60. Ebi Ishak Israhim
Ebi Ishak Israhim von Moßul, den sein musikalisches Talent
und der Hofdienst beständig an die Person des Chalifen banden,
erzählt: Ich bat mir von Raschid einen Tag aus, wo ich mit
meinen Sklavinnen und guten Freunden allein ohne Geschäfte und
froher Dinge sein könnte. Er gab mir einen Sonnabend frei, und
ich blieb an diesem Tage zu Hause, um meiner Ruhe und
Gemächlichkeit zu pflegen, um des Vergnügens einer guten Tafel
und eines wohlbepolsterten Sofa in vollem Maße zu genießen.
Dem Türhüter trug ich auf, keine Seele vorzulassen, es sei,
wer da wolle.
So saß ich nun allein, mitten unter den Sklavinnen meines
Harems, als sich auf einmal die Türe öffnete und ein
stattlicher Greis herein trat. Er hatte ein buntgestreiftes
Kleid, und die musselinenen Enden des silbergestickten Turbans
wallten majestätisch über seinen Rücken hinunter. Ein
köstlicher Wohlgeruch ergoss sich von ihm durch den Saal, und
durch das ganze Haus. Der Ärger ergriff mich, dass er sich
ohne Erlaubnis meiner Gesellschaft aufgedrängt hatte, und ich
beschloss sogleich, den Türhüter, der meine Befehle
übertreten, fortzujagen.
Indessen grüßte er mich auf das freundlichste, und ich gab
ihm seinen Gruß zurück. Ich hieß ihn niedersitzen, und er ließ
sich mit vielem Anstand nieder. Dann erzählte er mir so viele
und schöne Dinge von der arabischen Geschichte und Dichtkunst,
dass sich meine böse Laune ganz verlor, und ich meinen Leuten
Dank wusste, die mir mit einem so feingebildeten
Gesellschafter eine überraschende Freude gemacht hatten. Ich
fragte ihn, ob er zu essen verlange; Er antwortete, dass er
dessen nicht bedürfe, aber den Vorschlag zum Trinken nahm er
gerne an.
Ich schenkte ihm einen Rotl Wein ein, und mir eben so viel.
Ebi Ishak, sprach er, hast du nichts zum Singen, damit wir
deiner Kunst froh werden können? Singe doch eine deiner
schönsten Arien, welche den Hof und die Stadt bezaubern. Diese
Rede spornte mich, dann beschloss ich, ihm den Gefallen zu
tun, und nahm die Laute, auf der ich mich selbst begleitete.
Bravo, rief er, bravo Ebi Ishak! Das machte mich wieder bös.
So ist er denn nicht zufrieden, dachte ich, um sich in meine
Gesellschaft hereingestohlen zu haben, sondern muss mich auch
beim Namen nennen, und mich singen machen.
Wenn du etwas mehr spielen wolltest, fuhr er fort, würde
ich versuchen, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Diese
anmaßende Rede erzürnte mich nicht wenig; ich bot alle meine
Kunst auf, um der Laute ihre süßesten Töne zu entlocken, und
ihm die Erfüllung seines Wortes so schwer zu machen als
möglich. Vortrefflich! rief er aus, willst du nun mir erlauben
zu spielen und zu singen? Nach Belieben, antwortete ich, denn
ich dachte, der Mensch müsste von Sinnen sein, um nach dem,
was er von mir gehört, auftreten zu wollen. Er nahm die Laute,
stimmte sie, und präludirte darauf. Da schien es mir fürwahr,
als ob menschliche Töne vernehmlich aus der Laute mich
ansprächen. Er sang dazu:
Ach! mein zerbrochnes Herz, wer will es kaufen,
Seit es mit meinem Kopf davon gelaufen!
Die Menschen kaufen oft fürs Geld fürs baare,
Den Trug für Recht, das Falsche für das Wahre.
Um die Begier, so mich verzehrt, zu stillen,
Will weinend ich mit Wein den Becher füllen.
Bey Gott! es schien mir, als ob Türen und Fenster, und
Alles, was im Hause war, seinen Gesang begleiteten. Seine
Stimme drang mir durch alle Glieder ins innerste Mark, und ich
lag wie von Sinnen bewegungslos auf dem Sofa. Hierauf sang er
weiter die folgenden Verse:
Ihr Turteltauben! hört den Ton der Laute,
Gestimmt durch Euch zu süßen Klagen,
Ihr seid des tiefsten Grams Vertraute,
Euch kann ich meine Leiden sagen.
Als wollte Wahnsinn mir die Brust zerschrauben,
Erbeben unter meiner Hand die Saiten.
Beneidenswert seid ihr, o Turteltauben!
Weil keine Tränen Euer Lied begleiten.
Hier hielt er innen, und nach einer langen Pause, während
der ich mich ins Paradies verzückt wähnte, fuhr er nach einer
andern Weise folgendermaßen fort:
O Morgenwind, du wehst mich an aus Nedschd,
Doch meine Schmerzen mehret nur dein Wehen:
Es lindert sie kein Glanz des Morgenroths
Im Hain, wo dicht der Banien1
Zweige stehen.
Ich weine bitter wie ein säugend Kind,
Kein weinend Auge kann dies Glück erspähen.
Sie meinen, leider! falsch, es lindere
Der Liebenden Entfernung alle Wehen.
Die besterprobte Arzeney ist doch
Den Liebenden stets in der Näh' zu sehen.
Doch auch des Hauses Nähe nützet Nichts.
Wenn der Geliebte sich nicht lässt erflehen.
Ibrahim, sprach er, singe mir dies Lied nach, und lehre es
deine Sklavinnen. Wiederhole es nur noch einmal, antwortete
ich. Für einen Meister, wie du, entgegnete er, hat es des
Wiederholens nicht Not, und als er dies gesagt hatte, war er
verschwunden. Ein kalter Schauer ergriff mich; ich entblößte
mein Schwert, und ging damit auf die Türe des Harems zu, die
ich verschlossen fand. Was habt ihr gehört? fragte ich die
Sklavinnen. Süßen Ton und Gesang, antworteten sie.
Ganz erstaunt setzte ich meine Runde fort, und kam zum
Haustore, das ich ebenfalls verschlossen fand. Ich fragte die
Türhüter, wer der Scheich gewesen, sie schworen aber bei ihrem
Leben, dass sie meinem Befehl gemäß Niemanden hereingelassen
hätten. Ich wusste nicht, was ich denken sollte, als ich ganz
deutlich eine Stimme vernahm: Nichts für ungut, Ebi Ishak, es
war ich, Abumarra, sonst insgemein Satanas genannt, der dir
diesen Abend Gesellschaft zu leisten kam.
Ich ließ sogleich mein Pferd vorführen, und ritt noch,
wiewohl Mitternacht nicht ferne war, an den Hof des Chalifen,
dem ich mein Ebenteuer vom Anfang bis zum Ende erzählte. Ich
hatte die Laute mitgenommen, und Raschid verlangte von mir,
dass ich diese Teufelsarien wiederholen sollte. Ich versuchte
es und war ganz erstaunt, als ich sah, dass ich sowohl Worte
als Töne vollkommen auswendig behalten hatte.
Raschid war eben sehr niedergeschlagen, und die Verse
schienen ihm aus der Seele gesungen zu sein. Als ich die
Stelle:
Um die Begier, so mich verzehrt, zu stillen,
Will weinend ich mit Wein den Becher füllen,
gesungen hatte, forderte der Chalife sogleich Becher und
Wein, und trank mit wahrer Lust, wiewohl er vorher keine
Freude daran gehabt zu haben schien. Diese Wirkung machte
meine Überzeugung, dass mir Satan einen Besuch abgestattet
habe, unerschütterlich. Nur der Teufel konnte mir ein Lied
eingegeben haben, das den Statthalter Gottes, den Chalifen,
zum Weintrinken bewog.
Fußnote 1: Ban, ein äußerst schön gewachsener Strauch.