat man von Persien Abschied genommen. Und es ist ein seltsamer Eindruck, sich plötzlich in einem liebenswürdigen, verfeinerten Winkel Europas wiederzufinden: der Fürst und die Fürstin sprechen unsere Sprache wie die ihre; den Abend verbringen wir im Kreise, geschart um das Klavier, und man weiß wirklich nicht, daß ganz in der Nähe eine fremde Stadt und die Wüsten liegen, die uns von der zeitgenössischen Welt trennen.

Das einzige, was ich diesem Hause, der offenen, anmutigen Gastfreundschaft vorzuwerfen habe, das sind die Hunde, die es bewachen, ein halbes Dutzend dieser boshaften Tiere verfolgen mich noch immer als Wegelagerer; und wenn ich einmal nach Hereinbruch der Nacht, mit der Meute hinter mir drein, die Allee des Gartens, die hundert Meter lange Rosenallee, die meine Wohnung von dem Hause meiner Wirte trennt, durchkreuze, so ist dies ein weit gefährlicheres Abenteuer, als durch die Wüsten des Südens, von woher ich komme, zu ziehen.

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