164. Achtes Hauptstück. Anekdoten
Chaled, der Sohn Sofjans, der Freund des Chalifen Seffah,
der in Selma, die Tochter Jarebs, sterblich verliebt war,
sagte ihm eines Tages: Aber, Fürst der Rechtgläubigen! wie
kannst du in ein einziges Weib so verliebt sein, da du deren
so viele in deinem Harem hast, von allen Farben, von allen
Talenten, und allen Nationen, Schwarze, Weiße, Kleine, Große,
Sängerinnen, Tänzerinnen, Perserinnen, Griechinnen; kurz, er
machte eine so umständliche Beschreibung von allen Schönen des
Harems und ihren Schönheiten, dass der Chalife in tiefes
Nachdenken versank.
Er erzählte die Unterredung seiner Selma, die äußerst
aufgebracht ward wider Chaled, so daß der Chalife alle Mühe
hatte, den Ausbruch ihres Zorns zu mäßigen. Chaled, der davon
verständigt wurde, hielt sich versteckt. Nach drei Tagen ließ
ihn der Chalife suchen und holen. Beim Eintritt in den Saal
bemerkte Chaled, dass sich Etwas hinter den Tapeten rührte,
und Jemand versteckt sei. – Wie kömmt es, fragte der Chalife,
dass ich dich nicht gesehen habe, seitdem du mir mit einem
Strom von Beredsamkeit eine so hin reißende Beschreibung der
Schönheiten meines Harems gemacht hast.
Bei alle dem, antwortete Chaled, dass ich alle Gattungen
von Weibern aufgezählt zu haben glaubte, habe ich doch
vergessen, von einer Art derselben zu sprechen, die sehr
selten ist, und von der ich nicht weiß, ob dieselbe in deinem
Hareme zu finden oder nicht. Ich meine die Frauen, so keine
andere Rache kennen, als Verzeihung. Drei Tage lang habe ich
eine solche umsonst gesucht in der ganzen Stadt. Möglich, dass
deine Gemahlin Selma unter diese so äußerst seltene Art
gehöre. In diesem Falle wäre sie ein wahrer Phönix, und ich
begriffe dann leicht, warum du ihr eine so ausschließende
Liebe geweiht. Selma, die hinter der Tapete versteckt war,
geschmeichelt durch das feine Kompliment, steckte den Kopf
hervor und sagte: Für diesmal hast du's erraten, Chaled. Er
ward reichlich beschenkt.