26. Suleiman
Suleiman, den wir Salomon nennen, Prophet und König
zugleich, wie sein Vater David, ist der größte
Weltbeherrscher, dessen die Geschichte alter und neuer Zeiten
erwähnet. Ihm war die Herrschaft gegeben, nicht nur über die
Menschen und Tiere, sondern auch über die Dschinnen und Peries;
Er war der Herr und Meister, der Körper und der Geister. Er
war mit Gaben und Vorzügen ausgezeichnet, die keinem seiner
Vorfahren und Nachfolger zu Teil geworden. Er besaß den
Siegelring, dessen Zaubermacht ihm die Herrschaft über die
Geister verlieh. Statt eines Reitpferdes diente ihm der
Ostwind, der ihn auf sein Geheiß in einem Augenblicke über
weite Strecken führte, so dass er gewöhnlich in Cuds, d.i. in
Jerusalem zu frühstücken, in Istachar, d.i. in Persepolis zu
Mittag zu speisen, und in Tadmor, d.i. in Palmyra, zu
nachtmahlen pflegte. Die herrlichen unübertroffenen Werke der
Baukunst, die sich in diesen drei Städten erhoben, und deren
Ruinen den Wanderer noch heute mit heiligem Erstaunen
ergreifen, der Tempel Sions, Palmyras Säulengänge, der
Reichspalast Istachar's sind das Werk Salomons des großen
Baumeisters.
Menschenkraft und Menschenalter hätten nicht hingereicht,
diese ungeheueren Bauten aufzuführen, und zu vollenden, sie
sind das Werk der Dschinnen und Dämonen, die, der Herrschaft
Salomons untertan, diese Felsenstücke auftürmten, mit
Gleichgewicht und Gleichmaß.
Nicht Menschenhände, kein gemeiner König, nur Dschinnen
unter Salomon konnten solch ein Werk vollbringen. Ungeregelte
Kraft erschöpft sich in fruchtlosem Bemühen, wenn sie nicht
von Weisheit gezügelt wird; Herrschermacht, der kein Genius zu
Gebot steht, vollbringt nichts Großes; nur Macht und Genius
vereint, bezwingen das Ungeheuere, und erstaunen die Nachwelt
durch ihre Schöpfungen. Wer hat nicht gehört vom Tempel
Salomons, wer kennt nicht die Prachtruinen von Palmyra und
Persepolis! In diesen drei Königsstädten verfloss Salomons
Tag, eingeteilt nach seines Vaters Davids Weise in drei Teile,
für Propheten, Regierungs- und Hausgeschäfte.
Wenn der Strahl der Morgensonne die goldnen Zinnen Sions
begrüßte, dampften schon im Tempel des Herrn die Opfer.
Salomon ging ins Allerheiligste, um Kraft und Weisheit zu
erstehen für die Geschäfte des Tags, und Segen für die ihm
anvertrauten Völker. Er vergrößerte und veredelte seinen Geist
durch Aufschwung zur Gottheit, er dankte und vertraute dem
Herrn durch Preis- und Hochgesang. Die Chöre der
Prophetenknaben, unter Assafs Anführung, stimmten Hymnen an
mit Citern und Schalmeien, mit Psalter und Cymbelklang.
Angestrahlt von den spiegelnden Wänden des Tempels, von den
goldnen Gewändern der Priester, von den funkelnden
Opfergefäßen, unter Weihrauchduft und Chorgesang, und
Psaltergetön empfing Salomon die Sprüche der Weisheit. Ihre
Eingebungen waren die Seele seiner Handlungen den Rest des
Tages hindurch. Wahre Weisheit ist, die im Leben wirkt zur
Erreichung des Höchsten und Besten.
Nachdem er den Religions- und Prophetenpflichten genug
getan, und die Hierarchie der Kinder Israels geordnet hatte,
bestieg er entweder den Thron, (von dem bald ein Mehreres)
oder das Flügelpferd des Ostwinds, und ward von diesem, oder
von den Trägern des Throns, den Dschinnen, nach Istachar, der
Hauptstadt des Weltreichs, gebracht.
Dort erheben sich noch auf sieben Hügeln von einem
Marmorwalle umfangen, einzelne Teile des ungeheuren
Reichspalastes, in welchem Salomon Dschinnen und Menschen,
Vögeln und vierfüßigen Tieren zu Gericht saß. Hier war
Salomons Diwan oder Genlenversammlung; denn Diw ist im
Persischen so viel als Dschinn im Arabischen; Diwan heißt eine
Mehrzahl von Dschinnen; der Reichsrat des Weltbeherrschers
musste eine Versammlung von Dämonen sein. Seitdem bezeichnet
Diwan im Morgenlande jede Versammlung von Räten und Richtern,
denen, wenn nicht im Einzelnen, doch insgesammt Dämonskraft
einwohnen soll. Dämonskunst hat auf den Wänden des Palastes
die wunderbaren Gebilde ausgehauen, deren Vollendung und
Erklärung den Wandrer in Erstaunen und Verwirrung setzt. Es
ist Salomon auf seinem Throne, der die Huldigungen der Völker
empfängt. Peris (Herwers) die reinen Geister, schweben über
seinem Haupte in luftiger Gestalt; Dschinnen unter
Tiergestalten mit Menschengesichtern sind die Pfortenbüter.
Helden kämpfen mit reißenden Tieren; ein Symbol des
immerfortwährenden Kampfs des Guten mit dem Bösen. dass dieses
nie die Herrschaft über jenes erlange, ist der Zweck jeder
weisen Regierung.
An den Türen und Fenstern laufen seltsame Junschriften
herum aus goldnen Pfeilen zusammengesetzt.
Schnell fliegend, durchdringend, nie zurückkehrend, wie das
Wort, ist der Pfeil das schönste Bild desselben. Die
wirksamsten Waffen und wirksamsten Reden sind goldne Pfeile,
und goldne Worte. Diese Zeilen sind Herrscherworte, und
Sprüche der Weisheit in Dämonenschrift gekleidet. Wem wirds gelingen, dieselben zu entziffern? Nur einem Dämon wirds
gegeben, zu lesen die Schrift der Dämonen.
Hier nun saß Salomon zu Rat auf seinem Throne, der von
Dschinnen in Tiergestalten getragen, und von den Vögeln
überschattet ward. Auf den Stufen desselben standen die vier
Wesire oder Stellvertreter des Geschlechts der Menschen, der
Dschinnen, der Vögel, und der vierfüßigen Tiere. Zur Rechten
des Throns waren zwölftausend goldne Sitze für die Propheten,
und Patriarchen und Heiligen, zwölftausend andere zur Linken
für die Könige, und Fürsten und Weisen. Dort die Propheten-
und Priester-, hier die Herren- und Gelehrtenbank.
Die beiden ersten seiner Wesire waren Assaf, der
Repräsentant des Menschen – und Simurg, der Repräsentant des
Vögelgeschlechtes. An diesem Vorzuge der Vögel vor den
vierfüßigen Tieren, und selbst vor den Dschinnen mochte wohl
Salomons uns schon bekannte Jugendliebe der Vögel die meiste
Ursache haben.
Assaf war nicht nur der größte Weise, sondern auch der
größte Tonkünstler seiner Zeit; er regierte mit gleich geübter
Hand die Länder, und die Chöre der Prophetenknaben, gleicht
geschickt, Salomons Herrscherworte in Ausübung zu bringen, und
seine Lieder in Musik zu setzen. Das Ideal aller vergangenen
und zukünftigen Wesire und Hofkapellmeister.
Simurg ist uns ohnedies schon bekannt als Wesir der siebzig
Salomonen, die vor Adam die Erde beherrschten. Seitdem hatte
er in Abgeschiedenheit gelebt auf dem Berge Kaf, aber als
Salomon den Thron bestieg, erschien er an dessen Hof, und er
ward sogleich als Vögelwesir vorgestellt. Salomon bediente
sich aber seines weisen RaTes nicht nur in
Vogelangelegenheiten, sondern auch in anderen
Reichsgeschäften, besonders wenn es darauf ankam, Dschinnen zu
bestrafen, und in Zucht zu erhalten. Denn da Simurg den
Dschinnenbeherrschern der adamischen Vorwelt durch
siebzigtausend Jahre als Wesir gedient hatte, so musste seine
kleine Erfahrung unvorgreiflichst bei Salomon Etwas gelten.
Wenn sich nun die Dschinnen bei dem ihnen aufgetragenen Bau
von Istachar und Tadmor widerspenstig bewiesen, so ließ
Salomon sie zwischen zwei Marmorblöcke einzwängen, und so als
Grundstein dieser ungeheuern Gebäude legen. Von Zeit zu Zeit
regen sie sich mit höchster Kraftanstrengung, um die
Grundfesten, die so schwer auf ihnen lasten, zu erschüttern,
aber ungeachtet der vielfältigen Erdbeben, die sie hierdurch
seit Salomons Zeit hervorgebracht, trotzen diese Gebäude ihrem
ohnmächtigen Bemühen. Andere empörte Dschinnen schloss er in
metallne Töpfe ein, die er mit seinem Ring versiegelte, und
dann in den Grund des Meeres werfen ließ. So beherrschte
Salomon die Geister. Doch um hier nicht auf Begebenheiten
abzuschweifen, die bald umständlicher geschildert werden
sollen, kehren wir zu Salomons Tagesordnung zurück.
Nachdem der Diwan auseinander gegangen war, wurde in den
Höfen und auf den Terrassen des Reichspalastes die Mahlzeit
bereitet für den ganzen Hofstaat der Menschen, Vögel,
Dschinnen und vierfüßigen Tiere; gekocht wurde nicht in
Töpfen, denn wo hätte man die ungeheuren Töpfe hernehmen
sollen für eine solche Menge Volkes, sondern in Kesseln, aber
nicht in ehrnen oder eisernen, sondern in Felsenkesseln, die
in einem nahe bei Istachar gelegenen Berg gehauen waren;
angerichtet wurde von den Dschinnen in großen Becken,
ebenfalls in den Felsen gehauen. Späterhin hat man sich der
Felsenkesseln zu Gräbern der Könige, und der Becken als
Bassins zu Wasserkünsten bedient. So ist's, das Große wird
immer klein, bei einem entarteten Geschlecht, und die
Einrichtungen zwergeln, wenn der Staat zusammenschrumpft. Mit
dem Überfluss der Hoftafeln stach die Mäßigkeit, die an
Salomons eigenem Tische herrschte, gewaltig ab. Denn während
Menschen, Vögel und Dschinnen im Überfluss schwelgten, bestand
Salomons Mahl nie in etwas Anderem als trockenem Gerstenbrod
und lauterem Wasser. Menschen und Tiere, Dschinnen und Vögel
möchten essen, pflegte er zu sagen, so viel sie wollten, aber
der, so die Herrschaft über dieselben üben wolle, müsse
sich selbst beherrschen, und durch Unmäßigkeit nicht zu ihres
gleichen herabwürdigen.
Sobald nun die Tafel aufgehoben war, schwang sich Salomon
auf den Ost und flog davon so schnell er konnte, aus Furcht,
dass nicht Händel und Klagen und Regierungsgeschäfte und
Sorgen hinter ihm aufsitzen, und mitgaloppiren möchten nach
Tadmor zu seinem Hareme, wo er den Abend und die Nacht
zubrachte.
Dort waren die Palläste und Schlafkammern seiner tausend
Frauen, wovon siebenhundert Gemahlinnen, und dreihundert
Beischläferinnen. Die langen Säulengänge, in denen sich noch
heute das Auge verliert, waren die Gänge des Harems, zu deren
beiden Seiten sich die Gemächer der Frauen reihten; jedes eine
Wohnung für sich mit den dazu gehörigen Zimmern für die
Aufwärterinnen und Sklavinnen im unteren und oberen Stockwerk.
Tausend Frauen hatte Salomon, aber tausend und Eine waren
ihm bestimmt; auch liebte er die Zahl von Tausend und Einer.
Diese voll- oder überzählige Eine war Balkis, die Königin von
Saba, deren Liebesschichte mit Salomon hier umständlich folgt.
Salomon war von Natur ein kriegerischer und
eroberungssüchtiger Fürst. Von Zeit zu Zeit unternahm er
Streifzüge nach fernen Ländern, um seine Herrschaft so viel
als möglich über die ganze Erde auszudehnen. Er hatte von Saba
gehört, dem alten berühmten Königreiche im mittäglichen
Arabien, hatte gehört, dass die Bewohner desselben Ungläubige
seien, und sogleich ward sein Eroberungsgeist und
Glaubenseifer rege, um das Land zu bezwingen, und die Bewohner
zu bekehren. Die Befehle wurden gegeben, den Thron reisefertig
zu machen für einen langen und beschwerlichen Kriegsmarsch,
und der Zug ging von Syrien durch die Wüste gerade nach der
Gegend von Mekka und Medina.
Hier ließ Salomon Halt machen, und wallfahrtete rund um die
Kaaba, im voraus das Andenken und die Satzung des größern
Propheten späterer Zeiten ehrend; dann ging der Zug weiter
fort gegen Saba. Der Wind blies heiß aus der Wüste, und weit
umher war nirgends Wasser zu sehen. Wenn es darauf ankam
Wasser aufzufinden, so war immer Hudhud, d.i. der Widhopf, der
Ausspäher. Dießmal fragte zwar Salomon den Ostwind, ob er
nicht auf seinem Wege Quellen gefunden, aber dieser antwortete
ihm: Herr, ich komme trockenen ATems aus der Wüste, und weit
und breit hab' ich kein Wasser gesehen, ist aber irgendwo
eines zu erspähen, so kann nur Hudhud hievon die beste Kunde
geben.
Du hast Recht, sprach Salomon, aber wo ist Hudhud? ich sehe
ihn nicht auf seinem Posten, und umsonst suche ich ihn im
ganzen Vögelchor. Der soll mir's büßen, es sei denn, er bringe
eine seltne Kundschaft, wofür ich ihm schon manchen
Streich durch die Finger gesehn.
Hudhud war unterdessen schon in Saba, wohin er den
Vorsprung getan, um bis zu Salomons Ankunft das Land
auszukundschaften. Saba ward damals von einer Königin
beherrscht, Namens Balkis, berühmt durch ihre Schönheit (denn
so wie Jusuf der schönste der Männer, so war Balkis die
schönste der Frauen) aber berühmter noch durch ihre Weisheit.
Sie war die Tochter eines mächtigen Königs und einer Peri.
Hudhud erlustigte sich in der Stadt Saba, und kam endlich
in den Palast der Königin, die auf einem großen Paradebette
von siebzig Fuß im Gevierten ruhte.
Das Bette ist der eigentlichste Thron der Frauen, und Betten
von so ansehnlicher Größe sind eine wahre Mahl- und Wahlstatt
der Jugend und Liebe. Ober dem Thronhimmel hing ein goldener
Käficht, worin ein Widhopf eingesperrt war. Hudhud nahte sich
seinem Bruder, dem Widhopf, der ganz verwundert, einen
Fremdling zu erblicken, ihn fragte: von wannen er käme, und
was sein Begehren sei. Hudhud gab sich als einen Hofbeamten
Salomons an, und war in dem Lobe von der Pracht und Macht, von
der Größe und Weisheit seines Herrn unerschöpflich. Der
Königin Widhopf wollte im Lob seiner Frau nicht zurückbleiben,
und sprach ein Langes und ein Breites über die Schönheit
und Weisheit seiner Gebieterin, die von Gottes Auge, das ist,
von der Sonne mit vorzüglicher Gunst angeblickt würde. Daran
hatte Hudhud für heute genug, und kehrte um. Auf dem Wege
begegneten ihm mehrere Vögel, seine Freunde, die ihn vor
Salomons Zorn und Ungnade warnten. Er wird dich tödten, er
wird dich erwürgen, sagten sie; und sonst hat Salomon Nichts
hinzugesetzt, fragte Hudhud? Ja, war die Antwort, es sei,
setzte er hinzu, dass er mir seltsame Kunde bringe. Nun, da
ists mir nicht mehr bange, rief Hudhud, und ließ sich zu
Salomons Füßen nieder.
Ich bringe Dir, sprach er, Kunde,
Die Du nie gehört aus anderem Munde
Von Sabas Königin
Kunde von tiefem Sinn.
Ei, sprach Salomon, lass hören. Hudhud erzählte ihm Vieles
von ihrer Schönheit und Weisheit, und wie großes Verdienst es
sein würde, die Königin und ihr Volk vom Sonnendienste zum
Dienste des wahren Gottes zurückzuführen. Wir wollen sehen,
sprach Salomon, ob du kein Lügner bist! Da, nimm den Brief,
und bestelle ihn, aber nicht ungeschickt, Hudhud, wenn dir die
Strafe für deine eigenmächtigen Ausflüge nachgesehen werden
soll.
Hudhud kehrte nach Saba zurück, und fand Balkis so wie das
erstemal auf ihrem Thron oder Himmelbette ruhend, umringt von
der Schaar ihrer Hofdamen und Kammerfrauen. Er schwebte
leichten Flugs ober dem Bette hin, und ließ Salomons Briefchen
so geschickt senkrecht niederfallen, dass es gerade hinter den
Busenschleier in die tiefe Falte fiel, welche von der Natur
zur Brieftasche für zärtliche Billete bestimmt zu sein
scheint.
Was ist das! rief Balkis ganz außer sich; so geschickte
Boten kann nur ein großer König senden; ein großer König,
fürwahr, muß es sein, dem die Vögel der Luft zu
Briefbestellern dienen.
Sie versammelte sogleich den Staatsrat, und eröffnete in
Gegenwart ihrer Minister das königliche Handbillet, worinnen
weiter Nichts stand, als:
Von Salomon, an Saba's Königin;
Vekehre Dich zur Schaar der Moslimin.
Kurz und gut, sagte Balkis; das ist eine Einladung zu einem
Stelldichein des wahren Glaubens, wenn ich anders die
Prophetenworte recht verstehe; was meinet ihr, ihr meine
hochbetrauten Räte? Der Räte unvorgreiflichstes Ermessen ging
dahin, dass man sich zum Kriege rüsten müße, denn eine solche
Einladung von einem Könige, wie Salomon, der im Glauben, so
wie in der Herrschaft, auf Einheit ausgeht, sei nicht viel
besser, als ein Manifest.
Nicht so schnell abgeurteilt! fiel ihnen Balkis in die
Rede. Mit einem so mächtigen Könige sich in Krieg einzulassen,
ist kein leichtes Unternehmen, besonders wenn er obendrein
noch Prophet ist.
In wie weit dies wahr sei, zu bewähren, ist das Nötigste. Ist Salomon ein gemeiner König, so
lässt er sich wohl
auch mit Geschenken abfertigen, ist er's nicht, und ist er,
wie ihr sagt, wirklich Prophet, so wird er nicht nur keine
Geschenke annehmen, sondern uns auch auf die spitzfindigsten
Fragen, die wir ihm vorlegen können, antworten. Es lebe die
Weisheit der Königin, rief der Staatsrat, dies ist das Wahre.
Die Proben, mit welchen Salomons ProphetenTum bewährt
werden sollte, wurden von der Königin selbst ausgedacht.
Erstens ein verschlossenes Gefäß von kostbarem Metalle:
Salomon sollte, was darinnen sei, erraten aus der rätselhaften
Andeutung:
Es schließet dieser Becher ein,
Was bohrt und wird gebohrt,
Zwiefachen Edelstein.
Das zweite Geschenk waren hundert Mädchen, und eben so
viele unbärtige Knaben, gleich gekleidet, deren verschiedenes
Geschlecht nur ein Prophetenauge unterscheiden konnte.
Endlich sollte er die Frage beantworten:
Was ist das Wasser, das
Nicht von dem Himmel fällt,
Nicht aus der Erde quellt,
Das süß und bitter rinnt aus einem Glas.
Die Gesandten traten die Reise an, schwer beladen mit
Geschenken und Weisheit. Sie entrichteten dem Könige der
Königin Heil und schwesterlichen Gruß zuvor von der Königin
von Saba, und brachten zuerst den verschlossenen Becher
und die rätselhafte Andeutung in aller Untertänigkeit vor.
Salomon sprach:
Der Demant bohrt, die Perle wird gebohrt,
Schert Euch mit Perlen und Demanten fort,
Die sind bei Weibern, nicht bei mir, am rechten Ort.
Die Gesandten trugen nun das Rätseln vor:
Was ist das Wasser, das
Nicht von den Wolken fällt,
Nicht aus der Erde quellt,
Das süß und bitter rinnt aus einem Glas.
welches Salomon folgendermaßen löste:
Die Träne ist das Wasser, so
Nicht von den Wolken fällt,
Nicht aus der Erde quellt,
Aus einem Auge weint der Schmerz sich satt, die Lust sich
froh.
Nun war noch die schwerste Probe zu bestehen, nämlich der
Unterschied des Geschlechtes der hundert Knaben und Mädchen,
die gleich gekleidet vor Salomon erschienen; was am schwersten
scheint, lösen Propheten auf die einfachste und leichteste
Weise.
Salomon befahl Essen aufzutragen, und nach dem Essen Wasser
aufzugießen zum Händewaschen. Die Gewohnheit war damals in den
Haremen, dass Mädchen das Wasser immer mit der hohlen Hand
auffingen, Knaben aber im Gegenteile von der Wiege an gelehrt
wurden, sich's auf die umgekehrte Hand aufgießen zu lassen. So
bald nun die Diener das Wasser aufgossen, fingen die Knaben es
mit dem Rücken, die Mädchen mit dem Inneren der Hand auf,
wie sie's von jeher gelehrt worden waren; und diesen einfachen
Umstand, durch den Salomon den Unterschied der Geschlechter
erkannte, hatte Niemand zuvor bedacht.
Die Gesandten waren beschämt durch Salomons transzendentale
Weisheit. Sagt Eurer Königin, dass ich ihr für ihre Geschenke,
deren ich nicht bedarf, schönstens danke, dass ich sie selbst
erwarte, um sie zum wahren Glauben zu bekehren. Balkis,
überzeugt, dass Salomon kein gemeiner Regent, sondern ein
Prophet sei, beschloss sich auf den Weg zu machen. Leicht
trennte sie sich von ihrer Hauptstadt, und ihren Schätzen,
schwer von ihrem Bett' und Thron. Die Leibgarde wurde besonders
zurückgelassen, das Thronbette zu bewahren, sie selbst von
ihrem Heere begleitet zog Salomon entgegen.
Der weise König hatte sich durch Hudhud viel erzählen
lassen von diesem herrlichen Himmelbett und Frauenthron. Er
wusste, wie sehr ihr Herz daran hieng, und dass der Weg dahin
durchs Bett gehe. Er äußerte den Wunsch, des Throns habhaft zu
werden. Der Wesir Aßaf, Sohn Varchias, stellte sogleich
untertänigst vor: Nichts sei leichter, einer der gewaltigsten
Dämonen, deren sich Salomon als Thronträger bediente, trug sich
an, den Thron samt Leibgarde in einem Augenblicke
herzuschaffen. Salomon winkte sein Ja; während er nickend das
Auge schloss und öffnete, stand auch schon das Thronbette vor
ihm.
Die Dschinnen hatten die schöne Königin bei Salomon
verschwärzt, sie habe Haar auf den Füßen. Sich deß zu
überzeugen, befahl Salomon den Dschinnen, sie sollten dem
Thron
einen künstlichen Schmelz unterlegen, der das Wasser täuschend
nachahmte.
Als Balkis hinzutrat, hob sie ihr Kleid auf, in der
Meinung, sie habe durch Wasser zu waten. Salomon sah die
schönste Wade und den glattesten Knöchel, geformt zum
Entzücken, ohne ein Härchen daran. Darob erfreute er sich
innig, und seit dieser Entdeckung ist's im Orient immer
erlaubt gewesen, dass ein Verlobter seiner Zukünftigen Knöchel
und Wade schauen dürfe ohne Sünde, während dem Unverlobten es
Sünde ist, das Gesicht zu beschauen, auf das er an's Knöchel
und Wade schließen mag.
Balkis war, wie gesagt, die Tochter eines mächtigen Königs
und einer Peri; der Stoff einer ihrer ersten Unterredungen mit
Salomon war die Geschichte ihrer Geburt, die wir ihrer
Seltsamkeit willen nach Al-Tabari hier einschalten wollen.
Es herrschte in China ein mächtiger Kaiser, ein großer
Liebhaber der Jagd. Einmal stießen ihm auf dem Wege zwei
Schlangen auf, eine schwarze und eine weiße, in tödtlichem
Kampf miteinander begriffen. Die weiße schien ihrem Ende nahe.
Der Kaiser hieb die schwarze entzwei, ließ die weiße auf ein
MaulTier aufladen, und befahl, das man sie in sein Kabinet
trage, um sich dort zu erholen.
Am nächsten Morgen, als der Kaiser ins Kabinet ging, fand
er eine schöne himmlische Gestalt, die sich sogleich als eine
Peri zu erkennen gab, und ihm dankte, dass er sie gestern aus
den Klauen eines Diwes, der sie als schwarze Schlange zu
erdrosseln drohte, gerettet hatte. Begehre von mir, sprach
sie, was du willst, ich will dir's gerne geben, um Dir meine
Dankbarkeit zu bezeigen. Willst Du Schätze? – Ich habe deren
genug, antwortete der Kaiser. Soll ich Dir die Geheimnisse der
Arzneikunde entdecken? – Ach! an Aerzten fehlt es mir nicht,
und ich habe deren immer mehr, als ich brauche. – Nun so wirst
du meinen dritten Anbot nicht in den Wind schlagen. Ich habe
eine Schwester, die schönste der Peris, ich verschaffe sie Dir
zur Frau, und Du wirst glücklich sein mit ihr, wenn Du nur
Eines versprichst und hältst. – Was denn? – Sie nie um das
Warum ihrer Handlungen zu fragen; laß sie Tun, was ihr
beliebt, nur frage nie, warum sie dies und jenes geTan, sonst
fliegt sie Dir auf der Stelle davon, und Du bekommst sie nie
wieder zu sehen. Der Kaiser versprach Alles, und die
Vermählung ging bald hernach vor sich. Die Peri war so schön,
dass es dem Kaiser unmöglich schien, sich nur einen Augenblick
von ihr zu trennen. Nach neun Monden ward sie von einem Knaben
entbunden, rein und zart, wie eine Perle. Bald nach der Geburt
sah der Kaiser ein helles Feuer aufflammen vor der Tür. Die
Kaiserin wickelte ihr Kind in ein seidenes Tuch, und warf es
in's Feuer, das sogleich damit verschwand. Der Kaiser weinte,
und riß sich den Bart aus vor Schmerzen, aber zu fragen traute
er sich nicht, warum sie das geTan. Sie kam mit einem Mädchen
nieder, das durch den Glanz seiner Schönheit Sonne und Mond
verdunkelte. Die Mutter wickelte es in ein seidenes Tuch ein;
bald darauf erschien an der Türe eine schwarze Bärin, der die
Mutter das Kind in den Rachen warf, und die damit verschwand.
Der Kaiser hätte verzweifeln mögen aus Schmerz. Er riß sich
Bart und Haare aus, aber zu fragen traute er sich nicht; was
war zu Tun; Geduld und Ergebung, um sich das Leben nicht
umsonst zu verkümmern.
Nach kurzer Zeit drohte ein mächtiger Feind China mit Krieg
zu überziehen. Der Kaiser befahl dem Heere, sich mit Proviant
zu versehen auf siebentägigen Marsch, denn man musste die
Wüste passieren. Am fünften Tage kam die Kaiserin mit einem
großen Messer in der Hand, schnitt die Brodsäcke und
Wasserschläuche entzwei, verstreute den ganzen Proviant, so
dass Kaiser und Heer dem Hungertod nahe gebracht waren. Was zu
viel ist, ist zu viel, rief der Kaiser, ich sehe wohl, dass
eine Verbindung mit Peri's für Menschen Nichts taugt, und dass
es bloß auf mein Verderbnis abgesehen ist. Meiner Kinder hat
sie mich beraubt, nun will sie auch mich und mein Heer zu
Grunde richten.
Der Kaiser stellte seine Frau zur Rede. So könnt ihr
Menschen doch nie durch volles Vertrauen Euch einer Peri
würdig machen, antwortete sie; immer müßt ihr Euer Glück durch
unzeitigen Vorwitz verscherzen; armer Kaiser! wie Dich deine
Neugierde noch dauern soll; doch will ich sie vor der Hand
befriedigen. Zuerst wisse, dass dein Wesir, an die Feinde
verkauft, heute Brod und Wasser vergiftet hat, um Dich und
dein ganzes Heer zu Grunde zu richten. Das Kind, das ich ins
Feuer warf, hatte einen natürlichen Konstitutionsfehler, und
würde drei Tage nicht überlebt haben; das Mädchen ist noch am
Leben, die Bärin, der ich es anvertraut habe, ist eine Amme,
die dasselbe säugt und leckt. Du sollst dein Töchterchen
wieder haben, aber die Mutter des bekommst Du nicht mehr zu
sehen. Sogleich brachte die Bärin das Kind herrlich mit
Juwelen ausgestattet, und die Peri entfloh. So zarte, so
reine, so überirdische Geschöpfe, als Peri's, sind nicht dazu
gemacht, mit Menschen zu leben. Sie fodern volles,
unumschränktes, unerschütterliches Vertrauen in ihre
Freundschaft und Treue, und wie viele der Männer sind dieses
Vertrauens fähig? Immer martert die Unruhe und Neugierde die
Sterblichen, die sich von der tiefen, über alle Sorge
erhabenen, Gemütsruhe der Peri's keinen Begriff machen können.
Deßhalben haben die Verbindungen der Menschen mit Peri's
keinen Bestand. Dies Kind der erst erwähnten Ehe war Balkis, die Königin von Saba, berühmt durch ihre Schönheit,
berühmter durch ihre Weisheit. Schönheit und Weisheit sind ein
Erbstück der Peri's und der Propheten, doch so, dass die
Peri's den Preis der Schönheit, und die Propheten den Preis
der Weisheit behaupten; dies ergab sich auch aus einem
Wettstreit zwischen Salomon und Balkis, der sich damit endete,
dass Salomon der Schönheit von Saba's Königin unterlag, und
Balkis sich von der Weisheit Salomons als überwunden erkennen
musste.
An Salomons Hofe lebte unter andern Weisen, welche die Ehre
hatten, vor seinem Throne auf goldenen Stühlen zu sitzen, ein
gewisser Ruja. Salomon fragte ihn einst, was auf Erden mehr
sei, des Lebens oder des Todes, des Wohlstandes oder des
Verfalles. Ruja antwortete, der Tod hat die Oberhand über das
Leben, und der Verfall über den Wohlstand, denn die Lebendigen
sind aus dem Staube der Toten erstanden, und werden wieder in
Staub verfliegen; alle Gebäude, alle Einrichtungen, die heut
bestehen, sind aus den Materialien der alten und verfallenen
zusammengesetzt. Es ist nichts Neues unter der Sonne.
David hatte zwar der Frau Uria's versprochen, dass, wenn
sie einen Knaben gebären würde, er zum Nachfolger ernennt
werden sollte, und er wankte nie im Entschlüsse, sein
Versprechen zu erfüllen, um aber seine übrigen Söhne zu
überzeugen, dass der Himmel den würdigsten zum Herrscher des
Volkes ausersehen habe, legte ihnen David folgende sieben
Fragen vor aus einer vom Himmel gefallenen Schreibtafel.
Was ist das Kostbarste auf Erden? Die Prinzen verstummten,
Salomon allein trat hervor, und antwortete, die Seele sei das
Kostbarste auf Erden, desgleichen beantwortete er die
folgenden Fragen:
Was ist das Bitterste? Die Armut.
Was ist das Süßeste? Die Liebe.
Was ist das Hässlichste? der Unglaube.
Was ist das Nächste? das andere Leben.
Was ist das Fernste? das Weltglück.
Was ist das Edelste? die Vernunft.
Salomon saß eines Tags in seiner Hauskapelle, als er durch
die offene Türe drei ungeheure Geniengestalten den Gang
einherschreiten sah; je näher sie kamen, desto kleiner und
menschlicher ward ihre Form, und der erste trat hinein ins
Kabinet. Wer bist Du, guter Freund, begrüßte Salomon den
Fremdling. Ich heiße, antwortete die Geniusgestalt,
nachgiebige SanftmuT, und komme, Dir Gesellschaft zu leisten.
Du bist ein guter Geselle, erwiederte Salomon, in der
gewöhnlichen Gesellschaft, nur für Könige taugst Du Nichts,
die mit Dir gar bald um ihr Ansehen kämen; ich danke Dir also
für deinen guten Willen, und wünsche, Du mögest Dich lieber
bei meinen UnterTanen einquartieren.
Der zweite Genius trat hinein. Wer bist Du, schöne,
erhabene Gestalt, die mir Ehrfurcht einflößet? – Ich bin die
Vernunft, und wünsche deiner engsten Gesellschaft werT zu
sein. Das bist Du ganz gewiß, liebe Vernunft, aber verzeih
mir, immer mit Dir umzugehn, immer deine strenge
Hofmeistereien vor Augen zu haben, würde mir allen Lebensgenuß
verleiden. Ich ehre und schätze Dich, besonders, wenn Du an
der Seite meiner Minister erscheinst, aber Dich immer an
meiner Seite zu sehen, dazu kann ich mich unmöglich
entschließen; ich nehme deinen guten Willen für's Werk an; laß
mich nun den dritten Mann schauen.
Die dritte Gestalt, nicht minder schön, als die beiden
vorigen, hatte Etwas unwiderstehlich Anziehendes. Wie heißt
Du; fragte Salomon? – die einen heißen mich die Bitte, die
andern das Gebet, ich komme, um deine vertraute Freundschaft
zu werben. Sei willkommen, erwiederte Salomon, und weiche
nicht von meiner Seite, denn nur durch dich gewinnt das Leben
Sinn und Bedeutung. Ohne Erhebung des Herzens zu Gott fließen
die Menschentage leer und unnütz dahin. Bleibe also bei mir
als unzertrennlicher Gefährte.
Unter mehreren Sagen, welche die morgenländische Geschichte
von Salomons Herrschaft über die Tiere und seinen Verkehr mit
denselben aufbewahret hat, ist das Gespräch mit der
Ameisenkönigin eines] der bekanntesten, auf welches häufig
angespielt wird.
Alle Tiere hatten Geschenke gebracht zu Salomons Thron, um
ihm zu huldigen, auch die Ameise nahte sich mit dem Fäserchen
eines Strohhalmes im Munde. Salomon nahm die Ameise auf die
Hand, um zu vernehmen, was ihr Begehren sei. Ich bin, sprach
sie, die Ameisenkönigin; Millionen getreuer, arbeitsamer,
unternehmender UnterTanen gehorchen meinen Befehlen. Klein
sind unsre Kräfte, doch groß ist unser MuT und
Unternehmungsgeist; was der einzelnen unmöglich, ist der
vereinten Kraft Tunlich und leicht. Zwar bist Du Salomon,
König der Könige, Prophet, Herr und Meister der Menschen und
der Geister; die Schätze der Welt sind an den Stufen deines
Thrones aufgeTürmt, und Du magst vielleicht auf die Kleinigkeit
meiner Gabe verächtlich niederblicken; deß ungeachtet nahe ich
mich Dir vertrauensvoll, und flehe für mich und meinen Staat
deine Huld an. Salomon ward durch diese Anrede sehr günstig
eingenommen für die Ameise, er verschmähte nicht das Fäserchen
des Grashalmes als Geschenk anzunehmen, und würdigte dasselbe
nicht nach dem äußeren WerT der Gabe, sondern nach dem inneren
des Gebers. Seitdem berufen sich alle Minderen, welche den
Großen Geschenke darbringen, alle Schriftsteller, welche
Königen oder Wesiren Bücher widmen, auf das Beispiel der
Ameise, und flehen um die Huld, mit der Salomon ihr
Geschenk annahm.
Salomon beherrschte die Dschinnen und Peri's kraft seines
Siegelringes, dem der Name Gottes und die Formeln der Macht
und Herrschaft eingegraben waren. Dies wußten die Dämonen, und
seit zwanzig Jahren, dass Salomon regierte, hatten sie auf den
Augenblick gelauert, des Ringes habhaft, und ihres Joches los
zu werden; zwanzig Jahre lang hatten sie sich umsonst bemüht,
dem Propheten einen einzigen Moment der Schwäche abzulocken;
er vergaß nie seiner Macht und Würde, und durch solches sich
immer gegenwärtiges, Selbstgefühl hielt er die Geschlechter
der Dämonen in Zucht und Ordnung.
Endlich gelangs doch dem listigsten derselben, den König
der Könige in einem schwachen Augenblicke zu überlisten, und
sich in Besitz des Ringes zu setzen; sei es, wie einige sagen,
weil Salomon, so oft er ins heimliche Gemach ging, den Ring
unvorsichtigerweise ablegte; sei es, und dies ist das
Wahrscheinlichere, dass eine seiner Beischläferinnen, welche
verborgenerweise den Götzen diente, den Ring im Augenblicke
des Genußes abzuziehen Gelegenheit fand. Wie dem immer sei, so
ists gewiss, dass Könige weder im heimlichen Gemach, noch im
Hareme sich der Herrschervorsicht begeben dürfen, und dass
dies Geschick hauptsächlich deswegen über Salomon verhängt
ward, weil sein Palast durch Götzendienst verunreinigt
worden. Der Diw, dem es gelang, sich des Siegelrings zu
bemächtigen, hieß Sihrtschin. Er bestieg den Thron Salomons,
und als sich dieser als den wahren Propheten, und den Diw als
einen Betrüger und Usurpator ankündigte, fand er nirgends
Glauben; er ward erst verhöhnt, und dann geschlagen und
verstoßen auf Befehl des regierenden Diws; umsonst waren alle
seine Bemühungen, für den rechtmäßigen Herrscher erkannt zu
sein, der Diw behauptete die Rechte desselben. So viel liegt
daran, im Besitze zu sein des Siegelrings und der Macht über
die Dämonen.
Als nun Salomon sah, dass er mit Regieren nicht mehr sein
Brod verdienen könne, nahm er seine Zuflucht zu einem anderen
Erwerbszweige. Er dingte sich bei Fischern ein, um statt
Menschen und Geistern doch wenigstens die Bewohner des Meeres
zu umgarnen. Deßwegen ist der Fischfang noch heute eine
königliche Unterhaltung, nur denken die Wenigsten dabei, dass
Salomon hiedurch sauer sein Brod verdienen mußte, denn die
Fischer gaben ihm nicht mehr, als zwei Fische des Tages, deren
einen er in Brod umsetzte, um davon zu leben.
Eine der ersten Unternehmungen des regierenden Diw's war,
dass er die Bücher der Zauberei und schwarzen Kunst, welche
Salomon unter seinem Throne versteckt hatte, hervorzog. Die
Völker verlegten sich zum erstenmale auf Zauberei, und was
seitdem auf Erden davon gäng und gäbe ist, ist ein
Erbstück jener Bücher. Die ersten Wochen hindurch spielte der
Diw seine Rolle als Salomon so ziemlich erträglich, bald aber
schlug die Dämonennatur vor, und die Völker merkten Unrat.
Soll dies wirklich Salomon sein, fragte man sich leise, oder
ist's nur, wie es verlautet, ein Dämon, der die Gestalt des
Weltbeherrschers angenommen hat?
Jeder Tag brachte neue Befehle, neue Dekrete hervor, die
mit der bekannten Regentenweisheit Salomons in offenem
Widerspruche standen, und die früheren Gesetze Lügen straften.
Die Weisen und RäTe des Volks versammelten sich, und
beschloßen nachzuforschen, um der Wahrheit auf den Grund zu
kommen. Ein Ausschuß der Synode wurde ernannt als Deputirte,
ins Harem, um sich bei den Frauen zu erkundigen, ob denn auch
sie an Salomon ewige Veränderung verspüret hätten, und über
die AchTeit des Thronbesitzers keinen Zweifel hegten. Die
rechtmäßigen Gemahlinnen sagten aus, dass sie seit dem Tage,
wo sich das Gerücht von zwei Salomonen verbreitet hatte, gar
keinen zu sehen bekommen, weder den wahren, noch den falschen,
und also zu ihrem Leidwesen hierüber Stimme zu geben nicht im
Stande wären; die Beischläferinnen hingegen gestanden, der
dermalige König habe sich ihnen zwar genaht, aber so wild, so
anmaßend, so diwenartig, dass sie von Salomons Würde und
Adel und AnmuT keine Spur gefunden hätten in seinem Betragen.
Diese Aussage erhob den Zweifel fast zur Gewißheit; denn
Frauen sind doch immer die scharfsinnigsten Richterinnen in
solchen Fällen, und wissen am besten den Unterschied zu
würdigen zwischen Mann und Mann. Unter der gewißen
Voraussetzung also, dass hier Betrug unterlaufe, beschloß die
Synode unmittelbar zu Beschwörungen die Zuflucht zu nehmen.
Alle Weisen und Priester, Lehrer und Prophetenknaben wurden
versammelt, und begaben sich jeder mit dem Pentateuchus in der
Hand vor den Thron. Da begannen sie zu lesen und zu schreien,
so schnell, so stark, so durchdringend, dass der Diw unmöglich
diese Judenschule länger aushalten konnte, sondern auf Ring
und Reich Verzicht Tun mußte. Er fuhr hinunter in die Tiefen
des Meeres.
An demselben Tage, als der wahre Salomon mittagmahlte mit
Fisch und Brod, fand er in dem Bauche des Fisches den
Siegelring, und war nun wieder im Besitz seiner vorigen Größe
und Macht. Diese Begebenheit trug sich zu im zwanzigsten Jahre
seiner Regierung, er regierte dann noch zwanzig Jahre hernach.
Seitdem er mit der Fischerei sein Brod erwerben gelernt, aß
Salomon Nichts lieber als Fische; mehr als einmal hielt er
ihnen eine Lobrede, worin er besonders die Stummheit als eine
vorzügliche Staats- und Völkertugend anpries; alles, was
einigermaßen auf Fische Bezug hatte, war bei Hof an der
Tagesordnung.
[Rand: Adschaib.] Eines Tages saß er mit Aßaf, dem weisen
Wesir, und Balkis, der weisen Königin, zu Tische, und das
Lieblingsgericht ward aufgetragen. Ists nicht möglich, fragte
Balkis, diesen Toten Fisch zum Leben zu erwecken? Wahrheit
und Gerechtigkeit, sagt man, antwortete Aßaf, kann die Toten
zum Leben erwecken, ich will daher versuchen, ein wahres und
gerechtes Wort zu sprechen, damit der Fisch wieder lebendig
werde. Alles, hob er an, im ganzen Reiche ist meiner Leitung
unterworfen, ich bin der oberste Lenker der Geschäfte, doch
möcht' ich noch lieber Salomon als Aßaf sein. Es regte sich
der Fisch;
Balkis nahm das Wort: Keine Königin auf Erden besitzt einen
Mann, wie Salomon, ich Teile mit ihm Herrschaft und Genuß, die
Welt ist meinetwegen und seinetwegen da, und doch! – ja, ich
gestehe die Wahrheit, wiewohl mit Mühe, und doch! so oft ich
einen jüngeren Mann sehe, regt sich in meinem Herzen der
Wunsch auf, o wollte Gott! dass Salomon auch noch so jung
wäre! Der Fisch bewegte sich abermals.
Hierauf sprach Salomon: die Welt mit ihren Gütern und
Schätzen ist für mich da; auf der Erde und auf den Wassern
wandle ich als Gesandter Gottes, und fahre als solcher daher
auf den Flügeln des Ostes. Alle Reiche, alle Geschlechter der
Geschöpfe, Tiere, Menschen und Dämonen gehorchen mir, und
doch, wenn zwei Menschen vor meinen Thron kommen, der eine mit
Geschenken, der andere mit leeren Händen, so ist mir der erste
lieber.
Der Fisch sprang lebendig in den Kühlkessel. So legten Aßaf,
Balkis und Salomon die offene Beichte der geheimsten Wünsche
ab, die ihnen Ehrgeiz, Lüsternheit und Habsucht eingab, und
Salomons Wort, als das verdienstlichste, bewirkte das Wunder,
weil es aus den dreien die meiste Ueberwindung gekostet.
Balkis würde vielleicht nie die Gemahlin Salomons, des
weisesten der Könige, geworden sein, hätte sie nicht von
zarter Jugend auf die Bücher und die Wissenschaft lieb
gewonnen. Mädchen, die ihr zur Ehre gelangen wollt,
Prophetenfrauen zu werden, liebet die Bücher und die
Wissenschaft, und beherziget den folgenden Apolog:
Ein Mann besaß ein schönes Weib, einen schönen Garten, ein
schönes Buch. Einen Tag lustwandelte er im Garten, den andern
ergötzte er sich mit dem Buche, am dritten freute er sich der
Liebkosungen seines Weibes.
Als sich sein Lebensende herrannahte, sprach er zum Garten:
Ich habe dich gewässert, und dich sorgsam gepfleget, was habe
ich von dir zu erwarten heute, da ich von hinnen gehe? Eine
Stimme erscholl aus dem Garten: Ich habe nicht Füße, Dir
zu folgen, wenn du fortgehst, wird ein Anderer kommen und
mich besitzen.
Verzweifelnd ging der Herr des Gartens aus dem selben ins
Harem, wo er sein schönes Weib folgendermaßen ansprach: Meiner
Kräfte, meines Lebens Summe hab' ich auf dich verwendet, und
deinetwegen Vieles erduldet; heute schnüre ich meinen Bündel,
und wandre von hinnen, was bist du bereit für mich zu Tun?
Dienen will ich dir gerne so lange du lebst, und wenn du
stirbst, will ich weinen und klagen, und dich begleiten, wenn
sie dich hinaus tragen, bis an den Grabeshügel, und wenn sie
dich hinuntergesenket haben, kann ich dir zwar nicht
nachfolgen, aber weinen will ich wieder und klagen, bis die
Zeit der Trauer und des Wittwenstandes vorbei ist.
Verzweiflungsvoll drehte ihr der Mann den Rücken zu, ging
aus dem Harem ins Kabinet, und redete das Buch an:
Buch, liebes Buch, treuer Gesellschafter in der Einsamkeit,
erprobter Freund im Unglücke, scheiden muß ich heut von der
Erde, wirst auch du dich trennen von mir? Begleiten will ich
deinen Leichenzug, antwortete das Buch, dein Vertrauter sein
im Grabe, und dein Helfer am Tage des Gerichtes.
Alle Propheten haben sich durch Bücher berühmt gemacht,
Moses durch den Pentateuchus, David durch die Psalmen, Salomon
durch die Sprüche der Weisheit. Das Buch der Bücher, das Buch
ausschließend durch Portrefflichkeit ist das Wort Gottes
der Koran.
Die Geschichte Salomons ist reich an wunderbaren [Rand:
Suleimanname. LXI.] Begebenheiten; wir wollen einige derselben
hier erwähnen1.
Wiewohl Salomon, wie wir wissen, gewöhnlich in Jerusalem
sein Morgengebet, in Istahar seine Reichsgeschäfte, und in
Tadmor seinen Abendbesuch zu verrichten pflegte, so unternahm
er doch von Zeit zu Zeit Ausflüge in andere Städte seines
Weltreichs. Eine der vielbesuchtesten war Malatia.
Salomon zog nach Malatia, nachdem er zuvor, wie immer des
weisen Aßafs und Lokmann's, der sich auch an seinem Hofe
befand, Gutachten eingeholt hatte. In vierzig Tagen hatte er
den tausend Frauen seines Harems Besuch abgestattet, denn in
einer Nacht pflegte er fünf und zwanzig derselben zufrieden
abzufertigen. Allein Keine war schwanger geworden; die Ursache
davon war der Mangel des gehörigen Vertrauens in Gott, eben,
weil er dachte, dass es ihm nicht fehlen könne, unter
Tausenden doch eine zu segnen, fehlte es ihm. Der reichste
Überfluss an Kraft geht unnütz verloren ohne Vertrauen auf
Gott. Das vollste Vertrauen ist Gebet.
Salomon als Gottgesandter hatte wahrlich keine
Entschuldigung für sich, wenn er sein Gebet nicht gehörig
verrichtete, denn an äußerem Zugehör, wodurch der Geist
versammelt wird, fehlte es ihm nicht. Außer der Pracht des
Tempels und den Chören der Prophetenknaben, die so mächtig den
Geist emporreißen zum Himmel, hatte er einen besondern Anzug
zum Gebete, der aus sieben Erbstücken voriger Propheten
zusammengesetzt war; nämlich aus der Kopfbinde oder dem
Turbane Abrahams, dem Ueberrocke SeTs, dem Gürtel Adams, den
Pantoffeln Noe's, dem Sackkuche Jusufs, dem Stabe Moses, und
dem Kuirasse Davids.
Wenn sich in diesem Aufzuge nicht wirksam beten läßt, so
sind gemeinen Menschenkindern, die keine solche
Prophetengarderobe haben, die Zerstreuungen beim Gebete desto
nachsichtiger zu verzeihen.
Von Salomons Throne und seinen Umgebungen war schon oben
einmal im Vorbeigehn die Rede nach Al-Tabari, hier
umständlicher nach dem türkischen Geschichtschreiber. Der
Thron,
aus funkelnden Edelsteinen zusammengesetzt, würde alle
Menschen, die ihm nahten, durch seinen Schimmer geblendet
haben, wenn nicht die denselben überflügelnden Engel mit dem
Schatten ihrer Fittige den Strahlenglanz gemindert hätten.
Vor demselben saßen die Heiligen auf Altären, die Propheten
auf Teppichen, die Könige auf Thronen, die Weisen auf Stühlen
ohne Lehn' aus Sandalholz. Von jeder Klasse zwölftausend.
Auf den Stufen des Throns standen die Wesire und ersten
Repräsentanten des Menschen-, Diwen- und Tiergeschlechtes.
Unter dem Throne brausten und schnoben die Dschinnen als
Karyatiden in ungeheuren Gestalten, und ober demselben
flatterten die vornehmsten der Vögel.
Der Plafond das Thronsaales war von den zwei ungeheueren
Flügeln Simurgs überschattet, welche gleichsam die Decke
desselben formirten. Eine Nachahmung dieser Flügeldecken sind
die großen Pfauenwedel in Schwingengestalt, mit welchen noch
heute die Sklaven das geheiligte Haupt ihrer Gebieter
überschatten, und in dieser Stellung auch auf den Monumenten
der Vorzeit abgebildet erscheinen.
Das sind die Schwingen ober den Eingängen ägyptischer
Tempel und auf den Wänden von Persepolis; sie bezeichnen Preis
und Lob dem Erbauer des Tempels oder dem Bewohner des
Palastes. Daher nahm die Dichtersprache die Schwingen des
Ruhms und den Fittig unsterblicher Glorie2.
Auf das zum Aufbruch gegebene Signal hoben die Dschinnen
den Thron auf, und die vier Hauptwinde halfen ihnen denselben
durch die Lüfte zu tragen. Nebenher flogen die Peri's und die
Vögel, um mit ihren Schwingen und Flügeln den Glanz des Thrones
zu mindern, und um Salomons Antlitz in heiliges Dunkel zu
hüllen. So umhüllen den Padischah der Osmanen, wenn er im
vollen Staate umherzieht, die Reigerschwingen, welche von den
Köpfen der Leibwachen und Janitscharenobristen nicken. Nur der
Glanz der Edelsteine bricht hie und da durch die weiße Wolke
der wogenden Reiger hervor, welche das Allerheiligste des
Sultanantlitzes ehrfurchtgebietend umschattet.
Nahe bei Malatia ward das Lager aufgeschlagen nach der
einmal für allemal auf Salomons Heerzügen festgesetzten
Ordnung und Einrichtung.
Die Menschen, die Dschinnen und die Tiere formten einen
dreifachen Kreis nach den vier Himmelsgegenden eingeteilt.
Gegen Norden lagerten sich die Völker von Chorasan und Turan,
von Gog und Magog, die Dschinnen oder Diwen der Erde und
alle bepelzten Tiere. Gegen Süden die Amalekiten und Aegyptier,
die Völker von Kusch und Habesch, die Dschinnen und Diwen der
Südsee und ihrer Inseln, die schöngefiederten Vögel, als
Pfauen, und alle Arten von Papageien. Gegen Westen die Völler
Anda usiens und Rum's, die Dämonen der Wüsten und Wälder,
bekannt unter dem Namen von Guls und Ifrits (Satyren und
Faunen) die Raubvögel, und andere reißende Tiere. Gegen Osten
endlich die luftigen Schaaren der Peri's, die Gasellen und
Kameele, die Völker von Iran und Tschin, von Hind und Sind.
Salomons Zelt, aus grünem Seidenstoff, war von viertausend,
vierhundert, vier und vierzig goldenen Säulen getragen. Zur
Rechten war die Kapelle, zur Linken die Küche; in der ersten
dienten die Propheten als Chorknaben, in der zweiten die
Könige als Küchenjungen. An den Plafond des Zeltes war ein
künstliches Flechtwerk aus Golddrat angebracht, woran Lampen
aus Karfunkeln und Diamanten, groß wie Straußeneier, hiengen.
Diese Verzierung von Salomons Zelt ist in allen Moscheen
angebracht; von der Decke senken sich vielfach verflochtene
Dratreife herab, an denen statt Karfunkeln Lampen, statt
Diamanten Straußeneier aufgehängt sind. Der Büschel von
Flittergold oder vielfarbigen Fäden, der von den Lampen und
Straußeneiern wie ein Kometenschweif herunter hängt, soll die
Ausströmung von Strahlen vorstellen, welche in Salomons
Zelt den wirklichen Karfunkeln und Diamanten entquoll.
Diese heut zu Tag so seltenen Edelsteine gehörten zum
Schatze der voradamischen Salomonen, der zum Teil auf den
Propheten gekommen. Nach den bewährtesten Geschichtschreibern
waren der Salomone, die vor Adam regierten, nicht mehr als
siebzig, der Verfasser des Suleimanname aber giebt, wir wissen
nicht, nach welchem Gewährsmann, nicht weniger als
einmalhundert vier und zwanzigtausend voradamische
Weltbeherrscher dieses Namens an.
Salomon, der Sohn Davids, herrschte über tausend und ein
Volk, über zwei und siebzig verschiedene Religionen, und über
hundert vier und zwanzig verschiedene Geschlechter der
Geschöpfe.
Wiewohl Salomon Herr der Menschen und der Geister war, so
fanden sich doch unter den Diwen oder Dschinnen, den Bewohnern
des Gebirges Kaf viele Widerspenstige, welche nie der
Einladung des Gottgesandten Gehör gegeben, nie am Thron des
neuen Weltbeherrschers ihre Huldigung dargebracht, und sich
sogar zum Aufstand und Kriege wider denselben bereit gemacht
hatten. Der Mächtigste und Störrigste derselben war der Diw
Surchbad, das ist, Rotwind, der in den unermeßnen
Felsengallerien des Gebirges Kaf seinen Staatsrat versammelte,
um den Bericht des Dschinns Katahur der eben als
Kundschafter von Malatia zurückgekommen war, zu vernehmen.
Katahur konnte nicht Worte finden, um die Pracht und Macht
Salomons nach Würden zu beschreiben; Herrscher des Kafs und
der unermesslichen Flächen diesseits und jenseits des Gebirges,
ihr könnt Euch, sprach er, keinen Begriff machen von dem
unaussprechlichen Eindruck, mit dem mich der Anblick von so
viel Glorie und Herrlichkeit ergriff. Denket Euch die Cherubim
und Seraphim mit ihren Regenbogenflügeln, welche auf beiden
Seiten des Thrones in den Lüften schweben. Denket Euch
zwölftausend Heilige auf ihren Altären, jeder mit einem
Strahlenkranz umgeben und verzückt in der Anschauung
überirdischer Glückseligkeit; eben so viele Könige, die auf
ihren Thronen gähnend sitzen, bloß um Salomon den Hof zu
machen. Zwölftausend Weise und Gelehrte, auf ihren Stühlen von
Sandalholz mit Betrachtung und Ausübung der Wissenschaft
beschäftigt. Die einen machen Horoskope, die andern Gold,
diese verfertigen Talismane, und jene Amulete. Eben so viele
Propheten kauern auf ihren Teppichen, den Kopf aufs Knie
gesenkt, ganz versunken im Anschaun der Zukunft. Alles das ist
Nichts gegen das Vögelchor, das über dem Throne schwebt, und
unaufhörlich flattert und schnattert, und singet und koset,
und wächelt und fächelt, um dem Sohn Davids Unterhaltung und
Hof zu machen, um ihm Schmeichelei und Wind zuzufächeln.
Ueber allen spreitet der alte Simurg sein ungeheures
Flügelpaar aus, als ob nur unter den Flügeln seiner Weisheit
Salomons Thron gesichert wäre. Was mir aber das Herz empört,
und die Brust umgekehrt hat, ist der Sklavensinn unserer
unterjochten Brüder, welche die Last des Thrones auf ihrem
Haupt und Schultern tragen. Die Elenden! sind das Dämonen und
Geniuskinder, welche geduldig den Nacken beugen, dass der
übermüTige Erdensohn darauf trete, und sich den Beherrscher
der Welt wähne. Der Hurensohn Davids, ein Gottgesandter! Unser
Freund und Bundsgenosse Satan hätte sich keinen bessern Spaß
machen können mit der erbärmlichen Menschheit; aber dass auch
Dämonen ihrer Natur vergessen, beschwert mir gewaltig die
Brust, und erstickt mir die Rede.
Der Beschluss der Diwe, Bewohner des Kafs, war, bei ihren
Bundsgenossen, den Bewohnern der Hölle, den Teufeln Schutz und
Hilfe zu suchen. Sie ordneten einen Gesandten dahin ab, und
Satan berief sogleich den RaT der Höllenfürsten. Die
Vornehmsten derselben sind:
Adiliob, der Freund der Religionsneuerungen.
Chotrob, der Versucher beim Gebete.
Zelitun, der Verfälscher des Kaufes und Verkaufes.
Kobsit, der Teufel der falschen Tränen.
Kobrit, der geheimde Rat der Tyrannen.
Hisaf, der Teufel der verbotenen Getränke.
Merre, der Gleißnerei- und Falschheitsteufel.
Meßut, der Verbreiter der Lügen.
Dellemaßer, der Teufel der Gottlosigkeit.
Chabiß, der Mord-, und Datemder, der Wollustteufel.
Während die Hölle Rat hielt, versammelte auch Salomon zu
Malatia den großen Diwan der Menschen, Dschinnen und Vögel.
Das Heer war bereits im Felde wider die Dschinnen; Salomon
hatte also seinen Rat versammelt, weniger um zu beratschlagen,
was zu Tun, sondern um zu wissen, wie die Sachen gingen.
Lokman mußte das Horoskop der großen Feldherrn stellen, das
Horoskop Samsuwar's, Dschaber Kahir's, Saldastans, Rostem's
und Edria's, des Bruders Salomons.
Lokman richtete die Instrumente, und Tat dann den Ausspruch
der Constellationen folgendermaßen kund:
Saldastan, sprach er, befindet sich dermalen in einer
Drachenhaut, weder im Himmel, noch auf Erden.
Rostem schwimmt in einem Blutmeer.
Sam reitet auf einem Fünffuß.
Edria ist im Neste Simurgs, in einem eisernen Käfichte
eingekerkert.
Alheng, einer der Fürsten der rechtgläubigen Dschinnen,
erlaubte sich, den weisen Lokmann mit seinem Horoskope zu
verlachen, ja er unterstand sich, die unwiderrufliche
Gewissheit des Schicksals zu läugnen, und prahlte, dass er
Edria's Tod verhindern wolle, wiewohl der Engel des Todes
denselben vorausgesagt hatte. Salomon rieT dem König der
Dschinnen auf der Hut zu sein mit solchen unbedachtsamen
Reden, die sich am Schicksal versündigen. Der Dschinnenfürst
aber wollte gerne als schuldig gestraft sein, wenn er den auf
bestimmten Tag vorhergesagten Tod Edria's nicht verschöbe.
Salomon beschloß mit seinem Hofstaate nach Tadmor
aufzubrechen; den Widhopf und den Raben hatte er vorläufig an
Chorschidschah, der das Land als Salomons Statthalter regierte,
abgeschicket. Auf dem Wege unterhielt sich der weise König
viel mit Huma, dem Paradiesesvogel, der ihm seine Reisen im
Himmel, und im Land der Finsternisse, wo er mit dem Hüter des
Lebensquells Bekanntschaft gemacht hatte, erzählen mußte.
Eh sich Salomon zu Tadmor mit seinem Throne niederließ,
befahl er den Winden und Trägern, ihn dreimal hoch in der Lust
im Kreise herumzuführen.
Das Volk hörte hoch in den Lüften das Brausen der Winde,
und sah am Himmel wunderlich gefärbte Wolken mit
Regenbogenschimmer und AbendroTglanz. Sie wußten nicht, was
das wäre, bis sich endlich Salomons Thron in voller Glorie
niederließ.
Lokman besuchte sogleich die vorzüglichsten Palläste und
Feuertempel der Stadt, und ließ sich mit dem Oberpriester
der letzten in Gespräch von Glaubenssachen ein. Vor dem
Eingange des Feuertempels lag ein Löwe oder Sphinr, der zur
Verwunderung Salomons unauslöschliches Feuer spie. Lokman, der
da wusste, dass dies bloße Priestergaukelei mit Naphta sei, das
sich vom Wasser nicht löschen lässt, löschte die Flammen mit
Wein.
Nahe in der Gegend wohnte ein frommer durch seine
Heiligkeit weit berühmter Eremit. Salomon wollte ihm mit
seinem ganzen Hofe Besuch abstatten, weil es von jeher Sitte
gewesen, dass große Könige fromme Einsiedler besuchen, um den
Ruf ihrer Heiligkeit zur Erreichung von Staatszwecken diensam
zu benützen. Die Reittiere wurden vorgeführt. Salomon bestieg
das Pferd Isak's, die Heiligen und Propheten setzten sich auf
weiße Maulesel, die Könige ritten arabische Hengste, und die
Dschinnen ihre Hippogryphen mit Kameelfüßen, Rhinocerosnacken,
Löwenbrust und Greifenflügeln.
Salomon fragte den Eremiten, warum er sich keine Zelle
erbauet habe, sondern in einer Höhle wohne. Als ich hierher
kam, antwortete der Eremit, war es mein Vorhaben, mir ein Haus
zu bauen. Ich fing an, Steine auszulesen, die auf dem Felde
zerstreut herumliegen. Aber die Steine sprachen: laß uns
liegen, wir deckten schon vormals als Grabsteine die Toten;
suche andern Stoff, der noch keinen Herrn hat; ich wollte
Bäume fällen, mir daraus eine Wohnung zu bereiten. Die
Bäume sprachen: laß uns stehen; der Saft, der in unserm Marke
kreiset, ist aus Menschenblut und Menschenmark aufgesogen und
heraufgeläutert, wir gehören vergangenen Geschlechtern an. Ich
nahm meine Zuflucht zur Erde, und wollte eine Hand voll Lehm
und Staub aufsammeln, daraus mein Haus zu bauen. Aber wo ich
immer die Erde berührte, sprach sie zu mir: lass mich ruhen,
ich bin Staub aus Staub, und gehöre den Toten. Wo ich mich
immer hinwandte, erhielt ich dieselbe Antwort; kein Stein auf
Erden, der nicht schon ein Grab gedecket, keine Pflanze, die
nicht aus verwesten Menschenteilen ihre Nahrung erhalten, kein
Stäubchen, das nicht schon in beseeltem Körper gelebt hätte.
Die Erde ist Nichts als die weite Werkstatt des Todes, wo
Nichts der Gegenwart, Alles der Vergangenheit angehört.
Deswegen baute ich nicht, sondern zog mich in diese
Felsenhöhle.
Salomon befahl den Dschinnen den Bau Tadmors, der wohl
schon größtenteils aufgeführt, aber nicht vollendet war,
fortzuführen. Während seine Heere die Welt unterjochten, und
die empörten Dämonen bezwangen, erhoben sich in seiner
Lieblingsresidenz täglich neue Meisterwerke der Baukunst.
Für diesmal begnügte er sich mit sieben Gebäuden. Ein
Diwanchane oder Staatsratsgebäude aus Türkis; ein Palast für
Prinzessin Rosenwang, die Tochter des Tartarfürsten, aus
Smaragden; ein andrer für eine ägyptische Prinzessin aus
grüner Breccia; ein dritter für die Tochter des Königs von
Jumen aus Krystall, eine Gallerie aus Granit für die
Kammerherren.
Endlich war aus allen Gebäuden das seltenste und
bewundernswerteste, eine Moschee aus weißer Erde, rein und
glänzend wie Silber. Diese Erde hatte auf Salomons Befehl das
Heer der Ameisen in einer einzigen Nacht zusammengetragen, und
daher blieb der Stadt der Name Tudmur d.i. Ameisenhügel, denn
Tud heißt ein Hügel, und Mur eine Ameise, was die Aussprache
in Tadmor verwandelt hat. Die Dschinnen arbeiteten nicht
weniger als die Ameisen, und während diese die weiße Erde
zusammentrugen, schleppten jene tausend und eine Säule aus
roTem, grünem und weißem Marmor und Granite von ungeheurer
Größe zusammen.
Die Riesensäulen, welche die Wölbungen der Moschee
Suleimans in der Kaiserstadt der Osmanen tragen, und von
Tadmor dorthin geschafft worden, sind also ein Werk der
Dschinnen3.
Salomon war so mit Bauen beschäftigt, in Tadmor ganz ruhig
und ungestört von Regierungssorgen, als man ihm eine
Vögeldeputation anmeldete. Sie kamen, sich am Fuße des Throns
über die Cikade zu beschweren, und förmliche Klage wider sie
anzubringen, dass dieselbe früh und spät mit ihrem gellenden
Geschrei Feld und Wald durchschmettere, so dass sie treu
devotesten Vögel als die rechtmäßigen Bewohner der Bäume kaum
einen Augenblick Ruhe hätten. Salomon hatte, ungeachtet alle
Vögel ihm den Hof machten, nie von der Cikade gehört, und
fragte, was das für ein Geschöpf sei.
Die Cikade, sagten die Vögeldeputirten mit einer
untertänigsten Verbeugung, ist ein kleines, unansehnliches,
geflügeltes Tier, das weder Gras noch Korn frisst, sich bloß
von Tau nährt, und dabei durch die vierzig heißesten
Sommertage ein ganz unleidentliches Getöse macht.
Salomon, der den gerechten Beschwerden seiner getreuen
Untertanen gerne nach Tunlichkeit abhelfen wollte, sandte den
Widhopf und den Raben als Commissaire, die Sache zu
untersuchen, und die Cikade vor Salomons Thron vorzurufen. Zu
was, schrie die Cikade, als sie den Befehl vernommen hatte, zu was soll ich nach Hof mich begeben, ich bedarf
König Salomons nicht, bedarf er meiner, so mag er immerhin
kommen! –
Der Widhopf und der Rabe wussten nicht, wie sie diese
unehrerbietige Antwort genug mildern sollten, um nicht
Salomons Zorn zu reitzen. Salomon aber fand dieselbe so
drollicht, dass er sich entschloss, wirklich selbst zur Cikade
hinzugehn, um dies kleine naseweise Geschöpf kennen zu lernen.
Wie? rief ihm die Cikade entgegen, bists Du, o größer König
Salomon, der es der Mühe wert hält, sich von deinem Throne
herab zu begeben, um einem armen Teufel von Sänger, wie ich
bin, seine einzige Lebenslust, das Singen einzustellen? Kennst
du mich denn auch, und meine Lebensweise? Durch meinen frohen
Gesang preise ich Gott den Herrn, so spät als früh, denn
Nichts ist würdigerer Preis der Gottheit, als froher MuT und
Gesang. Ich esse kein Korn, weil durch das Korn Adam des
Paradieses verlustig geworden, ich trinke kein Wasser, weil
das Wasser als Sündflut das schuldige Menschengeschlecht
vertilgt hat; ich nähre mich bloß von Tau, bin genügsam und
demütig. Ja, die Demut, weiser König, ist eine Tugend, wodurch
selbst das Kleine groß, und das Niedrige erhöhet wird. Weil
der Berg Arafat bei Mekka vor andern demütig war, ward ihm die
Ehre, die Arche Noe's auf seinem Rücken zu tragen. Alle
anderen Berge hatten nach Erschaffung der Welt mit ihrer
Höhe geprahlt. Der niedrige Arafat allein schwieg mit Demut.
Die Wogen der Sündflut rollten über die Gipfel der höchsten
Berge hinweg, aber den niederen Arafat hoben die Engel über
die Wasser empor, dass die Arche auf demselben aufsitzen
konnte. So groß ist der Wert und die Belohnung der Demut. Der
Demut wegen ziehe ich die Bäume als Wohnort den Steinen vor,
denn die Steine sind hartherzig, und nehmen kein Wasser an,
während der Baum dasselbe gerne an sich zieht, und mit Freuden
bis an die höchsten Wipfel emporträgt. Dafür aber geht auch
der Stein, wenn er ins Wasser fällt, unter, während das Holz
von demselben in der Höhe getragen wird. So vergilt sich
Alles, und kein Dienst, auch nicht der kleinste, erwiesen dem
kleinsten Geschöpft, geht verloren. Verachte mich daher nicht,
o großer König, weil ich klein und unansehnlich bin, und lass
mich ungestört fortsingen mit frohem Mut und Blut. Salomon
nahm diese Lehre über die Demut mit vieler Herablassung auf,
und gab der Cikade die Erlaubnis, fortzusingen wie vor und eh'
zum großen Verdrusse der Vögel, die sich die Ohren verstopfen
mussten, um des schmetternden Getöses los zu werden.
Indessen ging der Krieg wider die empörten Diwe immer
seinen Gang fort. Die drei vorzüglichsten Feldherrn Salomons,
Rostem, Saldastan und Carun ritten als Streitrosse die drei
ungeheuere Vögel Rahna, Ruch und Koknos. Um dieselben zu
bändigen und in Unterwürfigkeit zu erhalten, hatten sie sich
Simurgsfedern auf den Kopf gesteckt, welche ihnen der alte
weise Groswesir der Vögel aus seinem Schweife mitgeteilt
hatte; denn vor dem Nicken dieser Federn haben selbst die
größten Vögel gewaltige Ehrfurcht, und gehorchen ohne
Widerrede diesem Symbole der Macht und Vögelherrschaft.
Daher schreibt sich der Gehrauch der Federbüsche auf den
Häuptern der Fürsten und Befehlshaber. Zu Salomons Zeiten trug
man dieselben aus Simurgs-, und als diese selten geworden, aus
Reigerfedern, die heut zu Tag nicht weniger selten und
kostbar. Um aber den Glanz, den die Federn Simurgs von sich
werfen, nachzuahmen, verfiel man auf die Verfertigung
künstlicher Federbüsche oder Aigretten aus Diamanten,
Tschelenk genannt, die noch im Morgenlande das
Unterscheidungszeichen der Herrschaft und Tapferkeit sind, und
nur von Sultanen oder von Helden, so durch ihre Taten solchen
Lohn verdient haben, getragen werden4.
Während Salomon eines Tages in seiner Hauskapelle aus
weißer Erde zu Tadmor sein Gebet verrichtete, hörte er ein
Gespräch, das eben mit gegenseitigem Gruß und Gegengruß
angefangen hatte. Er sah sich um, und da keine Seele außer ihm
in der Moschee war, so wusste er nicht gleich, wer die Redenden
seien, bis er gewahrte, es sei ein Spiegel und eine Lampe, die
sich miteinander durch ein Gespräch unterhielten, wovon die
folgenden Fragmente auf uns gekommen.
Der Spiegel. Wie du doch so stolz herabblickst von deinem
Dratreif, Tochter des Öls, und dir auf dein glimmendes
Flämmchen so viel zu gute Tust!
Die Lampe. Einbilderisch zu sein ist wohl nicht meine
Sache, Sohn des Widerscheins, und wenn man nur geliehenen WerT
besitzt, wie du, so bemüht man sich, wahres Verdienst von
innerem Gehalt herab zu setzen.
Der Spiegel. Ein schmieriges Verdienst das deinige, und das
die Lampenputzer würdigen mögen, während das meinige hell wie
die Sonne glänzt, die sich in mir spiegelt. Ich bin das
Schoßkind der Schönen, der Schmuck der Prachtsäle, und
der Hareme, die ganze Welt spricht sich in mir und durch mich
aus; aller Blicke ziehe ich auf mich mit Bewunderung und
Wohlgefallen, indessen der Weltmann bei dir, ohne dich nur
anzuschaun, vorbeigeht; ich rede reine Wahrheit, und doch, das
danke ich meinem guten Glücke, lohnt mich dafür gewöhnlich ein
selbstgefälliger Blick; wer kümmert sich um dich, und was für
einen Dank weiß wohl die Welt dafür, wenn der Pedant bei dir
Oel und Mühe verliert?
Die Lampe. Ja wohl glänzt dein Verdienst hell wie die
Sonne, wenn sie in dir wiederstrahlt; aber wenn sie
hinalgesunken ist, und es finster wird um dich, wo ist alsdann
dein Glanz und Schein? Schämst du dich nicht mit erborgtem
Schimmer zu prahlen, und welches ist die größre Tugend, die,
so nur am hellen Tag von fremder Glückssonne angestrahlt, oder
die, so auch in finsterer Schicksalsnacht aus eigner Kraft
leuchtet.
Gecken und Weibern magst Du behagen und dich gewaltig
brüsten, mit dem Lob und Beifall, den dir die Selbstliebe der
Toren, die sich in dir begaffen, zollet. Ich hingegen bin die
Gesellschafterin des Weisen, der mit mir die Nächte
durchwachet, um ewige Wahrheiten zu erforschen, oder zu
arbeiten am Bau des Völkerglücks. Aber nicht nur im Kabinet
des Weisen, sondern auch in den Schlafkammern des Harems bin
ich willkommen, und willkommener, als du in den
Prachtsälen desselben. In dir beschaut sich selbstgefällig die
Schönheit, ich aber beleuchte mit sanftem Schein den süßesten
Genuss der Liebe.
Der Spiegel. Wirklich! das macht dir große Ehre, in der
Schlafkammer zu solchen Szenen das Licht zu halten!
Die Lampe. Bringt's dir vielleicht größere, dieselben im
Boudoir zu vervielfältigen?
Der Spiegel. Pfui, solch ungebührlicher Rede in der
Moschee, und in Gegenwart eines Gottgesandten; erhebe dich,
wenn du kannst, zu höheren Dingen, und wisch das Oel ab, das
immer an dir klebt.
Die Lampe. Recht gerne, wenn du mir mit gutem Beispiel
vorgehn, und dich vom Erdenstaub reinigen willst, der dir
immer anfliegt.
Der Spiegel. Erhebe deinen Geist zu den Wunderwerken der
Schöpfung. Was ist das große, hehre, unendliche Meer anders
als ein Spiegel des Himmels, und was ist der Himmel selbst als
ein Spiegel Gottes.
Die Lampe. Und sind nicht Sonne und Mond die Lampen, welche
die Allmacht des Herrn aufhing, diesen Spiegel zu erleuchten?
Der Spiegel. Scheint es doch, als wollest du mir zu
verstehen geben, dass ich deiner bedürfe, um zu glänzen.
Die Lampe. Und hätte ich denn so ganz Unrecht, wenn dies
meine Meinung gewesen wäre?
Der Spiegel. Wenn sich der Kreis der Freunde zur
gesellschaftlichen Freude des Abends im Saale versammelt, was
wäre wohl alsdann dein Licht, wenn es nicht durch mich
hundertfach zurück geworfen, und vervielfältigt zum hellen
Schimmer erwüchse.
Die Lampe. Das bekenne ich, dass du dich vortrefflich auf
Plusmacherei verstehst, aber ohne mich, wer sähe dich? Lieber
Spiegel, du siehst, dass wir einander gegenseitig bedürfen,
und weder im Guten, noch im Bösen viel vor einander
voraushaben. Wir sind nicht gemacht, mit einander zu hadern,
und wir verlören beide, ich, wenn du mir den Rücken kehrtest,
du, wenn ich mein Flämmchen auslöschte. Laß uns gute Freunde
werden, und du sollst mir ein wahrer Weisheits- und
Tugendspiegel sein, und wenn du willst, noch was Mehreres.
Der Spiegel. Top! liebe Lampe, da nimm den Kuß, den ich dir
zuwerfe, ich will dein innigster Freund sein, und mit dir mich
des Lebens freuen, so lang das Lämpchen glüht.
Salomon hatte dieses Gespräch mit der größten
Aufmerksamkeit angehört, und sich daraus die Lehre abgezogen,
dass kein Geschöpf so unbedeutend sei, das nicht einiges
Verdienst besitze, und darüber eine halbe Stunde lang zu
sprechen wisse. Seitdem haben Spiegel und Lampe immer in gutem
Einverstehen gelebt, und lebensfroh glüht die Lampe zu
den Küssen, die der Spiegel zuwirft.
Salomon hatte sich nun lange genug in Tadmor aufgehalten,
und er beschloss nach Nabak zu ziehen. Die Winde aus den vier
Weltgegenden hoben den Thron bei den vier Ecken auf, und trugen
ihn fort.
Während des Weges sah er einen Eremiten, der sein Feld
pflügte. Es war der fromme Semir, der schon mehrere
Jahrhunderte hindurch sein Leben mit Beten und Ackern
zubrachte. Salomon befahl den Winden anzuhalten, und grüßte
den Ackersmann, der aber nicht einmal sein Haupt aufhob, um zu
sehen, was das Getümmel in den Lüften bedeute, noch viel
weniger antwortete.
Salomon begrüßte ihn zum zweiten Mal, erhielt aber eben so
wenig Antwort, als das erste Mal. Erst als er sein Tagewerk
vollendet, und sein Gebet verrichtet hatte, sah er auf zum
Himmel, um den Gruß zu beantworten.
Warum hast du denn nicht eher geantwortet? fragte Salomon;
weil ich nicht für mich, sondern für Lohn das Feld bestelle,
und weil es nicht erlaubt ist, die zum Dienst verdingte Zeit
durch Gespräche abzustehlen. Dann sprach er um so mehr, je
länger er geschwiegen hatte, und gab dem weisen König mehr,
als eine Vorlesung über die Weisheit und Vorsicht Gottes. Er
lehrte ihn, was Salomon mit all' seiner Weisheit zuvor nicht
wusste, dass es in dem Grunde des Meers unter dem Sande
kleine Würmchen gäbe, die aus Mangel an gehöriger Nahrung
nicht leben könnten, wenn nicht tagtäglich Engel, als Fische
und Frösche verkleidet, Ameisen oder grüne Blätterspitzen
ihnen zum Mittagmahle brächten. Salomon hörte dem frommen Mann
mit vielem Erbauen zu, und machte lange Betrachtungen über die
Wege und Mittel, wodurch sich die Geschöpfe Nahrung
verschaffen; Betrachtungen, welche die Leser selbst anstellen
wollen.
Salomons Nahrung war, wie schon gemeldet worden, eben so
einfach, als die Tafeln seines Hofstaates verschwenderisch
gedeckt wurden. Er aß nichts als Gerstenbrod, und dieses Brod
war der Verdienst seiner eigenen Hände; um es zu verdienen,
flocht er Körbe, die er dann auf den Markt schickte und um
billigen Preis verkaufen ließ. Auch fehlte es nicht an
Käufern. Mancher Höfling hätte gern sein ganzes Vermögen daran
gesetzt, um einen Korb des Königs zu erstehen; nur die Frauen
bekümmerten sich nicht darum, und wollten so inner als außer
dem Harem durchaus keinen Korb von Salomon.
Wir haben schon gesehen, dass Salomo auf seinen [Rand:
Suleimanname. LXII. Teil.] Reisen sich gerne mit Humai, dem
Paradiesesvogel unterhielt, und sich von ihm, was er auf
seinen eignen Wanderungen erfahren hatte, erzählen ließ. Denn
Humai, der Paradiesesvogel, ist ein Reisender von Profession,
und hat nirgends bleibende Stelle. Diesmal beschrieb er
dem weisen König die verschiedenen Völker der Planeten und die
Bewohner der sieben Himmel. Von so vielen Wunderseltenheiten
sei es genug, hier einer zu erwähnen.
Im vierten Himmel, erzählte Humai, ist ein Berg aus
Goldsand, auf dem sich ein funkelnder Palast erhebt. Aus was
für Steinen der Dom dieses Palastes bestehe, davon macht sich
selbst Salomon keinen Begriff. Er besteht aus den Siegelringen
aller Salomonen oder Weltbeherrscher, die vor Adam die Erde
regieret haben. Diese Ringe wölben sich zum Dom, und ein
einziger Ring fehlt, der Schlüsselstein des ganzen Gewölbes,
den du großer König am Finger trägst.
Diese Erzählung schien dem Sohne Davids so mährchenähnlich,
dass er ungeachtet des großen Kredits, in dem Humai seiner
Wahrhaftigkeit wegen stand, kein Wort davon glauben wollte,
sondern das Ganze für eine Fabel, oder gar für ein Blendwerk
Satans hielt, der Humai's Gestalt angenommen haben könnte, wie
er ein andermal die Gestalt Simurgs angenommen hatte. Er nahm
daher den Psalter seines Vaters und fieng an, Satan zu
beschwören, und die Engel zur Zeugenschaft aufzurufen. Diese
erschienen und bestätigten sogleich die Wahrheit von Humai's
Erzählung. Sie sagten, der Karfunkelpalast auf dem Goldberge
mit dem Ringedom sei der TotenPalast aller Salomone, die dort
begraben lägen, und von denen nur noch der letzte
fehlte; nachdem sie die Erde unterjochet, hätten sie auch den
Himmel ersteigen wollen; aber an dieser Stelle sei ihnen der
Engel der Begräbnißstätten entgegengetreten, und habe ihnen
die Ringe abgefordert, welche nun den Dom, und zugleich eine
Grabschriftsammlung aller Salomone formiren.
Humai, dessen Wahrhaftigkeit auf eine so glänzende Weise
durch das Zeugnis der Engel gerettet worden war, erzählte nun
weiter von den verschiedenen Welten, die er bereiset hatte.
Von der Simurgs-, von der Humai-, von der Phönirwelt, deren
Bewohner nur aus Vögeln dieser Art bestehen. Die Bewohner der
Erde, sprach er, wissen nur von einem Simurg, von einem Humai,
von einem Phönir, die sie für Geschöpfe halten einzig und
allein in ihrer Art, was aber großer Irrtum ist. Die
himmlischen Vögel haben ihre Welt so gut, wie die Menschen die
ihrige, und weil sich nur von Zeit zu Zeit einer derselben aus
den oberen Regionen auf die Erde verirret, so meinen die
Menschen, es gebe nur einen Simurg, nur einen Humai, nur einen
Phönir.
Für heute hatte Salomon genug an der Reisebeschreibung
Humai's; ein andermal ließ er sich von Schahruch, dem Fürsten
der Dschinnen, die nöTige Auskunft geben über die
Staatsverwaltung der Dämonen, oder er unterhielt sich mit dem
nächsten besten Sohn der Straße, der ihm aufstieß. So
begegnete er einst einem alten Wasserträger, gekrümmt unter
der Last der Jahre und des Schlauches, den er auf seinem
Rücken trug; Woher kömmt es, Alter, fragte ihn Salomon, dass
ihr andern gemeinen Leute, ungeachtet der Mühseligkeiten der
Armut, dennoch gewöhnlich länger lebt, als die Großen und
Reichen? Daher, antwortete der alte Wasserträger, weil uns das
Leben durch mäßigen Gebrauch nur sparsam zugetröpfelt wird,
während es bei den Großen und Reichen wie auf einmal aus der
geöffneten Mündung des Schlauches hervorströmt. Aferin Saka5 d.i. Bravo, Wasserträger! rief Salomon und entließ
ihn reichlich beschenket.
In diesen Tagen kam zu Salomon auf einen Besuch der Engel
der Constellation des Scorpions. Salomon fragte ihn, wie lange
er denn das Weltsystem und die Erde denke? Der Engel
antwortete: das wisse er so genau nicht, nur das wisse er,
dass von Aeonen zu Aeonen, das ist, von siebzigtausend Jahren
zu siebzig tausend Jahren, feurige Sphären sich herabstürzen
aus der Constellation des Scorpions und des Löwens, auf die
Erde, welche dieselbe umschmelzen, und seitdem er dieser
Constellation zum Hüter aufgesetzet worden, sei dies
siebzigtausendmal geschehen.
Salomon unterhielt sich lange durch lehrreiches Gespräch
mit dem Engel der Constellation des Scorpions, der ihm viele
Geheimnisse der Natur enthüllte, verborgene Kräfte kennen und
Talismanen verfertigen lehrte wider Schlangenbiss und
Scorpionenstich. Zugleich aber beklagte er sich, dass es in
seiner Constellation viele empörte Dschinnen gebe, die sich
den Befehlen Salomons zu gehorchen weigerten, und den
ordentlichen Gang der Gestirne hindern wollten, um
bösartigen Einfluss auf das Schicksal der Menschen zu bewirken.
Salomon ließ die Rappelköpfe sogleich vorrufen, und nachdem
er sie halb mit Gutem halb mit Bösem zur Erkenntnis ihrer
Pflicht gebracht hatte, ward ein Vertrag aufgesetzt zwischen
Salomon und den Dschinnen, vermöge dessen die letzten sich zum
schuldigen Gehorsam verstanden. Das Original ward auf Papier
aus weißen Rosenblättern, mit Safran, Moschus und Rosenwasser
geschrieben.
Da eine so wichtige Urkunde bisher noch in allen uns
bekannten Traktatensammlungen mangelt, so werden uns die
Publicisten Dank wissen, dass wir dieselbe mit diplomatischer
Genauigkeit aus der arabischen Urschrift von Wort zu Wort
übersetzen.
Im Namen Gottes, des Allgütigen, des Allerbarmenden.
Dies ist der Vertrag zwischen Salomon, dem Sohne Davids,
und den Dschinnen aus der Constellation des Scorpions. So sagt
Salomon, der Sohn Davids: Versammelte Dschinnen, ich rufe Euch
vor, dass ihr Vertrag eingehn und beschwören sollt bei Gottes
Ehr', und Herrschaft, und Macht, und Wort, und Namen, nicht zu
schaden den Söhnen Adams und Töchtern Eva's, nicht durch
offene Fehde, und nicht durch verborgene Bosheit, von nun an
bis zum jüngsten Tag. Und als die Dschinnen dies vernommen hatten, so sprachen sie: Wir horchen und
gehorchen, wir verstehen und gehen, mit Ohr und Hand, mit
Willen und Verstand. Wir erkennen den König als mächtigen
Herrn, und schwören nicht zu schaden den Söhnen Adams und
Töchtern Eva's durch offene Fehde oder verborgene Bosheit, von
nun an bis an den längsten Tag, und wenn Einer von uns
verletzen sollte diesen Vertrag, so werde er gezüchtigt dafür
bis ans Ende der Welt. Und Salomon sprach: Löwenväter,
Dschinnenfürsten, Dämonsvölker, seht aus Eueren Vertrag, dass
ihr nicht verfallt in verdiente Strafe; Und sie sprachen:
Herr und Meister
Der Menschen und der Geister!
Wir gehorchen Deinem Siegel;
Du hältst uns mit Gewalt im Zügel.
Deshalb achten wir auch den Vertrag Bis an den jüngsten Tag.
Salomon übergab das Instrument dem weisen Lokman, der es
als Reichsarchivar sogleich einregistrirte.
Hierauf ließ sich Salomon mit Schahruch, dem Könige der
Dschinnen, in Gespräch ein, und ließ sich von seinen Reisen
erzählen, die er als Begleiter eines der voradamischen
Salomone gemacht hatte. Schahruch erzählte von den Sphären des
Feuers, des Wassers und der Luft, von den sieben Erden und den
sieben Meeren, die er durchreiset hatte, und endlich von dem
das ganze Universum umfassenden alten Weltdrachen, der
die großen Revolutionen der Natur bewirkt.
Er hat sieben hohle Zähne, und diese Zahnhöhlen sind die
sieben Höllen. Siebenmalhunderttausend Flügel aus biegsamen
Edelsteinen streckt er ins Unendliche; auf der Feder eines
jeden Flügels steht ein Engel mit feuriger Lanze, die alle
zusammen Gott loben und preisen. Alle siebenmalhunderttausend
Jahre sagt der Drache: Gott ist groß, und Lob sei Gott; dies
sind die Jubeljahre der Welt. Wenn er ausatmet, speit er die
sieben Höllen aus, und bringt jene großen physischen und
politischen Revolutionen hervor, welche die Oberfläche des
Erdballs umkehren. Wenn er einatmet, wird Ruhe und Ordnung
wieder hergestellt. Die Sterne sind die Schuppen seiner Haut,
und sein Schweif ist das Chaos. Alles, was da ist, umschlingt
er in sich selbst verschlungen, ein Bild der Unendlichkeit,
oder die Unendlichkeit selbst. Die Ägypter haben die Natur
als ein Weib vorgestellt, das in der Stellung vierfüßiger
Tiere die Welt umfasst. Daher heißt der alte Drache bald ein
Weib, und bald die Welt. Schwer ists zwar, dem Bilde des
Weltdrachen Haltung zu geben in der Einbildungskraft, aber bei
der Unmöglichkeit, die unendliche Ausdehnung des Weltsystems,
oder jenseits desselben das Nichts zu begreifen, ist nicht
weniger schwer, ohne Einbildungskraft die Wahrheit durch die
bloße Vernunft auffinden zu wollen.
Salomon saß eines Tages auf seinem Throne in [Rand:
Suleimanname. LXIII.] voller Pracht und Herrlichkeit, als ein
Sperberweiblein sich zu den Stufen desselben flüchtete vor den
verliebten Zudringlichkeiten eines Sperbers, der ihr überall
nachsetzte, und dem sie Nichts wollte. Er gab ihr auch hier
keine Ruhe, und weder die Gegenwart Salomons noch die
Ehrfurcht gebietende Pracht seines Hofstaates machten Eindruck
genug, um ihn in den Schranken des Anstandes zu erhalten. Er
trieb sein unverschämtes Spiel fort, und als das Weiblein ihn
ermahnte, doch wenigstens in Gegenwart des großen Königs sich
ruhig und sittsam zu verhalten, gab er zur Antwort: Ei! als ob
Salomon nicht dasselbe Täte mit seinen Frauen! – Weißt du, was
für ein Unterschied da ist zwischen mir und ihm? Der, dass der
Himmel meine Liebe mit Sprösslingen meines Geschlechtes
reichlich segnet, während Salomon mit allen seinen tausend
Frauen kein Kind zuwege bringt. Diese Antwort, welche Salomon
nur zu wohl gehöret hatte, machte tiefen Eindruck auf ihn. Er
versammelte den RaT der Fürsten, und Genien, und fragte sie um
die Ursache der Unfruchtbarkeit der Weiber; sie gaben ihm
sieben der vorzüglichsten zugleich mit den Mitteln und
Talismanen an, derselben abzuhelfen.
Salomon versammelte nun auch seine Weisen und Gelehrten,
auf die er noch mehr Vertrauen hatte, als auf seine Fürsten
und Genien. Er befahl ihnen, stärkende Opiate und
befruchtende Essenzen zu verfertigen. Vier und vierzigtausend
vier hundert vier und vierzig Philosophen begannen das große
Werk, und begehrten von Salomon als notwendigen Stoff einige
Fuhren Bibergeil. Sie sotten, und brannten, und rösteten, und
distillirten, jeder nach seiner Einsicht und Wissenschaft, den
einzigen Lokman ausgenommen, der Nichts anrühren wollte. Er
wusste im Voraus, Alles dieses sei umsonst, weil Salomon sich
auf seine eigene Kraft verließ, statt auf Gottes Vorsicht zu
vertrauen.
Um weit von allen Regierungssorgen und anderen
Beschäftigungen entfernt zu sein, ließ Salomon sein Harem nach
Sinope tragen; dort weihte er vierzig Tage und Nächte
ausschließlich seinen tausend Frauen. Unter diesen befand sich
eine ägyptische Prinzessin, welche zu Gott flehte, dass ihr
die Gnade werden möchte, in die Wochen zu kommen, und wenn das
Kind auch nur wenige Tage leben sollte. Sie vertraute zwar
nicht, wie Salomon, auf eigne Kraft, aber Töricht war ihre
Bitte, weil sie keinen andern Beweggrund dabei hatte, als ihre
Nebenbuhlerinnen zu demütigen.
Ein Paar Täubchen, die in ihrem Cabinete nisteten, und
immer schnäbelten, und kosten, hatten ihr oft den Busen mit
reger Sehnsucht erweitert. Es war ihr Gedanke, dass das
Schauspiel der Liebkosungen der Täubchen größeren Eindruck und
Wirkung hervorbringen müsste auf Salomon, als alle Opiaten
und Essenzen der Philosophen, und sie hatte sich in ihrer
Rechnung nicht geirrt.
Die Tauben ließen sich durch Salomons Gegenwart eben so
wenig in ihren Liebkosungen stören, als der Sperber in seiner
Zudringlichkeit an den Stufen des Thrones. Das Weiblein machte
dem Männchen zwar Vorwürfe darüber, dass er so unverschämt
sei, sie in Salomons Gegenwart zu liebkosen. Er antwortete
über: dass dies dich nicht störe, mein Täubchen, du wirst
sehen, dass Salomon statt uns zu tadeln, bald uns nachahmen,
und dasselbe Tun wird mit der Prinzessin. Der Tauber hatte
Recht, Salomon Tat dasselbe mit der Prinzessin.
Seitdem haben Prinzessinnen und andere Frauen immer mehr
ihre Rechnung dabei gefunden, Tauben in dem Hareme nisten zu
lassen, als ihren Männern mit Opiaten den Magen zu verderben.
Indes haben sich doch auch die Stärkungsmittel, welche die
Philosophen aus Bibergeil, Moschus, Ambra, und anderen
Aromaten bereiteten, in ihrem Ansehen erhalten, und sind unter
dem Namen von Tensuch (Moschuszelten, pastilles du Serail) zur
Genüge bekannt6.
Zwei Monate, nachdem Salomon Sinope verlassen hatte,
erhielt er von seinem Kislaraga die Nachricht, die ägyptische
Prinzessin Mehinbanu sei gesegneten Leibes. Die Freude
Salomons war außerordentlich, und er gab sogleich die
gehörigen Befehle, dass sie von allen übrigen Frauen
abgesondert werde, um nicht vielleicht ein Opfer ihrer
Eiferucht zu sein. Auch ward ein ReisePalast mit sieben
Domen bereitet und den Peris befohlen, die Prinzessin darin
durch die Lüfte von Sinope herzuführen. Mehinbanu war, seitdem
ihre Schwangerschaft bekannt geworden, von einem
unleidentlichen Stolze ergriffen, und verläugnete hierin das
Blut der Faraone nicht.
Sie wusste ja noch nicht, ob sie einen Knaben oder ein
Mädchen gebären würde, und ihr Stolz war also sehr voreilig,
weil im letzten Falle kein Grund dazu vorhanden gewesen wäre;
denn an Prinzessinnen, um Hareme zu bevölkern, hatte Salomon
keinen Mangel, wohl aber an einem seiner würdigen Thronerben.
Indessen plagte ihn die Neugierde gar sehr, er versammelte
alle Philosophen und Sternkundige, und befahl ihnen, aus den
Gestirnen das Horoskop des Kindes zu stellen, denn wiewohl
Salomon in allen Wissenschaften und Künsten vielbewandert war,
so hatte er es noch nicht bis zur Kunst gebracht, nach
Willkür Knaben oder Mädchen zu zeugen, und also selbst das
Geschlecht anzugeben.
Der Ausspruch der Weisen war sonderbar traurig, aber
einstimmig, selbst mit Inbegriff des weisen Lokman, der sonst
gewöhnlich eine abgesonderte Meinung zu Protokoll, diesmal
aber seine Stimme wie alle Andern gab. Erstens, sagten sie,
würde das Kind keine menschliche Form haben, sondern nichts
als ein ungeformtes Stück Fleisch sein, und in drei Tagen erst
menschliche Bildung annehmen, in der Folge würde es zwar
wie Edris ins Paradies versetzt werden, aber dies sollte
gleich zum erstenmale geschehen, wenn Salomon dasselbe
liebkosend in seine Arme schlöße. Der Engel des Todes habe den
Auftrag, diesen Augenblick abzulauern.
Grausamer Ausspruch, der die Freude Salomons, und den
Übermut der Prinzessin auf einmal zu Boden schlug. Welch ein
Loos für ein Mutterherz die Gewissheit, kein Kind, sondern eine
unförmliche Missgeburt zur Welt zu bringen, und für ein
Vaterherz die Gewissheit, dass der erste Ausbruch väterlicher
Zärtlichkeit das Signal seines Todes sein müsse! So mischte
die Vorsehung Gewährung, und Versagung des Gebets und der
Wünsche. Der Prinzessin Gebet ward erhört, aber zur Strafe
ihres Stolzes und des Selbstdünkels Salomons, sollte das
gehoffte Kind eine kurz lebende Missgeburt sein.
Die Prinzessin kam richtig mit einem unförmlichen Klumpen
Fleisch nieder. Salomon, in der größten Bestürzung, trug
denselben in sein Cabinet, und schloss sich darin mit der
Mutter und dem weisen Lokman ein. Alle drei warfen sich
nieder, und flehten mit ausgestreckten Armen um die Glieder,
die jedes dem Kinde am notwendigsten wähnte.
Salomon flehte um Hände und Füße, Lokman um Kopf und Brust,
die Prinzessin um was noch abging.
Nun war ein Menschenkind daraus geworden, da vergaß
Salomon im Übermaß seiner Vaterfreude, des Ausspruchs des
Horoskops, und umarmte seinen Sohn, und ber Engel des Todes
erschien im selben Augenblick, um den Geist des Kindes in
Empfang zu nehmen. Von dieser traurigen Szene wollen wir den
Blick wenden nach dem Kriegstheater der Heere Salomons, die mit
den Diwen, und den ihnen verbündeten Teufeln unaufhörlich
Krieg führten.
Der Anführer der empörten Diwen, der Diw Rotwind, hatte
sein Heer gesammelt im Gebirge Kaf, und in der Wüste Heihat,
die an dasselbe gränzet. Sieben Dämonenfürsten waren die
sieben Divisionsgenerale, die Musterung sollte im Mondgebirge
an den Quellen des Nils vor sich gehen.
Da versammelten sich die Dschinnen aus den innersten Wüsten
Afrika's und von den Inseln der Südsee, in abenteuerlichen
Gestalten. Ungeheuer aus verschiedenen Tieren zusammengesetzt,
wie sie nur die wildeste Einbildungskraft vereinen kann. Mäuse
mit Elephantenrüßeln, Esel mit Löwenmähnen, Kameele mit
Drachenflügeln und so weiter. Vor Allem war der Anblick der
Reiterei possierlich zu schauen, denn statt Pferden ritten sie
auf Commandostäben, Generalsdegen, auf diamantnen Lanzen, und
auf Naphtaschläuchen. Die Artillerie bestand aus Donnerwolken,
Wasserhosen, und Vulkanskratern, die beständig Wasser und
Feuer ausgossen.
Rotwind war schon so gut als eingeschlossen, aber Iblis spielte den Satan, das ist, seine wahre Rolle
vortrefflich; es war ihm von keiner Seite beizukommen. Salomon
hielt Kriegsrat, worin er auch dem Simurg, Ruch und Phönir
ihre Meinung abfoderte. Sie sagten, dass es ihnen eher
gelingen würde, die Drachen der großen Wüste Heihat am Gebirge
Kaf zu bändigen, als Iblis zu fangen. Hierauf berief Salomon
die Engel, welche alle Ausgänge des Himmels und der Erde
besetzt halten, und befahl ihnen ihre Aufmerksamkeit und Wache
zu verdoppeln, damit Iblis ja nirgends durchkommen möge.
Salomon hatte die, großen Fürsten eigene. Gabe, sich zu
gleicher Zeit mit den vielartigsten Regierungsgeschäften, so
mit den kleinsten, wie mit den größten zu beschäftigen;
während er sich mit den Diwen schlug, ließ er sich auch
Proceßsachen seiner Untertanen vortragen, und am selben Tage
unterzeichnete er oft eine Capitulation der geschlagenen Diwe,
und ein UrTeil in Tierangelegenheiten.
So ließ er itzt den Frosch und die Schlange vor seinen
Thron
laden, von denen ihm Bericht gegeben worden war, dass sie in
beständigem Hader lebten. Er fragte sie um die Ursache ihrer
Feindschaft, und warum der Frosch vor der Schlange nicht
einmal seines Lebens sicher sei.
Weil, antwortete die Schlange, der Quacker mir mit seinem
leeren Geschrei zur Last ist, und mich nicht einmal bei
der Nacht schlafen läßt. Der Frosch erwiederte, dass, was die
Schlange leeres Geschrei zu nennen beliebe, Psalmen und Hymnen
seien, die er zum Lobe Gottes anstimme. Salomon fragte die
Beisitzer seines Throns, Simurg und Lokman, um ihr Gutachten;
der Erste unterrichtete den weisen König in der
Naturgeschichte beider Tiere, der zweite bestätigte die
Wahrheit der Rede des Frosches, und setzte hinzu: David, der
sich viel auf seine Psalmen einbildete, sei eines Tages gar
sehr gedemütigt worden durch einen Frosch, der ihm gesagt,
dass er selbst seit vierzig Jahren Psalmen singe zum Lobe der
Gottheit.
Indessen flohen die geschlagenen und zerstreuten Heere der
Diwen von allen Seiten, sie wollten sich durch die bekannten
Auswege der Erde nach dem Gebirge Kaf retten, sie fanden aber
alle Ausgänge doppelt besetzt von Engelwachen. – Diw Rotwind
hielt eine große Dämonenversammlung oder Diwan; aber statt mit
Eintracht auf ihre Rettung bedacht zu sein, waren sie uneins
unter sich selber, und zankten sich um ganz andere Dinge, die
nicht aufs Schlachtfeld gehörten, sondern im weiten Felde
standen. So stritten sie sich im Voraus, welchem von ihnen
Salomons Siegelring zugehören werde, und während sie von ihm
besiegt und zerstreut wurden, Teilte sich der uneinige
Fürstenbund in sein Reich und seine Herrschaft.
Diw Rotwind Tat den Ausspruch, Salomons Siegel sollte
dem gehören, der den Mut haben würde, von Salomons Thron die
diamantene Nägel abzuholen, mit denen das Dekret, das sie in
Acht und Bann erklärte, angeheftet war. Keiner hatte den Mut,
sich diesem Auftrage zu unterziehen. Da ward Rotwind toll, und
erhob sich selbst gegen Himmel in Gestalt eines
Flammenmeteors, das den Horizont mit Feuer und rotem Rauch
füllte. Die Phänomene, so den Durchgang des Diwes Rotwind von
der Erde zum Himmel begleiten, kennen die Menschen unter dem
Namen des roten Windes oder Samum, zum Unterschiede vom
stürmischen Nordost, der Karajel oder der schwarze Wind
genannt, und vom Durchzug eines andern Diwes verursacht wird.
Rotwind richtete seinen Lauf gerade nach Malatia, wo
Salomon damals Hof hielt, und mit der Entscheidung des Frosch-
und Schlangenprocesses beschäftigt war. Auch waren einige
Vögel, die in steter Feindschaft leben, vorgeladen worden, wie
z.B. der Kata und andere Bewohner der Wüste.
Simurg musste immer als Vögelreferendair die natürlichen
Ursachen ihrer Feindschaft angeben, worauf dann Salomon das
Urteil sprach, nicht ohne oft selbst manche Lehre von den
Parteien zu erhalten. So hielt ihm der Kata eine lange Rede
über die Vortrefflichkeit des frühen Aufstehens, und
belehrte ihn, dass die süßesten Genüsse die Rose, und dass
Honig nicht ohne Dorn und Bienenstachel sei.
Salomon hörte, als er an einem Nachmittag vor der Stadt
Malatia spazieren ging, aus einem verfallenen Gebäude ein
Eulengespräch. Das Weihlein machte ihrem Gemahle Vorwürfe,
warum er nicht ausgegangen sei, Nahrung zu suchen. – Dieser
antwortete, dass die Wege nichts weniger als sicher seien,
seitdem Salomon den großen Raubvögeln so viele Freiheit, so
vielen Vorzug am Hof und so vieles Verdienst um seine Person
eingeräumt hätte. Salomon, den diese Rede verdroß, ließ das
Eulenmännchen durch den Widhopf vor die Stufen seines Thrones
laden. Aber die Eule kam nicht, und antwortete nicht einmal
auf die Vorladung.
Salomon schickte nun zum zweitenmale den Kranich mit
derselben Botschaft ab; das Eulenmännschen steckte den Kopf
zum Fenster heraus und sprach: Ei, bist du auch zum Vögelboten
geworden, um uns der Hofsklaverei zuzukuppeln. Aber von mir
bekömmst du keinen Botenlohn. Ich liebe zu sehr die
Einsamkeit, bin zu sehr Philosoph, und zu fromm, als dass ich
meine Lebensart ändern, und an Salomons Hofe meine Weisheit
und Frömmigkeit aufs Spiel setzen sollte. Der Kranich schenkte
dem Nachteulenmännchen nichts an Vorwürfen, und indem er es
einen Winkelsitzer, einen Pedanten und Scheinheiligen
schalt, begab er sich unverrichteter Dinge auf den Rückweg
nach Salomons Hof.
Auf der Straße stieß ihm weiter nichts auf, als eine arme
Nachtigall, die von Sperbern angefallen, entfiedert und
erbärmlich zugerichtet ward; er stattete sowohl von dieser
Szene, als von der Antwort des Eulenmännchens Bericht an den
Stufen des Throns ab. Salomon ließ Simurg kommen, und fragte
ihn, warum denn die Eule so gar stockdumm sei. Simurg, der als
Vögelwesir die Naturgeschichte aller Vögel natürlich in den
Fingern hatte, erklärte aus derselben die Ursachen der
Dummheit der Eule und anderer Vögel, welche so wenig zu leben
wüßten, dass sie Wüsten und Ruinen dem Hofe Salomons vorzögen.
Nun erschien die Nachtigall als Klägerin in Sachen wider
die Sperber. Sie beklagte sich, dass sie während des
Frühlings, und so lange sie mit ihrem Lied Feld und Hain
entzückte, zwar einigermaßen geachtet sei und in Ruhe leben
könne, dass sie aber im Herbste und Winter den Angriffen der
andern Vögel ausgesetzt sei, die mit ihr arges Spiel trieben,
und ihre Bubenstreiche mit dem Vorwande beschönigten, dass sie
eine Müßiggeherin sei, die nur sänge, und kein Brodhandwerk
triebe. Salomon, ein großer Beförderer der Künste, und wie wir
wissen, selbst Liebhaber der Dicht- und Tonkunst, erteilte der
Nachtigall ein Berat oder Freiheitsdiplom, vermöge dessen
sie aller Arbeit enthoben und vor aller Belästigung
gesichert sein sollte. Simurg Teilte diesen Freiheitsbrief den
großen Vögeln mit, die darüber nicht wenig murrten. Wie?
sagten sie, wir andern sind verbunden, in der größten
Sonnenhitze unsere Flügel über den Thron auszuspreiten, um
Allerhöchst Seiner Majestät Schatten und Wind zu machen, und
diese Müßiggängerin, die Nachtigall, soll den Tag in
Rosengebüschen bei Quellengemurmel mit Singen und Nichtstun
hinbringen? Zu was nützen diese Sänger in einem
wohleingerichteten Staate, und was hat der Hof von ihrem
Singsang?
Meine Herren Magnaten, antwortete Simurg den großen Vögeln,
bedenken Sie, dass die Nachtigall ein armer Verliebter ist,
der aus Liebe zur Rose den Kopf verloren hat, der seine
Leidenschaft in Liedern austönt, und dem kein Mensch den Hof
macht, während Sie mit Ihren Flügeln den Thron überspreiten,
und Alles unter dem schützenden Schatten Zuflucht sucht.
Dieser Grund, so vernünftig, als er war, hatte doch nicht
Gewicht genug, um die kleinliche Eifersucht und den
Verfolgungsgeist der großen Vögel zu versöhnen. Um die
Nachtigall bei Salomon zu verschwärzen und zu stürzen, kamen
sie mit falschen Anklagen angezogen, und brachten den Raben
und die Gans als Zeugen mit.
Die Nachtigall machte Ausnahme von der Gültigkeit solcher
Zeugen, denn der Rabe, sagte sie, als ihn Noe aussandte,
Kunde zu bringen, setzte sich auf ein Aas, und bekümmerte sich
weiter um nichts in der Welt; wie könnte man also wohl die
Aussage eines solchen Kundschafters als wahr annehmen? Noch
weniger die einer Dirne, wie die Gans. Wars nicht sie, die,
als alle Tiere dem Propheten Jonas zum Austritt aus dem
Wallfischbauch ihr Kompliment machten, allein nicht hinging,
und lieber mit ihrem Schnabel in den Blättern der großen
Kohlstaude, die dem Propheten zum Schattenzelt gedient,
herumwühlte? Hat sie nicht seitdem zur Strafe die Sprache
verloren, so dass sie nur immer unverständlich schnattert,
ohne dass ein vernünftiger Mensch etwas daraus verstehen kann?
Wie sollte ich solche Zeugen nicht als ungültig zurückweisen?
Salomon fand die Ausnahme rechtsgültig, und die Nachtigall
hatte ihren Prozess gewonnen.
Die Nachteule war aber immer noch nicht erschienen zum
großen Verdruße Salomons, der eine neue Deputation absandte,
mit dem Auftrage, die Widerspenstige mit Gewalt oder List nach
Hof zu bringen. Die Deputirten wußten keinen andern RaT, als
sich an andere Eulen zu wenden, welche in Malatia hausten, um
durch ihr Zureden die Halsstarrige aus ihrem Neste
herauszulocken. Dies gelang. Der ganze Zug machte sich auf den
Weg nach Malatia. Unterwegs aber wurden sie von einer Schaar
Raben angefallen. Zum Glück eilte noch Simurg zu rechter
Zeit herbei, um dem Vögelkampf ein Ende zu machen. Er wusste
wahrhaftig nicht, wohin den Kopf zuerst zu wenden, so viel
Arbeit gaben ihm die Vögelprocesse. Diesmal legte er den
Streit bei, und sperrte das widerspenstige Eulenmännchen in
einen eisernen Käfig ein.
Das Heer Satans, der als treuer Bundsgenosse den Diwen zu
Hülfe geeilet, war nun auch aufs Haupt geschlagen, und Iblis
sah sich allein mit seinen Ministern. Die Dämonen, nach allen
Gegenden zerstreut, wurden von den leichten Truppen Salomons
verfolgt, und überall aufgebracht. Sie wurden in verschiedene
Kerker eingesperrt, die Einen in Weinschläuche, die Anderen in
Flaschen, die Dritten in eherne Töpfe, welche Salomon dann mit
eigener Hand versiegelte. Einige wurden in gespaltne Bäume
eingeklobt, Andere zwischen zwei ausgehöhlte und dann mit Blei
vernietete Steine eingeschlossen.
Aßaf, der weise Wesir, nahm sie dann einen nach dem andern
ins Verhör, um von ihnen zu erfahren, durch welche Künste sie
den Menschen verführten; eine Kenntnis, welche Wesiren, wenn
nicht notwendig, doch nützlich ist. Die Verruchtesten
derselben, statt die Wahrheit zu gestehen, versuchten ihre
Kunst an Aßaf selbst, um seine Weisheit zu betören, und ihre
Freiheit zu erlisten. Aber da war alle Versuchung verloren.
Sie wurden hinuntergeworfen in ehernen Töpfen auf den Grund
des Meeres, wo sie bleiben, bis der Zufall einen in
Freiheit setzet, wovon erzählt wird in den wahrhaften
Geschichten der Tausend und einen Nacht.
[Rand: Suleimanname. LXV. Band.] Rostem, der Sohn
Saldastan's, befand sich auch unter den Helden von Salomons
Heer, die den widerspenstigen Diwen nachjagten. Er hatte sich
an einer Quelle niedergelassen, um auszuruhn, und sein
Streitroß Raihsch weidete auf der Flur. Da zogen die Diwen
Cantur as, Calkados, und der Isrit Dschasus vorbei. Haha!
sagten sie, so haben wir einmal den Sohn Saldastan's, der uns
so vieles Übel zugefügt hat, erwischt! – Um den Schlafenden
nicht aufzuwecken, fingen sie an, das Feld, wo er schlief, zu
unterminieren, um ihn, so wie er war, in die Luft zu heben mit
Roß und Quell. Aber Rostem erwachte und erblickte vor sich das
Ungeheuer, den Diw Canturas, der die Gestalt eines schwarzen
Berges hatte, statt des Mundes eine Höhle, statt des Kopfes
eine Kuppe. Die Arbeit des Unterminirens war eben vollendet,
und damit Rostem sich seiner Kräfte nicht bedienen möge,
fiengen sie an, das Feld wie einen Kreisel herumzudrehen, so
dass Rostem und sein Pferd Raihsch aus Schwindel die Sinnen
verloren. In diesem Augenblicke flog der Vogel Roch vorbei,
dem Rostem ganz besonders anempfohlen war. Mit einer Klaue
ergriff er Rostem, und mit der anderen sein Streitroß, so trug
er beide an den Rand eines lieblichen Quells; er tauchte
die Flügel ins Wasser, besprützte sie, und brachte sie so vom
Schwindel zur Besinnung. Unterdessen suchten die Waffenbrüder
Rostems den Helden von allen Seiten; die Spuren seines Rosses
verfolgend, waren sie an den Platz des Quells gekommen; aber
ihr Erstaunen war groß, als sie an der Stelle desselben einen
schwarzen Teich aus Teer fanden. Sie besprachen sich unter
einander, wer dies wohl getan haben könne, ob ein Diw oder ein
Isrit, und wer von beiden der stärkere sei.
Sie erschöpften sich in Vermutungen, wo Rostem hingekommen
sein könne, und sie sprachen so Manches hin und her, als ihnen
Roch den Helden zuführte, erquickt und erfrischt mit seinem
Pferde, doch ohne Schwert und Sattel. Das erste war in der
Hand der Dschinnen geblieben, der zweite auf der Flucht
herabgefallen.
Ähnliche Taten haben den Vogel Roch berühmt gemacht in
Feldzügen, und daher die Macht und das Ansehen, das er im
Schachspiele, der Schule taktischer Kunst, behauptet. In
späteren Zeiten, als er von der Erde verschwunden war,
verschwand er auch von dem Schachbrette, aber das Manöuvre der
Türme, die Verwechselung derselben (roguer) wird noch nach dem
Vogel Roch benennt.
Satan, der alle Ausgänge der Erde besetzt, und kein Mittel
vor sich fand, den Engeln und gehorsamen Genien, die überall
auf ihn lauerten, zu entwischen, dachte auf Rettung durch
List. Er nahm die Gestalt eines alten abgelebten Dschinns an,
und ließ sich bei Salomon vorstellen, als ein Reisender, der
viel Länder und Zeiten gesehen, und mit den Propheten auf
vertrautem Fuße gelebt hätte. Unter anderm fragte er Salomon
um seine Meinung, ob denn Satan am Tage des jüngsten Gerichtes
nicht Verzeihung erhalten würde. Salomon antwortete, dass am
Tage der Auferstehung Gott der Herr aus Allbarmherzigkeit dem
Satan Verzeihung und Gnade verheißen werde, wenn er dem
Menschen huldigen wolle, dass aber Iblis aus teuflischem Stolz
sich dessen, wie bei der Erschaffung Adams weigern, und also
das Paradies zum zweitenmale verlieren würde. Satan
entgegnete, das könne nicht, so sein, denn Abraham habe ihn
des GegenTeils versichert. Dieser Geist des Widerspruchs, der
sich so schlecht für gläubige und gehorsame Genien schickt,
erweckte Verdacht bei Salomon. Er ließ Lokman rufen, und
befahl ihm, durch Beobachtungen mit dem Astrolabium
herauszubringen, wo Satan stecke. Lokman fand sogleich, dass
er in Salomons Gegenwart sei, und Salomon redete ihn nun als
solchen an.
Iblis bestand hartnäckig darauf, er wolle beweisen, dass er
nicht Satan sei; er rief die versammelten Dschinnen zur
Zeugenschaft auf, diese aber weigerten sich, dieselbe
abzulegen. Der Pfau und die Schlange, welche beide durch ihn
das Paradies verloren hatten, bezeugten vielmehr, dass er
wirklich Satan sei, aber Iblis machte Ausnahme wider ihre
Zeugenschaft, weil sie verworfne, von der Gesellschaft des
Paradieses ausgestoßne, Geschöpfe wären. In diesem Augenblicke
brachen die zwei Dschinnen, welche, weil sie Satan am besten
kannten, ihn aufzuspüren gesandt worden waren, unter der Erde
hervor, und entlarvten den verkappten Diw.
Satan, als er sah, dass er seine Person nicht mehr
verleugnen könne, nahm seine Zuflucht zu Zauberkünsten und
Verhandlungen, um dem allgemeinen Angriff des Dschinnenheeres
zu entgehen. Er entschlüpfte ihnen immer bald als Feuer, bald
als Wasser, bald als Wind, und bald als Rauch. Da lehrte der
Pfau dem König Salomon eine Beschwörungsformel, welcher er auf
keine Weise widerstehen könne. Dies ist die Formel: Gott,
unser Herr! der die Engel mit Licht geziert; kein Gott ist
außer Dir; Lob Dir, der du ausgebreitet hast das Tal, und den
Berg gesetzt als einen Pfahl; der Du hast der Nacht das
Sternenkleid gegeben, und dem Tag den Unterhalt zum Leben; der
Du uns den Schlaf zur Rast, und jedem Geschöpfe ein gleiches
als Paar gegeben hast; Jehova! Dieser Beschwörung konnte Satan
nicht widerstehen, er ergab sich auf Gnade oder Ungnade, und
Salomon ließ ihn mit einem Haar aus seinem Gürtel
fesseln, der von Adams Hauptlocken gewoben war. Hierüber
gebärdete sich Iblis sehr unbändig, doch sagte er, Salomon
möge schalten nach Belieben, die Reihe werde schon auch auf
ihn kommen. –
Der Genius Rotwind, der als Samum die ganze Erde
durchstrichen hatte, um seinen getreuen Bundsgenossen Iblis zu
finden, kam endlich in der Luft senkrecht über Salomons Thron
zu stehen, und erschien als eine feurige Kugel. Die großen
Vögel, als sie dies ungewöhnliche Meteor erblickten,
erschracken gewaltig, und statt die Flügel ausgespreitet zu
halten, ließen sie sich zur Erde niederfallen. Das brachte den
Thron und alle Tiere in große Verwirrung, während welcher
Rotwind entfloh.
Es war lange Zeit, dass der Schlangenkönig nicht zum Throne
Salomons gekommen war, ihm den Hof zu machen, und Salomon,
der, wie schon gesagt, unter den wichtigsten Geschäften auch
nicht die kleinsten vergaß, ließ ihn zu sich einladen.
Der Schlangenkönig Thronte in Sustan, der Provinz Persiens,
wo heute noch sein Volk am zahlreichsten wohnet. Er kam
getragen von einem ungeheuren Drachen, auf dessen Kopfe ein
Teller aus Rubin stand, auf diesem Rubinteller saß der
Schlangenkönig, mit einer goldenen Krone auf dem Haupt.
Salomon empfing ihn freundlich und lud ihn ein, einige Zeit
in seinen Staaten zuzubringen. Der Schlangenkönig nahm
die Einladung mit Dank an und fragte um die Stadt, die ihm zum
Aufenthalt angewiesen würde. Salomon bestimmte Jerusalem. Als
dies die Einwohner hörten, ergriff sie großer Schrecken ob
dieser Ehre; doch der Hohepriester und die Leviten trösteten
sie, indem sie ihnen sagten, der Schlangenkönig komme bloß,
die Wallfahrt und seine Andacht zu verrichten.
Unterdessen war an Salomons Hofe eine seltsame Veränderung
vorgegangen. Der ganze Hofstaat hatte Reißaus genommen, und
Salomon hatte nicht nur keine Bedienung mehr, sondern nicht
einmal etwas zu essen, weil er seine Körbe nicht für
Gerstenbrode umsetzen konnte. Die Ursache dieser
außerordentlichen Veränderung war Satans Gefangenschaft. Denn
seitdem er nicht mehr freies Spiel hatte mit den
Leidenschaften der Menschen, hatten sich alle bekehrt, und
dachten statt auf Ehren und Erwerb, nur auf Gebet und gute
Werke. Auf dem Marktplatz standen alle Gewölber leer; umsonst
ließ Salomon seine Körbe ausschreien, kein Mensch legte einen
Bot darauf, die Kaufleute waren alle in der Kirche. Am Hofe
selbst war's lautere Einsamkeit; die Vögel und Dschinnen und
Könige und Propheten erschienen nicht mehr, weder beim
Aufstehn, noch beim Schlafengehn des Königs. Kaum blieben noch
ein paar Läufer übrig, die Salomon zu den Dschinnen und
Vögelfürsten, zu den Königen und Propheten herumsandte,
um sie über die Ursache des Ausbleibens zu befragen. Sie
sandten ihm Antwort: Sie wüssten ihre Zeit besser anzuwenden,
indem sie statt des Königes dem lieben Gott den Hof machten.
Sälomon, ganz erstaunt über diese schöne Moral, und noch
verlegner, als zuvor, über den Absatz seiner Körbe, gab
dieselben seinem Hofmarschall, der ihm noch getreu geblieben
war, um sie gerade zum reichsten Juden und größten Wucherer
des Reichs zu tragen, und sie ihm für ein Spottgeld
anzubieten. Der Marschall ging, kam aber ebenfalls
unverrichteter Dinge zurück, denn sogar dieser Jude hatte sich
bekehrt, wollte von Handel und Wandel nichts wissen, und
erwiderte die Anträge mit schönen Sittensprüchen.
Wenn's so ist, sagte Salomon, nun so werde auch ich zum
Einsiedler werden, und mein Leben in der Wüste beschließen.
Der Hof und die Regierungsgeschäfte hatten aufgehört (denn
seit Satans Einkerkerung lebte die ganze Welt in Eintracht und
Unterwürfigkeit, und es gab keine Händel zu schlichten).
Salomon, dem die Zeit lang ward, ging also spazieren in den
Gassen der Stadt Malatia. Aber es begegnete ihm keine
Menschen-, Hunds- oder Vögelseele. Die Gewölber waren
versperret, die Fenster zugemacht. Alles verrichtete seine
Andacht. Salomon spazierte noch eine Weile herum, ohne
deswegen satt zu sein, denn es war schon der eilfte Tag,
dass er nichts gegessen hatte. Am zwölften kamen die säugenden
Mütter der Stadt zu Salomons Thron, und baten um Hülfe, weil
die Milch in ihrem Busen vertrocknet war, und sie ihre Kinder
nicht mehr säugen konnten. Salomon, um der Hungersnot doch
einigermaßen zu steuern, befahl dem Wind, alle Datteln der
Palmbäume, die frei stunden, und Niemandes Eigentum wären,
abzuschütteln und herbei zu führen. Der Wind gehorchte, es
regnete Datteln. Die Mütter bekamen Milch, ihre Kinder zu
säugen, und Salomon durfte sich nicht weiter um den Verkauf
seiner Körbe bekümmern. Dies dauerte siebenmal sieben Tage, am
fünfzigsten erschien der Prophet Chisr an den Stufen des
Throns.
Chisr wünschte Salomon Glück zu seinem Siege über Satan,
stellte ihm aber zugleich vor, dass seit seiner Einkerkerung
die ganze Welt in Untätigkeit versunken sei; denn nur Satans
Freiheit unterhalte das Spiel der Leidenschaften, und den der
menschlichen Gesellschaft nötigen Umtrieb. Salomon war zu
fromm, um diese Überzeugung sogleich als baare Münze
anzunehmen. Auch der Erzengel Gabriel musste kommen und ihm
dieselbe Wahrheit vortragen, um ihn zu einer Änderung seines
Entschlusses zu bewegen. Salomon beschloss daher, Satan mit
Züchtigungen zur Erkenntnis seiner teuflischen Bosheit zu
bringen, und ihn dann frei zu lassen.
Alle Peinen und Foltern blieben wirkungslos, endlich
bat Salomon Gott den Herrn, ihn fühlbarer zu züchtigen, als es
ein Prophet vermochte, und ihm zum Andenken seiner Empörung
das rechte Auge auszuschlagen, seit wann der Teufel einäugigt
ist. So erzählt wenigstens die Sache Plato in seinen
Denkschriften, Lokman aber behauptet, Satan habe das rechte
Auge schon beim Opfer Abrahams verloren, wo es ihm Ismail mit
einem Steine ausschmiss. Hierauf verstand sich Salomon auf
vieles Zureden Gabriels, Satan loszulassen, doch mit der
Bedingung, dass er alle Jahre sich einen Monat lang freiwillig
in Arrest stellen werde, wozu er sich gerne verstand. Dieser
Monat ist der Fastenmond oder Ramasan. Weil Satan eingesperrt
ist, stocken im Ramasan alle Geschäfte und Weltändel, und die
Gläubigen liegen bloß der Andacht und dem Gebete ob7.
Satan änderte nichts an seiner eingefleischten Bosheit, und
ließ es Salomon noch fühlen, dass er ihn mit seinen Fragen, ob
er wohl jemals von der ewigen Verdammnis gerettet werden
könne, bloß zum Bessten gehabt habe. Glaubst du denn,
hochweiser Prophet, sprach er, dass, wenn sich mein
angestammter Adel je vor dem Throne, der mir selbst gebührt,
erniedrigen wollte, ich nicht auf der Stelle ein Mittel wüsste,
mich wieder mit dem Usurpator meiner Rechte auszusöhnen. Weißt
du nicht, dass auf der Tafel des Schicksals eine Formel
geschrieben steht, wodurch selbst Satan, wenn er sie
aussprechen wollte, wieder in Gnaden aufgenommen würde.
Salomon glaubte, dies sei eines der gewöhnlichen Stücke des
Lügenvaters, um so viel mehr, als derselbe die Formel
anzugeben sich weigerte. Doch hiezu hatte er gute
Ursache; wenn die Menschen, sagte er, diese Formel kennten und
gebrauchten, so würde es mir gar bald an Gesellschaft fehlen
in der Hölle. Salomon fragte den Engel, dem die HuT der Tafeln
des Schicksals aufgetragen ist, ob was Wahres sei an Satans
Vorgeben, und als dieser die Wahrheit desselben bestätigte,
begehrte Salomon, er möge ihm die Formel abschreiben. Der
Engel konnte einem Propheten, wie Salomon, die Bitte nicht
abschlagen, und hier folgt die Formel selbst zum Seelenheil
der Leser.
Es ist kein Gott, außer Gott dem Gütigen.
Es ist kein Gott, außer Gott dem Rächenden.
Es ist kein Gott, außer Gott dem Mächtigen.
Es ist kein Gott, außer Gott dem Verzeihenden.
Wer diese Worte wiederholt, fährt vom Mund auf in Himmel.
Wo haben wir das letzte Mal die Nachteule gelassen? Im
eisernen Käficht, wenn wir nicht irren. So ists, dort war sie
vergessen während der vierzig Tage, wo Satan eingesperrt war,
und während wir von seiner Züchtigung Bericht erstatteten.
Doch nun ists Zeit, dass sich Salomon, und wir mit ihm, des
Eulenmännchens erinnern. Es wird geladen vor die Stufen des
Throns. Simurg, als oberster Vögelrichter, führte das Wort, und
fragte, warum Delinquent nicht auf die dreimalige Vorladung
vor Salomons Thron erschienen. Weil ich, antwortete die
Nachteule, gar ernst und tief mit Denken beschäftiget war.
Und was dachtest du denn?
Das erstemal dachte ich über die Ursache nach, warum
Salomon von Gott nur die Herrschaft, und nicht auch das
ProphetenTum begehrt hat. Das zweitemal dachte ich, warum wohl
Salomon Gott den Herrn gebeten, dass er seine Macht und
Herrschaft auf Niemanden übertrage, was mir sehr eigensüchtig
und geizig zu sein scheinet. Das drittemal endlich dachte ich,
ob Salomon als Herrscher über Menschen, Dschinnen, Vögel und
vierfüßige Tiere auch wohl die Gerechtigkeit verwalte, wie
sichs gehört, und allen seinen Untertanen Recht widerfahren
lasse.
Ein anderer König, als Salomon, hätte diese Gedanken sehr
zur Unzeit gefunden, und dem philosophischen Redner die Gurgel
mit einer seidenen Schnur zugeschnürt, aber Salomon war zu
groß, um sich hierdurch beleidigt zu fühlen, er hielt es
vielmehr für Regentenpflicht, von seinen Handlungen vor den
Untertanen öffentliche Rechenschaft abzulegen, und einen
Philosophen wie die Nachteule nicht mit Gewalt, sondern durch
Überzeugung zurechte zu führen. Er geruhte also aus
Allerhöchsteigenem Munde folgendermaßen die Fragen der Eule zu
beantworten: Ich flehte zum Himmel um die Gnade, ein großer
Fürst zu sein, weil die Eigenschaften eines großen Fürsten
schon die eines Propheten oder göttlichen Gesetzgebers in
sich begreifen, nicht aber umgekehrt. Als ein großer Fürst bin
ich auch Prophet, aber als großer Prophet war ich deswegen
noch kein Fürst.
Ich bat Gott den Herrn, dass meine Macht und Herrschaft auf
Niemanden übergehen möge, weil mich die Geschichte gelehrt,
dass die Herrschaft nur dann, wenn der Verlust derselben
verdient ist, von Einem zum Andern übertragen wird. Die
Gewährung dieser Bitte enthält zugleich die Versicherung, dass
meine Herrschaft frei sein werde von Gebrechen und Schwächen,
welche die Übertragung derselben auf einen Nachfolger
notwendig machen würden.
Was das dritte betrifft, so kann ich hierüber nicht so
bestimmte Antwort geben; ich weiß nicht, ob die Untertanen
meiner Reiche mit der Verwaltung der Gerechtigkeit zufrieden
sind, oder nicht; wohl aber weiß ich, dass ich mir selbst
hierüber keinen Vorwurf zu machen habe. Eines Tages kroch die
Ameise unter dem Teppich, worauf ich mein Gebet verrichte,
hervor, und beklagte sich, dass ich ihr auf den Fuß getreten
und wehe getan habe. Ich bat sie um Verzeihung, und fastete
vierzig Tage, bis sie wieder den freien Gebrauch ihres Fußes
erhalten hatte. Die Nachteule schwieg ganz beschämt von der
Herablassung Salomons, der ihr nicht nur die Weigerung, am
Hofe zu erscheinen, verzieh, sondern sogar ihre
philosophischen Zweifel zu heben sie würdigte.
Nun ward der Rabe vorgefodert, welcher die Nachteule
vorzüglich bei Hofe verschwärzt hatte, und beständig in offner
Fehde mit ihr lebte. Er ward zur Rede gestellt, was er denn
eigentlich wider die Eule habe. Nicht viel, antwortete der
Rabe, aber das Wenige ist genug. Sie ist ein Bastard und ein
Nachtstreicher.
Die Nachteule sprach nun zu ihrer Rechtfertigung. In
Betreff ihrer Geburt gestand sie zwar ein, dass sie ihr Dasein
einer Mißheirat danke, das habe sie aber mit vielen Magnaten
des Tier- und Vögelreiches gemein, wie z.B. mit dem Straußen,
dem PanTer, dem Kameloparden, dem Rhinoceros, die alle
Bastarde wären; überdies gebe es ja ein Dutzend Tierfamilien,
die ursprünglich in einer ehrenvolleren Lage gewesen seien,
als ihre itzige; und es sei immer rühmlicher, sich von Nichts
zu Etwas hinaufzuschwingen, als vom Edleren ins Schlechtere
herabgesetzt zu werden. So sei es weltkundig, der Elephant sei
ehemals ein Knabenschänder, und die Bärin ein ausgelassenes
Weib gewesen. Der Scorpion ein Verleumder; die Eidechse ein
Wahrsager; die Spinne eine Hexe; das Hippopotam ein
freiwilliger Hörnerträger u.s.w. Was das Nachtwandeln
betreffe, so glaube sie, dafür Lob und nicht Tadel zu
verdienen. Es bestehe eine alte Überlieferung von der
heiligen Nacht Cadr, in der einst das Wort Gottes, der Koran,
vom Himmel auf die Erde gesendet werden sollte. Die
Vortrefflichkeit dieser Nacht über alle Tage sei längst
entschieden, und sie durchwache die Nächte, um in der Folge
der Zeiten dieselbe nicht zu verfehlen, sondern wie billig in
Gebet und Betrachtungen über dies tiefe Geheimnis zuzubringen.
Salomon fand die Gründe der Nachteule sehr triftig, und
erlaubte ihr nicht nur, wie eh', ihre philosophischen
Betrachtungen zwischen Ruinen fortzusetzen, sondern befahl
auch dem Vögelwesir Simurg, ihr ein Doktordiplom
auszufertigen, vermöge dessen sie sowohl weder von den großen
Vögeln, noch von den Raben ins Künftige belästigt werden
sollte. Die großen Vögel richteten sich darnach, weil ihnen
die Nachteule gar nicht im Wege stand bei Hofe, aber die
Raben, die auch in der Wüste und in verfallenen Gebäuden
hausen, konnten kaum ihre Feindschaft zähmen so lange als
Salomon regierte. Nach seinem Tode brach ihre Feindschaft
heftiger aus, als jemals.
Nachdem Satan befreiet, und der gesellschaftliche Verkehr
in Malatia wieder hergestellt war, beschloss Salomon seinen
Thron nach Jerusalem zu übertragen. Hievon verständigte er den
Hohenpriester durch ein Handschreiben, mit dem er den Widhopf
als Kabinetskurier absandte. Dieser fand den Hohenpriester im
Tempel, umgeben von den Leviten, begriffen im Lobe der
Gottheit; er küsste das Handschreiben, und machte Alles zum
Empfange Salomons fertig, der sich unterdessen schon von
Malatia in die Lüste erhoben hatte, und sich an dem Erstaunen
der Bewohner, die mit offenem Aug' und Mund dem Throne in den
Lüften nachgafften, nicht wenig erlustigte.
Der Schlangenkönig mit seinem Hof und Heere hatte sich vor
den Mauern Jerusalems gelagert, und war in voller Parade
aufgezogen zu Ehren der Ankunft Salomons. Als dieser von ferne
schon die ganze Ebne mit Schlangen, und Drachen, und Eidechsen
und Basilisken aller Art bevölkert sah, geriet er in einige
Verlegenheit ob der Bewirtung so vieler Gäste, denn er hatte
wohl für den Schlangenkönig und seinen Hof, aber nicht auch
für sein Volk und Heer die nötige Vorsicht getroffen. Er
besprach sich hierüber mit dem Dschinn Sepid, der schon zu
Zeiten der voradamischen Salomone Hoflieferant gewesen war,
und ernannte ihn in derselben Eigenschaft.
Der Schlangenkönig hatte eine lange Audienz, in [Rand:
Suleimanname. LXVI.] der Salomon manche Aufschlüsse empfing,
über Naturgeheimnisse, die ihm bis itzt unbekannt geblieben
waren. So fragte er, was denn die goldnen Kronen seien, welche
mehrere Schlangen auf dem Rücken trügen. Der Schlangenkönig
belehrte den weisen König, dies sei das berühmte Mühre oder
Schahmühre, ein Edelstein und Gegengift von wunderseltner
Art. Schlangen aus königlichem Geblüte brächten denselben bei
der Geburt mit auf die Welt. Die Natur des Mühre sei sehr nahe
mit dem Sonnenstoffe verwandt, so zwar, dass, wenn es nicht in
goldenem Gehäuse unter Kronengestalt verwahrt wäre, die Sonne
dasselbe alsogleich an sich ziehen würde.
Gleich nach der Geburt eines Schlangenprinzen ist das
Schahmühre mit sieben Häuten umwickelt, diese Häute fallen
nach und nach ab, und dann umzieht man es mit Golde in einer
finsteren Höhle, wohin kein Sonnenstrahl dringt, und die nur
vom Glanze des Schahmühre selbst erleuchtet wird. Ein einziger
Sonnenstrahl, der einfiele, würde den verwandten Stoff an sich
ziehen, und es ist wirklich geschehen, dass, als in einem
Kampfe zwischen zwei Schlangenprinzen das Gold verletzt und
das Kleinod entblößt ward, der Verwundete sogleich von den
Sonnenstrahlen in die Höhe gezogen gegen Himmel flog.
Salomon erlaubte, dass ihm durch den Schlangenkönig die
großen Drachen vorgestellt würden, und ließ sich die
besonderen Eigenschaften eines jeden erzählen. Ihre
Hauptstärke liegt in den Blicken, einige tödten sieben Meilen
weit, Alles, was sie erschauen können, andere bezaubern blos,
und ziehen durch ihren Blick die Vögel des Himmels aus den
Lüften. Nach den Drachen kamen die Schlangen, die Basilisken
und die Eidechsen, und die Musterung dauerte drei ganzer Tage
zu großer Erbauung der Bewohner Jerusalems, denen die
Schlangen- und Drachenparade viele Freude machte.
Der Schlangenkönig selbst stand zur Rechten des Thrones, wie
der Pfauenkönig zur Linken. Nach geschehener Musterung
begrüßten sie sich erst freundlich, und umarmten sich dann auf
das zärtlichste mit Tränen in den Augen. Der Schlangenkönig
bat um die Erlaubnis, den Pfauenkönig auf ein Abendessen zu
bitten, und diese Nacht hindurch bei sich bewirten zu dürfen.
Euer Liebden, sprach Salomon, sind Herr in Ihrem Palaste,
aber von woher schreibt sich denn diese zärtliche
Freundschaft? – Ach! antwortete der Schlangenkönig mit einem
tiefen Seufzer, Eure Majestät frischen bittere Erinnerungen
auf, wir kennen uns noch aus dem Paradiese her, das wir mit
einander bewohnt und verscherzt haben. Leider, dass wir Satans
Einstreuungen Gehör gaben! Der Schlangenkönig bestieg nun
seinen Thron, aus einem Rubinteller geformt und von einem
großen Drachen auf dem Kopfe getragen, und der Pfauenkönig
begleitete ihn, nachdem er die Erlaubnis erhalten hatte, für
diese Nacht außer dem Palaste zu schlafen. Beide brachten die
Nacht in Gesprächen über das vergangene Glück zu, und
erweichten sich so sehr durch die Erinnerungen der Vorzeit,
dass sowohl ihnen, als der ganzen Tafelgesellschaft große
Tränen in den Augen standen.
Salomon selbst hatte den Schlangenkönig je mehr
kennen, desto mehr schätzen gelernt. Nachdem er mit dem Pfau
zum Abendessen gegangen, fragte Salomon den Engel, der zum
Hüter der Tiere gesetzt ist, ob dieser Schlangenkönig über
alle Schlangen und Drachen der ganzen Welt herrsche, und dann,
wann und wie Gott die Schlangen erschaffen habe. Der Engel
antwortete aufs Erste: dass nur die Schlangen und Drachen des
Berges Kaf und der Hölle nicht unter seine Botmäßigkeit
gehörten, sonst aber alle; aufs Zweite: dass nach Erschaffung
des himmlischen Gezeltes der Schicksalstafel und der Feder,
Gott der Herr dem Engel Riswan als Hüter des Paradieses
aufgetragen habe, Alles, was sich im Chaos von schwarzen und
weißen Elementen befinde, auszuklauben; desgleichen dem Engel
Malek als Hüter der Hölle auszusondern vom Chaos alle Elemente
des Rauchs und Feuers. Aus dem Schwarz und Weiß habe Gott dann
Tag und Nacht, aus dem Rauch und Feuer die Schlangen und
Drachen der Hölle erschaffen. Er erzählte weiter, wie die
Schlange und der Pfau ihre schöne Gestalt und Stimme samt dem
Paradiese verloren, was wir schon aus der Schöpfungsgeschichte
wissen.
Wenn je ein Fürst wohl unterrichtet war, so war es Salomon.
Man sieht, wie viele Gelegenheiten er hatte, sich zu belehren,
und wie er keine derselben vernachlässigte. Auch ward seinen
Wesiren öfters bang vor den Fragen, mit denen er sie
bestürmte. Damit ihm nichts unbekannt und verborgen
bleibe in seinem Reiche, hatte er Gott um die Gnade gebeten,
dass er Alles hören möge bis auf die Ameise, die im Ohre des Elefanten kriecht, dass er Alles sehen möge bis auf die
Mücke, die in finstrer Nacht auf schwarzem Steine sitzt. Zudem
war der Wind sein treuer Kundschafter, der ihm Alles zutrug.
Bei Gelegenheit des Schlangengesprächs fiel auch die Rede
auf das Gift und die verschiedenen Wirkungen desselben. Die
Philosophen und Weisen legten den Kram ihrer Gelehrsamkeit
aus, und sprachen viel über die tödtliche Kraft, sowohl der
natürlichen, als künstlichen Gifte. Lokman allein trat mit dem
Parabore auf, dass er ihnen einen Menschen stellen wolle, an
dem die tödtlichsten Gifte wirkungslos bleiben sollten. Die
Philosophen lachten, und foderten ihn zum Versuche auf; Lokman
nahm die Auffoderung an, und stellte ihnen einen tatarischen
Prinzen, einen Neffen Efrasiabs vor, der um so lieber sich der
Probe unterzog, als er schon seit geraumer Zeit in tiefe
Schwermut versunken des Lebens satt war. Schlangen, Vipern,
Drachen und Skorpionen wurden losgelassen auf den Prinzen, den
sie stachen, bissen und schlugen, ohne dass sich nur die
geringste Wirkung des Giftes zeigen wollte. Die Philosophen
standen mit offenem Munde in gelehrtes Erstaunen vertieft,
ohne dass einer von weitem die Ursache so sonderbarer
Erscheinung begriffen hätte. Endlich half ihnen Lokman
aus dem Traume, indem er sie folgendermaßen anredete: Liebe
Freunde und Collegen; ein einziges Gegengift giebt es in der
Welt, das auch den stärksten Giften Trotz bietet, und dieses
Gegengift ist die heftige Leidenschaft unbefriedigter Liebe.
Der junge Prinz ist in diesem Falle, und wiewohl er uns
vielleicht nicht sogleich sein Leiden gestehen wird, so werdet
ihr euch doch leicht von der Wahrheit meiner Rede überzeugen.
Lokman griff den Puls. Sie sind verliebt, mein Prinz. Der
Prinz stieß einen brennenden Seufzer aus, der den Himmel hätte
entflammen mögen.
Lokmann nannte alle Prinzessinnen nach dem Staatskalender
her, um zu sehen, ob nicht der Name einer derselben eine
Wirkung auf den Puls hervorbrächte. Er blieb unverändert. Nun
nannte er die Hauptstädte der Welt: Jerusalem, Memphis, Tadmor,
Istachar; keine Veränderung zu spüren. Damaskus. Da schlug der
Puls, wie ein Hammer. Nun durchging er auch die verschiedenen
Viertel und Gassen der Stadt, und brachte heraus, in welcher
Gegend der Stadt sich der geliebte Gegenstand befand. Dann
machte er rhetorische und poetische Beschreibungen von
Rosenwangen, Mondgesichtern, Moschushaaren, Wimpernpfeilen,
Brauenbögen; von Bädern und Gärten, und Senften, und
Schleiern; und nach der abwechselnden Stärke, womit der Puls
anschlug, setzte Lokmans Scharfsinn eine genaue
Beschreibung sowohl der Geliebten, als auch der Umstände,
unter denen der Prinz sie gesehen hatte, zusammen. Es ergab
sich hieraus, dass der Prinz sie in einem Garten, bei ihrer
Rückkehr aus dem Bade, in dem Augenblicke gesehen hatte, als
der Wind den Zipfel des Schleiers ihrer Sänfte aushob.
Es fehlte nur noch der Name. Lokman nannte die Namen der
Schönen des bezeichneten Viertels der Stadt, auf welche die
gegebene Beschreibung passen konnte; Fatma, Rebia, Aischa,
Sühre; Keine Veränderung zu spüren. Veilchenzart, Rosenstengel,
Sonnenglanz, Sternenschein; der Puls noch immer derselbe.
Schirin, Maria, Humojon, Phönix, Paradiesesvögelein. Bei dem
letzten Namen fiel der Prinz in Ohnmacht, so dass man alle
Mühe hatte, ihn mit Rosenwasser wieder ins Leben
zurückzurufen. Nun bestürmte er den weisen Lokman mit Schwüren
und Bitten, ihm doch zum Anschauen seiner Geliebten zu
verhelfen, dass er das wüTende Feuer seiner Brust stillen
möge. Prinz, antwortete Lokman, das kann ich, aber Sie sind
ein Kind des Todes, denn sobald die Heftigkeit der
Leidenschaft durch Genuß gestillt sein wird, so hört das
Gegengift auf, und das Gift der Schlangenbisse und
Scorpionenstiche wirkt unaufhaltsam; das unbefriedigte Sehnen
der heftigsten Leidenschaft ist künftighin das einzige Mittel,
Ihr Leben zu fristen. Dem sei so, antwortete der Prinz,
gerne sterb' ich, wenn ich sie nur gesehen; ein Augenblick des
Genusses überwiegt tausend Leben, in Sehnsucht verschmachtet.
Wird sie mir versagt, so töte ich mich selbst. Da es hiermit
Ernst war, so warb auf Salomons Befehl die amalekitische
Prinzessin Paradiesesvögelein dem tatarischen Prinzen zur
Stunde von Dschinnen ins Schlafgemach getragen. Er sah, und
genoss, und verschied. Das Gift wirkte, wie das Gegengift zu
wirken aufgehört. Heftige unbefriedigte Liebe ist das stärkste
Gegengift wider die Schlangengifte niedriger Leidenschaften.
[Rand: Al-Tabari.] Aus den erzählten Geschichten Salomons
erhellt, welchen ungemeinen Einfluss der Vögelwesir Simurg an
seinem Hofe behauptet habe. Kein wichtiges Geschäft, warum er
nicht befragt, keine Dämonenversammlung oder Diwan, wo er
nicht zu RaTe gezogen worden wäre. Siebzigtausend Jahre hatte
er den voradamischen Salomonen gedient als Minister, und dem
Sohne Davids, seitdem er regierte. Das gab ihm Macht und
Einfluss, und unglaubliches Ansehen. Sein Wort war ein Wort,
und die Vögel schworen beim: Das hat Simurg gesagt. Seine
Tischreden waren das Orakel aller Staatsmänner seiner Zeit.
Eines Tages fiel in Salomons Gesellschaft die Rede auf das
Schicksal und die Vorherbestimmung. Salomon äußerte sich, dass
Alles so sei, wie es sein müsse, dass nichts auf der Welt
anders geschehen könne, als es in der Tafel des Schicksals
verzeichnet ist. Simurg schüttelte zweifelnd den Kopf. – Du
wirst doch nicht, fragte Salomon, diese ewige Wahrheit
bezweifeln? Und warum nicht? entgegnete Simurg. Eine
unendliche Zahl der verschiedenartigsten Ursachen, vom
Ungefähr durcheinandergeworfen, wirkt unaufhörlich fort;
millionenfach kreuzen sich Naturbegebenheiten und
Leidenschaften; und Zufall und Wille modeln das, was
geschieht, mit jedem Augenblicke anders, als es vorhergesehen
sein konnte.
Sag' mir, was in der Tafel des Schicksals geschrieben
steht, und mein soll die Sorge sein, den Ausspruch derselben
zu Schanden zu machen. Alter Vögelwesir, sprach Salomon, deine
lange Erfahrung hat dich nicht weise genug gemacht, um überall
den Finger des Schicksals zu erkennen. Du willst nicht
einsehen, dass in der Mühle der Weltbegebenheiten Rad in Rad
eingreift, und kein Korn eher aufgeschüttet oder zermalmet
wird, als die Glocke des Schicksals klingelt. Simurg, deine
grauen Federn haben dich schnabelweise gemacht, und du hast
das Wort nicht gewogen, das deinen Lippen entfloh.
Siehe, in diesem Augenblicke wird im Osten ein Prinz, und
im Westen eine Prinzessin geboren. Ich weiß nicht, was ihnen
als Loos vorherbestimmt ist, getraust du dich wohl, dasselbe
Lügen zu strafen. Es sei, was es sei, ich ändre es, antwortete
Simurg. Salomon bat den Engel, der die Tafeln des
Schicksals hütet, darin lesen zu wollen, was den beiden jungen
Leuten vorherbestimmt sei. Israfil las, und brachte Wort;
vielerlei sei ihnen vorherbestimmt, wie jeglichem
Menschenkinde, in Einem aber berühre sich ihre Bestimmung,
denn sie seien vorherbestimmt, sich zu lieben, ihre Ehe sei in
den Tafeln des Schicksals beschlossen.
Das wollen wir sehen, sagte Simurg, und flog sogleich von
bannen. Er raubte die neugeborne Prinzessinn aus den Armen
ihrer Mutter, und trug sie nach dem Berge Kaf in sein Nest, wo
er sie sorgfältig erzog und ernährte. Der Prinz wuchs in Osten
am Hofe seines Vaters auf. Als er in die Jünglingsjahre
getreten, ergriff ihn eine unaussprechliche Reiselust und
Begierde, fremde Länder zu sehen. Es trieb ihn hinaus in die
Wüsten, und aufs unendliche Meer. Ein Sturm verschlug das
Schiff, auf einem Brette trieb der Prinz durch die sieben
Weltmeere, und ward ans Ufer geworfen, am Fuße des Berges Kaf.
Hoch Türmten sich die Felsen vor ihm auf, und als er die
Augen empor hob, sah er einen Bogen gespannt von Felsen zu
Felsen wie eine in Lüften schwebende Brücke. Dies war das
luftige Nest Simurgs. Unten war die Fläche bedeckt mit
Rhinoceroshäuten und Tigerfellen, und Elephantengebeinen, die
Ueberbleibsel der Mahle Simurgs. Der Prinz irrte
verzweifelnd am Ufer umher. Die Sonne war schon untergegangen,
da erblickte er auf einmal noch hoch in Lüften einen
sonnenbestrahlten Vogel, dessen Gefieder mit den Farben der Abendröte und des Regenbogens spielte.
Es war Simurg, der wie gewöhnlich alle Abende in sein Nest
kam, das er des Morgens wieder verließ, um am Hofe Salomons
den Vögelgeschäften obzuliegen. Der Prinz, voll Furcht,
versteckte sich in eine Höhle, aus der er nicht hervorging,
bis Simurg am nächsten Morgen davon geflogen. Er blickte auf
zur Felsenbrücke und siehe, eine liebliche Gestalt winkte ihm
wie ein Genius aus den Lüften. Sie sprachen sich durch
Zeichen, denn Worte konnten sie weder verstehen noch hören ob
der Entfernung des Ostens vom Westen, und der Höhe des Nestes
von der Erde. Aber die Liebe vereint den Osten mit dem Westen,
das Niedrigste mit dem Höchsten, und spricht sich ohne
Wortkunst aus.
Die Prinzessin winkte dem Prinzen, er sollte sich in eine
der auf der Fläche herumgesäten von der Sonnenhitze
zusammengerollten Rhinoceroshäute verstecken, und der Prinz
befolgte den RaT, alsbald Simurg des Abends nahte. Lieber
Vater Simurg, sagte die Prinzessin in der Vögelsprache (denn
von Simurg hatte sie keine andre lernen können), den ganzen
Tag über bin ich allein, und habe sogar nichts damit zu
spielen, möchtest du mir nicht die zusammengerollte Haut,
die da unten liegt, herauftragen, damit ich mir daraus eine
Puppe mache, oder ein Bette bereite.
Simurg holte, o unentfliehbare Bestimmung des Schicksals!
das Paket von Rhinoceroshaut, und brachte es der Prinzessin
zum Spielen. Nun ward ihr die Zeit nicht mehr lang in Simurgs
Abwesenheit, und alle Abende, wenn er zurückkam, schlof der
Prinz in die Rhinoceroshaut, welche in eine völlige Cajüte
umgeformt war. Mehr als ein Jahr war verstrichen, als Salomon
den Vögelwesir anredete, wie folgt: Erinnerst du dich, Simurg,
deines vor siebzehn Jahren unbedachtsam gesprochenen Wortes,
dass du den Ausspruch des Schicksals Lügen strafen und die
vorherbestimmte Verbindung eines Prinzen und Prinzessin
hindern würdest.
Und ich habe Wort gehalten, sprach Simurg mit anmaßendem
Triumph. Wo der Prinz ist, weiß ich nicht, aber die Prinzessin
ist in meinem Neste wohl bewahrt. Nun so bring sie mir. Simurg
flog ins Nest, und kündete der Prinzessin Salomons Befehl an.
Ich horche und gehorche, sagte die Prinzessin, nur erlaube
mir, die Reise in dieser Sänfte zu machen, die ich so lieb
gewonnen, dass ich den ganzen Tag darin schaukle und spiele.
Simurg hatte nichts dawider einzuwenden, und die Prinzessin
schlof in die Rhinoceroshaut, in der sie den Weg durch die
Luft gar warm und behaglich zurücklegte.
Simurg legte das Rhinocerospaket zu den Stufen des Thrones
nieder. Kommt heraus, sprach Salomon, aus eurem Haus. Siehe,
da schlof heraus die Prinzessin und der Prinz, und obendrein
ein kleines Kind von drei Monaten.
Simurg hätte vergehen mögen vor Schaam und Aerger. Er, der
seit so langer Zeit das Orakel der Vögel und Menschen gewesen,
sah sich nun auf einmal so öffentlich beschämt vor Salomons
Thron in Gegenwart aller großen und kleinen Vögel, aller
Dämonen und Tiere. Das war mehr, als ein alter Minister und
Hofmann ertragen konnte.
Voll Verdruss biss er sich in die Zunge, und soll sich
dieselbe, sagt man, ganz abgebissen haben. Wenigstens hat man
ihn seitdem eben so wenig sprechen gehört, als zu Gesicht
bekommen, denn er flog zur Stunde zurück in sein Nest, und
erschien seitdem nie, weder an Salomons noch an irgend eines
andern Fürsten Hofe. Er lebt auf dem Berge Kaf als Staatsmann
in der Einsamkeit, wo er die Denkwürdigkeiten seines
Vögelministeriums, und manchmal zerstreute Blätter schreibt,
die als politische Prophezeiungen in der Welt herumfliegen.
Salomon hatte nun bald siebenmal sieben Jahre [Rand:
Al-Tabari.] durchlebt. Dies war die ihm vom Himmel bestimmte
Zahl der Lebensjahre, so er durch den unaufhörlichen Genuss von
Macht, Lust und Wissenschaft zur unendlichen Potenz zu
steigern sich bemühte. Aber je höher er's trieb, desto
mehr fand er, dass alles eitel ist unter der Sonne, Eitelkeit
aller Eitelkeiten, und Alles ist Eitelkeit. Umsonst sehnte er
sich nach neuen Genüssen, er hatte die höchsten derselben
erschöpfet. Der Hofstaat der Menschen, Vögel und Dämonen war
für ihn zum leeren Gaukelspiel geworden, das Harem mit seinen
tausend Bewohnerinnen ekelte ihn an, nur die Vollendung der
großen Bauten, die er unternommen, und das Fortschreiten auf
den Wegen der Wissenschaft behielt noch Reiz für ihn. In den
stärksten Gemütern überlebt Wissbegierde und Bausucht die Lust
nach Herrschaft und Weibern.
Die Palläste von Istachar und Tadmor waren vollendet, aber
der Tempel von Jerusalem noch unausgebaut.
In der Sprachkunde und Naturgeschichte der Vögel war ihm
nichts Neues zu lernen übrig geblieben, denn die lebendige
Vögelencyklopädie Simurgs hatte ihm über Alles Aufschluss und
Belehrung gegeben; aber anders war's mit der Pflanzenkunde, in
in der er täglich neue Fortschritte und Entdeckungen machte.
Indessen war die Art, wie er den Bau des Tempels leitete,
und Botanik trieb, sehr bequem, und wirklich nur anwendbar für
einen König und Propheten, wie Salomon. In seiner Hauskapelle
war ein Blumenbeet, dem mit jedem Morgen neue Pflanzen
entsproßten. Salomon fragte jede derselben um ihre Namen
und Eigenschaften, und beschrieb sie nach ihrer eigenen
Aussage; so lernte er alle kennen von dem Hyßop bis zur Zeder
Libanon's. Und damit der Bau des Tempels fortging, war es
genug, dass er den Thron bestieg und sein Antlitz den Dämonen
zeigte, die dann zitternd gehorchten, und den ihnen
übertragenen Bau nach dem bekannten Aufriss fortführten.
Eines Morgens, als Salomon wie gewöhnlich die jüngsten
Geschöpfe des Blumenbeetes durchmustern und beschreiben
wollte, erblickte er zu seinem großen Erstaunen, dass eine
neue ihm unbekannte Pflanze nicht aus dem Beete, sondern
zwischen den Steinen der Wand hervorgekommen war. Wer bist du?
fragte Salomon verwundert: Ich bin die Steinbrecherin,
antwortete die Pflanze. Und was ist dein Geschäft? Ich
zerspalte die Marmorblöcke, und überziehe die Wände der großen
Denkmale; ich zertrümmere das Gebälke und löse die Grundfesten
der Tempel und Palläste auf, antwortete die Pflanze
hochaufwuchernd, und sich zum knotigen Stamme verdickend.
Wie? sagte Salomon, bei meinem Leben willst du das Werk
meiner Hände zerstören? – Du wirst nicht ewig leben, o
Salomon, gedenke, des Menschen Leben ist wie das Dasein der
Wiesenblume; sie glänzt im Morgentau, und noch vor Abend welkt
sie gemäht von der Hand des Schnitters. Dies führte
Salomon das erstemal zu ernsten Betrachtungen des Todes. Er
warf sich aufs Angesicht, und flehte vom Herrn um die Gnade,
dass, wenn seine Stunde gekommen sei, der Bau des Tempels
nicht unvollendet bleiben, sondern auch nach seinem Tode von
den Dschinnen ausgebauet werden sollte. Gott der Herr verhieß
dem weisen König Gewährung seiner Bitte.
Salomon schnitt den Stamm der Pflanze ab, die sich vorlaut
gerühmt hatte, den Tempel zerstören zu wollen, und machte
einen Stock daraus. Du sollst nützlich werden, sprach er,
statt schädlich zu sein, und statt zu zerstören sollst du zur
Stütze dienen. Dann bestieg er den Thron wie gewöhnlich,
ausrechtstehend, nur diesmal mit der Hand auf den Stock
gestützt. Zugleich sandte er den Wunsch zum Himmel, dass ihm
der Todesengel in keiner fürchterlichen Gestalt, sondern als
Freund und Bekannter erscheinen möge. Kaum hatte er den Wunsch
getan, so hob sich unter dem Throne eine ihm unbekannte Gestalt
empor.
[Rand: Adschaib.] Wer bist du? fragte Salomon. Ich bin, war
die Antwort, der Engel des Todes, und Salomon Tat einen lauten
Schrei. Herr, mein Gott! sprach der Engel des Todes, dein
Diener Salomon verlangre mich zu sehen, und doch schaudert er
vor mir zurück. Herr, stärke ihn, damit er mich ertrage, wie
hätte er meinen Anblick ausgehalten, wenn ich ihm in der
Gestalt erschienen wäre, wie ich den Ungläubigen
erscheine, ihre Seelen in Empfang zu nehmen. Salomon faßte
sich, und fragte den Todesengel, ob er als Besucher oder als
Empfänger gekommen sei. Auf Besuch, antwortete er, und nicht
auf Empfang. Nun ward Salomon vertraulicher, ließ sich mit ihm
in Unterredung ein, und lud ihn zu sich auf jeden Mittwoch;
diesen Tag brachte er vom Sonnenaufgang bis zum
Sonnenuntergang in der Gesellschaft des Todesengels mit
lehrreichem Gespräche zu. Der Engel des Todes belehrte ihn,
dass er die Geister der Frommen in weißer Seide, mit Moschus
durchdüftet, ins Paradies trage, die Geister der Verworfnen
hingegen in Lumpen und mit Gestank zur Hölle fördere; wie
auch, dass er die große Proscriptionsliste des Todes immer für
ein ganzes Jahr voraus, von der Hälfte des Monates Schaban bis
auf die Hälfte des nächstfolgenden erhalte, treu kollationirt
mit der Tafel des Schicksals, und vom Hüter derselben
koramisirt.
Eines Mittwochs ging der Engel des Todes eben weg, als
einer der Vertrauten Salomons eintrat, dem er beim Weggehn
fest und starr ins Gesicht schaute. Der Hofmann fragte
Salomon, wer denn der Fremde sei, der eben hinausgegangen, und
der ihn mit solchen Inquisitionsblicken durchbohrt hätte.
Salomon vertraute ihm, es sei der verkappte Todesengel. Der
hat es gewiß, sprach der Andere erschrocken, auf mich
abgesehen, denn nicht umsonst hat er mich so starr
angeschaut; rette mich, weiser König, durch eine schnelle
Flucht, und gieb mir deinen Windgaul, dass er mich weit von
hinnen nach Indien trage. Salomon gewährte die Bitte
unverweilt.
Am nächsten Mittwoch fragte Salomon den Todesengel, warum
er denn letztin einem seiner Vertrauten beim Weggehen so starr
ins Gesicht geschaut habe.
Aus Verwunderung, sprach er, ihn hier zu finden, denn in
meiner Liste war seine Personsbeschreibung und Sterbezeit
gerade auf dieselbe Stunde, aber nicht hier, sondern in
Indien, angemerkt. Ich verwunderte mich hoch, ihn hier zu
finden; weil ich die Geister aber nur dort in Empfang nehmen
darf, wo es die Tafel des Schicksals vorherbestimmt hat, so
ließ ich ihn gehen und begab mich nach Indien an den in der
Liste angemerkten Ort. Dort fand ich ihn wieder zu meinem noch
größeren Erstaunen, und vollzog meine Pflicht.
Salomon lernte hieraus mit Verwunderung, wie unnütz es sei,
dem vorherbestimmten Schicksal entfliehen zu wollen, und dass
jede vermeinte Verhinderung zur Beförderung, die Entfernung
zur Annäherung wird.
So machte der Engel des Todes bei Salomon im siebenmal
siebenten Jahre seines Lebens siebenmal sieben Besuche. Beim
letzten nahm er seinen Geist in Empfang. Salomon,
eingedenk der Verheißung Gottes, dass auch nach seinem Tode
der Bau des Tempels von den Dschinnen vollendet werden sollte,
nahm eine Stellung an, wodurch er auch als todt noch auf dem
Throne aufrecht stehend, und den unbändigen Dschinnen als noch
lebend erscheinen möge. Er legte seine beiden Hände hinter den
Rücken, und stützte dieselben sowohl, als die ganze Last des
Körpers von rückwärts auf den Stock, dem ein fester Standpunkt
auf dem Boden des Thrones zur Stütze diente. So stand er
aufrecht, ohne dass Menschen, Vögel oder Dschinnen, deren
keiner, ohne gerufen zu sein, dem Throne nahen durften, von
seinem Tode den geringsten Argwohn hatten. Denn wäre sein Tod
ruchbar geworden, sogleich wäre das Reich, das er mit starker
Hand zusammenhielt, in sich zerfallen, die unbändigen Dämonen
hätten sich zur Stunde entjocht, und der Bau des Tempels, an
dem sie fortarbeiten sollten, wäre unvollendet geblieben. So
aber herrschte Salomon noch nach seinem Tode über dieselben,
durch die bloße Meinung, dass er noch im Leben sei, durch die
Furcht vor seiner Macht.
Die Staatsmaschine ging ihren gewöhnlichen wohl
eingerichteten Gang fort; Menschen, Tiere und Dschinnen
wirkten fort zum allgemeinen Besten in den ihnen von Salomon
vorgezeichneten Schranken. Das erste Geschöpf, das seines
Lebensendes gewahr ward, entzog sich auch sogleich der dem
Lebenden schuldigen Ehrfurcht. Es war ein Holzwurm, der,
sobald der Engel des Todes Salomons Geist in Empfang genommen
hatte, seinen Stab zu benagen anfing.
Er nagte ein ganzes Jahr lang, da brach der Stab entzwei,
und Salomon stürzte der Länge nach rücklings zu Boden. Nun war
die Hölle los. Vögel, Tiere und Dschinnen, alles lief durch
einander in größter Verwirrung und Zwietracht. Das Weltreich
war aufgelöst in Anarchie. Zum Glücke hatten die Dschinnen den
Bau des Tempels vollendet, der mit den Palästen von Tadmor
und Istachar ein stehendes Denkmal blieb der Größe und
Weisheit Salomon's und seiner Herrschaft über die Dämonen,
während die Macht des Weltreichs mit ihm selbst zu Boden
stürzte.
Das erste, was die Menschen und Vögel und Dschinnen
beschäftigte, waren nicht die Geschäfte des Reiches oder die
Sorge, die Schriften Salomons, worinnen er die Erfahrungen
seiner Weisheit niedergelegt hatte, zu sammeln. O nein!
sondern ihr erstes Geschäft war die Befriedigung der
kindischen Neugierde, zu wissen, seit wie lange denn Salomon
schon gestorben. Sie hoben also den entzweigefressenen Stab
auf mit dem Würmchen, und beobachteten einen ganzen Monat
lang, wie viel das Würmchen fresse. Aus dem, was es binnen
einem Monat gefressen hatte, berechneten sie, dass es deren
zwölf gebraucht habe, den Stab durchzufressen, und dass
Salomon also schon seit einem Jahre gestorben sein müsse.
Während Menschen, Vögel und Dschinnen auf ein so nichtiges
Geschäft ihre Zeit verwandten, wußten Satan und die Teufel,
seine Gehülfen, die ihrige besser zu verwenden. Sie
bemächtigten sich ungehindert der Bücher Salomons, in denen
die Geheimnisse der Weisheit und der Herrschaft aufbewahret
waren, verbrannten dieselben und schoben andere ihres
Machwerks unter, die nichts als Lehrsysteme der Zauberei und
des Despotismus enTielten. Die Menschen, so dieselben später
fanden, wurden des Betrugs der Hölle nicht gewahr, und hielten
sie wirklich für Salomons Werke, woraus dann seitdem in der
Welt nicht kleines Unheil entstanden.
So hatte Salomon siebenmal sieben Jahre gelebt und ein Jahr
noch nach seinem Tode regiert. Mancher große Mann überlebt
sich nach neun und vierzig Jahren im fünzigsten, und herrscht
nach seinem wirklichen Tode noch eine geraume Zeit fort durch
die Meinung, bis ein Würmchen den Stab entzwei frißt und der
entseelte Leichnam zu Boden stürzt.
Fußnoten
1 Die folgenden Auszüge sind aus fünf Teilen des großen
türkischen Suleimanname's genommen, die der Übersetzer auf
einige Wochen nur in Konstantinopel durchzublättern Zeit und
Gelegenheit hatte. Das ganze eben so Teuere als voluminöse
Werk hat siebzig Bände in Folio. Es findet sich sehr selten
ganz, und kostet dann zwei bis dreitausend Piaster. Man sieht,
dass ein bloßer Auszug aus diesem ungeheueren Fabelwerke zu
einem eben so bändereichen Werk, als das Cabinet des Fées und
die blaue BiblioTek, reichlichen Stoff liefern könnte. Die
Teile, aus denen die Auszüge gemacht worden, sind der ein,
zwei, drei, vier, und sechs und sechzigste.
Die Geduld, die erfordert wird, sich durch den Wust der
immer wiederkehrenden Wiederholungen und Tantologien des
Originals durchzuarbeiten, ist verdienstlich, aber
unbegreiflich ist die des Verfassers. Man sieht übrigens, dass
er Salomon dem Propheten, Suleiman dem Gesetzgeber
nachgebildet, dass er den Hof des ersten nach dem prächtigen
Hofstaat des zweiten gemodelt, und dass er die Fabelwelt aus
der wirklichen der Chalifen- und Sultanengeschichte idealisirt
hat.
2 Illum aget penna metuente solvi fama superstes.
3 Diese acht Säulen standen ehmals zerstreut in den
verschiedenen Quartieren der Stadt, und trugen Statuen der
Götter und Kaiser. Eine derselben war gewiß acht dämonisches
Machwert nach der Legende, welche die alten Topographen
Constantinopels und nach ihnen Gallius V. IV. K. 1. davon
erzählet. Sie trug eine Venusstatue, und hieß die
Jungfrauensäule, weil es nur wahren Jungfrauen gegönnt war,
dem Venusbilde unverrückt ins Auge zu sehen. Andere verfielen
in eine Art von Raserei, und mußten wider ihren Willen den
Rock aufheben vor der Göttin.
4 Dieser Aufschluss ist gewiss eben so neu für die Leser als
für den Übersetzer, und als für die Helden, so in unsern
Tagen mit Osmanischen Diamantenaigretten beehrt worden sind.
Sir Sidnei Smit und Lörd Nelson haben sich's gewiß nie in den
Sinn kommen lassen, dass das Merkmal sultanischer Huld,
welches sie mit so großem Pompe empfingen, sich von König
Salomons Feldherren herschreibt, noch weniger aber lassen
sich's die griechischen Fürstinnen und Vojarenbräute (wovon
die ersten beständig, die zweiten aber nur in den drei
Hochzeitstagen Reigerfedern zum Kopfputz tragen) weit weniger
noch lassen sie sich's träumen, dass diese Federbüsche blos
armselige Lückenbüßer sind für die schönen Schwanzfedern des
alten Vögelwesirs Simurg.
5 Dieses Wort war vor einigen Jahren das allgemeine
Sprüchwort des Constantinopolitanischen Pöbels. Auf allen
Märkten und Gassen, bei jeder Gelegenheit, schicklich oder
unschicklich, hörte man nichts, als Aferin Saka. Die nächste
Veranlassung dazu gab eine Stadtanekdote, die sich mit einem
Wasserträger ergab oder ergeben haben soll, die aber freilich
nicht so lehrreich ist, als Salomons Gespräch. Ein Jude hatte
einen Wasserträger gedingt, der ihm täglich einen Schlauch
Wasser bringen und in eine Kuse füllen sollte. Nach ein paar
Tagen kömmt der Jude nach Haus und findet den Wasserträger in
den Armen seines Weibes. Bravo Wasserträger! rief er, aus
diesem Schlauch in diese Kuse, so hab' ichs nicht gemeint. Die
Anekdote sowohl, als das Wort Aferin Saka sind noch immer gäng
und gäbe, nur nicht mehr als allgemeines Volkssprüchwort, wie
vor mehreren Jahren. Als solches ist das Kalpakmi o? an dessen
Stelle getreten, das von der niedrigsten Klasse des Volks oft
mit Witz angebracht, meistens aber bis zum Ekel wiederholt
wird. Kalpakmi o? Ist mir das ein Kalpak? Es entstand mit der
Vergrößerung, welche die griechischen Beisades in
Constantinopel, und die Vojaren in der Moldau und Wallachei
nach ihrem Beispiel mit ihren Kalpaken vornahmen.
Wirklich sind diese zu einer ungeheuern Peripherie
angewachsen, die dem Volke lächerlichen Stoff giebt. Sie haben
die Figur großer Destillirkolben, und schicken sich als solche
oft ganz vortrefflich zu der Cervelle alambiquée, die darunter
steckt.
6 Es ist bekannt, dass die Moslimen aus religiöser Ehrfurcht
die Tauben nähren und ehren; sie nisten ungestört in den
großen Vorhöfen der Moscheen unter den Hallen, auf den großen
Bäumen, welche dieselben überschatten, und in den Moscheen
selbst. Nirgends findet sich aber in Constantinopel eine
größere Menge derselben, als bei der Moschee Ejub. Nichts
malerischer und romantischer als der Vorhof derselben. Das
Gemisch des weißen Marmorlichts und der grünen Baumschatten
wirkt wunderbar aufs Auge. Das Ohr horcht der seltsamen
Sprachenverwirrung von Taubengekos und Quellengemurmel, wo
zwischen die wohlklingenden Stimmen der Koransleser langsam
und feierlich aus der Moschee heraustönen. Ein wahres
Taubenparadies. In den Haremen werden gleich beim Baue
derselben marmorne Nester, so von außen als von innen
angebracht, um die Tauben hinzulocken. Reisende können
dieselben an mehr als einem Orte in PrivaTäusern zu
Constantinopel, am besten aber an der Außenseite des
sultanischen Palastes von Veschiktasch beobachten. So viel
von Tauben; die Moschuszelten oder pastilles sind berühmt
genug; die Frauen tragen dieselben als Hals- oder Händeschmuck
in Gold gefaßt, die Männer essen sie als Reizungsmittel zum
Liebesgenuß. Die arabischen Aufschriften, welche sich darauf
befinden, sind gewöhnlich. Allah al schafi. Gott ist der
Allheilende. Allah al Kafi. Gott ist der Allgenügende.
Schedschi, der Wackere. Maschallah, eigentlich, was Gott will,
hier aber so viel als Bravo! Fihi schifa linnas, darin ist
Heilung den Menschen. Fihi schifa lima fis-sudur, darin ist
Heilung für die Leiden der Brust.
Bis millah errah man erra hein, Im Namen Gottes des
Allgütigen, des Allerbarmenden.
7 Das soll oder mag so sein im ganzen Gebiete des Islams,
Konstantinopel macht aber hievon eine große Ausnahme; wenn
gleich auch dort des Tages hindurch die Geschäfte stocken, die
Gewölber und Gassen leer sind, weil Satan eingesperrt ist, so
ist derselbe dafür ganz sicher in der Nacht los, wo er sich
für die Untätigkeit des Tages reichlich entschädigt. Es ist
allgemein bekannt, dass, nachdem der Tag größtenteils
verschlafen worden, ein Teil der Nacht mit Gebet, der größte
aber mit Essen und Trinken, Gesang und Possenspiel, und
Liebesgenuss aller Art durchgebracht wird. Was aber kein
Reisebeschreiber und Gemäldemacher berührt, und die wenigsten
Leser wissen dürften, ist, dass gerade im Ramasan, ungeachtet
der Hemmung des ordentlichen Geschäftenlaufes während des
Tages, während der Nacht der Zeitpunkt der Tätigsten
politischen Intrikenmacherei sei. Denn da jährlich mit Ende
des Ramasans am Bairam die großen Staatsämter und Ehrenstellen
verändert werden, so wird meistens der ganze Ramasan zur
Bewerbung darum durch alle Wege und Mittel verwendet.
Die schönste Gelegenheit zu dieser Amtserschleichung (ambitus)
geben die zahlreichen Besuche und Gastmahle, welche die
Etikette eingeführt hat. Denn außerdem, dass der Wesir den
ganzen Monat hindurch alle Großen nach vorgeschriebener
Ordnung bewirtet, so besuchen auch diese sich häufig
untereinander, und wie sie dem Großwesir Hof machen, so ihnen
ihre Klienten. Je träger und geschäftsloser der Tag, desto
Tätiger und wirksamer die Nacht; je schlechter und fahrloser
das öffentliche Interesse besorgt wird, desto besser und
eifriger das Eigne; um wie viel mehr Gebet und Andacht, um so
viel mehr Genuss und Cabale, so dass auch im Fastenmonde der
Teufel Nichts verliert.