Rückert

Rückerts Gedichte über den Islam

mit ausführlichen Erläuterungen von

Yavuz Özoguz

Inhaltsverzeichnis

Omar ben Abdelasis

Umar II. bzw. Umar ibn Abd al-Aziz war der achte Kalif der Umayyaden. Er lebte 681 - 720 n.Chr. und regierte ab 717 n.Chr. bis zu seinem Ableben. Über seinen Geburtsort gibt es unterschiedliche Angaben zwischen  Ägypten und Medina. Er war der Sohn des umayyadischen Statthalters in  Ägypten Abdul-Aziz und stammt mütterlicherseits von Uthman ibn Affan und  Umar ibn Chatab ab, deren Urenkel er ist. Er trat die Nachfolge von  Sulaiman ibn Abdulmalik und errang sich im Gegensatz zu sonstigen  umayyadischen  Kalifen Respekt sowohl bei Sunniten und  Schiiten.

Umar ibn Abd al-Aziz ist in Medina groß geworden bis zum Ableben seines Vaters. Anschließend holte ihn der damals amtierende 5. Kalif der Umayyaden Abdulmalik ibn Marwan nach Damaskus, und er heiratete seine Tochter Fatima. Kurz danach starb sein Schwiegervater, und Umar diente dem 6. Kalifen der Umayyaden und seinem Cousin Walid ibn Abdulmalik als Gouverneur von Medina, wobei Medina eine Blütezeit erlebte. Viele Muslime aus dem Irak entflohen der dortigen Gewaltherrschaft des Gouverneurs Hadschdschadsch ibn Yusuf und kamen nach Medina. Das verärgerte Hadschdschadsch, und der übte Druck aus auf den Kalifen Walid, damit er ihn aus Medina abzieht. Umar ibn Abd al-Aziz verlor zwar zunächst sein Amt, blieb aber in Medina und erlebte auch noch den 7. Kalifen der Umayyaden Sulaiman ibn Abdulmalik mit, ebenfalls sein Cousin. Jener Sulaiman war ein Anhänger Umar ibn Abdul Aziz', er ignorierte seine eigenen Brüder und Söhne und nominierte ihn zum Nachfolger.

Umar ibn Abdul Aziz verbannte den Luxus seiner Vorgänger und lebte ein bescheidenes Leben. Er vermachte den Kalifenpalast der Familie seines Vorgängers Sulaiman ibn Abdulmalik und zog ein einfaches Leben vor. Unter seiner Regierung wurden Verwaltungsreformen gefördert, durch die soziale Spannungen ausgeglichen werden sollten. Ebenso verbot er die öffentliche Verunglimpfung von Imam Ali (a.), die Muawiya ibn Abu Sufyan eingeführt hatte. Außerdem ließ er das einstmals der Prophetentochter Fatima (a.) enteignete Landstück Fadak der Familie des Propheten (Ahl-ul-Bait) zurück geben, was allerdings nur Bestand bis zu seinem Ableben hatte.

Er forderte die Leute auf, sich gegen ihn zu stellen, wenn sie nicht mit ihm zufrieden waren und das, obwohl er den größten Rückhalt in der Bevölkerung genoss, den je ein Umayyade hatte, und er galt als der Einzige, der sich nicht selbst am öffentlichen Reichtum bereicherte. Er verbot das Trinken von Alkohol, was seine Vorgänger erlaubt hatten, zumal in den Palästen selbst getrunken wurde und teilte die gemischten Badehäuser in geschlechtsgetrennte. Und er schaffte auch die Schutzsteuer [dschizya] für diejenigen ab, die zum Islam konvertiert waren, eine die seine Vorgänger selbst von Konvertierten einzogen. Das hatte eine Massenkonversion in seinem Machtbereich zur Folge. In seiner Zeit entstanden die ersten größeren Werke von Sammlungen der Überlieferungen der Aussagen des Propheten Muhammad (s.).

Seine Reformen ängstigten das Haus der Umayyaden, die ihre Macht schwinden sahen und nicht bereit waren, auf die irdischen Güter zu verzichten. Daher überredeten sie einen seiner Diener, ihm eine vergiftete Speise zukommen zu lassen. Er starb 720 n.Chr. in Aleppo.

Als Omar Ben Abdelasis,

Vom Stamm Omeia’s, der Chalife,

Der sich als Freund von Ali’s[1] Stamm bewies,

Beschlossen hatte, dass er widerriefe

Den herden Fluch, den sein Geschlecht,

Erbittert gegen Ali’s bessres Recht,

Auf Ali und die Seinen beim Gebete

Zu legen pflegt’ an gottgeweihter Stäte;

 

Stellt’ er erst einen Juden an[2],

Er sollte öffentlich in aller Fürsten Mitte

Zur Eh um seine, des Chalifen, Tochter bitten;

Und als der Jude dies getan,

Sprach Omar: Wie könnt’ ich mein Kind dir geben?

Du bist doch ein Ungläub’ger eben.

 

Und jener abgeredtermaßen spricht:

Gab seine Tochter doch an Ali der Prophete!

„Wohl! Aber Ali war ungläubig nicht.“ –

„Warum verfluchet ihr ihn also beim Gebete?“

Da wandte Omar sich mit ernstem Angesicht

 

Zu all den Seinen, hoch und nieder:

Was könnet ihr dem Juden drauf erwidern? –

Sie fügten sich, dass für den unterdrückten Fluch

Gesprochen sei der Koranspruch:

Vergib uns Gott und unsern Brüdern,

Die mit uns eines Glaubens sind![3]

 

Kaum aber dass er so gelind

Sich seines Stammes Gegnern hat erwiesen,

Wird er gemisbraucht schon von diesen

Schuseib[4], der offen gegen das Geschlecht

Omeia’s sich empört für Ali’s bess’res Recht,

Verlangt von ihm, er soll nun auch beschließen

Fluch über jene, die dem Ali fluchen ließen.

 

Das hat er klüglich abgelehnt:

Des Wortes Macht ist nicht auf jenseits ausgedehnt;

Selbst über Pharao, der Schweres hat verbrochen,

Wird öffentlich kein Fluch gesprochen.

 

So wollt’ er Frieden stiften hier und dort,

Und hat mit beiden Teilen es verdorben;

Die Widersacher blieben’s immerfort,

Und von den Seinen ist vergiftet er gestorben.

[1] Gemeint ist Imam Ali (a.)

[2] Entweder liegt hier eine Verwechslung mit dem zweiten Kalifen vor, der ebenfalls Omar hieß, oder Rückert hat in seiner künstlerischen Freiheit die Geschichte umfassender betrachtet. Tatsächlich war es Umar ibn Chattab (der zweite Kalif), der einen erst jüngst zum Islam konvertierten Juden namens Kaab al-Ahbar zu seinem engsten Berater berief und dadurch sehr viele Missverständnisse im Islam bewirkte. Imam Ali (a.) hatte jenen Kaab al-Ahbar als Lügner bezeichnet.

[3] Die Geschichte, dass ein Jude Omar ibn Abdulaziz auf den Misstand hingewiesen hätte, dass in den Moscheen die Namen Alis und Fatimas verflucht wurden unter den Umayyaden, ist nicht bekannt. Der Ursprung geht allerdings auf Muawiya zurück, der von Umar ibn Chattab (dem zweiten Kalifen) eingesetzt wurde. Der Berater Umars jüdischer Herkunft war Muawiya sehr zugetan. Möglicherweise ist der große historische Bogen, den Rückert schlägt, auf diese Gegebenheiten zurück zu führen.

[4] Aus der deutschen Schreibweise bleibt unklar, wer oder was hier gemeint ist.

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