Von der Intention
Inwiefern die
verschiedenen Handlungen von der Absicht abhängen
c) Die
erlaubten Handlungen
Mit jeder
erlaubten Handlung lassen sich eine oder mehrere Intentionen
verbinden, so dass sie dadurch zu einem besonders
verdienstlichen Werk wird, durch das man eine höhere Stufe
erreicht. Wie viel verliert doch der, welcher nicht darauf
achtet, sondern sie zerstreut und gedankenlos verrichtet wie
die sich selbst überlassenen Tiere. Der Mensch darf keine
Regung, keine Bewegung und keinen Blick für geringfügig
ansehen, denn für all das wird er am jüngsten Tage
Rechenschaft anzulegen haben, warum er es getan und was er
damit bezweckt. Das bezieht sich auf die rein erlaubten
Handlungen, denen nichts von Missbilligung anhaftet, von denen
daher der Prophet (s) sagt: „Das Erlaubte davon zieht
Rechenschaft nach sich und das Verbotene Strafe.“
In einer
Überlieferung des Mu’ad bin Gabal heißt es: Der Prophet Allahs
sagte: „Der Mensch wird am jüngsten Tag über alles
Rechenschaft abzulegen haben, sogar über das Schminken seiner
Augen und dass er ein Stückchen Erde mit seinen Fingern
zerkrümelt und das Kleid seines Bruders berührt hat.“
In einer anderen
Überlieferung heißt es: „Wer für Allah sich parfümiert,
der wird am jüngsten Tage lieblicher duften als Moschus, wer
aber für jemand anderen sich parfümiert, der wird am jüngsten
Tag übler riechen als ein Aas.“
Der Gebrauch des
Parfüms ist also erlaubt, es muss jedoch eine Intention dabei
sein. Wenn man aber fragt: Was kann man denn beim Parfümieren,
das doch eine sinnlich Ergötzung ist, für eine Intention haben
und wie kann man sich für Allah parfümieren, so antworte ich:
Wer sich z.B.:
am Freitag oder zu anderen Zeiten parfümiert, der kann dabei
entweder einen weltlichen Genuss erstreben oder er will seinen
Reichtum zeigen und damit großtun, damit ihn seine Kollegen
beneiden, oder er will bei den Leuten Eindruck machen (riya
al-halq), dass sie eine hohe Meinung von ihm bekommen und
von seinem angenehmen Geruch erzählen, oder er will auf diese
Weise fremden Frauen seine Zuneigung kundgeben, wenn er es
nicht für statthaft hält, sie anzublicken, oder er verfolgt
andere Zwecke, die wir nicht alle aufzählen können. All das
macht das Parfümieren sündhaft, und ein solcher wird dafür am
jüngsten Tage „übler riechen als ein Aas“. Nur die
erstgenannte Absicht, eine sinnliche Ergötzung haben zu
wollen, ist keine Sünde, er wird aber darüber verhört werden,
und „wer in scharfes Verhör genommen wird (nuqisa), der
wird gezüchtigt“, und wer sich etwas Erlaubtes in der Welt
gestattet, der wird dafür im Jenseits nicht gezüchtigt, es
wird ihm aber die jeweilige Seligkeit dementsprechend
gemindert. Was ist das aber für ein Verlust, sich für den
Augenblick etwas zu beschaffen, was vergeht, und dabei ein
Mehr an Seligkeit zu verlieren, die nicht vergeht!
Gute Intentionen
hingegen sind solche, wie die Gewohnheit des hochgebenedeiten
Propheten am Freitag zu befolgen,
die Moschee zu verherrlichen und das Haus Allahs zu verehren,
so dass man es nicht für in Ordnung hält, die Moschee zum
Besuche Allahs unparfümiert zu betreten. Man kann ferner die
Absicht haben, auf diese Weise seinen Nachbarn eine
Annehmlichkeit zu bereiten, damit es ihnen, wenn sie einen so
wohlriechenden Mann neben sich zu haben, in der Moschee besser
gefalle, oder es kann einer dadurch die üblen Gerüche
beseitigen wollen, die seiner Gesundheit schaden könnten, oder
er kann den Lästerern keinen Anlass zu übler Nachrede geben
wollen, die sonst wegen seinen üblen Geruches schlecht von ihm
reden und so seinetwegen Allah beleidigen würden. Wer nämlich
einer üblen Nachrede sich aussetzt, obwohl er es vermeiden
könnte, der gilt als Mitschuldiger bei dieser Sünde, wie es im
Verse heißt:
„Wenn du dich von
Leuten absonderst, und sie hätten bewirken können, dass du
dich nicht von ihnen entfernst, so sind sie es, die sich
absondern.“
Und Allah
ta’ala sagt:
وَلاَ تَسُبُّواْ الَّذِينَ يَدْعُونَ مِن دُونِ اللّهِ
فَيَسُبُّواْ اللّهَ عَدْوًا بِغَيْرِ عِلْمٍ
„Und schmähet
nicht diejenigen, die sie neben Allah anrufen, sie könnten
sonst Allah aus Unwissenheit schmähen.“
(Sure 6 Aya 108)
Damit hat er
angedeutet, dass das Anlassbieten zum Bösen etwas Böses ist.
- Oder man kann das Parfüm als Arznei für das Gehirn
gebrauchen wollen, damit man dadurch scharfsinniger und
intelligenter werde und seine religiösen Pflichten durch
Nachdenken besser erkennen könne. Sagt doch Imam Schafi’i (ra):
„Wohlgeruch mehrt den Verstand.“
Es wird einen
Verständigen nicht schwer sein, diese und ähnliche Intentionen
zu erwecken, wenn er ganz vom Geschäft des Jenseits und vom
Streben nach dem Guten eingenommen ist; ist er aber nur von
weltlichen Vergnügungen eingenommen, so werden solche
Intentionen bei ihm sich nicht einstellen, und wenn man ihn
auf sie aufmerksam macht, wird doch sein Inneres sich nicht
darnach richten, sondern sie werden bei ihm nur leere
Vorstellungen bleiben, das ist aber keineswegs eine wirkliche
Intention.
Die Zahl der
erlaubten Handlungen ist so groß, dass es unmöglich ist, für
alle die entsprechenden In-tentionen aufzuzählen. Man mache
also von diesem einen Fall die Anwendung auf die übrigen. So
sagt ein alter „Gnostiker“ (arif): „Ich liebe es,
bei allem eine Intention zu machen, selbst wenn ich esse und
trinke und mich niederlege und wenn ich auf den Abort gehen.“
Mit all diesem
kann man die Intentionen verbinden, Allah ta’ala nahe
zu kommen, denn alles, was den Körper erhält, und den Geist
von körperlichen Bedürfnissen frei macht, ist ein Hilfsmittel
für die Religion. Wer also die Absicht hat, durch das Essen
sich für den Dienst Allahs zu kräftigen und durch Ausübung,
des Beischlafes seine „Religion“ zu bewahren, das Herz seiner
Frau zu erfreuen und ein frommes Kind zu bekommen, auf dass es
Allah ta’ala nach seinem Tode diene und die Gemeinde
Muhammeds, des Hochgehbenedeiten, vermehrt werde, der
vollbringt mit dem Essen und dem Beischlaf ein gottgefälliges
Werk. Diese beiden sind zwar die stärksten sinnlichen
Ergötzungen, aber für den, dessen Herz ganz auf das Jenseits
gerichtet ist, ist es nicht unmöglich, mit ihnen eine gute
Intention zu verbinden. Desgleichen muss einer, wenn er
Vermögen eingebüßt hat, eine gute Meinung erwecken und
sprechen: „Es ist für den Weg Allahs.“ Und wenn
er erfährt, dass ein anderer ihn verleumdet hat, so soll er
sich damit trösten, dass dieser nun seine Verfehlungen tragen
wird, während ihm dessen Verdienste zu gute geschrieben
werden, und er soll das im Stillen tun, ohne etwas zu
erwidern. In einer Überlieferung heißt es: Ein Mensch wird zur
Rechenschaft gezogen und all seine Werke sind nichtig infolge
eines ihnen anhaftenden Mangels, so dass er die Hölle
verdient; da werden gute Werke von ihm entfaltet, die ihn des
Paradieses würdig machen. Er wundert sich über diese und
spricht:
„Diese Werke habe ich gar nicht verrichtet, o Herr.“
Man antwortet ihm: „Das sind die Werke derer, die
dich verleumdet und geschädigt und dir unrecht zugefügt
haben.“ (Abu Mansur)
In einer anderen
Überlieferung heißt es: „Ein Mensch kommt bei seiner
Auferstehung mit guten Werken, wie Berge so groß; würden sie
ihm zu Teil, so würde er ins Paradies eingehen. Es stellt sich
aber heraus, das er diesem Unrecht zugefügt, jenen gekränkt
und einen dritten geschlagen hat; da wird nun von seinen guten
Werken für dieses etwas abgeschnitten und für jenen etwas
abgeschnitten, bis für ihn kein gutes Werk mehr übrig bleibt.
Da rufen die Engel: Seine guten Werke sind zu Ende und es sind
noch weitere Gläubiger da. Da antwortet Allah ta’ala: Werft
von ihren Verfehlungen auf ihn, dann stoßt ihn in die Hölle.“
Nimm dich also ja
in acht, irgend eine deiner Tätigkeiten für geringfügig zu
halten, so dass du vor ihren Tücken und Schäden nicht auf der
Hut bist und keine Antworten bereit hältst für den Tag der
Rechenschaftsablegung. Denn Allah ta’ala schaut auf
dich und ist Zeuge und
مَا يَلْفِظُ مِن قَوْلٍ إِلَّا لَدَيْهِ رَقِيبٌ عَتِيدٌ
„Er (der Mensch)
spricht kein Wort, außer es ist bei ihm ein bereiter Wächter.“
(Sure
50 Aya 18).
Einer der
Früheren erzählt: Ich hatte etwas geschrieben und wollte es an
der Wand eines meiner Nachbarn abtrocknen, da bekam ich
Bedenken, sagte aber dann: „Ach was, Staub, was ist
Staub?“ und trocknete es ab. Da rief mir eine
geheimnisvolle Stimme (halif) zu. „Es wird
erfahren, der den Staub hat verachtet, wie schlimm morgen sein
wird die Rechenschaft.“
Es betete einmal
ein Mann mit Sufian al-Tauri und bemerkte, dass dieser seinen
Mantel verkehrt anhatte. Er machte ihn darauf aufmerksam, und
dieser streckte die Hand aus, um ihn richtig anzuziehen; dann
zog er die Hand wieder zurück und ließ ihn, wie er war. Als
der Mann ihn darüber befragte, antwortete er: „Ich habe
ihn angezogen für Allah und will ihn nicht in Ordnung bringen
für einen anderen.“
Hasan al-Basri
sagt: Am jüngsten Tage wird sich ein Mann an den anderen
heranmachen und ihm zurufen: „zwischen dir und mir ist
Allah.“ „Bei Allah, ich kenne dich nicht“,
erwidert dieser. „Doch“, entgegnet der
erste, „du hast einen Ziegelstein aus meiner Wand
genommen, du hast einen Faden aus meinem Kleid genommen.“
Diese und
ähnliche Überlieferungen machen das Herz vor Furcht vergehen.
Wer nun ein Mann von entschiedenem Ja und Nein ist und sich
nicht betören lässt, der schaue jetzt auf sich selbst und
fordere von sich genaue Rechenschaft, bevor man sie von ihm
fordert, er beobachte seinen Zustand und erwäge bei allem Tun
und Lassen zuerst, warum er sich betätigt, was er damit
bezweckt, was er dadurch für das Diesseits gewinnt und was er
für das Jenseits verliert, und worin er mehr Gewicht auf das
Diesseits legt als auf das Jenseits. Wenn er dann erkennt,
dass kein anderer Beweggrund als ein religiöser im Spiele ist,
so führe er aus, was er beschlossen und was er im Sinne hat.
Im anderen Fall aber halte er inne und prüfe noch einmal sein
Inneres, während er abwartet und innehält; denn die
Unterlassung des Handelns ist auch ein Handeln. Er muss ferner
eine richtige Meinung erwecken, auch darf keine heimliche
Leidenschaft, die er nicht bemerkt, dabei im Spiele sein. Er
lasse sich nicht täuschen durch die Außenseite der Dinge und
das Aufheben, das von manchen guten Handlungen gemacht wird,
sondern gehe den Dingen auf den Grund.
Es wird erzählt,
dass Zacharias (as) einmal eine Wand mit Lehm auszubessern
hatte, er war nämlich Tagelöhner. Als man ihm sein Essen
brachte, - er aß nur von seiner Händen Arbeit – traten Leute
zu ihm hinein, er forderte sie aber nicht zum Mitessen auf,
bis er selbst fertig war. Sie wunderten sich darüber, weil
ihnen seine Freigiebigkeit und seine Askese wohl bekannt war;
sie meinten eben, das Gute bestehe in der Aufforderung zum
Mitessen. Da sagte er: „Ich arbeite bei Leuten um Lohn, sie
haben mir nun zu essen gebracht, damit ich mich kräftige für
ihre Arbeit. Hättet ihr mitgegessen, so würde es weder für
euch noch für mich ausgereicht haben und ich wäre zu schwach
geworden für ihre Arbeit.“ So schaut der Verständige durch
göttliche Erleuchtung auf das Innere der Dinge. Denn die
Unfähigkeit zu arbeiten, wäre ein Mangel in der
Pflichterfüllung gewesen, die Unterlassung der Einladung zum
Essen hingegen war nur der Mangel einer rühmlichen
Eigenschaft; die letzteren dürfen aber mit den Pflichten nicht
auf eine Stufe gestellt werden. Es erzählte jemand: „Ich
kam zu Sufian bin Abd al-Rahman bin Asim, wie er gerade beim
Essen war. Er redete kein Wort zu mir, bis er seine Finger
abgeleckt hatte, dann sagte er: Hätte ich es nicht auf Borg
genommen, so hättest du auch davon essen müssen.“
Sufian al-Tauri
sagt: „Wenn jemand einen anderen zum Essen einlädt, ohne
dass es ihm mit der Einladung ernst ist, und der andere nimmt
die Einladung an und isst, so lastet auf dem ersteren eine
doppelte Schuld, und wenn er nicht isst, eine einfache
Schuld.“ Er meinte mit der einen Schuld die Heuchelei
und mit der anderen, dass er seinen Bruder zu etwas verleitet,
das ihm zuwider wäre, wenn er den wirklichen Sachverhalt
kennen würde. Auf diese Weise soll der Mensch bei allen
Handlungen seine Intention prüfen und nichts tun oder
unterlassen außer mit einer Intention. Und wenn sich keine
Intention bei ihm einstellt, so halte er inne, denn die
Intention lässt sich nicht willkürlich erwecken
(la tadhulu tahta ’l-ihtijar).