Dritter Teil
Sonnabend, 12. Mai
Bei Sonnenaufgang brechen wir endlich nach Ispahan auf.
Eine Stunde lang reiten wir durch eine traurige kleine Wüste,
deren Boden aus braunen Lehmhügeln und Tälern besteht –
zweifellos liegt die Wüste hier, um die Stadt der blauen
Glasur mit ihrer frischen Oase doppelt schön erscheinen zu
lassen.
Und dann, wie auf dem Theater, wenn der Vorhang aufgeht,
teilen, trennen sich zwei einzeln dastehende Hügel; und das
dahinterliegende Paradies entfaltet sich langsam vor unseren
Augen. Zuerst sieht man Felder mit hohen weißen Blumen, und
nach der Einförmigkeit der erdigen Wüste leuchten uns diese
wie Schnee entgegen. Dann folgen mächtige Baumgruppen –
Pappeln, Weiden, immergrüne Eichen, Platanen –, und zwischen
den Bäumen hindurch leuchten all die blauen Kuppeln, all die
blauen Minaretts von Ispahan auf . . . Ein Wald und eine Stadt
zugleich. Dies Maiengrün ist noch üppiger als bei uns, ist von
wunderbarer Frische, aber besonders ist es diese blaue Stadt,
diese Stadt von Türkis und Lapislazuli, die unter den Strahlen
eines Morgenhimmels so seltsam unwahrscheinlich, so zauberhaft
schön wie eine alte orientalische Sage daliegt.
Ungezählte kleine Kuppeln aus rosenrotem Lehm tauchen
zwischen den Zweigen auf, aber alles, was ein wenig höher in
den Himmel hinaufragt, die schlanken, gleich Spindeln
gewundenen Minaretts, die ganz runden Kuppeln, diese auf
gebauchten Kuppeln, die Turbanen gleichen, und in einer Spitze
enden, die majestätischen Kuppeln der Moscheen, die
Mauervierecke mit ihren spitzbogigen Toren, dies alles
glitzert, flimmert in so kräftigen, wunderbaren, blauen Tönen,
daß man unwillkürlich an Edelsteine, an Paläste aus Saphiren,
an eine überirdische zauberhafte Pracht erinnert wird. Und in
der Ferne beherrschen, verteidigen die Schneegefilde diese
hochgelegene, heute vereinsamte Oase, die zu ihrer Zeit doch
der Mittelpunkt aller Herrlichkeiten, aller Wunder der Welt
war.
Ispahan! . . . Aber welches Schweigen herrscht in seinem
Umkreise! . . . Bei uns, außerhalb einer großen Stadt, sieht
man noch kilometerlange Strecken mit rußfarbenen
Schmutzhaufen, mit Kohlen, mit lärmenden Maschinen, vor allem
aber mit dem Netz der Eisenbahnlinien bedeckt, die eine
törichte Verbindung mit der übrigen Welt herstellten.
Ispahan, einsam und entlegen ragt es in seiner Oase auf,
und nicht einmal Fußsteige scheinen dorthin zu führen. Große,
verlassene Friedhöfe, wo Ziegen grasen, klare Bäche, die
ungehemmt dahineilen, über die man keine Brücke geschlagen
hat, alte eingefallene krenelierte Mauern, das ist alles.
Lange suchen wir zwischen den Trümmerhaufen der Wälle,
zwischen den fließenden Gewässern nach einem Durchgang und
wagen uns schließlich vorwärts, auf einem geraden Pfade, der
von zwanzig Fuß hohen Mauern eingeschlossen wird, der uns
keine Aussicht gewährt und durch den mitten hindurch ein
kleiner Bach fließt. Er gleicht einer langen Mausefalle und
mündet in einen großen Platz, wo die summenden Stimmen der
Menge ertönen, Käufer, Verkäufer, gespensterhafte Frauen,
Tscherkessen mit anschließenden Waffenröcken, syrische
Beduinen, die mit den Karawanen aus dem Osten gekommen sind
(ihre Köpfe erscheinen von gewaltigem Umfang durch die darum
gewickelten Seidenstoffe), Armenier, Juden . . . Auf der Erde,
im Schatten der Platanen, liegen ganze Haufen von Teppichen,
Decken, Sätteln, von alten Burnussen oder alten Hüten; im
Vorübergehen treten die Esel mit ihren Füßen darauf –
gleichfalls unsere Pferde, die sich jetzt ängstigen. Aber noch
haben wir nicht die Stadt der blauen Minaretts erreicht. Dies
ist nicht das Ispahan, das wir beim Verlassen der Wüste sahen,
und das uns in der klaren Morgenluft so nahe erschien; das
wirkliche Ispahan liegt eine Meile weiter, liegt hinter den
Mohnfeldern, hinter einem großen Fluß. Hier haben wir es nur
mit einer armenischen Vorstadt zu tun, mit der profanen
Vorstadt, in der alle Fremden, die nicht der mohammedanischen
Religion angehören, wohnen dürfen. Und diese bescheidenen,
fast ganz verfallenen Viertel, mit der großen armen
Bevölkerung, das sind die Überreste des Djoulfa, das am Ende
des sechzehnten Jahrhunderts, unter dem Schah Abbas, groß und
mächtig war. (Es ist bekannt, daß dieser ruhmreiche Herrscher
– allerdings durch ein etwas gewaltsames Verfahren – von den
nördlichen Grenzen eine ganze armenische Kolonie kommen ließ,
um sie hier am Fuße seiner Hauptstadt anzusiedeln, später
überhäufte er sie mit Vorrechten, und so wurde diese
handeltreibende Vorstadt eine Quelle großer Reichtümer für das
Kaiserreich. In den darauffolgenden Jahrhunderten, unter
anderen Schahs, sah sich diese immer wachsende armenische
Ansiedlung bedrängt, verfolgt, auf jede Weise unterdrücktNeben
den Erpressungen und Gewalttätigkeiten, die die Armenier zu
erdulden hatten, erließ man ganz lächerliche Verordnungen
gegen sie. So wurde es ihnen verboten, bei Regenwetter, wenn
sie durchnäßt waren, die Stadt zu betreten, weil ihre Kleider
in dem großen Basar die Gewänder der Muselmänner berühren und
dann beschmutzen würden.. Heute jedoch, unter dem jetzt
herrschenden Vezir von Irak, hat sie wieder die Erlaubnis
erhalten, ihre Kirchen zu öffnen und in Frieden zu leben.)
Man drängt sich um uns, wir sollen in Djoulfa bleiben:
Christen, so erzählt man uns, dürfen nicht in dem heiligen
Ispahan wohnen. Auch werden unsere Pferde uns nicht dorthin
bringen, ihr Besitzer weigert sich; es steht nicht im
Kontrakt, folglich läßt es sich nicht machen. Armenier bieten
uns Zimmer in ihren Häusern zur Miete an. Unser Gepäck und
unsere Waffen liegen auf der Erde, und da stehen wir, umringt
von der Menge, die einen immer dichteren Kreis um uns
schließt, die immer lebhafter wird. – Nein, ich will in der
schönen, blauen Stadt wohnen, deshalb bin ich hierher
gekommen, und man soll mir keinen anderen Vorschlag machen!
Man bringe mir Maultiere oder Esel, gleichgültig was, und dann
fort aus dieser kaufmännischen Vorstadt, die nur der
Ungläubigen würdig ist.
Wie ich vorausgesehen hatte, sind die Maultiere, die man
herbeiführt, störrische, boshafte Tiere, zwei-, dreimal werfen
sie ihre Last zu Boden. Und die Leute sehen unseren
Vorbereitungen zum Aufbruch mit spöttischem Gesicht zu, mit
einem Gesicht, auf dem geschrieben steht: Man wirft sie
hinaus, und dann kommen sie zurück. Was tut das? Vorwärts auf
den schmalen Pfaden, durch die engen Gäßchen, an den dort
fließenden Bächen entlang, die in den nahen Schneegefilden
entspringen. Bald befinden wir uns von neuem in den Korn- und
Mohnblumenfeldern. Und dort liegt der Fluß von Ispahan, nur
wenig tief fließt er in seinem Bett von Kieselsteinen dahin;
er könnte als Verkehrsweg dienen, wenn er sich ins Meer
ergösse, statt in die unterirdischen Lager einzudringen und
schließlich in dem See zu münden, den wir zu Anfang unserer
Reise inmitten der Einöden haben liegen sehen; an seinen Ufern
trocknet man hunderte von diesen Wandbekleidungen, auf die man
Muster in Form eines Tempelportals druckt, und die dann ganz
Persien, die ganze Türkei überschwemmen.
Es ist eine prachtvolle, seltsame Brücke, auf der wir der
Stadt entgegenziehen; sie stammt, wie aller Luxus in Ispahan,
aus der Zeit des Schah Abbas; sie ist dreihundert Meter lang
und besteht aus zwei übereinander liegenden, spitzbogigen
Arkaden, deren graue Steine durch das herrliche Blau der
Glasur hervorgehoben werden. Gleichzeitig mit uns hält eine
Karawane ihren Einzug, eine sehr lange Karawane; sie kommt aus
den Wüsten des Westens, und ihre Kamele sind alle mit wilden
Federbüschen geschmückt. Zu beiden Seiten der Fahrstraße, die
die Mitte der Brücke einnimmt, liegen die für Fußgänger
bestimmten Wege, geschützt von anmutigen, fayencebekleideten
Bogenwölbungen; sie gleichen gotischen Klostergängen.
All die schwarzen, gespensterhaften Frauen, die auf den
überdachten Pfaden lustwandeln, halten einen Rosenstrauß in
der Hand. Rosen, überall Rosen. All die kleinen Zuckergebäck-
und Teeverkäufer am Wege haben ihre Aufsatzplatten mit Rosen
überladen, haben Rosen in den Gürtel gesteckt, und die in
Lumpen gehüllten Bettler unter den Spitzbogen entblättern die
Rosen zwischen ihren Fingern.
Die blauen Kuppeln, die blauen Minaretts, die blauen Zinnen
zeigen uns jetzt die Einzelheiten ihrer Arabesken, die den
Zeichnungen alter Gebetsteppiche gleichen. Und unter dem
wundervollen Himmel, der sich über Ispahan wölbt, tummeln sich
viele Taubenschwärme, sie fliegen auf, sie kreisen in der
Luft, sie lassen sich von neuem auf den fayencebekleideten
Türmen nieder.
Nachdem wir die Brücke überschritten haben, erreichen wir
eine große, gerade Allee, die allen unseren bis jetzt
gesammelten Eindrücken von orientalischen Städten
widerspricht. Zu beiden Seiten des Weges läuft eine Hecke von
dichten Rosenbüschen entlang; im Hintergrunde sieht man die
Gärten liegen, aber die Häuser, die vielleicht schon
verfallenen Paläste, schimmern nur undeutlich zwischen den
hundertjährigen Bäumen hindurch; das Laub ist gar zu dicht.
Diese Rosenwände, die hier auf offener Straße stehen, und die
die Vorübergehenden plündern können, haben in toller Üppigkeit
geblüht, und da jetzt die Zeit der Ernte gekommen ist, da man
jetzt an die Essenzbereitung geht, stehen die verschleierten
Frauen mit der Schere in der Hand zwischen den Büschen und
schneiden und schneiden; sie lassen einen Blätterregen
herniederfallen; überall Körbe, gefüllt mit Rosen, überall
Berge von Rosen auf der Erde . . . Erzählte man uns nicht in
Djoulfa, daß wir einen üblen Empfang haben würden in dieser
Stadt der großen Bäume und der Blumen, die so offen daliegt,
und in die man uns so ruhig hineinziehen läßt?
Aber die Eingeschlossenheit, die Beklommenheit der Ruinen
und des Geheimnisvollen wartet unser bei der ersten Biegung
des Weges. Plötzlich finden wir uns wie in Chiraz in einem
Labyrinth von verlassenen, dunklen Gäßchen, zwischen hohen,
fensterlosen Mauern wieder, und auch hier ist der Boden mit
Unrat, mit Gebeinen, mit verreckten Hunden bedeckt. Alles ist
unbewohnt, baufällig und finster; zuweilen sehen wir durch
einen Riß in der Mauer einige Häuser, aber diese können nur
Geistern und Eulen als Unterschlupf dienen. Und in der
unendlichen, grauen Eintönigkeit der Wände streuen die immer
reizvollen alten Türen mit ihren wunderbar glasierten
Einfassungen ihr Mosaik in kleinen blauen Stückchen auf die
Erde, so, wie die Bäume im Herbst ihre Blätter über den Boden
säen. Es ist kalt, und man atmet schwer zwischen diesen
Trümmern, durch die wir im Gänsemarsch dahinziehen, und mehr
als einmal verlieren wir unsere störrischen Tiere, die uns
nicht folgen wollen, aus dem Auge. Wir wandern, wir wandern
immer weiter, ohne recht zu wissen, wohin.
Unser Führer scheint auch nicht zuversichtlicher als die
Armenier in Djoulfa in bezug auf den Empfang zu sein, den man
uns wird zuteil werden lassen. Zuerst wollen wir es in den
Karawansereien versuchen, später können wir uns immer an die
Einwohner wenden . . .
Wir erreichen jetzt die großen gewölbten Schiffe der Basare
und befinden uns plötzlich mitten im Volksgewühl, hier ist es
schattig und kühl. Die Stadt kann also doch nicht überall
ausgestorben sein, denn ein lautes Gesumme dringt an unser
Ohr. Aber es ist fast dunkel, und das Kommen und Gehen der
burnusgekleideten Kaufleute, der gespensterhaften Frauen, der
Reiter, der Karawanen, das Treiben, in das man plötzlich nach
den vielen Trümmern, nach dem großen Schweigen hineingerät,
erscheint zuerst fast märchenhaft.
Die Basare Ispahans, einst die reichsten Handelsplätze
Asiens, sind eine Welt für sich. Ihre steinernen Schiffe, ihre
Reihen hoher Kuppeln verlieren sich in der Unendlichkeit, sie
kreuzen sich, bilden regelmäßige Plätze, und diese sind mit
Springbrunnen geschmückt, und sind inmitten ihres Verfalls
noch immer großartig anzusehen.
Löcher, Kloaken, ein holperiges Pflaster, auf dem man
ausgleitet; nur mühsam dringen wir vorwärts, wir werden von
den Leuten, von den Tieren gestoßen, und immer wieder müssen
wir uns mit unseren Maultieren beschäftigen, die sich in dem
seltsamen Gewühl verlieren.
Zu beiden Seiten dieser Alleen öffnen sich die
Karawansereien, sie werfen eine Flut von Licht auf den Weg.
Alle besitzen sie ihren unter freiem Himmel gelegenen Hof, wo
die Reisenden ihre Kalyan im Schatten einer alten Platane,
neben einem plätschernden Springbrunnen, zwischen den Büschen
der rosenroten, der weißen Rosen rauchen, kleine, ganz gleiche
Zimmer, die zwei oder drei übereinander liegende Stockwerke
bilden, gehen auf die inneren Gärten und erhalten ihr Licht
durch die blauglasierten Spitzbogen.
Wir haben an der Tür von drei, vier, fünf Karawansereien um
Einlaß gebeten, und immer wurde uns die Antwort zuteil, daß
alles überfüllt sei.
Hier wohnt scheinbar niemand; aber welch ein trauriges,
dunkles Schmutzloch ist dies, das am Ende eines verlassenen,
einstürzenden Stadtviertels liegt! – Um so schlimmer! Es ist
nach zwölf Uhr mittags, wir sterben vor Hunger, wir können
nicht mehr, also laßt uns hineingehen. – Außerdem weigern sich
unsere Maultiere und Maultiertreiber, ihren Weg fortzusetzen,
sie werfen alles von sich auf das Pflaster, vor die Tür, in
der einsamen, unheimlichen Straße, die unter den dicken
Gewölben fast ganz in Dunkelheit gehüllt daliegt. – »Alles ist
überfüllt«, antwortete uns der Wirt mit seinem höflichsten
Lächeln . . . Was jetzt anfangen? . . .
Ein alter Mann mit schlauem Gesicht verfolgt uns seit einem
Augenblick, jetzt nähert er sich uns und will mich im
Vertrauen sprechen: Ein Herr, der sich in Geldverlegenheit
befindet, flüstert er mir ins Ohr, hat ihn beauftragt, ein
Haus zu vermieten. Es mag ein wenig teuer sein, fünfzig Tomans
(zweihundertfünfzig Franks) im Monat, aber immerhin, wenn ich
es mir ansehen möchte . . . Und er führt mich weit, sehr weit,
eine halbe Meile durch Trümmer- und Schutthaufen hindurch, um
schließlich, am Ende einer Sackgasse, eine wurmstichige Tür zu
öffnen, die in eine Totengruft zu führen scheint.
Ach! Welch eine wunderbare Wohnung ist dies! Ein Garten,
oder vielmehr ein Nest von Rosen: schlanke Rosenstämme, hoch
wie Bäume, Kletterrosen, die die Mauern unter einem Netz von
Blüten verbergen. Und im Hintergrunde liegt ein kleiner Palast
aus Tausendundeiner Nacht, mit einer langen, schlanken
Säulenreihe, in altem persischen Stil, der noch von der
achämenidischen Architektur, von dem Glanz des Königs Darius
erzählt. Im Innern herrscht der alte, sehr reine Orient; ein
hoher Saal, einst Weiß mit Gold, jetzt aber in Elfenbeinton,
durch ein verblaßtes Purpurrot belebt. An der Decke sieht man
ein Mosaik aus winzig kleinen Spiegelteilchen zusammengesetzt,
es leuchtet mit dem Glanz getrübten Silbers, und dann die
Behänge jener unvermeidlichen Ornamente der persischen
Paläste, sie gleichen Perlen aus Stalaktit oder ungezählten
Bienenzellen. Die Diwane sind mit graugrüner Seide bedeckt, in
die ein altmodisches Muster von roten Flammen hineingewebt
ist. Kissen, Teppiche aus Kerman und Chiraz. Im Hintergrunde
gewähren die Türen, deren Bogen gleichsam aus Stalaktit
ausgezackt zu sein scheinen, einen Blick in eine begrenzte
Ferne, wo es bereits dunkelt. Und über diesem allen liegt der
beunruhigende Reiz des Verfalls, des Geheimnisvollen, des
Abenteuerlichen. Und in den süßen Hauch der Rosen mischt sich
der unbestimmte Duft der Haremessenzen, mit denen alle Stoffe
durchtränkt sind . . .
Schnell will ich meine Leute und mein Gepäck herbeiholen,
während der gute Kerl seinen Herrn benachrichtigt, daß der
Handel zu jedem beliebigen Preis geschlossen ist. Für mich,
den durchreisenden Fremden, ist es ja ein ungeahnter
Zeitvertreib, ein solches Haus zu bewohnen, das in einer Stadt
wie Ispahan, umgeben von den Ruinen, in Schweigen gehüllt,
daliegt!
Aber ach! Bald höre ich in der Straße jemanden hinter mir
herlaufen; es ist der brave Alte, der mir ganz bestürzt
zuruft: Der Herr in Geldverlegenheit lehnt das Anerbieten mit
Entrüstung ab. »Christen!« – hat er geantwortet, »nicht für
tausend Tomans den Tag; sie sollen sich scheren, nach Djoulfa
oder zum Teufel!«
Es ist halb zwei Uhr. Wir sind mit jedem beliebigen Lager
zufrieden, wenn wir uns nur im Schatten ausruhen und zu einem
Ende kommen können.
In einem Hause armer Leute, über einem Hof, wo zerlumpte
Kinder herumwimmeln, will uns eine alte Frau ein Hundeloch
vermieten, vier aus Stampferde errichtete Mauern und ein Dach
aus Zweigen, weiter nichts; zuerst aber muß sie bei ihrem
Vater die Erlaubnis einholen, und das ist äußerst umständlich,
denn der Greis ist schon kindisch, ist blind und taub, und
unendlich lange dauert es, bis man ihm erst ins eine, dann ins
andere Ohr die ganze Geschichte hineingetutet hat.
Kaum hatten wir uns dort oben zur Ruhe hingelegt, als ein
ohrenbetäubender Lärm zu uns hinaufdrängt und uns stört: Der
Hof ist voller Leute, ebenso die Straße; und wir sehen die
alte Frau schluchzend in der Menge stehen, die auf sie
einschreit und mit Fäusten droht.
– Was bedeutet dies? fragt man sie, sie beherbergt
Christen! Heraus mit dem Geld! Heraus mit ihrem Gepäck, sofort
hinaus mit ihnen!
– Nein, diesmal weichen wir nicht!
Ich lasse meine Tür verrammeln und der Menge durch einen
Herold mitteilen, daß ich weit eher bereit wäre, alle
Schrecken einer Belagerung zu ertragen, als hinabzugehen; und
dann stellen mein französischer Diener und ich uns ans Fenster
und lassen unsere Revolver blitzen, – nachdem wir sie zuvor
entladen hatten, um allen etwaigen Unglücksfällen vorzubeugen.