Rosenöl
Rosenöl (Hammer-Purgstall)

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1813 n.Chr.

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Rosenöl - Joseph von Hammer-Purgstall

96. Ibrahim, der Sohn Mahadi's

Ibrahim, der Sohn Mahadi's, der ein Jahr und elf Tage lang auf dem Chalifenstuhle gesessen hatte, ward entthront von seinem Vetter Mamun, der sogleich einen Preis von einmal hunderttausend Dirhem auf seinen Kopf setzte. Ibrahim irrte unerkannt herum in den Gassen von Bagdad, einen Zufluchtsort zu suchen. Er sah vor einer offenen Haustüre einen Schwarzen stehen, und bat ihn um die Erlaubnis, auf einige Augenblicke ins Haus gehen zu dürfen. Der Schwarze ließ ihn hinein, hieß ihn niedersitzen, und brachte ihm zu Essen. Ibrahim traute sich kaum die Augen aufzuschlagen, oder zu atmen, aus Furcht, erkannt zu werden. Endlich brachte ihm der Schwarze eine Laute und sprach: Ich sehe wohl, dass du mein kleines Mahl deiner nicht würdig findest, aber singe immer ein wenig, während ich trinke. Ibrahim fragte, wie er in ihm das Talent der Musik ausgefunden habe. Hilf Himmel! rief der Schwarze, das weiß ja die ganze Welt, dass Ibrahim, der Sohn Mahadi's, der Chalife, ein vortrefflicher Tonkünstler ist. Ibrahim, der sich erkannt sah, konnte die Bitte nicht abschlagen. Er nahm die Laute, begleitete damit seinen Gesang, und fuhr so viele Tage hindurch fort, seinen Gastgeber mit Musik zu unterhalten. Endlich aber fürchtete er sich ihm lästig zu wer den, und machte sich heimlich davon in Frauenkleidern. Er durchstrich mehrere Gassen von Bagdad, nicht ohne große Gefahr, erkannt zu werden. Zuletzt begegnete er einem seiner alten Diener, der ihn erkannte, und nicht von sich lassen wollte. Ibrahim hatte genug Geistesgegenwart, den Zudringlichen ins Wasser zu werfen. Dann rettete er sich in das Haus einer Frau, welche ihm einen Zufluchtsort versprochen hatte. Er hatte sich kaum ein wenig zu erholen angefangen, als Jemand an der Türe klopfte. Es war der Verräter, den er ins Wasser geworfen hatte, und der ihn unter dem Scheine von Dankbarkeit hatte aufhalten wollen. Er kam, begleitet von den Wachen des Chalifen, ihn abzuholen. Ibrahim ward in den Audienzsaale vorgeführt, und grüßte den Chalifen mit dem gewöhnlichen Gruße: Heil dir, Fürst der Rechtgläubigen! Dir kein Heil, und dir keine Verzeihung, antwortete Mamun. – Höre mich an, Fürst der Rechtgläubigen! die Stimme der Nachsicht und Verzeihung ist ungemein schöner und süßer, als die des Grimmes und der Rache. Diese Worte schienen ihre Wirkung auf Mamun nicht verfehlt zu haben.

Er versammelte seine Brüder, Ebu Ishak und Mohammed Almoteaßem, seinen Sohn Abbas, und seine innigsten Freunde, mit ihnen zu beratschlagen. Alle stimmten für den Tod Ibrahims. Endlich richtete Mamun das Wort an Ahmed Ebi Chaled, und fragte ihn um seine Meinung.

Fürst der Rechtgläubigen! sprach er, die Geschichte nennt der Fürsten viele, die, um ihre Herrschaft zu sichern, ihre Nebenbuhler aus dem Wege geräumt, aber wenige derer, die ihnen verziehen. Überlege nun selbst, ob es besser ist, von der Geschichte mit Vielen, oder mit Wenigen genannt zu werden. Mamun senkte stillschweigend den Kopf, dann sprach er: Fürchte nichts, mein Vetter! ich verzeihe dir. Ibrahim dankte, indem er aus dem Stegreife ein sehr schönes Gedicht zum Lobe der Güte und Großmut rezitierte. Ebu Ishak, und Abbas, sagte Mamun weiter, haben mir jedoch deinen Tod geraten. – Sie rieten dir, o Fürst der Rechtgläubigen, antwortete Ibrahim, nach der Kleinlichkeit ihres Sinnes, du handeltest aber nach der Größe des deinigen.

Mamun kniete nieder zu beten, und sprach zu Ibrahim: Bete auch du, dem Herrn zu danken, dass er mir den Gedanken der Verzeihung eingegeben.

Nach verrichtetem Gebete erzählte Ibrahim die Begebenheiten mit dem Schwarzen, mit dem alten Diener, und der Frau. Der Diener und die Frau, welche miteinander verstanden gewesen waren, bekannten, dass sie nur durch die Hoffnung, ihr Glück zu machen, zur Verräterei an ihrem alten Herrn verleitet worden wären. Mamun ließ sie ins Gefängnis stecken, und schlagen. Dem Schwarzen hingegen, der ein Barbier seines Handwerkes war, verlieh er eine Kammerdienerstelle bei Hofe, und schenkte ihm tausend Dukaten zum Lohne seiner Treue. Der Barbier dankte für das eine und für das andere. Er verstünde sich, meinte er, besser, Bärte zu scheeren, als den Chalifen zu bedienen, und für die Unterkunft, die er dem Sohne Mahadi's gegeben, habe er sich schon durch die Arien, die er ihm alle Tage singen müssen, bezahlt gemacht.

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