Ghazalis Werk
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Über Intention, reine Absicht und Wahrhaftigkeit

كتاب النية والإخلاص والصدق

Das 37. Buch von Ghazalis Hauptwerk

Übersetzt von Hans Bauer, Halle 1916

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Die reine Absicht, ihre Bedeutung, ihr Wesen, und ihre Grade

Über die verschiedenen Grade der Beimischungen und Mängel, welche die reine Absicht trüben

Die Mängel, welche die reine Absicht beeinträchtigen, sind teils offenkundig, teils verborgen; einige sind trotz ihrer Offenkundigkeit nur geringfügig, andere trotz ihrer Verborgenheit sehr bedeutend. Die verschiedenen Grade der Verborgenheit und Offenkundigkeit werden nur durch Beispiele verstanden. Der offenkundigste Schädling der reinen Absicht ist die Augendienerei. Wir wollen davon ein Beispiel anführen.

[Erster Grad]

Der Teufel sucht dem Betenden in der Weise zu schaden, dass er, wenn dieser in reiner Absicht bei seinem Gebete weilt und es schauen Leute auf ihn oder es kommt jemand herein, zu ihm spricht: „Verrichte dein Gebet recht schön, damit dieser Anwesende dich als würdigen und frommen Mann betrachte und dich nicht gering schätze und Übles von dir redet.“

Die Folge ist, dass nun seine Glieder eine fromme Haltung einnehmen, seine Extremitäten sich nicht rühren und sein Gebet schön ausfällt. Das ist offenbare Augendienerei (Scheinheiligkeit), die auch den Anfängern unter den Lehrlingen (muridiin) nicht verborgen bleibt.

[Zweiter Grad]

Weiß der Lehrling über diese Schädigung Bescheid und ist er vor ihr auf der Hut, so dass er darin nicht mehr dem Teufel folgt und auf ihn achtet, sondern in seinem Gebet fortfährt wie früher, so stellt er ihm das Gute vor und spricht: „Du dienst als Muster und Vorbild, man schaut auf dich; von dem, was da tust, geht eine Wirkung aus, und andere machen es dir nach. So kommt dir auch der Lohn für ihre Werke zu, wenn du es gut machst, und die Strafe, wenn du es schlecht machst. Mach also dein Werk vor ihnen gut, vielleicht ahmen sie dich nach in der frommen Haltung (Aus) und der schönen Ausführung der religiösen Handlung.“

Das ist schwerer zu erkennen wie das erste, und mancher lässt sich dadurch täuschen, der durch das erste sich nicht täuschen lässt. Aber auch dies ist pure Augendienerei und verdirbt die reine Absicht. Denn wenn er die fromme Haltung und die schöne Ausführung der gottesdienstlichen Handlung für ein so großes Gut hält, dass er es mit Rücksicht auf andere nicht unterlassen zu dürfen glaubt, warum hält er diese Unterlassung für sich selbst angebracht, wenn er allein ist? Der andere kann ihm doch nicht höher stehen als er sich selbst. Das ist also reiner Trug. Vorbild ist vielmehr derjenige, der in seinem Innern gerade ist, dessen Herz entflammt ist, so dass sein Licht auf andere überströmt; ihm wird dafür Lohn zuteil werden. Das hier aber ist eitel Heuchelei und Trug. Wer ihn zum Vorbild nimmt, der wird dafür belohnt, er selbst aber wird wegen seines Betruges zur Rechenschaft gezogen und dafür bestraft werden, dass er eine Eigenschaft zur Schau getragen, die er nicht besitzt.

[Der dritte Grad]

- er ist noch feiner als die vorausgehenden - besteht darin, dass der Mensch sich selbst in dieser Hinsicht prüft und die List des Teufels bemerkt und weiß, dass es reine Augendienerei ist, für sich allein sich anders zu betragen als im Beisein von Menschen, und dass er auch weiß, die reine Absicht besteht darin, sein Gebet für sich allein ebenso zu verrichten wie in der Öffentlichkeit, und dass er sich vor sich selbst und seinem Herrn schämt, im Beisein seiner Geschöpfe eine frömmere Haltung einzunehmen als er es sonst gewohnt ist; er nimmt sich daher, wenn er allein ist, zusammen, um sein Gebet recht schön zu verrichten, so wie er in der Öffentlichkeit es verrichtet haben will, und er betet dann auch in der Öffentlichkeit ebenso. Aber das ist gleichfalls versteckte Augendienerei. Denn er verrichtet sein Gebet für sich nur darum recht schön, damit es auch in der Öffentlichkeit schön sei; er macht also tatsächlich keinen Unterschied zwischen beiden, so dass ihn hier wie dort die Rücksicht auf die Geschöpfe leitet.

Die reine Absicht ist aber dann vorhanden, wenn es ihm völlig einerlei ist, ob unvernünftige Tiere oder Menschen ihn beim Beten sehen. Der eben Beschriebene möchte nur nicht gern sein Gebet vor der Öffentlichkeit schlecht verrichten, andererseits schämt er sich vor sich selber, als Scheinheiliger sich zu benehmen; dem glaubt er nun dadurch abhelfen zu können, dass er auch für sich allein ebenso betet wie in der Öffentlichkeit. Das ist aber verkehrt, sondern die Abhilfe besteht darin, dass er weder für sich noch in der Öffentlichkeit auf die Menschen achtet, so wie er auch nicht auf leblose Dinge achtet. Eine solche Person wird sowohl zu Hause wie in der Öffentlichkeit beherrscht von der Rücksicht auf die Menschen. Das ist so eine geheime List des Teufels.

[Vierter Grad]

noch feiner und verborgener. Es wird jemand von anderen beim Beten beobachtet. Der Teufel kann nicht zu ihm sagen: „Betrage dich recht fromm aus Rücksicht auf sie“; denn er weiß wohl, dass er diesen Kniff kennt. Darum sagt er zu ihm: „Denke an die Größe und Majestät Allahs und wer du bist, der vor ihm steht, und schäme dich, dass Allah auf dein Herz sieht, während er zerstreut ist.“ Er sammelt sich infolgedessen innerlich und nimmt äußerlich eine fromme Haltung an in der Meinung, dass solches wirklich reine Absicht sei, während es nichts wie Trug und Täuschung ist. Denn wenn seine fromme Haltung von der Betrachtung der göttlichen Majestät käme, so könnte er diese Erwägung auch, wenn er allein ist, anstellen, und sie wäre nicht gerade dann vorhanden, wenn andere Menschen da sind. Dass er von diesem Mangel frei ist, lässt sich daran erkennen, dass ihm dieser Gedanke beim Alleinsein ebenso vertraut ist wie in der Öffentlichkeit und dass die Gegenwart von anderen Menschen auf die Vergegenwärtigung dieses Gedankens ebenso wenig von Einfluss ist wie die Gegenwart eines Tieres. So lange er bei seinem Verhalten einen Unterschied macht, ob ein Mensch oder ein Tier auf ihn sieht, steht er noch außerhalb der Reinheit des ihres, innerlich beschmutzt mit dem versteckten Götzendienst der Augendienerei.

„Diese Abgötterei ist im Menschenherzen verborgener als der schwarzen Ameisentritt in finsterer Nacht auf hartem Gestein“, wie es in der Überlieferung heißt. Nur der ist vor dem Teufel sicher, der genau zusieht und das Glück hat, von Allah behütet, begnadigt und geleitet zu werden; sonst geht der Teufel denen, die dem Dienste Allah sich widmen, ständig zur Seite, ohne einen Augenblick von ihnen abzulassen, um sie zur Augendienerei zu verleiten in jeder einzelnen Betätigung, sogar im Schminken der Augen, im Schneiden des Schnurbartes, im Parfümieren am Freitag und im Tragen der Kleider. Diese Dinge sind zu bestimmten Zeiten Sunna, aber die Sinnlichkeit (nafs) hat daran eine geheime Befriedigung, weil sie die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich ziehen und die Natur sich daran gewöhnt hat. Da tritt nun der Teufel für diese Übungen ein und spricht: „Das ist eine Sunna, die du nicht unterlassen darfst“, und so lässt sich das Herz innerlich dazu bestimmen, durch jene geheime innere Neigung, oder diese ist wenigstens beigemischt, und es trifft infolgedessen auf sie die Bestimmung ihres nicht zu; denn was von all diesen Mängeln nicht frei ist, ist nicht "rein". Ebenso verhält es sich mit dem, der sich zurückzieht in eine vielbesuchte, schmucke, schöngebaute Moschee, in der die Natur sich behaglich fühlt; der Teufel ermuntert ihn dazu und stellt ihm die vielen Vorzüge der "Zurückgezogenheit" vor, während in Wirklichkeit das heimliche Motiv in seinem Innern das Behagen an der Form der Moschee ist und die Befriedigung, die seine Natur dabei genießt. Das zeigt sich darin, dass er mehr Neigung für die eine Moschee oder Örtlichkeit hat als für eine andere, weil die erstere schöner ist. All das ist eine Vermengung mit natürlichem Beiwerk und sinnlichem Schmutz und verdirbt das Wesen der reinen Absicht. So sind auch die fremden Bestandteile, die man dem reinen Golde beimengt, verschieden dem Grade nach, manchmal überwiegend, manchmal geringer, aber immerhin noch leicht erkennbar, manchmal aber so fein, dass nur ein gewiegter Münzkenner sie bemerkt; die Falschheit des Herzens dagegen, die List des Teufels und die Schlechtigkeit der sinnlichen Natur (nafs) sind viel versteckter und feiner. Deshalb heißt es: „Zwei Rakas bei einem Wissenden sind bes-ser als ein Jahr lang Gottesdienst bei einem Unwissenden“;

damit ist derjenige Wissende gemeint, der die feinen Mängel der Handlungen genau kennt, um sich von ihnen frei zu halten.

Denn der Unwissende sieht bei den religiösen Handlungen nur auf das Äußere und lässt sich dadurch täuschen, so wie der Tölpel bei einem gefälschten Dinar auf die rote Farbe und die Rundung sieht, und er ist doch unecht und an sich wertlos, so dass ein Karat reines Gold, das ein Münzkenner begutachtet hat, besser ist als ein Dinar, den ein unverständiger Laie für gut befindet. Derselbe Unterschied besteht bei den religiösen Übungen, ja er ist noch viel bedeutender. Es ist unmöglich, alle Stellen, an denen in die verschiedenen Arten von Handlungen eine Schädigung eindringen kann, im Einzelnen aufzuzählen. Man benutze die von uns angeführten Beispiele; dem Verständigen genügt ein weniges und er braucht nicht viel, den Toren bringt auch das Viele nicht zum Ziel, es wäre daher unnütz, ins Einzelne zu gehen.

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