Rosenöl
Rosenöl (Hammer-Purgstall)

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1813 n.Chr.

Mehr zum Thema siehe: Rosenöl (Hammer-Purgstall)

Rosenöl - Joseph von Hammer-Purgstall

36. Dschafer Almanßur

Dschafer Almanßur, der Chalife, bat den Richter Ebi Sinli, ihn öfters mit der Erzählung sonderbarer Fälle, die ihm in Ausübung seines Amtes aufstießen, zu unterhalten. Eines Tages nun, als der Richter den Chalifen sehr verdrießlich sah, erzählte er ihm die folgende Anekdote:

Ein altes Weib mit gekrümmtem Rücken, und das sich kaum auf ihren Stock gestützt erhalten konnte, kam, Gerechtigkeit zu begehren wider eine ihrer Verwandten. Ich ließ sie vorrufen. Es war ein junges rundes Weib, deren Busen und Wuchs dem Enthaltsamsten den Mund wässern gemacht hätte. Sie setzten sich beide, und die Alte wollte die Klage beginnen, als die Junge bat, dass sie am ersten sprechen, und sich entschleiern dürfe. – Die Alte protestierte dawider, und machte viel Lärmens. Ich erlaubte der Jungen, sich zu entschleiern und zu sprechen. Sie lüftete den Schleyer, und beim Propheten! kein schöneres Gesicht habe ich je gesehen; das Licht des Paradieses strahlt nicht heller von den Wangen der Huris, als ihre Schönheit mir in die Augen strahlte. Sie legte ihren Schleyer auf eine sehr verführerische Weise zurechte, und begann dann folgendermaßen:

Gott segne den Richter! die Klägerin ist meine Tante, die nach meines Vaters Tode meine Erziehung übernahm bis ins heiratmäßige Alter. Sie fragte mich, ob ich mich verehelichen wollte, und auf mein Ja schlug sie mir einen Wechsler von Kufa vor, den ich nahm, und glücklich mit ihm zusammenlebte. Meine Tante, neidisch über das Glück unserer Ehe, war nur darauf bedacht, dasselbe zu stören. Sie hatte eine Tochter, die eben mannbar geworden, und die sie meinem Gemahle so oft unter die Augen führte, bis er dieselbe zur Frau begehrte. Die Tante willigte in das Begehren, mit dem Bedingniss, dass mein Gemahl sich von mir scheiden, und mich den Befehlen seiner neuen Frau unterwerfen sollte. – Wohlan, sprach mein Gemahl: Ich scheide mich von ihr zum ersten, zum zweiten, zum dritten Male. Er hielt hierauf Hochzeit mit meiner Base, und von gebietender Frau war ich nun die Magd meiner Nachfolgerin geworden. Nicht lange hernach verließ meine Tante das Haus, um besondere Wirtschaft zu führen, und sie führte mich mit sich hinweg. Ihr Gemahl, der lange abwesend gewesen war, kam um diese Zeit von seinen Reisen zurück. Da er mich oft genug sah, verliebte er sich in mich, und begehrte mich endlich zur Frau. Ich willigte in sein Begehren mit dem Bedingnisse, dass er sich von meiner Tante scheiden, und sie mir unterwerfen werde. Dein Wille geschehe, sprach er, ich scheide mich von ihr zum ersten, zum zweiten, zum dritten Male. – Nun ging die Wirtschaft anders, ich herrschte im Hause, und meine Tante musste gehorchen. Bald darauf starb mein Onkel und zweiter Gemahl, und hinterließ mir eine Erbschaft von sechstausend Dirhems. Nachdem ich die Trauer ausgezogen hatte, kam mein erster Gemahl, mich zu besuchen. Ich habe dich immer, sprach er, wie meine Seele geliebt; tausendmal habe ich den unglücklichen Tag verwünscht, wo ich mich von dir getrennt. Ich fliege in deine Arme zurück, wenn du ein andermal mit mir zusammen leben willst. – Warum nicht, antwortete ich, aber mit dem Bedingniss, dass du dich von deiner jetzigen Frau scheidest, und dass dieselbe mir untergeben sei.

Ich scheide mich, sprach er, von ihr zum ersten, zum zweiten, zum dritten Male, sie sei künftig deine Magd.

So war ich dann die Gebieterin meiner Base und meiner Tante, der beiden Gemahlinnen meiner Eheherren.

Alles dies ist wahr, von Wort zu Wort, redete die Alte ein, sie hat für mich gesprochen und sich selbst angeklagt. Habe ich denn kein Recht, Genugtuung dafür zu fordern, dass sie mir und meiner Tochter unsere Männer geraubt, und uns zu ihren Mägden gemacht hat. Der Fall schien mir sehr verworren, und ich wusste nicht, wie ich sprechen sollte. Unstreitig war eine Übertretung des Gesetzes hier mit untergelaufen. Der Oheim hätte seine Nichte nicht heiraten sollen. Aber er war tot, und keine Klage konnte daher statt haben wider ihn. Ich entschied, dass die Alte frei sein, ihre Tochter in die Rechte einer rechtmäßigen Gemahlin treten, und dieselben mit der jungen Frau teilen solle.

Dies, o Herr, so endete der Richter Ebi Sinli seine Erzählung, ist einer der seltsamsten und merkwürdigsten Fälle, die mir je in Ausübung meines Amtes vorgekommen.

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