Zivilisation und ...

Reise einer Wienerin in das Heilige Land

Ida Pfeiffer

Zum Inhaltsverzeichnis

Beirut

Diese Stadt liegt in einer Sandfläche, nur die Maulbeerpflanzungen, von welchen sie reichlich umgeben ist, gewähren ihr ein freundliches, frisches Ansehen. Doch geht man überall in den Gärten und Alleen und auf allen Wegen tief im Sand. Von der Ferne gesehen macht Beirut, wie ich schon bei meiner Ankunft von Konstantinopel bemerkte, einen überraschenden Eindruck, allein in der Nähe betrachtet, verliert es sehr. Ungern ging ich in der Stadt und deren Umgebung herum, aber mit wahrem Vergnügen betrachtete ich die Landschaft, an einem schönen Abend auf einer Terrasse sitzend. Ich sah den dunkelblauen Himmel sich wölben über die herrliche Gebirgskette, über das üppige Tal und über die weite Meeresfläche. Ich sah die goldne Sonne, wie sie ihre Strahlen zum Abendgruß den Gebirgen zusandte und endlich selbst dem Auge entschwand, alles in ein sanftes Dunkel hüllend. Ich sah die unzähligen Sterne glänzen und den Mond sein zauberisches Licht über die nächtliche Landschaft ergießen; und wer bei diesem Übermaß von Naturschönheiten nicht den bessern Menschen in sich fühlt, der ist wahrlich des Namens »Mensch« nicht würdig. Ja, der Tempel Gottes ist überall, überall verkünden seine Werke ein Etwas, dem auch der ungläubigste Geist nicht widerstehen kann: es ist das Dasein Gottes. Wie viele so schöne Abende genoß ich nicht in Beirut, sie waren auch meine einzige Entschädigung für die unendlichen Leiden, die ich in dieser Stadt ertragen mußte.

© seit 2006 - m-haditec GmbH - info@eslam.de