Alexandria
7. August 1842
Um acht Uhr früh gelangten wir glücklich an die Reede von Alexandria.
Zuerst erblickten wir nichts als Mastspitzen, hinter
welchen sich niedere Gegenstände zu verbergen schienen, die
der Oberfläche des Meeres entstiegen. Erstere bildeten sich zu
einem ganzen Wald, zwischen welchem letztere als Häuser
hervorschimmerten. Endlich sonderte sich auch Grund und Boden
von dem nassen Element, wir unterschieden Hügel, Boskette und
Gärten in der Umgebung der Stadt, deren Anblick aber nicht
sehr überraschend ist, denn eine öde große Sandfläche umgürtet
Stadt und Gärten und gewährt ein trauriges Bild.
Wir warfen die Anker zwischen dem Leuchtturm und dem neuen
Lazarett. Kein freundliches Boot durfte sich uns nahen und dem
heißersehnten Gestade zuführen; denn wir kamen aus dem Land
der Pest, um in das Land derselben einzulaufen, und dennoch
mußten wir Quarantäne halten, weil die Ägypter behaupten, die
Pest in Syrien sei bösartiger als die ihrige. Kommt man aber
aus Ägypten nach Syrien, so wird ebenfalls Quarantäne
gehalten, weil die Syrier dasselbe von der ägyptischen Pest
behaupten. Auf diese Weise muß man in jenen Ländern nur immer
Quarantäne halten, was für den Handel, die Reisenden und die
Schiffahrt ein höchst lästiges Hemmnis ist.
Hier also erwarteten wir mit Zittern den Spruch, wie lange
unsere Gefangenschaft im Lazarett dauern sollte. Endlich kam
ein Schiffchen, brachte uns zwei Quardiane (Lazarettdiener)
und mit ihnen die Anzeige, daß wir von dem Tag des Eintritts
in das Lazarett zehn Tage daselbst zu verbleiben hätten, heute
aber (es war ein Sonntag) nicht ausgeschifft werden könnten.
Nur beim englischen Paketboot wird eine Ausnahme gemacht, für
alle übrigen Schiffe haben die Beamten an einem Sonn- oder
Feiertag keine Zeit, eine wahrhaft ägyptische Einrichtung!
Kann nicht ein Beamter für diese Tage aufgestellt werden, um
die armen gequälten Reisenden zu übernehmen? Müssen wegen der
Bequemlichkeit eines Menschen oft vierzig bis fünfzig leiden
und noch einen Tag länger der Freiheit beraubt werden? Wir
kamen von Beirut, versehen mit Teschkeret (Gesundheitszeugnis)
sowohl vom Land als von unseren eigenen Personen, und wurden
dennoch auf so lange Zeit zur Kontumaz verurteilt. Aber Mehmed
Ali ist in Ägypten viel mächtiger und despotischer als der
Sultan in Konstantinopel, er befiehlt, und was blieb uns also
übrig? Wir mußten uns der Gewalt unterwerfen.
Ich konnte vom Verdeck unseres Schiffes einen großen Teil
der Stadt und ihrer öden Umgebung überschauen. Erstere scheint
ziemlich groß und ganz nach europäischer Art gebaut zu sein.
Von der Türkenstadt, die mehr im Hintergrund liegt, sieht
man nichts, ebensowenig vom eigentlichen Hafen, welcher sich
um die andere Seite der Stadt zieht und von welchem nur die
Spitzen der Masten herüberblicken. Vor allem fallen zwei hohe
Sandhügel ins Auge, auf deren einem das Fort Napoleon steht,
während auf dem andern bloß mehrere Kanonen aufgepflanzt sind;
im Vordergrund ziehen sich niedere Felsenreihen hin, an deren
einem Ende der Leuchtturm sich erhebt, während am andern die
neuen Quarantänegebäude sich entfalten. Diesen gegenüber liegt
die alte Quarantäne. Vieles ist mit kleinen Bosketten mit
Dattelpalmen umgeben, was einen sehr angenehmen Eindruck
macht, da sie für Europäer etwas Neues sind.
8. August 1842
Heute also wurden wir des Morgens um sieben Uhr abgeladen
und mit Sack und Pack in die Quarantäne geliefert.
Ich betrat nun abermals einen neuen Weltteil, nämlich
Afrika. Oft, wenn ich so einsam meinen Gedanken nachhänge,
kann ich es selbst kaum glauben, daß mich Mut und Ausdauer in
keiner Lage verließen und daß ich meinem vorgesteckten Ziel
Schritt vor Schritt entgegenging. Dies dient mir zur
Überzeugung, daß der Mensch mit festem Willen beinahe
Unmögliches leisten kann.
In der Quarantäne erwartete ich weder etwas Gutes noch
etwas Bequemliches zu finden, und leider hatte ich mich nicht
getäuscht. Der Hof, in welchen wir gewiesen wurden, war von
allen Seiten geschlossen und mit hölzernen Gittern versehen,
die Zimmer bestanden aus vier leeren Wänden, die Fenster waren
ebenfalls mit hölzernen Gittern verwahrt. Gewöhnlich werden
mehrere Personen auf ein Zimmer gewiesen und dann der Preis
desselben unter ihnen in gleiche Teile geteilt. Ich begehrte
ein Zimmer für mich allein, was man auch erhält, nur natürlich
um einen höheren Preis. Allein von einem Tisch oder Sessel
oder einem andern Möbel ist gar keine Rede; wer dergleichen
haben will, muß sich schriftlich an einen Wirt in der Stadt
wenden, der dann alles liefert, aber zu einem enorm hohen
Preis. Ebenso macht man es mit der Kost. In der Quarantäne
selbst ist kein Wirt, man muß sich alles von außen
verschreiben. Für Mittag- und Abendkost fordert ein Wirt
gewöhnlich zwischen dreißig und vierzig Piaster (in Ägypten
gilt der Piaster sechs Kreuzer) pro Tag. Dies war mir ein
bißchen zuviel, ich bestellte mir daher einige Lebensmittel
durch einen Quardian. Er versprach mir, alles genau zu
besorgen; vermutlich hatte er mich aber nicht verstanden, denn
ich wartete vergebens und erhielt am ersten Tag nichts. Am
zweiten Tag war mein Appetit maßlos, ich wußte mir gar nicht
mehr zu helfen. Ich ging also zu der arabischen Familie,
welche die Reise ebenfalls auf dem griechischen Schiff machte
und folglich mit in der Quarantäne war; ich bat die Frau um
ein Stück Brot gegen Bezahlung. Aber nicht nur Brot gab mir
diese gute Frau, sie teilte mir auch von allen Speisen mit,
die sie für sich bereiten ließ, und nahm durchaus kein Geld
dafür; im Gegenteil gab sie mir durch Zeichen zu verstehen,
ich möchte nur immer zu ihr kommen, wenn ich etwas bedürfe.
Erst am Abend des zweiten Tages, als ich sah, daß ich durch
meinen Esel von Quardian nichts erhalten konnte, wendete ich
mich an den Oberaufseher des Lazarettes, der täglich vor
Sonnenuntergang kam, uns alle besichtigte und dann in die
Zimmer sperrte. Bei ihm bestellte ich meine Lebensbedürfnisse,
die ich von nun an auch immer zur rechten Zeit bekam.
Die Quardiane waren lauter Araber, von denen kein einziger
eine andere Sprache außer Arabisch verstand oder sprach;
ebenfalls wieder eine echt ägyptische Einrichtung. Ich glaube,
in eine solche Anstalt, wo Reisende aus allen Weltgegenden
zusammenkommen, sollte doch wenigstens ein Mensch hingegeben
werden, der Italienisch versteht, wenn auch nicht spricht.
Solch ein Individuum wäre sehr leicht zu finden, da
Italienisch im ganzen Orient, besonders aber in Alexandria und
Kairo eine so heimische Sprache ist, wie ich mich später
überzeugte, daß man unter der gemeinsten Klasse genug Leute
trifft, die selbe verstehen und sprechen.
Für den Bedarf an Wasser ist ebenfalls sehr schlecht
gesorgt. Jeden Morgen gleich nach Sonnenaufgang werden einige
Schläuche Meerwasser, das zum Reinigen der Geschirre gehört,
gebracht; gegen neun Uhr früh und nachmittags um fünf Uhr
bringen einige Kamele mehrere Schläuche mit süßem Wasser, das
in zwei steinerne Tröge geschüttet wird, die im Hofe stehen.
Da füllen nun alle ihre Trink- und Kochgefäße, wobei es so
unsauber zugeht, daß man alle Lust zum Trinken verliert. Der
eine schöpft das Wasser mit schmutzigen Töpfen, der andere
langt mit seinen Händen hinein, ja einige setzten sogar ihre
schmutzigen Füße auf den Rand des Troges und wuschen sich
dieselben, daß ein Teil des Wassers von ihren Füßen wieder in
den Trog floß. Das Wassergefäß wird nie gereinigt, und so
bleibt Schmutz auf Schmutz, und man kann nur dann reines
Wasser haben, wenn man es filtriert.
Am zweiten Tag unseres Aufenthaltes wurden zu meiner
Verwunderung der Hof, die Stiege, die Zimmer usw. mit einer
außerordentlichen Sorgfalt gekehrt und gereinigt. Das Rätsel
wurde bald gelöst; der Kommissar erschien mit einem großen
Stock versehen und begab sich unter die Tür jedes Zimmers, um
hineinzusehen, ob man Wäsche, Kleider usw. aufgehangen habe,
ob die Bücher aufgeschlagen und die Briefe oder Schriften an
Bindfaden gereiht und ebenfalls aufgehangen seien. Von der
dummen Ängstlichkeit eines solchen Kommissars kann man sich
keine Vorstellung machen. Nur ein Beispiel: als er durch das
erste Zimmer gehen mußte, um an meine Tür zu gelangen, sah er
den Stengel einer Traube auf dem Boden hegen. Mit einer Hast
sondergleichen schleuderte er diese Kleinigkeit mit dem Stock
auf die Seite, damit ja sein Schuh nicht daran streife, und
stets hielt er den Stock in Bereitschaft, um uns arme
Verpestete in gehöriger Entfernung zu halten.
Am siebenten Tag unserer Gefangenschaft wurden wir alle
morgens um neun Uhr auf unsere Zimmer gewiesen. Türen und
Fenster wurden geschlossen, große Räucherfässer gebracht und
ein gräßlich stinkender Rauch aus Schwefel, Asant, Federn und
dergleichen gemacht. In diesem erstickenden Qualm mußten wir
vier oder fünf Minuten aushalten, dann wurde wieder alles
geöffnet. Ein Lungenkranker hätte diese kannibalische
Expedition schwerlich ausgehalten.
Am neunten Tag mußten sich die Männer in eine Reihe
stellen, um sich der Musterung des Arztes zu unterwerfen. Da
kam der alte Herr, eine Lorgnette in der einen und einen Stock
in der andern Hand haltend, und musterte die Truppe. Jeder
mußte sich mit der Faust auf die Brust und in die Seite
schlagen; fühlte er dabei keine Schmerzen, so war dies ein
Zeichen der Gesundheit, indem sich an diesen Teilen des
Körpers die ersten Pestbeulen bilden. An demselben Tag wurden
auch wir Frauen in ein großes Zimmer geführt, wo ein wahrer
Dragoner von einem Frauenzimmer unser harrte und dieselbe
Untersuchung mit uns anstellte. Doch dürfen sich weder Männer
noch Frauen dabei entkleiden.
Einige Stunden später wurden wir an das hölzerne Gitter
beschieden, das uns Verpestete von den Gesunden trennte;
außerhalb desselben saßen einige Beamte, denen man den Betrag
für Zimmer und Quardian zu entrichten hat, eine wahre
Kleinigkeit. Mein Zimmer samt der Bedienung kostete täglich
nur drei Piaster. Doch wie gern würde jeder Reisende mehr
geben, wenn er in dem Zimmer wenigstens einen Tisch und einige
Stühle fände und einen Quardian, der doch verstünde, was man
ihm sagt.
Die Reinlichkeit anbelangend, konnte man zufrieden sein,
sowohl Zimmer als auch Stiegen und Hof wurden äußerst nett
gehalten, ja der letztere sogar täglich zweimal reichlich mit
Wasser begossen. Unter Insekten hatten wir gar nichts, unter
der Hitze nur wenig zu leiden. In der Sonne hatten wir nie
über dreiunddreißig Grad und im Schatten nie über
zweiundzwanzig Grad Réaumur.
17. August 1842
Früh um sieben Uhr wurde endlich unser Käfig geöffnet. Nun
stürmte alles herein; da kamen die Verwandten und Bekannten,
die Abgesandten der Wirte, die Träger und Eseltreiber, alles
war fröhlich und heiter, und jedes fand eine befreundete oder
bekannte Seele, nur ich allein stand freundlos und verlassen,
niemand drängte sich an mich, niemand nahm Anteil an mir; nur
die Abgesandten der Wirte, die Träger und Eseltreiber, dieses
blutige Geschlecht, das man überall findet, stießen und
zankten sich um die arme Verlassene.
Ich packte meine Sachen zusammen, bestieg einen Esel und
ritt zu »Colombier«, einem der besten Gasthöfe in Alexandria.
Durch einen kleinen Umweg kam ich an den »Nadeln der
Kleopatra« vorüber, zwei Obelisken aus Granit, deren einer
noch aufrecht steht, der andere in einer kleinen Entfernung im
Sand liegt. Wir ritten durch ein elendes, jämmerlich
aussehendes Dorf; die Hütten waren zwar aus Steinen
zusammengefügt, aber so klein und niedrig, daß man kaum
glauben sollte, ein Mensch könne darin aufrecht stehen. Die
Türen waren so niedrig, daß sich jeder bücken mußte, um
hineinzukommen. Von Fenstern konnte ich gar nichts entdecken.
Und dieses elende Dorf lag im Stadtgebiet, ja sogar innerhalb
der Stadtmauern, die einen so Ungeheuern Kreis beschreiben,
daß sie nicht nur die Stadt Alexandria selbst, sondern noch
mehrere solche kleine Dörfer, viele Landhäuser, einige
Boskette und Friedhöfe umfangen.
In diesem Dorf sah ich eine Menge Weiber mit
dunkelgelbbraunen Gesichtern, ärmlich und schmutzig, alle in
lange blaue Hemden gekleidet, vor den Häusern sitzen und
arbeiten oder sich mit den Kindern abgeben. Die Arbeit der
Weiber bestand im Flechten von Binsenkörben und in
Getreideaussuchen. Männer bemerkte ich nicht, sie waren
vermutlich auswärts beschäftigt.
Ich ritt nun auf der sandigen Ebene, auf welcher ganz
Alexandria gebaut ist, fort und befand mich plötzlich, ohne
früher durch eine Gasse zu kommen, auf dem großen Platz.
Wie mich dieser Anblick überraschte, vermag ich nicht zu
beschreiben; da standen lauter große, wunderschöne Häuser mit
hohen Pforten, mit regelmäßigen Fenstern und Balkonen wie in
Europa, da rollten Equipagen, so schöne und zierliche, wie man
sie nur immer in großen europäischen Städten sehen kann, und
dazu dieses Treiben, diese Geschäftigkeit und
Verschiedenartigkeit der Menschenmenge. Da gingen die Franken
in ihrer heimatlichen Tracht, während man gleich neben ihnen
den Turban und Fez des Orientalen entdeckte; unter halbnackten
Beduinen und Arabern sah man die hageren langen
Frauengestalten in ihre blauen Hemden gehüllt. Da lief ein
Neger mit der Nargileh hinter seinem Herrn, der auf
stattlichem Roß dahintrabte; dort sah man Franken oder
vermummte ägyptische Damen auf Eseln reiten. Auf mich, die
soeben aus dem langweiligen Stilleben der Quarantäne kam,
machte dies alles einen gar mächtigen Eindruck.
Kaum im Gasthof angelangt, eilte ich auf das
österreichische Konsulat, wo mich der Herr Gubernialrat von L.
sehr gütig aufnahm. Ich ersuchte diesen Herrn, mir zu raten,
auf welche Art ich am ehesten meine Reise nach Kairo antreten
könne, da ich mit dem englischen Dampfboot nicht fahren wolle,
weil es für diese kleine Entfernung von ungefähr hundert
Seemeilen fünf Pfund Sterling (beinahe dreißig Gulden) kostet.
Der Herr Gubernialrat war so gütig, mir einen Platz auf einer
arabischen Barke, welche noch denselben Abend nach El Atf
abfahren sollte, besorgen zu lassen.
Auf dem Konsulat erfuhr ich auch, daß der Maler Herr S. vor
einigen Tagen mit dem englischen Paketboot von Beirut
angekommen und in der alten Quarantäne abgestiegen sei. Ich
ritt in Gesellschaft eines Herrn hinaus und war sehr erfreut,
ihn recht wohl aussehend zu treffen. Er kehrte soeben von
seiner Reise aus Palästina zurück.
Die Anstalt in der alten Quarantäne fand ich etwas besser;
auch ist sie der Stadt näher, wodurch man leichter alle
Bedürfnisse aus derselben erhalten kann. Auf der Rückkehr war
mein Begleiter so gütig, mich durch einen bedeutenden Teil der
Türkenstadt zu führen, die mir reinlicher und besser gebaut
und gehalten vorkam als alle bisher gesehenen Türkenstädte.
Der Bazar ist nicht schön und besteht aus hölzernen Buden,
deren Inhalt ganz gewöhnliche Handelsartikel ausmachen.
An demselben Tag, als ich die Quarantäne verließ, ritt ich
um fünf Uhr abends an den Kanal des Nils, der vierundzwanzig
Fuß breit und zwölf Stunden lang ist. Eine Menge Barken lagen
da, auf deren einer für mich die kleinere Abteilung der Kajüte
bis El Atf um den Preis von fünfzehn Piastern gemietet war.
Ich nahm gleich von meinem Kämmerchen Besitz, richtete mich
für die Nacht und den folgenden Tag ein und wartete eine
Stunde um die andere auf die Abfahrt. Spät abends hieß es
endlich, es würde heute gar nicht gefahren. Meine Sachen
neuerdings wieder zusammenzupacken, den weiten Weg von beinahe
einer Stunde nach dem Gasthof zu machen, um dann des andern
Morgens wiederzukommen, war mir zu lästig; ich entschloß mich
daher, auf dem Schiff zu bleiben, und verzehrte unter Beduinen
und Arabern mein frugales, aus kalten Speisen bestehendes
Abendmahl.
Des andern Tages sagte man mir von einer halben Stunde zur
andern, es würde abgefahren, es kam aber noch immer nicht
dazu.
Herr von L. hatte mir Nahrungsmittel und Wein mitgeben
wollen, ich dachte aber schon diesen Mittag in El Atf zu sein
und dankte ihm herzlich dafür. Nun hatte ich keine
Lebensmittel, nach der Stadt getraute ich mich wegen der zu
großen Entfernung nicht mehr zu gehen, und den Schiffsleuten
konnte ich mich nicht verständlich machen, daß sie mir etwas
Brot und gebratenes Fleisch vom nahen Bazar bringen sollten.
Endlich zwang mich der Hunger, ganz allein dahin zu wandern,
ich drang durch das Volk, das mich zwar neugierig ansah, aber
ungestört meinen Weg gehen ließ, und kaufte mir einige Eßwaren.
In Alexandria genoß ich seit meiner Abreise von Smyrna die
erste Rindsuppe sowie auch das erste Stückchen Rindfleisch.
Das Weißbrot ist in Alexandria und Ägypten ausgezeichnet gut
und schmackhaft.
Endlich um vier Uhr nachmittags fuhren wir ab. Die Zeit war
mir ziemlich schnell vergangen; da es an diesem Kanal sehr
lebhaft zuging. Barken kamen an und fuhren ab, wurden geladen
und ausgeladen, ganze Züge von Kamelen bewegten sich mit ihren
Führern hin und her, um die Waren zu holen oder zu bringen,
Militär zog vorüber mit Spiel und Klang, um auf dem nahen
Platz seine Übungen zu halten; immer gab es etwas zu sehen,
und so war es vier Uhr, ohne daß ich eigentlich wußte, wohin
die Zeit gekommen sei.
Auf der Barke befand sich außer mir und den Schiffsleuten
niemand. Die Barken selbst sind lange, etwas schmale Schiffe,
in deren Hinterteil sich eine Kajüte mit einem Vordach
befindet. Diese Kajüte ist in zwei Kämmerchen geteilt, von
denen das erstere, größere, an jeder Seite zwei Fensterchen
hat. Das zweite, kleinere, ist oft kaum sechs Schuh lang und
fünf Schuh breit. Der Platz unter dem Vordach gehört für die
ärmere Klasse und die Dienerschaft. Lebensmittel, ein
Windöfchen, Holzkohlen, Kochgeschirre und dergleichen, ja
sogar auch Wasser muß man mitnehmen, denn das Nilwasser ist
zwar, da es gar keinen Geschmack hat, äußerst gut und wird
auch in Alexandria, Kairo und überall getrunken; es ist aber
sehr trüb, bräunlich gelb und muß erst filtriert werden, damit
man es rein und klar genießen kann. So kommt es, daß man sogar
auf dem Fluß Wasser mitnehmen muß.
Längs des Kanals liegen schöne Landhäuser mit Gärten; das
schönste unter denselben gehört einem Pascha, dem
Schwiegersohn Mehmed Alis. Als wir an diesem Palast
vorüberfuhren, sah ich den ägyptischen Napoleon zum ersten
Male. Er saß vorne auf einer Terrasse, welche eine kleine
Rundung in den Nilkanal hinein bildete. Er ist ein ganz
kleines altes Männchen mit einem schneeweißen langen Bart,
aber äußerst lebhaften Augen und Bewegungen. Umgeben war er
von mehreren Europäern und einer Anzahl Diener, deren einige
griechisch, andere türkisch gekleidet waren. In der Allee
stand seine Equipage, ein prächtiger Wagen, mit vier schönen
Pferden auf englische Art bespannt.
Die Franken sind sehr für diesen Despoten eingenommen,
desto weniger seine Untertanen. Erstere werden von seiner
Regierung sehr begünstigt, während letztere ihren Nacken dem
Joch einer tyrannischen Sklaverei beugen müssen.
Der Anblick von Villen und Gärten währt höchstens die
ersten paar Stunden, dann geht die Fahrt bis El Atf sehr
einförmig und unbefriedigend zwischen Sandebenen oder kleinen
Sandhügeln fort. Rechts sieht man den Mareotis-See und an
beiden Seiten höchst armselige Dörfer.
19. August 1842
Um elf Uhr vormittags kamen wir in El Atf an; wir waren
also in sechzehn Stunden achtundvierzig Seemeilen gefahren. El
Atf ist ein kleines Städtchen oder vielmehr ein elender
Steinhaufen.
An den Landungsorten hatte ich immer meine größte Not. Ich
sah und fand selten einen Franken und mußte oft mehrere von
den umstehenden Kerlen anreden, bis ich einen fand, der
Italienisch sprach und mir die verlangte Auskunft erteilen
konnte. Da ließ ich mir immer gleich den Weg zum
österreichischen Konsulat zeigen, wo ich dann geborgen war. So
ging es mir auch hier. Der Herr Konsul ließ sogleich eine
Reisegelegenheit für mich nach Kairo suchen und bot mir
einstweilen ein Zimmer in seinem Haus an. Ein Schiff war bald
gefunden, indem El Atf ein Hauptstapelplatz ist. Der Kanal
mündet hier in den Nil, und da auf dem Strom größere Barken
fahren, so werden hier alle Waren umgeladen, und es gehen
somit alle Augenblicke Barken nach Alexandria und Kairo. In
einigen Stunden schon mußte ich wieder an Bord und hatte
gerade so viel Zeit gehabt, mich mit etwas Lebensmitteln und
mit Wasser zu versehen und beim Herrn Konsul ein köstliches
Mahl einzunehmen, was mir doppelt behagte, da der
vorhergehende Tag ein tüchtiger Fasttag gewesen war. Man hatte
für mich die größere Abteilung der Kajüte um hundert Piaster
gemietet. Als ich aber das Schiff betrat, fand ich sie voll
Waren gepackt, so daß mir als Eigentümerin beinahe kein
Flecken geblieben wäre. Ich eilte gleich wieder auf das
Konsulat und beschwerte mich über den Kapitän. Der Herr Konsul
ließ den Schiffspatron holen, befahl ihm, mein Kämmerchen zu
räumen und mir auf der Reise keinen Verdruß zu machen,
widrigenfalls er in Kairo keine Bezahlung von mir erhalten
würde. Dieser Befehl wurde genau befolgt, und ich war von nun
an bis Kairo im ruhigen, ungestörten Besitz meines Platzes. Um
zwei Uhr nachmittags fuhr ich abermals ganz allein unter
lauter Arabern und Beduinen ab.
Wer die Fahrt nach Kairo nur einmal im Leben machen kann,
der tue es gegen Ende August oder im Monat September. Ein
schöneres Bild kann man sich wohl kaum denken. An vielen
Stellen ist das Flachland, so weit man sieht, vom Nil-Meer
(Strom kann man bei dieser Ungeheuern Ausdehnung nicht sagen)
überdeckt, da ragen überall kleine Erhöhungen hervor, auf
welchen die Dörfer liegen, umschattet von Dattelpalmen und
andern Bäumen, hinter ihnen ziehen wieder die hohen Masten mit
den weißen pyramidenartigen Segeln vorüber. Die Abhänge der
Hügel sind belebt von Geflügel, Ziegen und Schafen, während
nahe am Ufer die Köpfe der dunkelgrauen Büffel, deren es in
diesen Gegenden sehr viele gibt, aus dem Wasser ragen. Diese
Tiere lagern sich gern in die kühlende Glut und stieren die
vorübereilenden Barken an. Hie und da sieht man auch kleine
Boskette von zwanzig, dreißig und mehr Bäumen, die, da das
ganze Erdreich unter Wasser liegt, aus diesem Nil-Meer
herauszuwachsen schienen. Das Wasser ist hier bedeutend trüber
und von Farbe dunkler gelbbraun wie jenes im Kanal von El Atf
nach Alexandria. Die Matrosen gießen es in große irdene
Gefäße, damit es sich setze und etwas klar werde; dies nützt
aber sehr wenig, es bleibt beinahe so trüb wie im Strom, doch
ist es für die Gesundheit nicht im geringsten schädlich; im
Gegenteil behaupten die Nilbewohner, das beste und gesündeste
Wasser in der ganzen Welt zu besitzen. Die Franken nahmen, wie
schon früher bemerkt, filtriertes Wasser mit. Geht dieses aus,
so braucht man nur einige Aprikosen- oder Mandelkerne
kleingeschnitten in ein Gefäß mit Nilwasser zu werfen, so
klärt sich dieses in fünf bis sechs Stunden so ziemlich. Ich
lernte dies Mittel von einer Araberin auf der Nilfahrt.
Die Bevölkerung in der Umgebung des Nils muß sehr bedeutend
sein, denn ein Dorf reiht sich beinahe an das andere. Das
Erdreich besteht allenthalben nur aus Sand und wird erst durch
den Schlamm, den der Nil nach der Überschwemmung zurückläßt,
fruchtbar, daher die üppige Vegetation erst nach dem
Zurücktreten des Wassers beginnt.
Die Dörfer sind eben nicht reizend, die Häuser meist nur
aus Erde und Lehm oder aus rohen Nilschlammziegeln erbaut; die
Menschen, die Krone der Schöpfung, soll man hier nicht zu
sehen wünschen, denn ihre Armut, ihre Unreinlichkeit und ihr
gänzlich roher Naturzustand wirken schmerzlich auf jedes
fühlende Herz.
Die Kleidung der Weiber besteht in dem langen blauen Hemd,
die Männer tragen ebenfalls nichts als ein Hemd, das ihnen oft
kaum bis an das Knie reicht. Die Weiber haben teils ihr
Gesicht verdeckt, teils unverdeckt.
Mich wunderte der schöne und kräftige Bau der Männer
gegenüber den garstigen Weibern und den verwahrlosten ekligen
Kindern. Die meisten der letzteren haben das Gesicht voll
Finnen und Ausschlag, auf dem stets eine Herde Fliegen sitzt,
dazu oft noch entzündete Augen, ein erbarmungswürdiger
Anblick!
Ich blieb, der großen Hitze ungeachtet, während des Tages
beinahe immer auf dem Dach der Kajüte sitzen, um die Aussicht
zu genießen, um die Ufer des Nils und den Wechsel der
Landschaften zur Genüge betrachten zu können.
Die Gesellschaft, die ich auf dieser Barke hatte, war
schlecht und gut, wie man es nimmt; schlecht, weil ich keine
Seele fand, der ich meine Gedanken und Empfindungen über all
die Wunder der Natur hätte mitteilen können; gut, weil alle,
besonders die arabischen Weiber, die das kleine Kämmerchen und
den Vorderteil der Barke innehatten, sehr gutmütig und
aufmerksam gegen mich waren.
Sie wollten alles mit mir teilen; sie gaben mir von ihren
Gerichten, meist Pilaw, Bohnen und Gurken, die ich aber nicht
schmackhaft fand; wenn sie des Morgens schwarzen Kaffee
tranken, reichten sie mir immer die erste Schale. Ich teilte
ihnen ebenfalls von meinen Lebensmitteln mit, die sie gut
fanden, bis auf den Kaffee mit Milch gemischt. Wenn wir bei
einem Dorfe landeten, fragten sie mich immer durch Zeichen, ob
ich einige Lebensmittel wünsche. Nun hätte ich freilich gern
Milch, Eier und Brot gehabt, allein ich wußte sie nicht auf
arabisch zu begehren. Ich erklärte mich also durch
Zeichnungen; ich zeichnete zum Beispiel eine Kuh, gab der
Araberin etwas Geld und eine Flasche und wies ihr, die Kuh zu
melken und meine Flasche mit Milch zu füllen. Ebenso zeichnete
ich eine Henne, daneben die Eier; auf die Henne wies ich
verneinend, dagegen auf die Eier bejahend und zählte ihr an
den Fingern vor, wieviel Stück sie mir bringen möchte. Auf
solche Art half ich mir von nun an immer fort und beschränkte
meine Wünsche auf solche Gegenstände, welche ich durch
Zeichnungen versinnbildlichen konnte.
Als man mir die Milch brachte und ich dem Weib zu verstehen
gab, daß, wenn sie ihre Gerichte gekocht hätte, sie mir das
Feuer überlassen möchten, damit ich meine Milch oder meine
Eier kochen könnte, nahmen sie allsogleich ihre Speise herab,
und es nützte von meiner Seite keine Weigerung, ich mußte
zuerst kochen, wessen ich bedurfte. Ging ich in das
Vorderschiff, um die Gegend besser zu betrachten, so
überließen sie mir gern den besten Platz; kurz, sie benahmen
sich alle so gut und gefällig, daß sie vielen unserer
zivilisierten Europäer als Muster hätten dienen können.
Freilich forderten sie auch von mir manche Gefälligkeit, und
mit Erröten muß ich gestehen, mich kostete es eine große
Überwindung, ihre Wünsche zu befriedigen. So zum Beispiel
ersuchten sie mich, daß ich der ältesten von ihnen erlauben
möchte, in meinem Gemach schlafen zu dürfen, da ich einzelne
Person das große Kabinett und sie dagegen das kleine
bewohnten. Ferner verrichteten sie ihre Gebete und endlich
sogar ihre Gesichts- und Fußwaschungen vor dem Gebet in meiner
Kajüte. Ich ließ es angehen, da ich ohnehin mehr außerhalb des
Kämmerchens war. Diese Weiber riefen mich anfänglich Marie,
vermutlich glaubten sie, als eine Christin müsse ich den Namen
der Heiligen Jungfrau führen. Ich sagte ihnen meinen
Taufnamen, den sie sich genau merkten; sie nannten mir
ebenfalls ihre Namen, die ich aber bald wieder vergaß. Ich
bemerke diese Kleinigkeit darum, weil mich das Gedächtnis
dieser guten Menschen auf meiner ferneren Reise durch die
Wüste an das Rote Meer in große Verwunderung setzte.
20. und 21. August 1842
Diese zwei Tage vergingen mir, obwohl ich unter den vielen
Menschen, die sich auf der Barke befanden, ganz einsam war,
angenehm und schnell. Der Strom breitete sich immer
stattlicher aus, je mehr sich das Land verflachte. Die Dörfer
wurden größer; die Hütten, von denen manche ganz die Form
eines Zuckerhutes hatten und auf deren Spitzen eine Menge
Tauben, ein in diesen Gegenden sehr häufiges Geflügel,
nisteten, hatten schon ein etwas besseres Aussehen. Moscheen
und größere Landhäuser zeigten sich; kurz, je näher wir Kairo
kamen, um so deutlicher zeugte alles von größerem Wohlstand.
Die Sandhügel wurden seltener, doch sah ich auf der Fahrt von
El Atf nach Kairo vier oder fünf große öde Strecken, welche
ganz das Aussehen von Wüsten hatten. Einmal blies der Wind
gerade von so einer glühenden Wüste zu uns herüber, so
drückend heiß und beängstigend, daß ich mir eine deutliche
Vorstellung von den Leiden der heißen Winde (Chamsin) machen
und die häufige Blindheit der armen Bewohner sehr leicht
erklären konnte. Die Hitze ist außerordentlich, und der feine
Staub und heiße Sand, welche durch diese Winde in die Höhe
getrieben werden, müssen Augenentzündungen verursachen.
Kleine gemauerte Türme, auf deren Höhe Telegraphen
angebracht sind, stehen in größeren Entfernungen von
Alexandria bis Kairo.
Unsere Barke hatte das Unglück, einigemal auf Sandbänken
aufzusitzen oder an seichte Stellen zu geraten, Fälle, die
sich während des großen Wasserstandes sehr oft ereignen. Bei
dergleichen Ereignissen kann man die Behendigkeit, Kraft,
Ausdauer und Unverdrossenheit der Nilmatrosen nicht genug
bewundern. Alle müssen nackt über Bord springen, das Schiff
mit Stangen losmachen und oft eine halbe Stunde an Seilen
durch seichte Stellen fortschleppen. Im Klettern sind diese
Leute ebenfalls sehr geschickt. Auf den äußersten Spitzen der
schiefstehenden Masten klimmen sie ohne Strickleiter und
befestigen oder lösen die Segel. Mich ergriff ein wahrer
Schauder, wenn ich diese armen Menschen hoch oben auf einer so
dünnen Stange zwischen Himmel und Wasser schweben sah, so
hoch, daß sie mir wie Kinder erschienen. Mit der einen Hand
arbeiten sie, und mit der andern umschlingen sie den Mast. Ich
glaube gewiß, daß es nirgends bessere, beweglichere,
fleißigere und dabei so mäßige Matrosen geben mag wie diese
hier. Des Morgens erhalten sie Brot oder Schiffszwieback,
manchmal rohe Gurken, ein Stückchen Käse oder eine Handvoll
Datteln dazu, des Mittags dasselbe und abends ein warmes
Gericht aus Bohnen oder einer Gattung Brei oder Pilaw, höchst
selten ein gekochtes Hammelfleisch. Ihr Trank ist nichts als
Nilwasser.
Der Strom ist in der Zeit der Überschwemmung doppelt
belebt, denn von einem Dorf zum andern ist das Schiff oder der
Kahn das einzige Kommunikationsmittel.
Der letzte Tag der Fahrt bot mir das schönste Schauspiel:
ich sah das Delta! Hier teilt sich der mächtige Nil, der das
ganze Land bewässert, von dem hundert und hundert Kanäle in
alle Felder und Gegenden geleitet sind, in zwei Hauptströme,
deren einer bei Rosette, der andere bei Damiette sich ins Meer
ergießt. Glich der Strom schon nach der Teilung einem Meer, um
so viel mehr verdient er von nun an diese Benennung.
Wenn ich so hingerissen ward von der Größe und Schönheit
der Natur, wenn ich mich in ein so ganz neues, interessantes
Leben und Treiben versetzt sah, da schien es mir beinahe
unbegreiflich, wie es so viele Menschen geben kann, die
Gesundheit, Geld und Zeit im Überfluß besitzen und keinen Sinn
für bedeutende Reisen haben. Die armseligen Bequemlichkeiten
des Lebens, die Genüsse des Luxus gelten ihnen mehr als die
erhabensten Schönheiten der Natur, mehr als die Monumente der
Geschichte und die Kenntnisse von Sitten und Gebräuchen
fremder Völker. Wenn es mir oft recht schlecht ging und ich,
eine Frau, mit noch viel mehr Unannehmlichkeiten und
Entbehrungen zu kämpfen hatte als ein Mann: bei solchen
Anblicken war jede Mühseligkeit vergessen, und ich pries Gott,
daß er mir einen so festen Willen verliehen hatte, meine
Wanderung fortzusetzen. Was sind alle Unterhaltungen in den
großen Städten gegen ein Bild wie hier am Delta und an so
vielen andern Orten? Ein so reines seliges Vergnügen, wie mir
die Schönheit der Natur bietet, finde ich in keiner
Gesellschaft, in keinem Spiel, in keinem Theater, und kein
Putz oder Wohlleben ersetzt mir den Nachgenuß einer solchen
Reise!
Unweit des Deltas erblickt man die Libysche Wüste, die man
auch nicht mehr aus dem Gesicht verliert, höchstens daß man
ihr einmal näher, dann wieder ferner ist. In weiter Ferne
entdeckt man einige dunkle Körper, die sich immer mehr und
mehr entwickeln, bis man in ihnen die Wunderbauten der
Vorzeit, die Pyramiden, erkennt; weit hinter denselben erhebt
sich das Gebirge oder eigentlich die Hügelkette des Mokattam.
Mit der Abenddämmerung langten wir endlich in Bulak, dem
Hafen von Kairo, an. Hätten wir gleich landen können, so würde
ich vielleicht noch denselben Abend in die Stadt gekommen
sein, so aber braucht der Schiffer, da der Hafen stets mit
Barken überladen ist, oft über eine Stunde, bis er einen Platz
findet, wo er anlegen kann, und es war, als ich hätte
aussteigen können, bereits ganz finster, und die Tore der
Stadt waren schon geschlossen. Ich mußte diese Nacht noch auf
der Barke zubringen.
Von El Atf bis Kairo waren wir dritthalb Tage gefahren. Ich
nenne diese Reise eine der angenehmsten, obwohl die Hitze
immer lästiger wurde und die glühend heißen Winde von der
Wüste manchmal zu uns herüberstrichen. Die höchste Hitze
betrug um die Mittagszeit sechsunddreißig Grad und im Schatten
vierundzwanzig bis fünfundzwanzig Grad Réaumur. Der Himmel war
lang nicht so schön blau und rein wie in Syrien und häufig von
weißen Wolken durchzogen.