Rosenöl
Rosenöl (Hammer-Purgstall)

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1813 n.Chr.

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Rosenöl - Joseph von Hammer-Purgstall

156. Ein griechischer Kaiser

Ein griechischer Kaiser hatte eine Tochter, die eben so schön als geistreich war. Die Prinzen des Orients und Okzidents hatten sich um ihre Hand beworben ohne Erfolg, denn sie wollte unverehlicht bleiben, und, um sich die lästigen Werber vom Halse zu schaffen, hatte sie es zum Gesetz gemacht, dass jeder derselben die ihm vorgelegten Fragen beantworten, oder den Kopf verlieren sollte. Die Fragen waren so spitzfindig, dass keiner sie aufzulösen vermochte, und die Köpfe der Königssöhne, auf den Mauern des Palastes aufgesteckt, sollten Andere abschrecken, sich in ihre Fußstapfen zu wagen.

Endlich kam ein junger Mensch aus Irak, der am Hofe des Kaisers Dienste nahm. Neider stellten ihm nach dem Leben, was eine Ursache mehr war, dasselbe als Brautwerber der Prinzessin auf das Spiel zu setzen.

Er ward vorgeführt, und die Prinzessin redete ihn an: Junger Mensch, hast du nicht gesehen, wie die Zinnen des Palastes von Prinzenköpfen starren, und die Türschwelle meines Harems von Blut träuft? – Ja wohl hab ich's gesehen, antwortete der Jüngling, aber vom Tage an, wo deine Liebe mir ins Herz fiel, verschwand daraus die Liebe des Lebens, frage nun die neun Fragen, die du deinen Werbern vorlegst.

Die Prinzessin.

Was mehrt sich stets, und nimmt nie ab,
Was mehrt sich stets, und nimmt doch ab?

Der Jüngling.

Stets mehrt sich Gottes Huld, und nimmt nie ab,
Das Alter wächst, allein des Greises Kraft nimmt ab.

d. P. Sag, wer gibt das anvertraute Pfand
Ohne eigenen Verlust
Zehnfach wieder?

Sag, wer bringt das anvertraute Pfand
Ohne Schonung in Verlust,
Und verzehrt sich selber?

d. J. Nur die Mutter Erde gibt
Anvertrautes Körnlein zehnfach wieder.
Feuer zehret Alles auf,
Fällt zuletzt als Asche nieder.

d. P. Welcher Maler stellt am treusten
Gegenwart und Zukunft dar?

d. J. Was der Spiegel leistet, kann kein Maler leisten,
Für die Zukunft spricht der Träume Spiegel wahr.

d. P. Was für Genus ziemt einmal nur die Woche,
Und einmal nur des Monats, welcher ist genug?

d. J. Der Badgenuss ziemt einmal in der Woche,
Und Liebgenuß im Monde einmal ist genug.

Die Pr. Unverschämter! wie unterstehst du dich, mir solche Antworten zu geben? Bald wird dein Kopf mit den übrigen auf den Zinnen stecken.

Der Jüngl. Ich antworte, wie du fragst, nun frage weiter.

d. P. Wer ist der Wechsler in dem blauen Kleid,
Der Eisen gibt und Seelen nimmt?

d. J. Der Degen.

d. P. Nenn mir die Blume, welche lacht und weint,
Und Lust und Schmerz in sich vereint.

d. J. Die Rose.

d. P. Kennst du drei Berge einer Art,
Mit zwei, mit vier, und mit acht Quellen?

d. J. Das Weib, die Kuh, die Hündin sind drei Berge,
Bei denen, so der Quell der Milch sich paart.

d. P. Es stehet auf zwei Säulen eine Stadt,
Die sieben Thore, und fünf Wächter hat.

d. J. Des Menschen Leib ist diese Stadt,
So sieben Öffnungen, fünf Sinnen hat.

Die Prinzessin konnte oder mochte nicht weiter fragen, und der Jüngling erhielt sie zur Braut.

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