58. Harun Raschid befand sich
Harun Raschid befand sich in Rakka, mit Fasl, [Rand: Alaim.]
dem Sohne Jahjas, dem Barmekiden. Höre, Fasl, sprach er, dein
Freund Ismail, der Sohn Salehs, der Sohn Alis, ist hier
angekommen, ich wünschte ihn zu sehen, und noch mehr ihn
singen zu hören. Das wird schwer halten, antwortete Fasl, sein
Bruder Abdolmelek, der in deiner Gefangenschaft schmachtet,
hat ihm verboten dich zu sehen. – Nun so wollen wir abwarten,
ob er nicht vielleicht selbst kommt. – Indessen wandte Fasl
alle seine Beredsamkeit auf, seinen Freund zu bewegen, dass er
vor dem Chalifen erscheine und spiele, was ihm denn auch
endlich gelang. Ismail wurde auf den folgenden Tag vom
Chalifen zu Tische geladen. Mich freut es recht sehr, sprach
Harun, dich zu sehen, nun wollen wir miteinander trinken. Sie
tranken, der Vorhang des Harems flog auf, und die Sklavinnen
traten heraus mit Instrumenten und Trinkschalen. Harun nahm
aus einer Sklavin Hand die Laute, legte sie seinem Gaste in
den Schoß, und hing ihm um den Hals eine Schnur von zehn
Perlen, deren Werth auf dreyßigtausend Dirhem geschätzt ward.
Kauf dich hiermit, sagte der Chalife, von deinem Schwure, vor
mir nicht zu singen, los. Ismail ließ sich erbitten, stimmte
die Laute, und sang die Verse Welid's, des Sohnes Jesid's auf
Galia, die Schwester Omars, des Sohns von Abdolasis. Er sang
das Lied, und dann nach derselben Weise die folgenden Verse:
Ich schwör', ich habe keine Schuld daran,
Ich bot zum Werke weder Fuß noch Hand,
Ich folgte weder meinem Aug noch Ohr;
Mich leitete nicht Urteil, noch Verstand.
Es trifft nur einen Mann wie mich, der Pfeil
Des Unglücks, wenn es niederstürzt auf's Land.
Raschid war bezaubert, so schöne Worte von einer so schönen
Stimme vorgetragen zu hören. Er forderte eine Lanze. Die Lanze
ward gebracht, und Raschid belohnte und belehnte den Sänger
mit der Statthalterschaft Ägyptens, die ihm binnen zwei
Jahren, wo er dieselbe verwaltete, fünfmal hundert tausend
Dukaten eintrug.
Als sein Bruder Abdolmelek davon hörte, misbilligte er
nicht destoweniger, dass sich Ismail vor dem Chalifen zu
singen erniedriget habe.