Ghazalis Werk
Gazzali İhyau Ulumi'd-Din 1/6 إحياء علوم الدين in Bochum - Bochum-Mitte |  eBay Kleinanzeigen

Über Intention, reine Absicht und Wahrhaftigkeit

كتاب النية والإخلاص والصدق

Das 37. Buch von Ghazalis Hauptwerk

Übersetzt von Hans Bauer, Halle 1916

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Von der Intention

Inwiefern die verschiedenen Handlungen von der Absicht abhängen

c) Die erlaubten Handlungen

Mit jeder erlaubten Handlung lassen sich eine oder mehrere Intentionen verbinden, so dass sie dadurch zu einem besonders verdienstlichen Werk wird, durch das man eine höhere Stufe erreicht. Wie viel verliert doch der, welcher nicht darauf achtet, sondern sie zerstreut und gedankenlos verrichtet wie die sich selbst überlassenen Tiere. Der Mensch darf keine Regung, keine Bewegung und keinen Blick für geringfügig ansehen, denn für all das wird er am jüngsten Tage Rechenschaft anzulegen haben, warum er es getan und was er damit bezweckt. Das bezieht sich auf die rein erlaubten Handlungen, denen nichts von Missbilligung anhaftet, von denen daher der Prophet (s) sagt: „Das Erlaubte davon zieht Rechenschaft nach sich und das Verbotene Strafe.“

In einer Überlieferung des Mu’ad bin Gabal heißt es: Der Prophet Allahs sagte: „Der Mensch wird am jüngsten Tag über alles Rechenschaft abzulegen haben, sogar über das Schminken seiner Augen und dass er ein Stückchen Erde mit seinen Fingern zerkrümelt und das Kleid seines Bruders berührt hat.“

In einer anderen Überlieferung heißt es: „Wer für Allah sich parfümiert, der wird am jüngsten Tage lieblicher duften als Moschus, wer aber für jemand anderen sich parfümiert, der wird am jüngsten Tag übler riechen als ein Aas.“

Der Gebrauch des Parfüms ist also erlaubt, es muss jedoch eine Intention dabei sein. Wenn man aber fragt: Was kann man denn beim Parfümieren, das doch eine sinnlich Ergötzung ist, für eine Intention haben und wie kann man sich für Allah parfümieren, so antworte ich: Wer sich z.B.: am Freitag oder zu anderen Zeiten parfümiert, der kann dabei entweder einen weltlichen Genuss erstreben oder er will seinen Reichtum zeigen und damit großtun, damit ihn seine Kollegen beneiden, oder er will bei den Leuten Eindruck machen (riya al-halq), dass sie eine hohe Meinung von ihm bekommen und von seinem angenehmen Geruch erzählen, oder er will auf diese Weise fremden Frauen seine Zuneigung kundgeben, wenn er es nicht für statthaft hält, sie anzublicken, oder er verfolgt andere Zwecke, die wir nicht alle aufzählen können. All das macht das Parfümieren sündhaft, und ein solcher wird dafür am jüngsten Tage „übler riechen als ein Aas“. Nur die erstgenannte Absicht, eine sinnliche Ergötzung haben zu wollen, ist keine Sünde, er wird aber darüber verhört werden, und „wer in scharfes Verhör genommen wird (nuqisa), der wird gezüchtigt“, und wer sich etwas Erlaubtes in der Welt gestattet, der wird dafür im Jenseits nicht gezüchtigt, es wird ihm aber die jeweilige Seligkeit dementsprechend gemindert. Was ist das aber für ein Verlust, sich für den Augenblick etwas zu beschaffen, was vergeht, und dabei ein Mehr an Seligkeit zu verlieren, die nicht vergeht!

Gute Intentionen hingegen sind solche, wie die Gewohnheit des hochgebenedeiten Propheten am Freitag zu befolgen[1], die Moschee zu verherrlichen und das Haus Allahs zu verehren, so dass man es nicht für in Ordnung hält, die Moschee zum Besuche Allahs unparfümiert zu betreten. Man kann ferner die Absicht haben, auf diese Weise seinen Nachbarn eine Annehmlichkeit zu bereiten, damit es ihnen, wenn sie einen so wohlriechenden Mann neben sich zu haben, in der Moschee besser gefalle, oder es kann einer dadurch die üblen Gerüche beseitigen wollen, die seiner Gesundheit schaden könnten, oder er kann den Lästerern keinen Anlass zu übler Nachrede geben wollen, die sonst wegen seinen üblen Geruches schlecht von ihm reden und so seinetwegen Allah beleidigen würden. Wer nämlich einer üblen Nachrede sich aussetzt, obwohl er es vermeiden könnte, der gilt als Mitschuldiger bei dieser Sünde, wie es im Verse heißt:

„Wenn du dich von Leuten absonderst, und sie hätten bewirken können, dass du dich nicht von ihnen entfernst, so sind sie es, die sich absondern.“

Und Allah ta’ala sagt:

وَلاَ تَسُبُّواْ الَّذِينَ يَدْعُونَ مِن دُونِ اللّهِ فَيَسُبُّواْ اللّهَ عَدْوًا بِغَيْرِ عِلْمٍ

„Und schmähet nicht diejenigen, die sie neben Allah anrufen, sie könnten sonst Allah aus Unwissenheit schmähen.“ (Sure 6 Aya 108)

Damit hat er angedeutet, dass das Anlassbieten zum Bösen etwas Böses ist. -  Oder man kann das Parfüm als Arznei für das Gehirn gebrauchen wollen, damit man dadurch scharfsinniger und intelligenter werde und seine religiösen Pflichten durch Nachdenken besser erkennen könne. Sagt doch Imam Schafi’i (ra): „Wohlgeruch mehrt den Verstand.“

Es wird einen Verständigen nicht schwer sein, diese und ähnliche Intentionen zu erwecken, wenn er ganz vom Geschäft des Jenseits und vom Streben nach dem Guten eingenommen ist; ist er aber nur von weltlichen Vergnügungen eingenommen, so werden solche Intentionen bei ihm sich nicht einstellen, und wenn man ihn auf sie aufmerksam macht, wird doch sein Inneres sich nicht darnach richten, sondern sie werden bei ihm nur leere Vorstellungen bleiben, das ist aber keineswegs eine wirkliche Intention.

Die Zahl der erlaubten Handlungen ist so groß, dass es unmöglich ist, für alle die entsprechenden In-tentionen aufzuzählen. Man mache also von diesem einen Fall die Anwendung auf die übrigen. So sagt ein alter „Gnostiker“ (arif): „Ich liebe es, bei allem eine Intention zu machen, selbst wenn ich esse und trinke und mich niederlege und wenn ich auf den Abort gehen.“

Mit all diesem kann man die Intentionen verbinden, Allah ta’ala nahe zu kommen, denn alles, was den Körper erhält, und den Geist von körperlichen Bedürfnissen frei macht, ist ein Hilfsmittel für die Religion. Wer also die Absicht hat, durch das Essen sich für den Dienst Allahs zu kräftigen und durch Ausübung, des Beischlafes seine „Religion“ zu bewahren, das Herz seiner Frau zu erfreuen und ein frommes Kind zu bekommen, auf dass es Allah ta’ala nach seinem Tode diene und die Gemeinde Muhammeds, des Hochgehbenedeiten, vermehrt werde, der vollbringt mit dem Essen und dem Beischlaf ein gottgefälliges Werk. Diese beiden sind zwar die stärksten sinnlichen Ergötzungen, aber für den, dessen Herz ganz auf das Jenseits gerichtet ist, ist es nicht unmöglich, mit ihnen eine gute Intention zu verbinden. Desgleichen muss einer, wenn er Vermögen eingebüßt hat, eine gute Meinung erwecken und sprechen: „Es ist für den Weg Allahs.“ Und wenn er erfährt, dass ein anderer ihn verleumdet hat, so soll er sich damit trösten, dass dieser nun seine Verfehlungen tragen wird, während ihm dessen Verdienste zu gute geschrieben werden, und er soll das im Stillen tun, ohne etwas zu erwidern. In einer Überlieferung heißt es: Ein Mensch wird zur Rechenschaft gezogen und all seine Werke sind nichtig infolge eines ihnen anhaftenden Mangels, so dass er die Hölle verdient; da werden gute Werke von ihm entfaltet, die ihn des Paradieses würdig machen. Er wundert sich über diese und spricht[2]: „Diese Werke habe ich gar nicht verrichtet, o Herr.“ Man antwortet ihm: „Das sind die Werke derer, die dich verleumdet und geschädigt und dir unrecht zugefügt haben.“ (Abu Mansur)

In einer anderen Überlieferung heißt es: „Ein Mensch kommt bei seiner Auferstehung mit guten Werken, wie Berge so groß; würden sie ihm zu Teil, so würde er ins Paradies eingehen. Es stellt sich aber heraus, das er diesem Unrecht zugefügt, jenen gekränkt und einen dritten geschlagen hat; da wird nun von seinen guten Werken für dieses etwas abgeschnitten und für jenen etwas abgeschnitten, bis für ihn kein gutes Werk mehr übrig bleibt. Da rufen die Engel: Seine guten Werke sind zu Ende und es sind noch weitere Gläubiger da. Da antwortet Allah ta’ala: Werft von ihren Verfehlungen auf ihn, dann stoßt ihn in die Hölle.“

Nimm dich also ja in acht, irgend eine deiner Tätigkeiten für geringfügig zu halten, so dass du vor ihren Tücken und Schäden nicht auf der Hut bist und keine Antworten bereit hältst für den Tag der Rechenschaftsablegung. Denn Allah ta’ala schaut auf dich und ist Zeuge und

مَا يَلْفِظُ مِن قَوْلٍ إِلَّا لَدَيْهِ رَقِيبٌ عَتِيدٌ

„Er (der Mensch) spricht kein Wort, außer es ist bei ihm ein bereiter Wächter.“ (Sure 50 Aya 18).

Einer der Früheren erzählt: Ich hatte etwas geschrieben und wollte es an der Wand eines meiner Nachbarn abtrocknen, da bekam ich Bedenken, sagte aber dann: „Ach was, Staub, was ist Staub?“ und trocknete es ab. Da rief mir eine geheimnisvolle Stimme (halif) zu. „Es wird erfahren, der den Staub hat verachtet, wie schlimm morgen sein wird die Rechenschaft.“

Es betete einmal ein Mann mit Sufian al-Tauri und bemerkte, dass dieser seinen Mantel verkehrt anhatte. Er machte ihn darauf aufmerksam, und dieser streckte die Hand aus, um ihn richtig anzuziehen; dann zog er die Hand wieder zurück und ließ ihn, wie er war. Als der Mann ihn darüber befragte, antwortete er: „Ich habe ihn angezogen für Allah und will ihn nicht in Ordnung bringen für einen anderen.“

Hasan al-Basri sagt: Am jüngsten Tage wird sich ein Mann an den anderen heranmachen und ihm zurufen: „zwischen dir und mir ist Allah.“ „Bei Allah, ich kenne dich nicht“, erwidert dieser. „Doch“, entgegnet der erste, „du hast einen Ziegelstein aus meiner Wand genommen, du hast einen Faden aus meinem Kleid genommen.“

Diese und ähnliche Überlieferungen machen das Herz vor Furcht vergehen. Wer nun ein Mann von entschiedenem Ja und Nein ist und sich nicht betören lässt, der schaue jetzt auf sich selbst und fordere von sich genaue Rechenschaft, bevor man sie von ihm fordert, er beobachte seinen Zustand und erwäge bei allem Tun und Lassen zuerst, warum er sich betätigt, was er damit bezweckt, was er dadurch für das Diesseits gewinnt und was er für das Jenseits verliert, und worin er mehr Gewicht auf das Diesseits legt als auf das Jenseits. Wenn er dann erkennt, dass kein anderer Beweggrund als ein religiöser im Spiele ist, so führe er aus, was er beschlossen und was er im Sinne hat. Im anderen Fall aber halte er inne und prüfe noch einmal sein Inneres, während er abwartet und innehält; denn die Unterlassung des Handelns ist auch ein Handeln. Er muss ferner eine richtige Meinung erwecken, auch darf keine heimliche Leidenschaft, die er nicht bemerkt, dabei im Spiele sein. Er lasse sich nicht täuschen durch die Außenseite der Dinge und das Aufheben, das von manchen guten Handlungen gemacht wird, sondern gehe den Dingen auf den Grund.

Es wird erzählt, dass Zacharias (as) einmal eine Wand mit Lehm auszubessern hatte, er war nämlich Tagelöhner. Als man ihm sein Essen brachte, - er aß nur von seiner Händen Arbeit – traten Leute zu ihm hinein, er forderte sie aber nicht zum Mitessen auf, bis er selbst fertig war. Sie wunderten sich darüber, weil ihnen seine Freigiebigkeit und seine Askese wohl bekannt war; sie meinten eben, das Gute bestehe in der Aufforderung zum Mitessen. Da sagte er: „Ich arbeite bei Leuten um Lohn, sie haben mir nun zu essen gebracht, damit ich mich kräftige für ihre Arbeit. Hättet ihr mitgegessen, so würde es weder für euch noch für mich ausgereicht haben und ich wäre zu schwach geworden für ihre Arbeit.“ So schaut der Verständige durch göttliche Erleuchtung auf das Innere der Dinge. Denn die Unfähigkeit zu arbeiten, wäre ein Mangel in der Pflichterfüllung gewesen, die Unterlassung der Einladung zum Essen hingegen war nur der Mangel einer rühmlichen Eigenschaft; die letzteren dürfen aber mit den Pflichten nicht auf eine Stufe gestellt werden. Es erzählte jemand: „Ich kam zu Sufian bin Abd al-Rahman bin Asim, wie er gerade beim Essen war. Er redete kein Wort zu mir, bis er seine Finger abgeleckt hatte, dann sagte er: Hätte ich es nicht auf Borg genommen, so hättest du auch davon essen müssen.“

Sufian al-Tauri sagt: „Wenn jemand einen anderen zum Essen einlädt, ohne dass es ihm mit der Einladung ernst ist, und der andere nimmt die Einladung an und isst, so lastet auf dem ersteren eine doppelte Schuld, und wenn er nicht isst, eine einfache Schuld.“ Er meinte mit der einen Schuld die Heuchelei und mit der anderen, dass er seinen Bruder zu etwas verleitet, das ihm zuwider wäre, wenn er den wirklichen Sachverhalt kennen würde. Auf diese Weise soll der Mensch bei allen Handlungen seine Intention prüfen und nichts tun oder unterlassen außer mit einer Intention. Und wenn sich keine Intention bei ihm einstellt, so halte er inne, denn die Intention lässt sich nicht willkürlich erwecken (la tadhulu tahta ’l-ihtijar).

Fußnoten

[1] Es werden an dieser Stelle im Original Hadithe angeführt

[2] Berichtet von Tariq Abi Na’im

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