68. Ein andermal
Ein andermal befand sich Asmai beym Chalifen an einem der
längsten Winterabende, um ihm die Zeit zu kürzen. Wer ist
deine Bettgefährtin? fragte der Chalife. – Ich habe keine,
allergnädigster Herr, ich bringe meine Nächte allein auf
meinem kalten Lager zu. – Das ist nicht, wie es sein soll; der
Himmel schickt dir gewiss eines dieser Tage eine Bettgenossin,
unterdessen kannst du für heute schlafen gehen. Asmai empfahl
sich, und ging nach Hause. Aber kaum hatte er sich
niedergelegt, als ein großes Getümmel vor seiner Tür entstand.
Sänften, Fackeln, Sklavinnen, Träger. Er wusste nicht, was das
zu bedeuten habe. Er machte die Türe auf, und siehe da, es war
die erste Favoritin, von Sängerinnen und Tänzerinnen
begleitet, die da kam, um auf Befehl des Chalifen dem Dichter
für diese Nacht Bettgesellschaft zu leisten.
Asmai fühlte sich durchbebt von Entzücken, beim Anblick so
vieler Schönheiten, wusste aber nicht, wie er sich benehmen
sollte zu ihrem Empfang. Die Favoritin riß ihn sogleich aus
der Verlegenheit, indem sie ihren Sklavinnen Musik zu machen,
und das Nachtmahl zu bereiten befahl. Asmai musste trinken,
und zwar von den besten Weinen aus dem Keller des Chalifen.
Nach dem Nachtmahle ließ sie Brautkleider bringen für sich und
für Asmai, kleidete sich in das verführerischste Negligee um,
und winkte den Sklavinnen sich zu entfernen. Komm, sprach sie,
Asmai, indem sie die erste in's Bette stieg.
Der arme Asmai stieg hinein, von Begier und von Furcht
zugleich ganz außer sich. Denn wie sollte er solchem Reitz
widerstehen, und wie sollte er seinen Kopf retten, wenn er
sich vermäße, des Chalifen Kleinod zu berühren. Er legte sich
auf das äußerste Ende des Bettes, ohne sich zu rühren. Die
Favoritin ließ nichts unversucht an Liebkosungen, ihn aus
seiner Fassung zu bringen. Es war umsonst, er blieb wie
erstarret, ohne sich zu regen und bewegen, halb tot vor Lust
und Furcht. Die Favoritin böse, dass ihre Reitzungen fruchtlos
blieben, fing an, ihn mit Schimpfworten zu geißeln, die aber
nicht mehr Wirkung taten, als ihre Liebkosungen. Gegen Morgen
klatschte sie in die Hände, ihre Sklavinnen zu rufen. Bringt
mir, sprach sie, eine Badkufe, Wasser und Leintücher. Asmai
zitterte, rührte sich aber nicht. Als die Sklavinnen
zurückgekommen waren, befahl sie: Nehmt die Totenwaschung vor,
und verrichtet das Grabgebet, denn Asmai ist ein Leichnam. Die
Sklavinnen verstanden den Wink, fielen über Asmai her, warfen
ihn in die Kufe, rieben und rauften ihn unter dem wehmütigsten
Klagegeheule. Umsonst wehrte er sich nach Kräften. Endlich
gelang es ihm, sich aus ihren Händen zu retten, und mit dem
Leichentuche, das sie über ihn geworfen, davon zu laufen. In
diesem Aufzuge stellte er sich dem Chalifen vor, der vor
Lachen bersten wollte, als er die Geschichte vernahm, zugleich
aber die Delikatesse des Dichters, der die Favoritin nicht
hatte berühren wollen, sehr gut zu würdigen wusste. Er kaufte
sie los um fünfzig tausend Dukaten.