113. Ebulkassem
Ebulkassem Ali Ben Mohammed Es-sehebi, der berühmte
Geschichtschreiber, erzählt:
Mohammed, der Sohn Abdallahs, der Sohn Zaher's, sah auf der
Pilgrimschaft zu Mekka eine schöne Sklavin, von der man ihm
sagte, dass sie einem sehr gebildeten und wohlhabenden Manne
gehöre. Er kaufte sie um hundert tausend Silberstücke und
brachte sie nach Bagdad, wo er sie aber sehr geheim hielt, aus
Furcht, der Chalife (Almotewekil regierte damals) möchte davon
hören, und sie ihm wegnehmen.
Soweid Ebil-alije, der dieselbe zu Gesicht bekam, verliebte
sich auf der Stelle, und da er kein anderes Mittel ausfindig
zu machen wusste, zu ihrem Besitze zu gelangen, so schrieb er
an den Chalifen:
»Im Namen Gottes, des Allerbarmenden, des Allgütigen!
Mohammed, der Sohn Abdollahs, hat eine Sklavin um hundert
tausend Dirhem gekauft, in die er so närrisch verliebt ist,
dass er darüber die Geschäfte des Kanzleramtes und der
Rechtgläubigen vernachlässiget. Die Ruhe Bagdads wird
hierdurch bedrohet, und der Fürst der Rechtgläubigen dürfte
bey seiner Rückkunst genug zu tun haben, um alles wieder in
Ordnung zu bringen. Dein treuer Diener und Mameluk, o Herr,
legt diese Anzeige vertrauungsvoll in deine Hände, und
erflehet Gottes Segen über Dich!«
Motewekel las den Brief, und befahl Redsches, seinem
vertrauten Diener, sich sogleich zu Mohammed, dem Sohne
Abdollahs, zu verfügen, denselben zu überraschen, und die
beschriebene Sklavin wegzunehmen. Redsches machte sich auf den
Weg, betrat das Haus Mohammeds, und drang, ohne sich ansagen
zu lassen, bis in den Harem vor, wo er denselben in den Armen
der schönen Sklavin überraschte, und nicht eher bemerkt ward,
als bis er vor ihm stand. Mohammed, der Sohn Abdollah's,
schauderte zusammen. Er wußte, daß Redsches nur auf des
Chalifen ausdrücklichen Befehl sich solche Freyheit erlauben
konnte. Redsches, rief er ihn an, der heutige Tag, wie ich
sehe, bringt mir nichts des Guten und viel des Schlimmen.
Setze dich. Für meines Gleichen ist die Ehre mit dir zu sitzen
zu groß, antwortete Redsches, ich stehe hier, um des Chalifen
Befehle zu vollziehen: überantworte deine Sklavin meinen
Händen. Mohammed und die Sklavin umarmten sich mit dem
Ausdrucke der höchsten Leidenschaft, sie weinten und rangen
die Hände.
O Gott! rief Mohammed, hätte der Chalife mir alles
genommen, Ehren und Würden und Reichtümer, und nur dich mir
gelassen, so wäre ich der Glücklichste der Menschen! aber es
ist der Wille des Schicksals, wer vermag demselben entgegen zu
stehen? Redsches, nimm sie und führe sie zum Chalifen, und
erzähle, was du gesehen von der Heftigkeit unserer Liebe, und
sprich, wie es edlem Sinne geziemt.
Redsches nahm sie weg, und brachte sie hinter sich auf
seinem Maulthiere vor den Chalifen. Er erzählte, was er gesehn
von der Heftigkeit ihrer Liebe, und der Chalife ward gerührt.
Er befahl seinem Diener die Sklavin zurückzuführen, mit einem
Geschenke von hundert tausend Silberstücken und einem offnen
Briefe, wodurch Mohammed, der Sohn Abdollahs, volle Freiheit
erhielt, seinem Ankläger Soweid nach Belieben zu behandeln.
Redsches fand den Sohn Abdollahs wie von Sinnen. Er händigte
ihm die Sklavin und den Brief ein. Mohammed wachte wieder zum
Leben auf, und bewies sich eben so großmütig gegen seinen
Ankläger, als dieser sich niederträchtig erzeigt hatte. Er
verzieh ihm, und überhäufte ihn mit Geschenken.